von Eurich Lobenstein
Aktuell berichtet die Jüdische Rundschau über Rücktritte aus dem wissenschaftlichen Beirat des belgischen Holocaustmuseums in Folge eines Streits um Veranstaltungen zu den von Israel besetzten Palästinensergebieten. Nun ist ein solcher Ort eher kein Platz für die Diskussion aktueller israelischer Politik. Dieserart Irrtümer entstehen leicht deswegen, weil Israel sich teilweise aus dem Holocaust heraus legitimiert. Dadurch wird der Holocaust in einen Bezug gesetzt, in den er nicht hundertprozentig passt. Israel ist ein Neuanfang von 1948, weshalb es auch besser gewesen wäre, Adolf Eichmann nicht nach Jerusalem gebracht zu haben.
Man sagt Israel sei die einzige Demokratie in Nahost. Diese Behauptung erntet oft böse Kritik, wobei es auf die Maßstäbe ankommt, die man anlegt. Vergleicht man Israel mit den US-Bundesstaaten, dann bekäme Israel nur „Territory“- Qualität wie der Mormonenstaat Utah von vor 1895. Einen explizit „jüdischen“ US-Staat könnte es in den USA nicht geben. Trotzdem könnte ein reiner Mormonenstaat demokratisch verfasst sein.
So ist eigentlich alles auf der Welt. Man darf es nicht verabsolutieren. Selbst „überwertige Ideen“ erreichen den Grenzbereich geistiger Gesundheit (Oswald Bumke). Man sollte im aristotelischen Sinne alles hellenistisch hinterfragen, was die talmudischen Rabbiner oft ablehnen.
Gehen wir die Sache „karäisch“ an:
So ist es auch mit der Bundesrepublik Deutschland, die vom politischen Betrug mehr versteht als Israel. Egal, zu welchen Zeiten, Deutschland leitet seine Existenz betrügerisch ab. 1918 verschleierte man die Hälfte der U-Bootwaffe, die die demokratische Regierung nicht an die Alliierten ausliefern wollte (René Daveluy). Die Weimarer Verfassung setzte den autoritären Obrigkeitsstaat fort, statt die Demokratie zuzulassen. Man redet von „NS Diktatur“, während 92% der Deutschen mitdiktierten (Hildegard Hamm-Brücher). Verglichen mit Kasachstan erscheint die Bundesrepublik als Musterbeispiel für eine Demokratie. Aber, was nie so ungeschminkt hätte passieren dürfen: die Bundesregierung ließ eine Wahl in einem Bundesland „wiederholen“. Warum? Die demokratische Schminke des Systems war durch die Unterstützung des FDP-Kandidaten verwischt worden. Durch Merkels Eingreifen wurde erst deutlich, dass die staatstragenden deutschen Parteien höchst zentralistisch organisiert sind und den Föderalismus faktisch aushebeln. Angela Merkels Dummheit und ihr Fehlen an diplomatischem Geschick machen solche Verfassungswidrigkeiten offenbar.
1989 sind die „Ossis“ wie die Eingeborenen in Südwest-Afrika von damals über den Tisch gezogen worden. Die DDR wurde in 5 „neue“ Bundesländer zerlegt, obwohl man schon in den 50er Jahren Kleinstaaten zusammenfasste. Rein einwohnermäßig hätten aus der DDR nur zwei richtige Länder gemacht werden können: ein vollständiges Sachsen, das alle sächsischen Gebiete der Lutherzeit integriert hätte und ein Brandenburg, das sich an den Grenzen von 1630 westlich der Oder hätte orientieren müssen. So wie man die Länder Baden und Württemberg nach dem Reichskreis von 1499 zusammengelegt hatte, hätte man die Ossi-Länder organisieren müssen. Tatsächlich wurden sie zeitlich auf den Standard der 50er Jahre gestellt und haben nicht einmal den üblichen dreistufigen Verwaltungsaufbau. Eine Landeszentralbank bekam 1989 auch keines der „neuen Länder“. Faktisch wurden die neuen Länderchen nur „Bundesregierungsbezirke“. Dabei konnte die Bundesregierung sich auf die ähnlich betrügerische Weimarer Verfassung beziehen. Diese hielt das Mega-Bundesland Preußen aufrecht, teilte aber dessen Stimmen im Reichsrat zwischen Provinzen und dem „Bundesland“ auf, statt die Provinzen zu Bundesländern zu machen und Preußen aufzulösen. Und dabei wurde noch ein zweites Mal betrogen: während die bürgerliche, aber bevölkerungsreich Rheinprovinz nur ein Proto-Bundesland darstellte, gliederte man die konservativen ostelbischen Landesteile in kleine Provinzen wie Sachsen Anhalt, Niederschlesien, Ostpreußen etc.; diese Machtmanipulation, die zum Untergang Weimars führte, wurde von der BRD übernommen und wird wiederum die demokratische Entwicklung in ihr Gegenteil verkehren.
