Von Juden und einzelnen Lügen

Alex Bein schreibt in seiner Geschichte der Judenfrage kurz und bündig und in fester Überzeugung, „marrano“ bedeute auf Spanisch Schwein. Tatsächlich heißt das liebe Tier im Spanischen „cerdo“, auf Portugiesisch heißt es „porco“. Das Wort „marrano“ gibt es originär im Spanischen nicht. In “Google/Wikipedia“ kann man trotzdem lesen:

„Marranos, auch Conversos oder Neuchristen (spanisch cristianos nuevos, portugiesisch cristãos-novos), sind iberische Juden und deren Nachkommen, die unter Zwang oder schwerem Druck zum Christentum bekehrt wurden. Oft wurde ihnen vorgeworfen, als Kryptojuden weiterhin jüdische Riten zu praktizieren. Der Begriff tauchte erstmals im spätmittelalterlichen Spanien auf.[1]…. Forscher, wie Benzion Netanjahu, Yirmiyahu Yovel, Cecil Roth, N. Wachtel und die französische Schule, verwenden das Wort als Oberbegriff für alle judeoconversos iberischer Abstammung.[3] Nicht wenige Historiker vermeiden den Ausdruck wegen seiner Unbestimmtheit und seiner Herkunft aus der judenfeindlichen Vulgärsprache….. Sie meinen, marrano bzw. marrão leite sich ….. aus dem Arabischen her, vom Adjektiv muharram,[5] das auf religiöse Verbote verweist und im konkreten Kontext in der anathematischen Bedeutung von „(von Gott) verflucht, exkommuniziert“ interpretiert wird.[6] Andere Deutungen verweisen auf das spätarabischen Wort barrānī[7] für „Fremder, Außenseiter“[8] oder das arabische Verb marana[9] (biegsam, anpassungsfähig sein).[10] Einige führen Marrane auf das hebräische Wort mar’it ayin (Augenschein, Trugbild) zurück, da die Marranen augenscheinlich Christen waren, doch im Geheimen Juden blieben, oder auf Hebräisch mochoram (verbannt, verboten), das mit dem oben genannten arabischen muḥarram verwandt ist.[11] Nach einer anderen Deutung stammt der Begriff vom aramäischen maran atha (Unser Herr ist gekommen) oder mar anus und bar anus (gezwungener Herr oder Mann bzw. Sohn eines Gezwungenen)…. (blabla)…!

Natürlich ist „marrano“ ein Pejorativ. Das Wort wurde gefunden, wie man im Deutschen für den Polen „Polacke“ sagt. Der Pole selbst nennt sich „Polak“. Ersetzt der Deutsche das Wort „Pole“ durch Polacke, meint er den Polen der unteren sozialen Schichten.Ähnliche Übernahmen sind der „Kanake“ vom Südpazifik, wo Kanake „Mensch“ bedeutet. Der „Franzose“, der eigentlich „Frankreicher“ heißen müsste, leitet sich von alt-französischen „francois“ ab. Im Spanischen ist das nicht anders. Marrano ist der Mann, der seinen jüdischen Sabbattischgenossen mit „Birschut maranan“ oder Sawri maranan“ zuprostet. „Maranan“ heißt „Meine Herren“.  Nix Herkunft vom Arabischen oder noch gekünsteltere Konstruktionen. Der Marrane ist der falsche Christ, der in Wirklichkeit ein Jude ist.

Warum schreiben dann profilierte jüdische Autoren, die sich jede Woche mit „Birschut maranan“ oder Sawri maranan“ zuprosten, einen derartigen Unsinn vom Schwein? Offenbar, weil für den Juden ein Marrane ein „Schwein sei. „Die Spanier“ hatten probate Mittel, einen Verdacht auf Judaisieren zu zerstreuen. Der Neuchrist musste als Schweinefleisch verzehren (Serano-Schinken, Pata Negra), eine köstliche Speise, die den abergläubischen Juden so verboten ist wie Hasenbraten, Schalentiere, Muscheln, Austern und sogar Hülsenfrüchte an Pascha. Wer sich also auch von Schweinefleisch ernähren kann, kann kein verkappter Jude sein. Der christliche Speisezettel bewies es. Ganz abgesehen davon ist es sehr unwahrscheinlich, dass sephardische Juden an den westlichen Mittelmeerküsten nicht „frutti del mare“ genossen hätten. Die aschkenasischen Juden haben natürlich keine Austern gegessen, schon weil sie solche in den Weiten Litauens gar nicht hatten. Und so kann man unterstellen, dass die „marrano- Lüge“ vom Schwein auch eine aschkenasische ist.

