Es gibt orthodoxe Juden und liberal-säkulare Juden, es gibt zionistische Juden und jüdische Weltbürger. Es gibt aber auch nationale, chauvinistische, rassistische Juden und schließlich auch dumme Juden. Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn ein jüdischer Rassist wie Alan Posener der Meinung ist, dass es absolut richtig sei, wenn Israel das Jordantal annektiert, nachdem es seit mehr als fünfzig Jahren schon vom israelischen Militär besetzt ist.
„Ein zionistischer kategorischer Imperativ“ wie es der israelische Philosoph Omri Boehm nennt, „ist nicht nur eine widersinnige Idee, es ist eine beschämende Entstellung des humanistischen Denkens, denn dieser zionistische kategorische Imperativ stellt die Juden als Wesen dar, die über dem Rest der Menschheit stehen.“
Es ist eine schöne Zukunft für Palästinenser und Israelis, die Boehm ausmalt: eine liberale Demokratie, die alle ihre Bürger, Juden wie Araber, gleichberechtigt miteinander teilen. Juden und Araber lassen sich nach freier Wahl überall nieder, in Ramallah oder Tel Aviv, in Beersheva oder Bethlehem. Politisch organisieren sie sich autonom und getrennt voneinander. Es soll jedoch eine gemeinsame Hauptstadt geben: Jerusalem. Westjerusalem für die Juden, Ostjerusalem für die Palästinenser. Boehm weiß um praktische Probleme wie das 2018 erlassene Nationalstaatsgesetz, das den jüdischen Charakter des Staates Israel festschreibt. Sein Traum basiert auf Herzls Traum, wie er ihn in seinem Buch „Altneuland“ beschrieben wird. Und auch der erste national-reaktionäre Ministerpräsident Israels, Menachem Begin, benutzte diesen Traum als Grundlage für seinen Entwurf (vom 15. Dezember 1977) einer „Selbstverwaltung für palästinensische Araber, Einwohner von Judäa, Samaria und des Gaza-Distriktes“. Schon Artikel 1 dieses Entwurfs ist bemerkenswert: „Die Militärverwaltung in Judäa, Samaria und im Gaza-Distrikt wird abgeschafft.“ Es folgen weitere 21 Artikel, die leider im Mülleimer der Geschichte verschwunden sind. Die meisten Israelis wissen nichts davon und naive Israelfans wie Alan Posener offensichtlich auch nicht. Woher auch?
Boehm beruft sich auf den Vordenker der Aufklärung, Immanuel Kant, wonach es „Mut“ brauche, sich aus der „selbst verschuldeten Unmündigkeit“ zu befreien und sich seines „eigenen Verstandes zu bedienen“. Genau das macht Boehm in seinem Buch „Israel – eine Utopie“.
Und genau das macht der Zionist Posener eben nicht, der offensichtlich Angst ha, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, wenn er die Meinung vertritt, im Nahostkonflikt seien die Juden die Opfer und die Palästinenser die Täter – eine klassische Täter-Opfer-Umkehr. Mir wäre es lieber, Posener wäre kein Jude, denn auf solche selbstgerechten und rassistischen Juden kann ich verzichten.
Wenn man ihn reden hört, dann könnte man glauben, die Palästinenser hätten die Juden, deren Land Palästina vor zweitausend Jahren war, aus ihrer Heimat vertrieben, ihre Frauen vergewaltigt, deren Männer ermordet und die Kinder gemeuchelt. Dabei ist es genau umgekehrt. Die Juden haben die Palästinenser, die in Palästina Jahrtausende lebten, aus ihrer Heimat vertrieben, ihre Frauen vergewaltigt und ihnen ihr Land geraubt. Ein Treppenwitz der Geschichte ist auch die Tatsache, dass – wie nicht nur Shlomo Sand nachgewiesen hat – die Palästinenser die Nachkommen der antiken Juden sind und die heutigen Juden eine Mischung aus vielen verschiedenen Ethnien. Zionistische Juden führen also einen Vernichtungskrieg gegen die ursprünglich jüdischen Palästinenser, deren Großteil im ersten Jahrtausend nach Christus zunächst Christen und danach Moslems geworden sind.
