von Ludwig Watzal
Das vorliegende Buch ist erstmals 1974 auf Hebräisch im Eigenverlag erschienen, da kein israelischer Verleger den Mut hatte, es zu publizieren. 1975 erschien es auf Englisch unter dem Titel „With My Own Eyes“ bei Ithaka Press in den USA. Jetzt liegt es auf Deutsch im Cosmics Verlag vor, der von Abraham Melzer gegründet worden ist. Dort erscheint zur Frankfurter Buchmesse auch das neue Buch von Ilan Pappè unter dem Titel „Was ist los in Israel?“
Felicia Langer schreibt über ihre Erfahrungen mit der Militärgerichtsbarkeit in Israel nach der Eroberung Restpalästinas und der Golan-Höhen im Sechs-Tage-Krieg von 1967. Die Verletzung der Menschenrechte der Palästinenser, die Dehumanisierung der Menschen, die Verstöße gegen das Völkerrecht und die Kolonisierung der besetzten palästinensischen Gebiete erfolgten unmittelbar nach Beendigung des von Israel angezettelten Präventivkrieges im Juni 1967.
Fortan verteidigte Felicia Langer vor „Pseudo-Gerichten“, den so genannten „Kangaroo Courts“, vor denen das Recht bis heute beleidigt wird, Palästinenser. Für diesen überaus mutigen Einsatz und ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit über die tatsächliche Lage in Palästina und ihrer ehemaligen Heimat Israel wurde sie mit zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen bedacht, darunter auch das Bundesverdienstkreuz. Diese Verleihung durch Bundespräsident Horst Köhler führte zu einer beispiellosen Hetzkampagne der jüdisch-zionistischen Lobby und ihrer deutschen Helfershelfer. Die Hautvolee der zionistischen Funktionäre erdreistete sich sogar, Bundespräsident Köhler zu erpressen, indem sie ihn aufforderten, Felicia Langer das Bundesverdienstkreuz nicht zu verleihen, da sonst einige dieser Maulhelden das ihre zurückgeben würden. Köhler blieb jedoch bei seiner Entscheidung, trat aber kurz darauf von seinem Amt zurück. Die Gründe für diesen Rücktritt bleiben bis heute im Dunkeln.
Vor diesen Pseudo-Gerichten hat Felicia Langer immer nur kleine Erfolge feiern können, meistens waren es Niederlagen, die ihr durch arrogante „Militärrichter“ beigebracht worden sind. Bis 1990 hat sie diese Demütigungen ertragen, bis sie Knall auf Fall ihre Kanzlei geschlossen hat und mit ihrer Familie nach Deutschland ausgewandert ist. Seitdem lebt sie in Tübingen und hat die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.
Den erschütternden Berichten ist ein Vorwort des Verlegers, Abraham Melzer, und Israel Shahaks, des damaligen Vorsitzenden der Liga für Menschen- und Bürgerrechte in Israel, vorangestellt. In beiden Vorworten kommt die Hochachtung für den Mut und die rastlose Aufopferungsbereitschaft für die Rechte der Palästinenser durch Felicia Langer zum Ausdruck. Israel Shahak zählte sich zu den Freuden und Bewunderern von Felicia Langer, trotz völlig unterschiedlicher politischer Auffassungen.
„Trotz unserer tiefen politischen Differenzen – Felicia Langer ist Kommunistin, ich hingegen bin Gegner sowohl des Kommunismus als auch des Marxismus – arbeite ich seit einigen Jahren eng mit Felicia Langer zusammen und zögere keinen Moment zu sagen, das ich fest an ihre Aussagen und Beweise glaube.“ Langers Buch beschreibe nicht nur die „Geschichte des modernen Israel“, sondern auch die „Geschichte unserer Hoffnungen an die menschliche Natur“.
Shahak war Nicht-Zionist, unbeugsam in der Kritik gegenüber allem in Israel, was seinem Humanismus zuwiderlief. Er hat immer wieder auf den rassistischen und diskriminierenden Charakter der Kibbuzim hingewiesen, die keinen israelischen Palästinenser aufnehmen, weil er kein Jude ist. Diese im Westen glorifizierte rassistische Einrichtung drapierte sich sogar als „sozialistisch“ und „progressiv“. Auch in den Siedlerkolonien dürfen keine palästinensischen Israelis leben.
