Während sich in der Bundesregierung langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass die israelische Regierung und ganz besonders Benjamin Netanjahu die Freundschaft Deutschlands und die Lienentreue der Bundeskanzlerin gnadenlos instrumentalisiert werden und man anfängt, auf Distanz zu gehen, gibt es noch deutsche Journalisten, die sich an die israelische Propaganda, an das berühmt berüchtigte Hasbara-Ministerium, verkaufen und die zionistische Politik in Deutschland besser erklären, als es Netanjahu je könnte.
Im Berliner „Tagesspiegel“ ist solch ein Beitrag soeben erschienen und der Chefredakteur persönlich zeichnet dafür mit seinen Namen. Casdorff war für eine Woche zu einem Seminar in Yad Vashem eingeladen, natürlich auf Kosten der israelischen Hasbara, natürlich in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht und selbstverständlich von israelischen Propagandisten geführt, die ihm nur das zeigten, was er sehen sollte. Und deshalb ist es auch kein Wunder, dass im Beitrag von Stephan Andreas Casdorff nicht ein einziges Mal die Rede von den Palästinensern ist und schon gar nicht, dass sie irgendwelche Rechte haben und natürlich muss ein solcher Beitrag damit enden, dass sich „der Antisemitismus wieder verbreitet“. Die Frage ist nur wo? Ich vermute in der Redaktion des Tagesspiegel und in den Köpfen dieser Journalisten, denn der Artikel verbreitet diesen unangenehmen Geruch des Gekauften, des mit einer Luxusreise bestochenen, die man als „Seminar in Yad Vashem“ beim Finanzamt und beim eigenen Gewissen verbucht. Zum Glück wissen das die Opfer, die Yad Vashem angeblich vertritt, nicht.
Wieder zeigt ein deutscher Journalist, zudem auch noch ein Chefredakteur, dass er in der Lage ist, über etwas zu schreiben, von dem er keine Ahnung hat. Er schreibt von einem System, dass seiner Meinung nach „das einzige im westlichen Sinn demokratische im Nahen Osten“ ist. Dabei ist Israel alles andere als demokratisch, es ist nicht einmal für „seine“ jüdischen Bürger demokratisch, geschweige denn für seine nicht jüdischen Bürger. Casdorff schreibt, dass seine Nachbarn „achteinhalb Millionen Einwohnern nach dem Leben trachten“. Zweieinhalb Millionen, von diesen achteinhalb, sind aber gar keine Juden, sondern Palästinenser, in der Mehrheit Sunniten und in der Minderheit Christen und Drusen. Zieht man diese ab, dann bleibt die magische und schreckliche Zahl von sechs Millionen Juden. Und wer will sie ermorden? Etwa die Palästinenser? Erst vor wenigen Tagen hat die SZ den Syrern vorgeworfen, sie seien Antisemiten und es hat dem interviewten Syrer nicht geholfen, dass er gesagt hat: Wir haben nichts gegen Juden, wir haben ein Problem nur mit den Israelis. Das erinnert mich an das Gedicht von Jakob Wassermann: „Es ist vergeblich, für sie zu leben und für sie zu sterben. Sie sagen: er ist ein Jude. „
Casdorff beklagt, dass es eine Entfremdung gibt zwischen Israel und „denen, die noch gemeinsame Werte zusammenhalten“. Ähnlich hat sich vor kurzem auch Bundesjustizminister Heiko Maas ausgedrückt, als er sagte: „Deutschland und Israel…teilen die gleichen Werte“. Ich gebe zu, die Worte haben mir die Sprache verschlagen und ich hätte gar nicht so viel essen können, wie ich unmittelbar danach kotzen wollte. Welche gemeinsamen Werte meint Maas und welche Werte mein Casdorff? Etwa die Aussage der israelischen Justizministerin Ayelet Shaked, dass man die palästinensischen Mütter töten sollte, bevor sie ihre „Schlangenbrut großziehen“? Und was ist mit der Schlangenbrut israelischer Mütter?
