Philosemiten sind Antisemiten, die die Juden lieben

Gideon Levy hat in München im Gasteig gesprochen, obwohl Oberbürgermeister Dieter Reiter es am liebsten verboten hätte. Nur pure Angst vor der Justiz hat ihn daran gehindert. Wohl mit Schaum vor dem Mund hat Bürgermeister Schmid verlautbaren lassen, dass selbst „grenzwertige Äußerungen sollen künftig in kommunalen Gebäuden nicht mehr zugelassen werden.“ Da ist sich wohl die Stadtregierung einig und die Presse schweigt. Und Dieter Reiter, der gewählte Oberbürgermeister, vollendet die Aussage seines Stellvertreters, indem er sagt, dass die Stadt Veranstaltungen mit antisemitischen Tendenzen nicht ermöglichen werde. Bleibt abzuwarten was „grenzwertige Äußerungen“ sind oder sein werden. Es wäre ratsam, wenn die Stadt bald eine Liste solcher Äußerungen veröffentlichen würde, damit jeder weiß woran er ist.

Das sagen auch Oberbürgermeister und Bürgermeister in vielen anderen Städten der Republik, von Frankfurt bis Hamburg und von Köln bis Berlin. Und die Presse, die eigentlich unsere Demokratie bewachen sollte, schweigt und pflichtet zuweilen auch zu, wie erst gestern im Beitrag von Heiner Effern und Jakob Wetzel in der Süddeutschen Zeitung. 

„Von innen heraus werde sich daran (an der Lage im Nahen Osten A.M.) nichts ändern. Was sei da legitimer als ein Boykott“, fragt Levy. Und die SZ macht sich zum Sprachrohr der Kritiker und fragt: „Wie könne es sein, dass ein solcher Vortrag nach wie vor in städtischen Räumen stattfinden kann“, wo doch der Bürgermeister und sogar der Oberbürgermeister schon 2015 versprochen haben, dass „solche Veranstaltungen künftig nicht mehr“ in städtischen Räumen stattfinden werden.

Die Stadt scheint Angst zu haben vor Boykottaufrufe gegen Israel. Deshalb habe die Stadt einen Aufpasser hingeschickt, der die Veranstaltung bei entsprechenden Äußerungen abbrechen sollte. Boykottaufrufe gegen Nord-Korea oder gegen den Iran hätte man wohl nichts getan. Wenn aber Boykottaufrufe gegen den Iran und gegen Nord-Korea legitim sind, wohl um zu verhindern, dass diese Staaten Atombomben bauen, warum darf man Israel nicht boykottieren, dass Atombomben schon hat? Gefahr droht uns eher von Israel als vom Iran, der noch Jahre oder gar Jahrzehnte benötigen wird, um so weit zu sein wie Israel.

Und haben nicht erst gestern die Mitglieder der G7 Staaten dazu aufgerufen Russland zu „sanktionieren“? Ist das nicht auch ein Boykott? Lernen wir nicht daraus, dass Boykott ein anerkanntes und oft bewährtes Mittel der Politik ist? Warum soll der Boykott israelischer Waren, und dazu noch beschränkt auf Waren aus den besetzten Gebieten, etwas Besonderes sein? Und wieso richtet sich dieser Boykott gegen Juden?

Warum und wieso konnte der Vortrag stattfinden, wo er doch von der Stadt nicht gefördert wird? Die Antwort ist schlicht und einfach: Die Veranstalter, die „Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München“, unter Leitung von Judith Bernstein, eine koschere Jüdin und sogar noch Israelin, haben den Raum gemietet, und nachdem ein Gericht in Frankfurt in einem ähnlichen Fall entschieden hat, dass eine Kündigung rechtlich nicht zulässig ist, hat ein Gutachten der Rechtsabteilung der Stadt München festgestellt, dass es wohl besser wäre sich an Recht und Gesetz zu halten, als eine Blamage vor einem Gericht zu riskieren. Natürlich besteht die Gefahr, dass Städte in Zukunft keine Räume mehr vermieten werden, zumindest nicht an Organisationen, die die israelische Politik kritisieren. Es wäre deshalb wichtig und notwendig eine Stadt wie München nicht nur auf die Erfüllung eines Vertrages zu verklagen, sondern ein für alle Mal einen Musterprozess über die Schließung eines Mietvertrages zu führen. Ein Gericht soll klären, ob Bürgermeister, Stadtkämmerer oder Kirchenoberhäupter städtische Räume verweigern können wegen „grenzwertiger Äußerungen“. Das Grundgesetzt garantiert uns Meinungsfreiheit und das Recht unsere Meinung zu äußern, auch wenn sie einem Oberbürgermeister nicht gefällt, wobei jeder weiß, dass es nicht an den Oberbürgermeister liegt, sondern an dem Druck, der auf ihn ausgeübt wird. In München ist es meistens Charlotte Knobloch. In anderen Städten die üblichen Verdächtigten.

Die große Frage ist und bleibt: Wann werden endlich deutsche Bürgermeister und Oberbürgermeister kapieren, dass sie nicht nach Lust und Laune Veranstaltungen verbieten können, dass es nicht in ihrer Macht und Kompetenz liegt zu bestimmen, wann und wo „antisemitische Tendenzen“ vorliegen und erst recht bei jüdischen und israelischen Referenten. Denn wenn Gideon Levy, oder Ilan Pappe, oder Mosche Zuckermann ihre Regierung kritisieren, und meistens zu Recht kritisieren, wäre es angebracht, dass möglicherweise gehirngewaschene Journalisten wie Esther Schapira oder Jutta Ditfurth besser schweigen. Wie kommt eine Jutta Ditfurth dazu, deren Großeltern und Urgroßeltern bis zum Lügenbaron Münchhausen „brennende Antisemiten“ waren, Kritiker der israelischen Politik als Antisemiten zu verleumden? Und Esther Schapira glaubt wohl, dass sie das darf, weil ein wenig jüdisches Blut in ihren arischen Adern fließt.

Antisemitismus ist nicht der Sozialismus des Pöbels, sondern in letzter Zeit offensichtlich auch das Hobby vieler angeblich linker Intellektueller und rechter Reaktionäre, die früher einmal auch linke Intellektuelle waren. Und da sie eben intellektueller als der Pöbel sind, machen sie sich an die Juden von hinten ran, als Philosemiten. Aber sie vergessen, oder vielleicht wissen sie es wirklich nicht, dass Philosemiten auch Antisemiten sind, die aber Juden lieben.

 

Ein Gedanke zu „Philosemiten sind Antisemiten, die die Juden lieben

  1. „Angeblich linke Intellektuelle“ – das ist der Punkt! Diese Personkreise zehren auf Ewigkeit von ihrer früheren politischen Haltung, die sich mittlerweile längst zu einer liberal/postkonservativen gewandelt hat. Dabei sind sie nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass auch noch der verbliebene Rest an Liberalität durchsetzt ist mit einer Konsensdemokratie, die jede Meinung, die davon abweicht, in geradezu paranoider Weise verfolgt. Da hilft es wenig, wenn man/frau ,wie Frau Ditfurth es tut, die Vergangenheit der eigenen Familie als „mahnendes Beispiel“ literarisch verarbeitet, denn dadurch wird nur der eigene Furor katalytisch aufgeladen. Mea culpa rufend gibt es dann kein Halten mehr…

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