Moshe Arens, Israels früherer Außenminister und Verteidigungsminister, ein äußerst rechts stehender und denkender Politiker, meinte in einem überheblich-arroganten Kommentar in der liberalen Tageszeitung Haaretz, dass Barak Obama die iranischen Politiker nicht kennt und nicht weiß, mit wem er es zu tun hat. Er wollte damit sagen, dass das theokratische Regime im Iran nicht mit dem aufgeklärten, demokratischen Regime in Israel verglichen werden kann.
Ich denke aber, dass Obama sehr gut weiß, mit wem er es auf der iranischen Seite zu tun hat. Mit fanatischen aber auch pragmatischen Menschen, die sehr genau wissen was sie wollen und wie sie es erreichen, mit Menschen aber, die die Existenz ihres Staates nicht leichtfertig auf´s Spiel setzen würden. Der Iran ist immerhin schon eine Jahrtausend alte Kultur, die nicht von leichtfertigen Selbstmördern mutwillig zerstört werden kann.
Wenn Obama etwas nicht weiß, dann wohl mit wem er es in Israel zu tun hat, weil Benjamin Netanjahu und seine ganze Gefolgschaft äußerst fanatisch, nationalistisch, dogmatisch und alles andere als pragmatisch ist. Israel ist kollektiver Selbstmord eher zuzumuten, zumal der Mythos vom kollektiven Selbstmord der letzten Zeloten auf Massada eines der wesentlichen Stoffe ist, die in Israels Schulen gelehrt werden. Und auch Samsons Kollektiv Selbstmord mit den Philistern ist Teil des Lehrstoffes, der Israels Schülern eingetrichtert wird.
Netanjahu und sein Kabinett nennen die iranische Führung Hitler, nachdem sie auch Arafat, Nasser und Saddam Hussein mit Hitler verglichen hatten. Mit solchen Vergleichen ist man in Jerusalem sehr schnell, leichtfertig und selbstgerecht, aber offensichtlich haben sie alle keinen Spiegel zuhause, in dem sie ihr eigenes Konterfei betrachten könnten, um zu sehen wer sie sind und was aus ihnen inzwischen geworden ist.
Angeblich hat Obama und die anderen Präsidenten und Ministerpräsidenten, die mit dem Iran verhandelt haben, darunter Deutschland, Frankreich und England, nach Ansicht der Israelis, den Iranern eine „Lizenz zum Töten“ in die Hand gegeben. Wenn der Besitz von Atomenergie und die Fähigkeit Atomwaffen zu bauen, eine „Lizenz zum Töten“ ist, dann besitzt Israel diese Lizenz schon seit Jahren. Warum sollte die Weltgemeinschaft Israel mehr vertrauen als dem Iran? Amos Gilad, Direktor im Verteidigungsministerium, ging sogar noch mehr ins Detail und verglich das Iran-Abkommen mit einer „Lizenz zum Töten wie in einem James Bond-Film.“ Israels Lizenz ist nur mit einem billigen Wildwest Film zu vergleichen, in dem die Indianer in Massen getötet werden und John Wayne alias Benjamin Netanjahu am Ende der Held ist.
Netanjahu wirft Teheran vor einen weiteren Holocaust für den jüdischen Staat vorzubereiten. Dabei hat Teheran die Bombe noch nicht und Israel sitzt auf 200 fertige Bomben, mit denen es die ganze Welt vernichten könnte. Israel weigert sich auch dem Atomsperrvertrag beizutreten und droht sogar offen und zwischen den Zeilen, dass es davon Gebrauch machen wird, wenn die Existenz des jüdischen Staates in Gefahr geraten sollte.
Unser Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sollte zuerst vor seiner eigenen Tür kehren, bevor er den Iran auffordert das „Existenzrecht“ Israels anzuerkennen. Man hat sich schon so sehr an dieses in Zusammenhang mit Israel unsinnige Wort „Existenzrecht“ gewöhnt, dass selbst ein Bundesminister, der doch sicher auch seine Berater hat, sich nicht entblödet es zu benutzen. Es geht nicht um Israels Existenzrecht, Israel existiert und sogar sehr gut und ist nicht auf die Anerkennung des Irans oder irgendeines anderen Staates und schon gar nicht auf die der Palästinenser angewiesen.