Shaked, Netanjahu, Bennet, aber auch Itzchak Herzog und Zippi Livni und die gesamte Elite Israels personifizieren das seit Jahren und Jahrzehnten geführte System der Apartheid, des Rassismus, des Unrechts, der Unterdrückung, Entrechtung, Enteignung und Demütigung der Palästinenser. Es hat schon mit Herzl begonnen und David Ben Gurion hat es meisterhaft ausgeführt. Er hat die Palästinenser belogen, betrogen und bestohlen. Hat sie vertrieben und deren Rückkehr verboten.
Haben Sie, Herr Casdorff, sich je Gedanken darüber gemacht, warum die aus Polen, Deutschland, Österreich und anderen Ländern vertriebenen Juden ihr Eigentum zurückbekommen haben, als der Krieg zu Ende war und sie zurückkamen, und warum die Palästinenser nicht zurückkommen durften und sie ihr Land und ihren Besitz nicht zurückbekommen haben?
Die Juden durften nach Italien zurückkehren und der faschistische Diktator von Spanien, General Franco, rief nach 500 Jahren die aus Spanien vertriebenen Juden zurück. Selbst der König von Marokko hat die aus Marokko geflohenen Juden gebeten zurückzukommen. Nur die Israelis erlauben den Palästinensern nicht in ihre Dörfer und Städte zurückzukehren. Und Israelis, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen, finden nichts dabei in Jaffa, Haifa, Jerusalem oder sonst wo arabischen Besitz zu bewohnen und denken nicht daran, ihn zurückzugeben.
Die Welt weiß davon und wird es den Israelis nicht vergessen und verzeihen. Und bald werden die Israelis keine Freunde und Unterstützer mehr haben, selbst unter denen, die gegenüber Israel das größte schlechte Gewissen haben, die Deutschen und die Juden. Die Deutschen, weil sie die Täter waren, und die Juden, weil sie nichts getan haben, um das europäische Judentum zu retten. Den Zionisten à la Ben-Gurion kam die Shoa auch nicht ungelegen. Sie hat Juden nach Palästina getrieben, die sonst niemals gekommen wären.
Deutschland hat den Juden hundert Milliarden Dollar Entschädigung bezahlt, der Schaden der Palästinenser betrug aber hundert Billionen Dollar, oder wieviel glauben Sie, ist eine Heimat wert? Die Israelis haben aber keine Entschädigung angeboten. Nichts. Halten Sie das für fair und richtig?
Und jetzt sprechen ein deutscher Minister und ein deutscher Chefredakteur ohne äußere Not von gemeinsamen Werten. Pfui Teufel!
Israel ist weder eine Demokratie wie Deutschland, noch ist es ein Rechtsstaat. Es ist eine Ethnokratie, eine jüdische Demokratie, was etwas völlig anderes ist, als westliche Demokratien. Die Menschenrechte werden dort mit Füßen getreten. Mit unseren Werten hat diese Unterdrückungspolitik überhaupt nichts zu tun. Wir haben ein Grundgesetzt, in dem es in Artikel 1 heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Darauf bin ich stolz. Für die Israelis ist die Würde der Araber gar nicht vorhanden, und sie treten sie täglich mit ihren Militärstiefeln an den vielen Checkpoints und wollen es nicht merken.
Und wenn Casdorff von Europa und von Deutschland „Realpolitik“ gegenüber Israel fordert, dann sind wir auch dieser Meinung, aber unsere Realpolitik sieht ganz anders aus und besteht aus drei Buchstaben: BDS.
„Von links bis rechts – Netanjahu, Itzchak Herzog oder Naftali Bennett – einerlei, sie alle wollen…“ In dieser Liste ist keiner links und keiner Mitte – alle sind sie rechts, ultra-rechts und religiös-national-rechts, was am schlimmsten ist. Aber Casdorff versteht das nicht, da er nichts über Israel weiß und nur die Worte der israelischen Propaganda wiederholt, die ihm seine Zeilen diktiert hat. Er nennt Israel einen „Vorposten des aufgeklärten Europas“, dabei ist Israel, wie es schon der Erfinder der Zionismus, Theodor Herzl vor mehr als hundert Jahren geschrieben hat, ein „Bollwerk gegen die Barbarei“ und ein Statthalter des Kolonialismus bis heute. Aus dem „Bollwerk“ ist selber ein barbarischer Kolonialstaat geworden.