Bei dieser Gelegenheit: Die Mehrheit der spanischen Juden ließ sich nach den Unruhen von 1391 taufen.  Die Minderheit, die am jüdischen Aberglauben festhielt, wurde 1492 amtlich vor die Wahl der Taufe oder der Auswanderung gestellt. Während des 19. Jahrhunderts bevorzugten Bürger von jüdischen Eltern in Deutschland die Konfessionslosigkeit. Damals, 1492 war Religion noch Staatskult des Landes, zu dem man sich bekennen sollte. Die Auseinandersetzung mit der moslemischen Staatenwelt verlangte auch von Juden ein eindeutiges Bekenntnis. Taufe bedeutet nicht zwangsweise „glauben“. Man schätzt, dass noch 80.000 Juden auswanderten. Einige „flüchteten“ sich zu den Glaubensgenossen nach Marokko, von wo sie alsbald reuig zurückkehrten. Den Juden dort ging es sozial noch schlechter als denen in Spanien. Es ging Juden noch im 19. Jahrhundert unter Arabern so schlecht, dass 1870 der französische Justizminister Adolphe Cremieux  allen Juden Algeriens auf Antrag die französische Staatsbürgerschaft verlieh.

Die sephardischen Juden sind in der Zeit zwischen 1492 und 1870 in den romanischen Ländern gut integriert (nicht wie im aschkenasischen Raum „assimiliert“) worden. Eric Zemmour, der jüdische Präsidentschaftskandidat, konnte im Wahlkampf behaupten, Marschall Philipp Petain habe „die französischen Juden“ vor den Deutschen gerettet. Alain Finkielstein bestätigt dies. „Frankreich“ lieferte den Deutschen „zwecks Umsiedlung“ die Juden mit deutsch klingenden Namen aus. Unter diesen war die Halbjüdin Fania Goldstein (Fenelon), deren Mutter Bernier hieß, die also im aschkenasisch- halachischem Sinn gar keine Jüdin war. In Schicksal wurde verfilmt (playing for time). Das zeigt, dass „man“ in Frankreich schon vor der der Revolution von 1789 zu den (sephardischen) Juden ein zivilisiertes Verhältnis hatte. So wurden die „Neuchristen“ aus Bordeaux, die dort als „Portugiesen“ ihr jüdisches Leben praktizierten, durch jüdische Abgeordnete in der Nationalversammlung vertreten. Den Frieden störten nur die Juden aus dem Elsaß und aus Metz. Wer auf einen französischen Friedhof geht und jüdische Gräber betrachtet, sieht, dass auch die Juden die Verstorbenen durch Fotografien in Erinnerung halten. Im aschkenasischen Raum würden Steine fliegen.

Woher kommt also das deutsche Problem mit den Juden oder das jüdische Problem mit den Deutschen, das (nach Alex Bein) sich nach 1879 mit dem klassischen Antisemitismus artikulierte? Wahrscheinlich liegt das Problem darin, dass der Raum des „deutschen“ (aschkenasischen) Judentums weit über die Grenzen des germano-deutschen Raums hinausreicht. Selbst heute gehörte der Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt zu „unserem“ Judentum. ER erscheint genauso, wie Heinrich Graetz die Juden des Ostens beschreibt. Genau diese Problematik sah Heinrich v Treitschke. Jeder Reform-Rabbiner konnte sofort nach seinen Reformversuchen durch einen konservativen Rabbiner aus dem Osten ersetzt werden. Das aschkenasische Judentum hatte ein retardierendes Moment, weswegen sich auch große Persönlichkeiten (z.B. Sigmund Freud) von ihm abwandten. Arthur Ruppin (in: Soziologie der Juden) zählt jüdische Persönlichkeiten auf, mit denen er die Bedeutung des Judentums unterstreichen will. Die Hälfte dieser Leute sind schon zu Ruppins Zeiten vom Judentum abgefallen. Man kann annehmen, das, wenn es ein aschkenasisches Judentum gegeben hätte, dessen Raum sich mit dem des Deutschtums gedeckt hätte, dieses „untergegangen“ (Felix Theilhaber) oder in die deutsche Gesellschaft so integriert worden wäre wie das sephardische Judentum in Frankreich, Spanien oder Italien. Die faschistische Partei Mussolinis ist von vielen Juden mitgegründet worden, mehrere Juden hatten in der Zeit des Faschismus vor dem Stahlpakt mit Deutschland hohe Regierungsämter inne.   Das Judenproblem ist also gar kein jüdisches, sondern ein aschkenasisches. Das erweist sich auch in der Behauptung der Ostjuden, dass Marranen „Schweine“ seien.

von Lobenstein, 19.08.2023

 

 

 

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