Meinungsfreiheit für alle

Broder schreibt: „Die Kairoer Erklärung fußt vom ersten bis zum letzten Absatz auf der Scharia und stellt fest, diese sei die “einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung”, das Recht auf freie Meinungsäußerung etwa gilt nur insoweit, wie es nicht die Grundsätze der Scharia verletzt. Es sei verboten, “die Heiligkeit und Würde der Propheten zu verletzen, die moralischen und ethischen Werte auszuhöhlen und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu korrumpieren, ihr zu schaden oder ihren Glauben zu schwächen”.

Das ist genau das, was auch Broder in Bezug auf Israel und Zionismus sagt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung etwa gilt für ihn nur und insoweit, wie es nicht die Grundsätze des Zionismus und der zionistischen Propaganda verletzt. Ansonsten sei es verboten die Heiligkeit und Würde des Zionismus und der zionistischen Propheten zu verletzen, die moralischen und ethischen Werte des Zionismus anzuzweifeln und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu korrumpieren, ihr zu schaden oder ihrem Glauben zu schwächen. Es ist allerdings erlaubt, wenn nicht gar geboten, die Elemente aus der Gesellschaft zu entfernen, die den Zionismus schwächen und ihm schaden. 

Ein anderer aus der Broder Truppe, der zum skandalösen Zurückziehen eines Islamismus kritischen Wagens aus dem Rosenmontag-Zug  folgendes schreibt: „Ein Karikaturist mit Bleistiftgürtel und roter Knollennase, der eine Friedenstaube gemalt hat, stopft seinen Stift in den platzenden Gewehrlauf eines bärtigen Kriegers mit Dynamitstangen um den Bauch, dem Idefix ans Bein pinkelt. Hinter dem Karikaturisten sind die Gesichter der im Januar 2015 ermordeten französischen Künstler zu sehen. Der Motivwagen steht somit für Frieden, Meinungsfreiheit und das Recht auf Satire ein und spricht sich gegen Krieg, Gewalt, Fanatismus und Fundamentalismus aus. Diese Aussage hat das Kölner Festkomitee aussortiert! Sie glauben, diese Entscheidung sei klug. Ich glaube, nein, ich bin mir sicher, es ist die widerlichste Entscheidung, die das Festkomitee seit 1948 gefällt hat. Diese Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht all jener Jecken, die an den befreienden Moment glauben, der im Lachen wohnt. Es ist eine Kapitulation vor der Angst und ein Verrat am Karneval.“

Beide, Broder und sein Nachahmer, würden es super finden, was der Oberbürgermeister der Stadt Neuss diese Tage entschieden hat, nämlich eine Vortragsreihe über den Nahost-Konflikt abzusetzen, weil die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf dagegen protestiert hat. Und auch sie glauben, dass diese Entscheidung klug ist, insbesondere, weil der Bürgermeister bei dieser Gelegenheit mitgeteilt hat, dass er die Vortragsreihe zusammen mit der Jüdischen Gemeinde neu ausrichten will. So macht man den Bock zum Gärtner und glaubt, dass dabei Fairness und Gerechtigkeit entsteht.

Wenn demnächst die Stadt Neuss (oder auch Düsseldorf) eine Vortragsreihe über den Holocaust machen will, dann wird sie wohl die Holocaust-Leugner zur Mitarbeit einladen. Oder vielleicht doch nicht?

Was dieser Tage in Köln und in Neuss geschah ist nicht mehr lustig und hat mit dem Geist der Freiheit und Unabhängigkeit nichts mehr zu tun. Unsere Kultur und Politik soll demnächst von den Vertretern der Jüdischen Gemeinden ausgerichtet werden, abgesegnet von schwachsinnigen linken Abgeordneten, die jede auch leise geäußerte Kritik gegen Israels Politik als Antisemitismus ablehnen. Es geht so weit, dass man einem Referenten Antisemitismus vorwirft, weil er von der „völkerrechtlich widerrechtlichen Besatzung“ des Westjordanlandes gesprochen hat. Wir sind bereit, andere Meinungen zu akzeptieren und wenn es sein muss zu widersprechen, aber die rote Linie ist da, wo Tatsachen verleugnet oder bewusst ignoriert werden.  Genauso wie wir ablehnen, über die Legitimation Israels zu diskutieren, weil für uns Israel existiert, wenn auch mit einer fürchterlich chauvinistischen Politik, genauso finden wir es absurd mit jemanden zu diskutieren, der die Besatzung Palästinas nicht sehen will und radikal leugnet.

Debatten, besonders wenn sie kontrovers sein sollen, kann man nur auf der Basis der realen Verhältnisse führen und nicht, wenn man sich etwas vormacht und auch noch versucht, dem Publikum etwas vorzumachen.

Es ist höchste Zeit, dass auch die LINKE erwacht und sich von dieser antideutschen und lächerlich pro-zionistischen Einstellung trennt und die Mitglieder, die das tun, in die Wüste schickt, zu den Palästinensern, die ihnen vorführen werden, was israelische Politik heute anrichtet.