Besonders naiv und absurd zeigt sich Casdorff, wenn er aufruft, Israel zu unterstützen. Wer zur Konfliktlösung beitragen will, meint Casdorff, soll Israel unterstützen. Das würde bedeuten, den Bock zum Gärtner zu machen. Die einzigen, die unterstützt werden müssen, sind die Palästinenser, denn sie sind die Opfer des Konflikts und sie sind die schwache Seite, die Hilfe braucht. Und wie wenig dieser gekaufte Journalist über die Lage weiß, zeigt auch die Lüge, die er verbreitet: „Weil in Israel…die Jugend fertig ist mit dem Terror, dass sie Frieden will.“
Dabei ist erst vor wenigen Tagen, nämlich am 5. Mai 2016 in „Haaretz“ ein Beitrag erschienen, der genau das Gegenteil nicht nur behauptet, sondern auch beweist. In ihm wird eine Befragung, die die Tageszeitung „Israel Hajom / Israel heute“ unter Jugendlichen durchgeführt hat, allerdings nur unter jüdischen Jugendlichen. Die Überschrift lautete: „Es gibt welche, auf die man sich verlassen kann.“ Gemeint sind die 60 Prozent jugendlichen Rechten unter den Juden. Auf arabische Jugendlichen kann man sich angeblich nicht verlassen. Dasselbe haben auch die Nazis über die Juden gesagt. Die Juden sind unser Unglück. Dasselbe sagen die Israelis: Die Araber sind unser Unglück.
Dieses Ergebnis zeigt ein beängstigendes und trauriges Bild, was die Zukunft Israels betrifft, allein aus der Tatsache, dass 60 Prozent der Jugend angeblich rechte Nationalisten sind. Und fangen wir an mit der Absurdität, dass die Befragung nur unter jüdischen Jugendlichen gemacht wurde. Warum nur unter Juden? Die Araber, immerhin 20 Prozent der Bevölkerung des Landes, sind Luft. Und wenn ihr schon trennen wollt, warum nicht auch eine Befragung unter den nichtjüdischen Jugendlichen? Was sagt uns die Zeitung, immerhin Netanjahus Hauszeitung, nicht mehr und nicht weniger, als dass die Araber unerwünscht sind, dass sie keine echten Bürger sind. Nur Juden sind echte Bürger. Erinnert Sie das an etwas, Herr Casdorff?
Und so ist es auch. Liest man die Überschrift, dann sagt die Zeitung ausdrücklich: Unsere Jugend! Unsere? Wessen Jugend? Eben „unsere“. Israel ist eben ein Land nur für Juden.
Später, wenn man die Ergebnisse noch genauer liest, dann stellt sich heraus, dass 50 Prozent der jüdischen Jugendlichen der Meinung sind, dass die Araber in der Knesset nicht repräsentiert werden sollten. Das Israel nicht ihr Land ist. Das Israel nur das Land der russischen Juden ist.
In den USA hätte nicht einmal eine Zeitung des Klu-Klux-Klan gewagt zu schreiben, dass nur die weißen, christlichen Jugendlichen, „Amerikaner“ sind. Und was die 60 Prozent Rechte betrifft, so ist es auch falsch. Auf die Frage „Wie beschreibst du deine politische Einstellung?“ haben 59 Prozent geantwortet rechts, 23 Prozent Mitte, 13 Prozent links und keine Meinung hatten fünf Prozent. Daher ist die Feststellung der Zeitung, dass etwa 60 Prozent der jüdischen Jugend rechts sei, falsch, denn in Wirklichkeit ist die „Rechte“ rechts radikal und die Mitte ist rechts national, sodass 82 Prozent der Jugendlichen rechts wählen und rechts sind.