Denn: das deutsche Volk ist kein regierungsfähiges Volk, es ist nur ein regierbares Volk (vgl. Sebastian Haffner, Germany Jekyll and Hyde). Und von hier aus gesehen wird die ganze deutsche Vergangenheitsbewältigung lächerlich, die darin gipfelt, das Buch „Mein Kampf“ zu unterdrücken. Es ist der entscheidende Schlüssel für das deutsche politische Denken und das Verstehen der Vergangenheit.
Diese deutsche Gesamtlage spricht auch dafür, dass die deutsche Holocaust-Aufarbeitung ein großer Betrug sein könnte. Es ist jedenfalls der kriminalistischen Mühe wert, dem nachzugehen:
Man sucht noch immer nach einer direkten Anweisung Adolf Hitlers, den Holocaust zu veranstalten. Es wird sie schon deswegen nicht geben, weil der deutsche Mensch einer solchen Anweisung gar nicht bedurft hätte. Die Morde ergeben sich aus der Logik des Krieges und aus den Grundsätzen der deutschen Auftragstaktik, die in den engmaschigen Strukturen deutscher gesellschaftlicher Organisationen besser funktioniert als die in der westlichen Zivilisation übliche Befehlstaktik. Die vermeintliche Freiheit des deutschen Offiziers wird durch seine enge Verflechtung wieder aufgehoben.
Dass man eine ausdrücklich, von Hitler aus Hass gegen die Juden veranlasste Anweisung zum Massenmord eher nicht finden wird, ergibt sich auch aus Hitlers eigenem Verhältnis zu zwei Juden, denen er Abreise und Flucht vor der Gestapo ermöglichte: dem Arzt seiner Mutter, Eduard Bloch und seinem Vorgesetzten während des 1. Weltkriegs, Hugo Guttmann. Es wird auch im Rahmen der immer genaueren Forschung immer unwahrscheinlicher, dass Hitler schon vor 1919 Antisemit gewesen sei. Möglicherweise war er überhaupt kein Antisemit, sondern sah diese Einstellung rein werbetechnisch. In Mein Kampf lehnt es Hitler ab, an den religiösen Empfindungen eines Volkes zu kratzen. Daraus folgt, dass seine ganze Propaganda im Wesentlichen darauf aufbaut, alle völkischen Vorurteile und Gefühle zu kultivieren und in einen gedanklichen Kanal zu leiten. Gerard Mendels, dessen Psychoanalyse „ La révolte contre le père“ das Gegenteil beweisen will, stützt sich auf eine Auswertung von „Mein Kampf“ (1925), eine „Abrechnung“ Hitlers mit dem bürgerlichen Regime, dem er selbst zum Opfer gefallen war und das ihn 1924 in Haft hielt. Sie überzeugt nicht mit ihren vielen Vorbedingungen.
Hitlers „Mein Kampf“ hat zwei gedankliche Stützträger, die der Bayerische Freistaat als Erbe der Urheberrechte Hitlers für die Nachkriegszeit verschleiern wollte:
1. Mein Kampf sollte in erster Linie als Manuel der praktischen Massenpsychologie betrachtet werden und in einem Bücherschrank neben Gustave Le Bon und Scipio Sighele Platz finden. Von letzterem könnte Hitler auch die Idee von der „Weiblichkeit der Massen“ übernommen haben.
