Totaler Sieg oder Totaler Krieg?

Bei der Debatte um Eva Illouz´s Beitrag in der ZEIT, wo sie zurecht den totalen Sieg über Putin forderte, wird sie von vielen naiven und Putins nützliche Idioten kritisiert, die Goebbel´s Worte vom „totalen Krieg“ mit Illouz´s Worte vom „totalen Sieg“ gleichsetzen. Natürlich darf man vergleichen, aber nicht gleichsetzen, denn ein totaler Sieg ist etwas ganz anderes als ein totaler Krieg.

Für die Beendigung des Krieges in der Ukraine und dafür, dass er nicht wieder ausbricht, sobald sich die russische Armee von ihren verheerenden Verlusten erholt hat und die Industrie wieder genug neuen Panzer produziert hat und die Armee genügen neue Rekruten angeworben hat, die man wieder als Kanonenfutter einsetzen kann, ist ein totaler Sieg nötig, eine bedingungslose Kapitulation Putins. Ein totaler Sieg bedeutet das Ende des Krieges.

Goebbels aber propagierte den „totalen Krieg“ und das bedeutet Krieg ohne Ende und eine sinnlose Zerstörung von Infrastruktur ohne Ende. Das wollen wir doch alle nicht, auch Eva Illouz. Sollten wir Putin nicht total besiegen, dann wiederholt sich die Geschichte und wir bekommen wieder den 30jährigen Krieg oder gar den 100jährigen Krieg. Wollen wir das?

Eva Illouz wird vorgeworfen die Naziideologie, das Nazivokabular benutzt zu haben. Aber diejenigen, die das behaupten, und bewusst Zeitgeschichte fälschen, haben entweder keine Ahnung oder wollen bewusst eine Jüdin mit Goebbels bzw. Hitler vergleichen, um Putin zu entlasten, gegen den inzwischen ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgestellt worden ist. Man freut sich eine Jüdin dabei ertappt zu haben, ebenfalls den „Totalen Krieg“ zu befürworten, obwohl sie nur den „Totalen Sieg“ eingefordert hat.

Wer glaubt und behauptet, und das sind immer dieselben nützlichen Idioten, dass Putin das Opfer der anglo-amerikanischen „Nazis“ sei und wer dafür plädiert der Ukraine keine Waffen zu liefern, der ignoriert die Geschichte oder kennt sie nicht, oder will sie nicht wahrhaben. Wo wären wir alle heute, wenn die USA nicht England und Russland geholfen hätte und nicht Japan „total“ besiegt hätte? Schwarzer, Wagenknecht und Lafontaine wären vielleicht Mitglieder der NSDAP und hätten gegen die Waffenlieferungen der USA auf deutschen Straßen demonstriert, wenn Demonstrationen überhaupt erlaubt gewesen wären. In derselben Situation befinden wir uns heute. Es geht nicht darum die Ukraine zu retten, sondern es geht darum Europa vor dem aggressiven Imperialismus eines durchgeknallten Diktators zu retten. Erinnert das nicht an Hitlers Imperialismus, als er die Ukraine und Russland überrannte und Moskau erobern wollte?

Natürlich verstehe ich die Angst davor, dass dieser Diktator völlig durchdreht und den roten Knopf drückt, aber dennoch haben wir keine andere Wahl als zu versuchen Russland zu stoppen und Putin vor Gericht zu bringen. Das haben wir schon einmal gemacht, 1945 in Nürnberg, und in einer außerparlamentarischen Opposition durch den Russel-Tribunal von 1966, als es um die Kriegsverbrechen der USA in Vietnam ging und das müssen wir wieder machen, selbst wenn es Putin gelingt sich einer Verhaftung zu entziehen.

Ein „totaler Sieg“ würde den Krieg verkürzen und das Leiden der ukrainischen Bevölkerung und auch der russischen beenden. Ein „totaler Krieg“, wie ihn Goebbels wollte, würde den Krieg verlängern und die Ukraine, Russland und am Ende vielleicht auch ganz Europa zerstören. Natürlich hätte Eva Illouz auch eine „bedingungslose Kapitulation“ wünschen können, auch wenn alle vermeintlichen Experten meinen, dass Russland unbesiegbar sei. Russland ist genauso unbesiegbar wie es Nazi-Deutschland war. Ein Krieg gegen die ganze Welt kann nicht mit einem Sieg enden. Es muss am Ende einen totalen Zusammenbruch geben. Es gibt in der Geschichte kein Beispiel dafür, dass es irgendwann und irgendwo gelungen ist. Alle naiven und dummen Experten, die der Meinung sind, dass Russland nicht besiegt werden kann, waren auch der Meinung, dass die Ukraine innerhalb 4 Tagen besiegt werden wird. Inzwischen sind seit Kriegsbeginn mehr als 13 Monate vergangen und die ukrainische Armee ist auf dem Vormarsch und die russische Armee bemüht sich unter ungeheuerlichen Verlusten an Material und Menschen die Frontlinien zu halten. Wer ein wenig Ahnung von Geschichte hat, wird wissen, dass nicht die Zahl der Soldaten und die Zahl der Panzer eine Rolle spielt, sondern vor allem die Moral der Truppe und die Intelligenz der Kommandeure. Die russischen Kommandeure scheinen dumm, ungebildet und dogmatisch durchdrungen zu sein. Sie setzen Masse ein und nicht Klasse.

Natürlich sage ich das alles ohne je Kriegstaktik und Strategie studiert zu haben. In der israelischen Armee war ich auch nur ein einfacher Panzergrenadier. Aber mein immer noch gesunder Menschenverstand sagt mir, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnen kann und vor allem nicht gewinnen darf. Und so wie 1945 die westliche Welt gehofft hat, dass Hitler den Krieg nicht gewinnt, so hoffe ich und viele andere heute, dass Putin besiegt wird. Die Ukraine darf nicht nur nicht verlieren, sie darf und soll siegen. Vielleicht wird das das letzte Menetekel für die Menschheit sein, Krieg zu verachten und nicht einmal daran denken sie zu beginnen. Denn eigentlich gibt es bei Kriegen der Neuzeit, zumindest seit dem Ersten Weltkrieg, keine Sieger mehr, sondern nur Verlierer.

Abraham Melzer, 19.03.2023

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