Casdorff will uns aber erzählen, dass die israelische Jugend Frieden haben will, und zwar ganz und gar nicht aus moralischen oder ethischen Beweggründen, sondern aus reinem Pragmatismus: „Nicht zuletzt damit sich die Wirtschaft weiter gut entwickeln kann und ihre Zukunftsperspektiven auch.“ Und wenn er „Zukunftsperspektiven“ schreibt, dann meint er natürlich ausschließlich die Perspektiven für die Israelis. Araber kommen bei ihm gar nicht vor.
Abbas soll angeblich mit Netanjahu nicht sprechen wollen. Vollkommen zurecht. Worüber soll er denn mit Netanjahu reden? Über das, was den Palästinensern wichtig ist, will Netanjahu nicht sprechen und über „Zukunftsperspektiven“ für die Israelis mag Abbas nicht reden. Ihn interessieren Zukunftsperspektiven für die Palästinenser. Nur darüber möchte er sprechen, und dies zurecht.
Aber Casdorff schreibt wohl für eine Schülerzeitung, allerdings für zurückgebliebene Schüler, denen der zurückgebliebene Lehrer Märchen erzählt. Israelis und Palästinenser sollen sich gegenseitig als existent anerkennen. „Dann wird sich auch das Siedlungsthema dem unterordnen.“ Diesen Witz habe ich noch nicht gehört und sollte Casdorff es den Israelis erzählen, dann werden sie laut lachen. Ernst nehmen wird ihn dort keiner.
Aus jeder Zeile des Beitrags riecht man die Hasbara, da nur sie so dumm sein kann zu glauben, dass europäische Leser, zumal in Deutschland, diesen Schwachsinn glauben könnten. Casdorff selber glaubt es doch auch nicht und sein Boss, der Herausgeber Giovanni di Lorenzo genauso wenig. Aber eine Woche Gehirnwäschen in Yad Vashem reichen offensichtlich aus, um alle journalistischen Vorsätze über Bord zu werfen. Und so beendet er seinen gekauften oder verkauften Beitrag mit israelischen Propagandalügen, die schon einen langen Bart haben. Israel hat angeblich bewiesen, dass es zum Frieden bereit sei. Wer, wann, wo, wie, womit? Die fünf berühmten W´s, die ein guter Journalist fragen sollte. Aber Casdorff ist kein guter Journalist, er ähnelt eher einem Erfüllungsgehilfen der zionistischen Propaganda, einem Sayanim.
Das kann nur ein Naivling schreiben, der dazu noch keine Ahnung hat und nicht merkt, wann man ihm Propagandalügen unterschiebt. Israel war zum „vorübergehenden Stopp des Siedlungsbaus – als Zeichen des guten Willens bereit.“ Das werden doch Volksschulschüler der ersten Klasse nicht glauben. Ja, für drei Monate war Israel bereit den Siedlungsbau zu stoppen. Für drei Monate, Herr Casdorff. Wundert mich, dass Sie das nicht wissen.
„10 000 Wohnungen wurden als Zeichen des guten Willens abgerissen“! Wo, Herr Casdorff? Etwa in der Westbank? Nein, im Gazastreifen, der sowieso von den Israelis verlassen wurde, und zwar einseitig, ohne sich darüber mit den Palästinensern zu einigen. Und dann noch die lächerliche, absurde und dumme Behauptung, dass „sogar die Toten aus ihren Gräben geholt und umgebettet wurden“. Welche Toten, Herr Casdorff? Oder glauben Sie, die Israelis verlassen den Gazastreifen und lassen ihre Toten zurück? Wo leben Sie? Was wissen Sie? Da müssen Sie aber stark alkoholisiert gewesen sein, als Sie solch einen Unsinn verzapft haben.
15 000 Raketen waren seither die Antwort. Diese 15 000 Raketen haben aber nicht halb so viel Schaden angerichtet, wie die 1000 israelischen Raketen, die insgesamt tausende von Toten gefordert haben, darunter hunderte von Kinder. Und wie viele Opfer haben die 15 000 Raketen gefordert, Herr Chefredakteur? Sie sind eine Schande für ihren Berufsstand. Als Journalist schäme ich mich, dass es solche Propagandisten wie Sie gibt, die behaupten, sie seien Journalisten. Nicht ohne Grund rangieren Journalisten in punkto Glaubwürdigkeit noch hinter Drogendealern!