Omri Boehm schlägt vor: „Gründen wir zwei halbsouveräne Länder unter einem gemeinsamen staatlichen Dach, gewissermaßen zwei Bundesländer also. Beide unterstehen ein und derselben neutralen Verfassung, in beiden gelten die gleichen Bürger- und Freiheitsrechte.“ Antwortet Alan Posener: „Das gibt Ärger ohne Ende. In der Schweiz klappt sowas ganz wunderbar. Ok, wenn die Palästinenser Schweizer und Schweizerinnen wären, würde ich sagen: Super, machen wir das so. Aber wer je dort in der Region war, weiß, dass die Palästinenser und Palästinenserinnen keine Schweizer sind.“ Wer aber die Region etwas besser kennt als Alan Posener, der dort höchstens als Tourist war, während ich dort aufgewachsen bin, zur Schule ging und Militärdienst geleistet habe, weiß, dass vor allem die zionistischen Juden, und sie sind die Mehrheit, keine Schweizer sind. Boehm hält dagegen: „Es mag wie ein großer Zukunftstraum klingen, aber deswegen komme ich in meinem Buch immer wieder auf die zionistische Weisheit von Theodor Herzl zu sprechen: ‚Wenn Ihr wollt, ist es kein Märchen.'“ Leute wie Posener wollen aber nicht. Sie wollen das Land ganz für die Juden und die Palästinenser am liebsten vertreiben. Sie nennen es „Transfer“. Alan Posener lebt und wohnt in Hamburg. Er ist aber ein klassischer Zionist, der andere Juden nach Israel schicken möchte, damit sie dort die Palästinenser vertreiben.
Die deutschen Politiker und Intellektuellen sollten endlich anfangen, die Dinge zu sehen, wie sie waren und sind. Wenn sie sich aber weigern, die Wahrheit über Israel zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren, dann können sie im Grunde nicht mehr mitreden und haben wieder einmal versagt. Es ist an der Zeit, endlich Israel nicht mehr als einen gleichsam der Kritik enthobenen Staat zu behandeln und zionistischen Juden, Halbjuden oder Vierteljuden wie Alan Posener zu erlauben, im Fernsehen Meinungen zu verkünden, die unsinniger nicht sein können. Wir reden in diesen Tagen so viel über Rassismus und dass wir ihn bekämpfen müssen, und da wird einem Rassisten erlaubt zu behaupten, dass man den Palästinensern – da sie keine Schweizer seien –nicht trauen könne. Dreister kann Rassismus kaum auftreten.
Es ist endlich an der Zeit anzuerkennen, dass ein Staat, der – wie im Nationalstaatsgesetz von 2018 – sich ausdrücklich als Staat allein des jüdischen Volkes und mitnichten aller seiner Bürgerinnen und Bürger versteht, keine liberale Demokratie sein kann. Die jahrzehntelange billigende Hinnahme der israelischen Verstöße gegen Völker- und Menschenrecht durch die deutschen Regierungen wird stets begründet mit der Schuld am Holocaust. Das ist so verständlich wie falsch und sollte endlich beendet werden, zumal das erbärmliche Schicksal des palästinensischen Volkes dabei konsequent ausgeblendet wird.
Merkels Mantra von der Zweistaatenlösung ist nicht nur weltfremd, sondern bei gleichzeitiger Ablehnung der Anerkennung Palästinas auch noch in sich widersprüchlich. Wenn schon die Zweistaatenlösung gefordert wird, warum wird dann nicht der zweite Staat, also Palästina, anerkannt? Immerhin hat die große Mehrheit der Staaten dieser Welt diesen Schritt bereits vollzogen.
Vor mehr als 3000 Jahren eroberten israelitische Stämme, die sich Hebräer nannten, das Land Kanaan mit der Behauptung, GOTT hätte ihnen dieses Land versprochen. Die Bewohner des Landes, die an diesem GOTT nicht glaubten, wurden vertrieben, und die Israeliten errichteten ein Königreich, dass sich später spaltete. So wurden daraus zwei Königreiche.
Irgendwann kamen die Babylonier, besiegten die Königreiche Juda und Israel und verschleppten ihre Bevölkerung in die babylonische Gefangenschaft. Dann kamen die Perser, besiegten die Babylonier und befreiten die Israeliten aus ihrem Exil. Einige blieben zwar in Babylonien, die meisten kehrten aber nach Palästina zurück.