Felicia Langer und Israel Shahak glaubten beide, dass eine Veränderung zum Positiven in den palästinensisch-israelischen Beziehungen nur durch einen „drastischen Wechsel“ in der offiziellen Politik Israel herbeigeführt werden könne. Und dies schreiben beide 1974! Was sich dagegen heute in Israel politisch abspielt, lässt sich kaum noch in Worte fassen. Eine rechtsextreme mit faschistischen Elementen durchsetzte Regierung ist dabei, Israel an die Wand zu fahren. Trotz dieser rassistischen Politik steht die politische Klasse in den USA und auch in Deutschland fest an der Seite dieser Ethnokratie, die gemeinhin als „Demokratie“ gehandelt wird. Tatsächlich ist es jedoch eine „jüdische Demokratie“ oder eine Demokratie sui generis.
Felicia Langer hat seit 1967 den Finger in die Wunde Israels gelegt und immer wieder versucht, die Menschenrechte der unterdrückten Palästinenser, die Achtung des Völkerrechts und die letzten Reste der Humanität in Israel zu verteidigen. Dafür legt das vorliegende Buch ein frühes und mutiges Zeugnis ab.
Felicia Langer, Mit Eigenen Augen. Israel hat den Palästinensern Land, Freiheit und Würde geraubt, Cosmics Verlag, Neu-Isenburg 2016, 287 Seiten, € 22.
Warum die Abschwächungen? Was wir heute in Palästina erleben, ist nichts weiter als die israelische Variante des Faschismus, also der Israelo-Faschismus. Alle Faschismen bauen auf den jeweiligen Nationalismen auf. Sie untercheiden sich jeweils, sind aber allesamt unvereinbar mit den Menschenrechten und damit unvereinbar mit der jüdischen Religion. Es kann also sein, dass Zionisten Israelis sind, aber sie sind keineswegs Juden – nie! Und daraus folgt, dass derjenige, der alle Faschismen ablehnt, auch den israelischen Zionismus, kein Antisemit sein kann, niemals. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?
Herr Dede,
Sie schreiben von einer „israelische Variante des Faschismus“? Nein, es ist schlicht eine jüdische Variante, wie es eine italienische, britische, deutsche usw. ebenfalls gibt. Der Faschismus ist vereinbar mit der jüdischen Religion. Genügend Stellen in der Thora und im Talmud sind leicht darzustellen, stellvertretend sei auf Esra verwiesen, der jüdischen Männern gebot, sich von ihren fremden Frauen zu trennen, selbst wenn diese Kinder von ihnen hatten. Es gibt keine Religionsgemeinschaft, die sich über Jahrhunderte derart in der Geschichte absonderte wie die jüdische, die sich nicht nur als Glaubensgemeinschaft, sondern auch als Stammesgemeinschaft mit einem eigenen Stammesgott sah und sieht, genealogisch also als Nachfahren der Söhne Jakobs. Das israelische Staatsbürgerrecht trägt all dem sehr genau Rechnung.
Insofern könnte man dem Judentum über den Faschismus hinaus auch noch einen weiteren Vorwurf machen. Nationalismus und Rassismus sind jener Treibsatz erst, der in Konfliktsituationen einer Weise zu eskalieren vermag, dass man als Patriot – zusammen mit Uri Avnery – nur den Kopf schütteln kann.
Zionisten alter Prägung hofften mit der Staatsgründung einen Lebensraum für Juden zu schaffen, in dem vielleicht das Beste von ihnen angstfrei sich ausbilden und ausleben könnte. Doch ein Miteinander mit Arabern war nie vorgesehen. Und aus dem Nebeneinander wurde bald nach der ersten Aliya jener hundertjährige Krieg um Palästina, der noch immer nicht abgeschlossen ist. Zionisten waren einst eine kleine Minderheit im Diaspora-Judentum, heute stellen sie die Mehrheit im Judentum dar – und haben die Unterstützung der mächtigsten Staaten der Erde. Insofern ist aus rein rechnerischer Sicht die These von Zionisten wie Henryk M. Broder richtig, Antizionismus sei nur eine Variante des Antisemitismus – wobei noch immer ungeklärt ist, was denn nun wiederum Antisemitismus sei.