von Internationale Liga für Menschenrechte
Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille und EU-„Human-Rights-Defender“ Abdallah Abu Rahmah wieder von Haft bedroht
Die Liga protestiert gegen die anhaltenden Verletzungen der universell verbrieften Grund– und Menschenrechte der Palästinenser durch die Regierung Israels. Desgleichen richtet sich der Protest auch gegen die stillschweigende Tolerierung der Selbstermächtigung Israels zur Suspendierung des Völkerrechts durch die Regierungen der USA und EU–Staaten.
Abdallah Abu Rahmah ist in Deutschland als langjähriger Aktivist des gewaltfreien palästinensischen Widerstands bekannt, der sich gegen die 700 km lange und 8 Meter hohe Mauer wendet, die Israel jenseits seiner international anerkannten Landesgrenzen auf dem Territorium der Westbank sowie um den Gazastreifen herum errichtet hat.
Im Jahre 2005 rief Abu Rahmah im palästinensischen Dorf Bil’in gemeinsam mit anderen Dorfbewohnern das Bürgerkomitee des friedlichen Volkswiderstands ins Leben, das von ihm seitdem koordiniert und von zahlreichen israelischen und internationalen Menschenrechts- und Friedensorganisationen unterstützt wird.
Die Liga zeichnete 2008 das Bil’iner Komitee und die israelische Initiative „Anarchists Against the Wall“ mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille aus. In der Begründung hieß es u. a.: “Ganz im Sinne Carl von Ossietzkys praktizieren die beiden ausgezeichneten Gruppen eine Kultur der Begegnung und Solidarität; sie demonstrieren bewusst, dass ein Zusammenleben von Palästinensern und Israelis in Freiheit und Frieden möglich ist.“
Abu Rahmah wurde am 10. Mai 2012 auf einer Demonstration festgenommen. Anlässlich des 64. Gedenktages der Vertreibung von 750.000 Palästinensern aus den ihnen seit Jahrhunderten angestammten Gebieten versammelten sich DemonstrantInnen in Beitunia, unweit des israelischen Militärgefängnisses Ofer, um gleichzeitig ihre Solidarität mit den Tausenden palästinensischen Gefangenen auszudrücken, die bereits mehrere Wochen im Hungerstreik gegen die Haftbedingungen waren.
Allein die Teilnahme an einer Demonstration verstößt gegen die Militärverordnung Israels in den besetzten Gebieten. Palästinensern ist jede Form der Erhebung und der Mobilisierung zum politischen Protest untersagt. Als Straftat wertete die israelische Besatzungsarmee, dass Abu Rahmah sich Bulldozern in den Weg stellte, die Betonblöcke zur Errichtung von Straßensperren anlieferten. Gegen eine Kaution kam er wenige Stunden nach seiner Festnahme vorerst wieder frei. Im Februar 2013 wurde ein Strafverfahren gegen ihn wegen Behinderung eines Soldaten bei der Ausübung seines Militärdienstes eröffnet.
Am 21. Oktober 2014 sprach ihn das Militärgericht schuldig. Das Strafmaß soll am 8. Februar 2015 verkündet werden. Knapp vier Jahre nach Verbüßung einer mehr als einjährigen Haftstrafe im Ofer-Gefängnis von Dezember 2009 bis März 2011 droht dem 44 Jahre alten Lehrer für arabische Literatur und Vater dreier Kinder abermals die Inhaftierung für mehrere Monate bis zu einem Jahr.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Erklärung der Hohen EU-Außenvertreterin Cathrine Ashton im August 2009, anlässlich der Verurteilung Abu Rahmahs wegen Aufwiegelung und Organisation von Protestdemonstrationen in Bil‘in . Die EU, heißt es dort, erachte Abdallah Abu Rahmah als „Human Rights Defender“, der dem gewaltfreien Protest gegen den Verlauf der israelischen Trennmauer durch sein Dorf Bil’in in der Westbank verpflichtet sei. Der Verlauf der Mauer werde auch von der EU als illegal erachtet, „sofern diese auf palästinensischem Land gebaut ist“. Es sei daher beunruhigend „dass eine mögliche Inhaftierung von Herrn Abu Rahmah in der Absicht geschehe, ihn und andere PalästinenserInnen daran zu hindern, ihr legitimes Recht wahrzunehmen und gewaltfrei gegen den Tatbestand der Trennmauer zu protestieren.“
Internationale Menschenrechtsorganisationen und Persönlichkeiten stellten einstimmig fest: Die demütigende Festnahmen von Koordinatoren und Aktivisten des gewaltfreien Widerstands gegen die Mauer durch die israelische Besatzungsarmee vor deren Familien diene vorrangig dem unhaltbaren Ziel, die weltweit mit viel Sympathie bedachte Bewegung des friedlichen Volkswiderstands in den besetzten Gebieten zu desavouieren und letztlich zu zerschlagen.
Die neuerliche Schikanierung Abu Rahmahs muss als Versuch der israelischen Regierung beurteilt werden, den vom südafrikanischen Apartheidgegner und Friedensnobelpreisträger Erzbischof Desmond Tutu als „Gandhi der besetzten Gebiete“ titulierten Koordinator des palästinensischen Volkswiderstands, wenn schon nicht physisch zu liquidieren, so doch psychisch zu zermürben. Sein leidenschaftliches Engagement für Menschenrechte, für die Aufhebung der Besatzung und für die nationale Selbstbestimmung seines Volkes ist den Regierenden in Israel ein dauerhaftes Ärgernis. Ist doch sein gewaltfreier Widerstand geeignet, die von der israelischen Besatzungsmacht rassistisch motivierte Stigmatisierung des palästinensischen Protests als gewalttätig eindrucksvoll zu widerlegen. Zu Recht stellt daher Abu Rahmahs Verteidigerin, Gaby Lasky angesichts seiner neuerlichen Verurteilung fest: „Gegen die Besatzung zu demonstrieren kann kein Straftatbestand sein. Abdallah für schuldig zu befinden zeigt nur, dass die israelische Armee ein Werkzeug ist, die Besatzung aufrechtzuerhalten.“
Das Oktoberurteil bewog Amnesty International zu einer „Urgent Action“ bis 31. Januar 2015 aufzurufen und zu erklären, dass Abdallah Abu Rahmah im Falle einer Verurteilung als „gewaltloser politischer Gefangener“ Israels anzusehen sei.
Bedrückend ist die Tatsache, dass die meisten EU-Regierungen auf die anhaltenden Verstöße der israelischen Regierungen gegen Internationales Rechts und universell verbriefte Grund– und Menschenrechte nur sehr verhalten oder gar nicht reagieren. Die Verteidigung des Völkerrechts wird Nichtregierungsorganisationen, Parteien und AktivistIinnen der Zivilgesellschaften überlassen.
Die Liga fordert die Bundesregierung und namentlich Außenminister Walter Steinmeier auf, sich nachdrücklich und öffentlich sichtbar für die Achtung der als Internationales Recht universell verbrieften Grund– und Menschenrechte auch in den von Israel besetzten Gebieten einzusetzen.
Die unveräußerlichen Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit müssen auch für PalästinenserInnen garantiert sein. Deshalb ist die Bundesregierung gehalten, die Kriminalisierung gewaltfreier Demonstrationen durch Israel zu rügen und auf die Einstellung des Verfahrens gegen Abu Rahmah hinzuwirken. Zumindest erwartet die Liga, dass der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Israel die Vorgänge auf dem Militärgericht am 8. Februar genau beobachtet und gegen prozessuale Ungreimtheiten und Menschenrechtsverletzungen protestiert.