Das Land wurde von den Griechen erobert und beherrscht. Es kam zum Aufstand und zur Errichtung des zweiten jüdischen Reiches unter dem Königshaus der Hasmonäer. Dieses zweite jüdische Reich wurde später von den Römern unter Titus zerstört. Dieser verbrachte einige wenige Juden aus der Oberschicht für seinen Siegeszug nach Rom. Die meisten Juden blieben aber im Lande und wurden, als das Christentum im vierten Jahrhundert unter Kaiser Konstantin Staatsreligion wurde, Christen.
Zwei Jahrhunderte später überrannten die Araber das Land, und ein Großteil der christlich gewordenen Juden konvertierte zum Islam. Das heißt, die heutigen Moslems in Palästina sind im Kern die Nachkommen der antiken Juden.
Ende des 19. Jahrhunderts entstand die zionistische Organisation unter dem Einfluss des Wiener Journalisten Theodor Herzl. Herzl selbst war eigentlich kein Zionist. Er war ein Nationalist und KOLONIALIST, und sein Motiv war in erster Linie die Suche nach einer Lösung für das Problem des Judenhasses. Er meinte, wie viele europäische Nationalisten damals, dass die Juden ein eigenes Land bräuchten, und es war ihm im Grunde egal, wo dieses Land sein mochte. Er wäre sogar einverstanden gewesen mit einem jüdischen Staat mitten in Afrika, in Uganda, was die Briten es ihm angeboten hatten.
Er machte einen entsprechenden Vorschlag auf dem ersten Zionistenkongress vor und wurde von den osteuropäischen Juden fast hinausgeworfen. Diese waren nicht-assimilierte Juden und, anders als der vollkommen assimilierte Herzl, noch religiös. Er verstand nicht viel vom Judentum. Er war ein mitteleuropäischer politischer Visionär, wie viele seiner Zeitgenossen in Griechenland, Italien und Ungarn, die vor allem frei von Fremdherrschaft sein wollten. Herzl wollte einen Staat für Juden und keinen jüdischen Staat.
Aus seiner Idee wäre wohl nichts geworden, wenn nicht die Engländer 1917 mit der berüchtigten Balfour-Deklaration der zionistischen Organisation eine jüdische Heimstätte in Palästina versprochen hätten. Aus diesem Versprechen einer jüdischen Autonomie, machten die Zionisten einen jüdischen Staat, wobei die Briten ein Land verschenkten, das ihnen nicht einmal gehörte. Da sie aber 1920 vom Völkerbund die Verwaltung Palästinas übertragen bekommen hatten, konnten sie ihr Versprechen realisieren, obwohl das Land damals zu mehr als 90% den von den arabischen Palästinensern bewohnt war. Für die Juden spielte Balfour GOTT.
Aus dem jüdischen Staat wäre aber wohl nichts geworden, wenn nicht die deutsche Judenvernichtung hinzugekommen wäre, der Holocaust. Danach bekamen die Nationen der Welt, die zuvor keine Juden hatten retten wollen, offensichtlich Gewissenbisse und schenkten den Juden im November 1947 bei einer Sitzung der UN-Vollversammlung 54% des Landes, das den Nationen nicht gehörte und dessen arabische Einwohner nicht einmal befragt wurden. Diesmal übernahm also die UNO die Rolle GOTTES. Israel wurde nach dem Reich der Könige aus dem Hause Davids und den Königen aus der Familie der Hasmonäer, gewissermaßen das Dritte Reich der Juden.
Es kam zur großen Vertreibung der Araber aus Palästina, zur Nakbah. Aus den 54% Palästinas, die die UNO den Juden geschenkt hatte, wurden 72%. Zwanzig Jahre später kam es zu weiteren Vertreibungen und der Besatzung des restlichen Palästinas.
Das reicht aber den zionistischen Juden offensichtlich immer noch nicht. Im vorigen Jahr war es Donald Trump, der für Israel den lieben GOTT spielte und ihnen das Jordan-Tal, mehr als ein Drittel Restpalästinas, schenkte. Es stimmt, was Uri Avnery vor Jahren geschrieben hat: Israelis und Palästinenser sollen sich eine Pizza aufteilen, aber während sie darüber verhandeln, fressen die Israelis die Pizza Stück für Stück ungeniert auf