Insoweit ist es bedauerlich, dass das Werk Hitlers nicht beachtet wird. Hitler geht in der Beschreibung propagandistischer Fragen sehr ins Detail. So z. B. beschreibt er, dass ein Vortrag zum Frieden von Versailles Zwischenrufe wie „und wie war der Friede von Brest-Litowsk?“ provozierte, was er dadurch unterband, seine Vorträge fortan „Über die Friedenschlüsse von Versailles und Brest-Litowsk“ anzukündigen.
2. Der zweite Grundgedanke ist nichts anderes die Fortsetzung des Werkes von Carl v. Clausewitz „Vom Kriege“, dass Hitler um die damals (1830) nicht geschriebenen Kapitel zur Waffe der Propaganda im Volkskrieg ergänzt.
Von den vagen Vorstellungen konservativer Kreise sind Hitlers Ideen „Von der Politik“ abgeleitet. Sie sind auch in sich widersprüchlich wie es die konservative Gesellschaft in ihren Ideen auch ist: wenn etwa ein deutsches Bündnis mit Rußland deswegen ausscheidet (S. 749), weil dies sofort zu militärischen Maßnahmen des Westens führen müsse, dann folgt aus dieser Erkenntnis, dass der Westen genauso wenig einer Eroberung Rußlands durch die Deutschen zustimmen würde, wie sie Ribbentrop als Botschafter in England zu erreichen versuchte. Für den Westen wäre ein deutsch-russisches Gebilde so oder so eine Bedrohung. Wenn man allerdings Hitler an moralischen Maßstäben misst, entgehen einem diese offenen Gedankenfehler, gegen die die deutsche Politik von Weimar wie von heute (Nordstream) nicht immun sind.
Das zeigt, dass auch eine judeo- zentrierte Betrachtung des Holocaust vom Standpunkt der Opfer verständlich, das deutsche Wesen des Holocaust verdeckt. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern auch für die Zukunft gefährlich. Denn, ganz im clausewitzschen Sinne, wurde das deutsche Wesen über die Niederlage von 1945 hinweggerettet. Nach dem Krieg wurde ein Nazi wie Theodor Maunz bayerischer Kultusminister und sein verkappter Assistent, Roman Herzog, Präsident des Bundesverfassungsgerichts (und Bundespräsident). Alberner Weise lästern heute ein paar juristische Neulinge über Otto Palandt, übersehen aber, dass der Kommentar zum Grundgesetz von Theodor Maunz begonnen wurde.
Und es entgeht all diesen auch, dass Hitlers Antisemitismus ein (propaganda-) technischer war. Abgesehen von seinen allgemeinplätzigen Behauptungen zu „den Juden“ schreibt er (S. 128), daß „alle großen Volksführer es verstanden hätten, die Feinde eines Volkes als nur einen Feind darzustellen.“
Seine Wahl fiel auf „den Juden“, der die zweifelhafte Ehre bekam, durch seine Opferung „als Bauer“ den Deutschen einen sowjetischen Klassenkampf zu ersparen. Heute ist die etikettierte Freundschaft zu Israel auch nur technische Staatsraison, was den Deutschen erspart, die Ursachen des Holocausts und des Weges in den totalen Endsieg der anderen zu analysieren. Man lese hierzu Sigmunds Freud „Totem und Tabu“.
Oder man gucke Filme kritischer an: Im Film „der Aufstieg des Bösen“ gibt es eine Szene, wo Hitler (Robert Carlyle) bei den Hanfstaegls zum Entsetzen der Gastgeberin in bayerischer Volkstracht erscheint. Nach Überwindung dieses Schocks nimmt Hitler am Tisch Platz und wird von einem jüdischen Mitglied der Tafelrunde zu seinen antisemitischen Volks- und Hetzreden angesprochen. Hitler kann darauf nicht vernünftig antworten und schweigt eisig, bis der jüdische Gast sich zurückzieht. Hitler hätte ihm offenbaren müssen, dass sein Antisemitismus seine einzige Propagandamasche sei. Es war so, wie es Sebastian Haffner (in: Germany Jekyll and Hyde) darstellt, dass das ganze Regime auf allein dieser hitlerischen Werbung basierte. Rauschnigg berichtet, Hitler hätte ihm gesagt, dass er die Juden nicht ausrotten wolle, weil er sie dann neu erfinden müsse.