Herr Casdorff, Israels Recht, sich vor einer „Vernichtung“ zu schützen, gibt dem Land aber nicht das Recht, andere zu unterdrücken. Eroberung zieht nach sich fremde Herrschaft, fremde Herrschaft verursacht Widerstand, Widerstand verursacht Unterdrückung, Unterdrückung verursacht Terror und Terror verursacht Vergeltung. Die Opfer sind in der Regel unschuldige Zivilisten. Die Kolonisierung und Besatzung Palästinas macht aus den Israelis, wie es schon Henryk M. Broder richtig sagte, Täter und Täter sind Mörder.
Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass Leute wie Casdorff genau das wollen. Sie wollen aus den Israelis Täter, also Mörder, machen, damit sie ihr eigenes Gewissen mit den Verbrechen der Israelis, die sie fälschlich Juden nennen, reinwaschen können. Ist das nicht so?
Was halten Sie davon, einmal darüber zu schreiben?
Ich habe eine Frage:
Irgendwo habe ich gelesen, dass durch den Gazastreifen eine einzige Ader mit Süßwasser läuft, an der andeerthalt Millionen Menschen hängen. nun existiert in Gaza keine Kanalisation bzw. iist sie zerschossen, also nimmt die Wasserader all die Gifte auf, die anderrthalb Millionen Menschen halt absondern, mit der Folge, dass dieses Waser zunächst ungenießbar wird und dann soe giftig ist, dass Menschen davon krank werden und sterben. Ist das richtig?
Ich danke für eine Antwort.
Klaus Dede
dede.klaus@t-online.de
Achso: Haben Sie meine bisherigen Kommmentare zur AfD gelesen?
Lieber Herr Melzer,
Ihre Worte haben mich sehr berührt, aus ihnen spricht große Trauer, großer Schmerz und große Hoffnungslosigkeit angesichts der ungeheuerlichen Dinge, die in Israel und Westjordanien Menschen anderen Menschen antun. Und das alles im Namen des Judentums, einer Religion, die ebenso wie das Christentum für Toleranz und Nächstenliebe steht.
Ich fühle von ganzem Herzen mit Ihnen und weiß aus eigenen Empfindungen, dass der innere Druck aus Frust, Wut und Hilflosigkeit manchmal einem das Atmen erschwert und kaum noch auszuhalten ist – vor allem auch, wenn man an unsere Politiker, Medienvertreter und Kirchenleute denkt, die die seit 50 Jahren betriebene Unterdrückung und Verelendung der palästinensischen Bevölkerung nicht wahrnehmen oder, wider besseres Wissen, einfach nicht wahrnehmen wollen. Und doch erheblichen Einfluss nehmen könnten. Das alles ist sehr schlimm, kein Wunder, dass einem immer wieder die pure Verzweiflung überkommt.
Im Grunde kann ich Ihnen deshalb auch keinen Trost zusprechen, aber ich kann Ihnen vielleicht eine andere Sichtweise anbieten, so dass Sie Ihren Kummer und Schmerz besser ertragen können: Es gibt in Deutschland Hunderttausende Casdorffs, die aus Überzeugung ihre Position vertreten, einfach aus einem Unwissen heraus oder wegen falscher Informationen. Würden sie die entsetzlichen Dinge erfahren, so, wie sie sich tagtäglich abspielen, würden sicher viele voller Bestürzung und Entsetzen ihre Meinung ändern. Deshalb, bleiben wir dran, geben wir die Hoffnung nicht auf und sorgen wir weiterhin für eine möglichst flächendeckende Aufklärung der deutschen Bevölkerung. Mit Ihrem „SEMIT“ tun Sie das ja bereits in vorbildlicher Weise. Dafür gebührt Ihnen ein großer Dank.