Ein Gedanke zu „Meinungsfreiheit für alle

  1. Sehr geehrter Herr Melzer,

    mit großem Interesse verfolge ich seit längerer Zeit sowohl Ihre Beiträge wie auch die von Henryk M. Broder. Als geschichtlich und politisch interessierter Zeitgenosse schaue ich auch mit großem Interesse auf Debattenbeiträge zum Themenbereich Zionismus. Dass eine freie Ausübung der Meinungsfreiheit im Rahmen des gebotenen Anstands nicht möglich ist, musste ich über die Jahre erkennen. Die Schatten des Dritten Reichs und hier besonders Auschwitz reichen sehr weit und bedingen eine Selbstzensur und Selbstbeschneidung der Deutschen, die immer wieder beklagt wird.

    Drei Themenbereiche unterliegen einer Tabuisierung bzw. einer besonderen Sensibilität in Deutschland

    1. Die Gefühle Mitglieder jüdischer Gemeinden sind unverletzlich.
    2. Der Respekt vor dem Islam erfordert einen äußerst sensiblen Umgang mit Fragen, die diese Religion betreffen
    3. Die politischen Eliten Deutschlands (führende Mitglieder koalitionsfähiger Parteien, Chefredakteure bedeutender Massenmedien, Bundesverfassungsrichter) erwarten den Beifall ihrer politischen Sicht, den sie als Gegenentwurf zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft ansehen.

    Alle drei Gruppierungen verfügen in Deutschland über ein machtvolles Instrumentarium zur Durchsetzung ihrer Auffassung in der Bevölkerung:

    Mitglieder jüdischer Gemeinden verfügen mit dem Vorwurf des „Antisemitismus“, der gegenüber legitimer Kritik nicht abgrenzbar ist, über ein weites Feld, Kritikabwehr zu betreiben. Mit dem Wort „Islamophobie“ ist zur Abwehr von Kritik am Islam ein vergleichbares Mittel der Selbstzensur entwickelt worden. Die dritte Gruppe vermag mit Hilfe des „Rassismus“-Vorwurfs alle Kritik abzuwehren, die über das hinausgeht, was die Eliten an Kritik zulassen.

    Als höherwertiges Ziel, das über dem Recht der freien Meinungsäußerung nach Artikel 5 GG steht, verweist Hillgruber (FAZ, 28.01.2015) auf die Notwendigkeit eines „friedlichen wenn nicht Mit-, dann doch wenigstens Nebeneinander verschiedener religiöser und weltanschaulicher Bekenntnisse in der staatlichen verfassten Gemeinschaft.“

    In der Folge bedeutet dies, dass keines der zentralen Tabus dieser drei Gruppen verletzt werden darf ohne Gefahr zu laufen, sich wegen Volksverhetzung oder Blasphemie vor Gericht verantworten zu müssen, weil der öffentliche Frieden nicht gefährdet werden darf.

    Die Sicht der christlichen Kirchen, auf Provokationen oder Tabubrüche weder mit Gewalt noch mit Hilfe des Strafrechts zu reagieren sollte nicht in gleicher Weise seitens der ersten beiden Gruppen erwartet werden. Wiederholt bekannte der Zentralrat der Juden seit Ignaz Bubis seinen Schulterschluss zwischen Juden und Moslems in Deutschland.

    Henryk M. Broder

    Aufgrund seiner Kenntnisse und seiner Sprachgewandtheit gehört Henryk M. Broder zweifellos zu den interessantesten Zeitgenossen unserer Zeit. Einerseits verteidigt er mit „Klauen und Zähnen“ die Politik Israels , die nahezu einen Gegenentwurf zur Politik der deutschen Eliten darstellt, wie Michael Wolffsohn wiederholt beschrieb und überzieht jeden unliebsamen Kritiker mit Verbalinjurien aller Art – das Verdikt „Antisemitismus“ liegt sehr nahe – und gleichzeitig fordert er im Namen der Aufklärung, dass wir Deutsche keine „Appeasement-Politik“ gegenüber dem Islam betreiben sollen, uns also vor einer weiteren „Islamisierung“ im Interesse der Aufklärung schützen sollten.

    Die Grenzen der Kritik für deutsche Eliten

    Kritik an der jüdischen Mythologie oder der Politik Israels sollte m.E. tatsächlich nicht seitens deutscher „Eliten“ betrieben werden, da der fatale Antisemitismusvorwurf weltweit rasch weitreichende Folgen haben würde. Der besondere Schutz des Islam wiederum ist ebenfalls aus mehreren Gründen geboten, wollen sie sich nicht einem „Rassismusvorwurf“ einhandeln, der nahezu ebenso schwer wiegt wie der des Antisemitismus.

    „Das darf man als Deutscher aber nicht sagen“

    Deutsche fühlen sich aufgrund der o.a. Gegebenheiten in besonderem Maß in ihrer Meinungsfreiheit beschränkt. Die großen Debatten über Sarrazin, Pegida usw. in den Internetforen großer Tageszeitungen zeigen, dass die Mehrheit der Forenbeiträge in erheblichem Umfang von den Forderungen der drei Gruppen abweichen, dass die geäußerten Meinungen durchaus auf Eigenständigkeit des Denkens im Sinne des „sapere aude“ verweisen. Vielen Bürgern fehlt der Mut, sich offen zu seiner Meinung zu bekennen aus Angst, missverstanden zu werden. Die Verdikte Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit liegen sehr nahe – oder gar übleres.

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