Jede Kritik am Antisemitismus gefährdete das auf „Volksaufklärung und Propaganda“ begründete Regime und die Kriegsführung, wie heute der Antisemitismus für die Staatsraison gefährlich ist. Frau v. Schirach, die bei einem Essen mit Hitler das Thema „Juden“ angeschnitten haben soll, wurde nie mehr eingeladen. Es gab sonst nichts Neues an politischen Ansichten und militärischen Ideen, um den neuen Krieg anders zu führen. Hitlers einzige Idee war, die Massen in destruktivem Judenhaß zu binden. Nur als Redner und Propagandist des Antisemitismus waren Hitler „der Führer“ und unersetzlich für seine Gefolgsleute. Keiner hätte für die NSDAP ohne Hitler die deutschen Massen für die NSDAP an die Urnen gebracht. Für den Staat wurde Hitler sodann die verdiente Katastrophe, verdient, weil auch ein Theodor Heuss als liberaler Reichstagsabgeordneter 1933 ohne Not, Notwendigkeit und Zwang für das Ermächtigungsgesetz stimmte, also für die Diktatur zwecks Eroberung des deutschen Großraums für das Volk.
In der Logik des Carl von Clausewitz (wie sie John Keegan in: Geschichte des Krieges beschreibt), hat der auf die Wahl Hitlers folgende Krieg nur als absoluter Krieg geführt werden können. Weil ein solcher Krieg auch den totalen Arbeitseinsatz erfordert, war er ohne Konzentrationslager nicht führbar. Die 10 Millionen Frontsoldaten mussten durch eine entsprechende Zahl von Zwangsarbeitern ersetzt werden. Niemals hätte er als ein der Politik untergeordneter Krieg nach Art der Kabinettskriege, des Krimkrieges oder des modernen Falklandskriegs Englands mit Argentinien geführt werden können. Mit der Rückeroberung der Inseln war der Falkland Krieg vorbei und eine Bombardierung von Buenos Aires etc. stand nie im Raum. Das deutsche Regime musste weitermachen, um den landwirtschaftlichen Lebensraum zu erobern.
Der 1939 losgetretene Krieg, sei es durch den konkreten Angriff auf Polen, sei es durch den Molotow Pakt, konnte nur zum „absoluter Krieg“ im Sinne Clausewitz ausarten, auch wenn er sich erst langsam dazu steigerte.
Für den Holocaust ist deswegen auch und letztlich Clausewitz geistig verantwortlich, dessen Werk nach wie vor in hohem Ansehen steht. Jean Lopez (in: Barbarossa 1941) weist auf den auftragskonformen Automatismus hin, der die Einsatzgruppen der Polizei und SS motivierte, nicht nur die Juden mit Funktionen in Partei und Sowjetstaat, sondern alle Juden zu liquidieren. Der „hitlerische“ Befehl ordnete keine Massaker wie solche von Babi Jar an.
Clausewitz befürwortet in seinem Nachwort auch den totalen Untergang, weil er die Ehre der kämpfenden Armee für eine spätere Zeit bewahre. Hier liegt der ganze Irrsinn deutscher Kriegstheorie, die Hitler zwar praktisch umgesetzt hatte, aber theoretisch immer noch im Raum steht. Wer Carl von Clausewitz Werk zu verlegen erlaubt, darf nicht den Vertrieb von Hitlers Buch unter Strafe stellen.
Und hier liegt auch die weitere Problematik von Clausewitz und deutscher Wehrpolitik. Nach 1945 erschien ein potenzieller Krieg weiterhin nur als ein totaler (Atom-)Krieg im Bereich des Möglichen, was die Clausewitz-Hitlerischen Militärideen fortleben ließ. Daher auch das zähe Festhalten an der Wehrpflicht, um „die uns die anderen Völker beneideten“ (Angela Merkel) würden. Angeblich.
Ehre wem Ehre gebührt, jedem das Seine. Heuchlerische Empörung hilft nicht weiter. Eine kriminalistische Analyse des kriminellen deutschen Staatswesens ist überfällig. Das heißt auch: der Holocaust ist noch lange nicht aufgearbeitet.