Herzliche Grüße,
Ihr Torsten Kemme
PS: Ihr Video zum Thema „Soldat Elor Azarya als Held der israelischen Öffentlichkeit“ hat mich erneut zutiefst erschüttert. Es hat mir die Sprache verschlagen. Und jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich diese Brutalisierung der israelischen Bevölkerung, insbesondere auch der jungen Israelis, einordnen soll. Müssen wir davon ausgehen, dass der Holocaust so tiefe Wunden geschlagen hat, dass er noch nach 70 Jahren in der dritten Generation zu spüren ist und ein ganzes Volk aus dieser Traumatisierung nicht mehr rauskommt? Wenn ja, dann dürfte auch in Deutschland das politische Handeln auf Jahre von einem kollektiven schlechten Gewissen bestimmt sein.
T.K.
Casdorff hätte zweifellos besser geschwiegen denn geschrieben.
Ihren Zorn, verehrter Herr Melzer, wird er nicht verstehen können. Es bleibt für einen Deutschen unmöglich, über Israel zu schreiben, wohlwollend oder kritisch. Auf beiden Seiten stehen riesige Fettnäpfchen und zum Sprung bereite Feinde.
Ich kann die Angst von Juden verstehen, sich heute ebenso wenig mit den Arabern wie in der Gründerzeit mit Deutschen, Franzosen usw. mischen zu wollen, die eigene Art zu behalten, wie das schon die frühen Zionisten wollten. Juden haben als Volk im Ghetto die Jahrhunderte überlebt. Es sind ihre Narrative, die sie zu Juden machen; dazu gehört auch die Angst, dass sie sich in jeder Generation erheben um uns zu vernichten, die am Sederabend Kindern schon ins Herz gelegt wird.
Doch der Traum Theodor Herzls hätte ein Traum bleiben sollen. Ludwig Gumplowicz hatte ihn in seinem Brief vom 11.12.1899 eindringlich gewarnt, sein Vorhaben umzusetzen – und auch davor zu glauben, es sei das Land der Väter, dort wo sie ihren Judenstaat wiedererrichten wollten.
Kann ein solches Volk eines unter Tausend anderen sein?
Nun kommen die Narrative des Holocaust hinzu, das weltliche Bindeglied, dass alle Juden eint, selbst solche, die nie mit der religiös oder rassisch bedingten Judenverfolgung Europas in Berührung gekommen sind. Und da ist sie wieder, immer wieder die magische Zahl, von der Albert Nordau 1911 auf dem Zionistenkongress sprach.
Dass religiöse und vor allem weltanschauliche Bekenntnisse der Juden nun auch zu denen der Deutschen gehören, das weltanschauliche gar strafrechtlich in einer bestimmten Weise der Darstellung beschützt ist, die jeglichen sinnvollen Diskurs auszuschalten vermochte, erschwert in ungeheurem Ausmaß eine rational führbare Diskussion. Der ehrenwert gemeinte Schutz gegenüber den Gefühlen der Geschundenen und massenhaft Ermordeten verkehrte sich ins Gegenteil.
Hinter der Schutzmauer des internationalen schlechten Gewissens – siehe auf die Ergebnisse der Flüchtlingskonferenz von Evian 1938 sowie auf die fehlende Bombardierung der in britischen Luftbildaufnahmen deutlich gekennzeichneten „gas chambers“ von Auschwitz bzw. deren Zufahrtswege – entfachte sich ein Gedankensturm im modernen Zionismus, der selbst einem Kämpfer für den Staat Israel wie Uri Avnery nur noch anzuwidern vermag.
Was bleibt einem Deutschen? Sich zu informieren! mehr ist nicht. Von diesen Zionisten, die heute die Macht haben, würden sich jüdische Humanisten, die einmal das dekompositorische Ferment Europas waren, vermutlich mit großer Trauer abwenden. Nationalistische Parteien in Europa werden sich Israel zum Vorbild nehmen – und all das Vokabular, was zu seinem Schutz aufgebracht wurde.
Avnery schreibt, dass die Stimmen in Israel immer leiser werden, die so denken wie er. Da bedarf es keiner deutschen Chefradakteure, um das Geklapper israelischer Eliten in Politik und Medien noch zu verstärken.