Wenn aber Gabriel schon von Existenzrecht spricht, dann sollte er auch vom Existenzrecht der Palästinenser sprechen, die auf die Anerkennung dieses Rechts mehr angewiesen sind als die Israelis. Er sollte dafür sorgen oder zumindest dafür kämpfen, dass Deutschland endlich Palästina anerkennt und aufhören die Palästinenser auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu vertrösten. Die Worte der Kanzlerin sind schon längst unerträglich, weil sie heuchlerisch, selbstgerecht und zynisch sind.
So wie Deutschland angeblich für die Sicherheit Israels Verantwortung empfindet, so hat der Iran „im Nahen Osten eine vollkommen andere Politik“, nämlich Verantwortung für die Sicherheit der Palästinenser. Die überhebliche Politik Merkels und auch Gabriels geht aber davon aus, dass ihre Politik richtiger, moralischer und humaner ist, als die Politik des Iran. Woher nimmt sie diesen Glauben? Mag sein, dass Israel so denkt, aber Israel ist einseitig und engstirnig und zu einem Umdenken und Denken überhaupt, grundsätzlich nicht fähig.
Dieser Trend geht freilich durch alle Parteien, selbst die Linken sind der Meinung, dass Israels Sicherheit deutsche „Staatsräson“ ist. Wie ernst sie es meinten und meinen, zeigt doch die Tatsache, dass sie alle bei erster Gelegenheit Israels Sicherheit pragmatisch zur Seite legten und alle miteinander versucht haben mit dem von Sanktionen bald befreiten Iran ins Geschäft zu kommen. Das nennt man „Realpolitik“ und im Gegensatz zu den Träumereien der Kanzlerin und des Vorsitzenden der Fraktion der Linken, ist diese Politik tatsächlich real. Helmut Schmidt, der legendäre sozialdemokratische Kanzler, hat schon immer gesagt, dass Angela Merkel nicht wusste, was sie da gesagt hat. Wie kann man eine Garantie für die Sicherheit eines Staates geben, dessen Interessen denen Deutschland konträr sind?
Auch Deutschlands Politiker wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben, wenn es um Israel geht. Sie erkennen nicht wie falsch und dogmatisch Israels Politik ist und wie leichtsinnig und verlogen Israels Politiker sind. Sie verlangen von den Palästinensern, dass diese Israel, als jüdischen Staat anerkennen, denn Israel hat in der Tat keine Israelis als Staatsbürger, sondern nur Juden, Christen und Araber. Warum sie die Araber nicht durch ihre Religion definieren, sondern durch ihre ethnische Abstammung, bleibt das Geheimnis der Zionisten. Möglicherweise ist die Bezeichnung „Jude“ im israelischen Personalausweis auch nicht als Hinweis auf die Religion gedacht, sondern auf die ethnische Abstammung. Problematisch ist es bei all den Konvertiten, bei denen die Bezeichnung „Jude“ keinen Hinweis auf deren ethnische Abstammung gibt.
Ein demokratischer Staat sollte sich nicht mit einer religiösen oder ethnischen Gruppe identifizieren. Der Staat sollte niemandes und jedermanns Staat sein. Israel ist zweifellos der demokratischste Staat im Nahen Osten, im Vergleich zu solch brutalen Systemen wie in Syrien, Ägypten, Saudi Arabien, Irak oder Jemen. Selbst verglichen mit der Türkei ist Israel eine leuchtende Demokratie. Dennoch orientierte sich Israels Demokratie sehr bald an Prinzipien, die alles andere als liberal waren. Israel wurde mehr und mehr ethnisch-religiös. Israel ist ein jüdischer Staat für Juden, der von Juden geführt, verwaltet und kontrolliert wird. Vom Staat bezahlte Rabbiner entscheiden, wer heiraten darf und wer nicht und ob nichtjüdische Gäste in den Hotels am Samstag ein gekochtes Ei zum Frühstück bekommen. Rührei mit Speck ist ja sowieso verboten, weil es nicht „kosher“ ist.
Die israelische Demokratie ist eine Demokratie ohne Liberalismus. Nichtjuden sind in Israel ausgeschlossen. Gegenwärtig stehen Gesetzesvorhaben zur Diskussion, die den demokratischen Charakter des Staates durch einen jüdischen Charakter ersetzen sollen. Ein Staat aber, der Rassismus zu einem natürlichen Bestandteil seiner Amtsgeschäfte macht, ist kein demokratischer Staat.