von Eurich Lobenstein
Amtlich ist es nicht, dass Xavier Naidoo Antisemit sei. Es ist eine private Ansicht. Er darf von privater Seite öffentlich als Antisemit bezeichnet werden. Natürlich ist das bei einem Xavier Naidoo nicht mehr „privat“. Weil aber unsere Gesellschaft im Ganzen nicht nur amtlich ist, aber auch nicht aus lauter privaten Individuen besteht, wird die Grauzone zwischen „privat“ und amtlich ein breites Feld. Wer seine Musik gerne hört, kann „privat“ auch antisemitischer Züge verdächtigt werden. Auch das mit den „Zügen“ ist schwammig: Jeder Mensch hat autistische Züge (Rainer Sachse) , die weit entfernt davon sind, ein Krankheitsbild zu bedeuten. Und so wird letztlich jeder Mensch „antisemitische Züge“ haben, ohne dass man ihn wirklich zum Antisemiten erklären darf. An ein Gebot der Fairness hält sich nur kein Schwein. Die Gerichtsgutachter attestieren jedem Angeklagten nach den Erwartungen des Gerichts (sie wollen von ihm wieder beauftragt werden) schizophrene, hysterische, hypochondrische etc. „Züge“; wissenschaftlich ist das unverfänglich. Beispiel: Ein Gutachter sagte aus, „der Angeklagte sei intelligenter als normal“; das Amtsgericht Karlsruhe formulierte die Aussage urteilstauglich: „Der Angeklagte weicht zwar von der Norm ab, das hat aber noch keine krankhaften Züge“. So ist es auch mit dem „Antisemitismus“ von Naidoo: Seine Aussagen haben vielleicht antisemitische Züge, aber als Antisemiten kann man ihn deswegen nicht hinstellen.
Das Gegenteil ist aber in Deutschland Praxis. Das soll auch gut sein. So darf ich „privat“ finden, dass Dr. Josef Schuster antisemitische Züge habe; ich will dabei nicht so weit gehen, ihn als Antisemiten hinzustellen. Davor schützt ihn sein formelles Amt als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Aber ein Persilschein ist so ein Amt nicht. Die Gestapo fand für ihren Zentralrat der Juden auch geeignete Kollaborateure unter den Juden, die nach einem israelischen Gesetz von 1950 verurteilt werden konnten (Stichwort „Bilder Max“). Die SS rekrutierte aus den Morituri ihrer Lager noch jüdische Kapos, die später nach Israel auswanderten. Warum soll die Bundesregierung mit ihren Antisemitismusbeauftragten auf allen Ebenen nicht das deutsche Judentum putinistisch lenken? Sie fördert dessen orthodoxe Entfaltung. Man erkennt an dieser Umkehrung, dass es doch heikel ist, höchstgerichtlich zu entscheiden, dass man einen Xavier Naidoo öffentlich ungestraft als „Antisemiten“ beschimpfen darf.
Das Bundesverfassungsgericht ignoriert, dass „Antisemit“ derzeit noch ein Schimpfwort darstellt, wie früher „Du Jude“ als eine Beleidigung empfunden wurde. Früher stellte man sich unter „Antisemiten“ einen Nazi vor, der die Juden ins KZ bringen wollte. Vergessen. Antisemit ist schon jeder Kritiker Israels, der wie Abraham Melzer jüdische Gräueltaten bekannt macht (in: Der Semit). Will das Verfassungsgericht die Bezeichnung „Antisemit“ ganz neutralisieren? Schaut ganz so aus. Wenn also Xavier Naidoo Antisemit sein soll, dann komme ich mir auch vor, Antisemit zu sein. Ich verstehe zwar „Jude“ nicht nach den Nürnberger Gesetzen; die großen Denker (ich zähle nur wenige auf) von Heinrich Heine, Karl Marx, Felix Hausdorff, Sigmund Freud, Edmund Husserl bis Bruno Bettelheim sind für mich keine „Juden“. Sie haben sich vom Judentum abgewandt wie Viktor Klemperer, wie die Nachkommen von Moses Mendelsohn oder Albert Einstein. Auch die echten Zionisten sind eigentlich keine Juden im religiösen Sinn. Ich zähle mich zu den Bewunderern von Theodor Herzl. Und mit den religiösen Juden ist es auch so eine Sache. Mein Herz hängt an Sephardismus. Die Juden in Spanien und Südfrankreich akzeptierten die aristotelische Logik und gerieten dadurch mit der „aschkenasischen“ Orthodoxie in Konflikt, die die Schriften des Maimonides und des Moses Narboni von den Dominikanern verbrennen ließ. Eric Zemmour behauptet (und Alain Finkelstein bestätigt), dass die französischen Behörden 1943 den Deutschen die „aschkenasischen“ Juden Frankreichs ausgeliefert hätten, nicht aber die sephardischen. Simone Veil, geborene Jakob, gehörte zu den Unglücklichen, die nach Auschwitz kamen. Sind nun Eric Zemmour und Alain Finkelstein Antisemiten, weil sie alte Gräben nachzeichnen?
Für deutsche Verhältnisse ist alles, was der aschkenasischen Orthodoxie missfällt, „Antisemitismus“; die Deutschen haben schließlich mit dieser zu leben. In Polen, Ungarn und Russland haben sie faktisch nur aschkenasische Juden ermorden können, die sephardischen Gemeinschaften in den Niederlanden und Nordgriechenland fielen ihnen zwar auch zum Opfer (sie plünderten deren Wohnungen für die Möblierung ihrer Büros im Osten), aber Länder wie Italien lieferten den Deutschen weniger Juden ans Messer als die „freie Schweiz“, die zigtausende abwies. Das zeigt, in Europa dominiert wieder die aschkenasische Orthodoxie und „Antisemitismus“ ist jede Kritik an derselben. Der Marrane muss sich als „Schwein“ definieren lassen, der Mischling (Max Czollek) als „Segler unter falscher Flagge“ und als Naidoo oder Abraham Melzer als „Antisemiten“. Warum? Weil man nicht aktuell auf orthodoxer Linie steht.
Warum machen die deutschen Gerichte das mit? Weil sie noch viel mehr Dreck am Stecken haben als Le Pen in Frankreich; Beispiel: Simone Veil, geborene Jakob. Sie arbeitete für Siemens in Auschwitz-Bobrek. War es Adolf Eichmanns Idee, sie dort arbeiten zu lassen? Unwahrscheinlich, dass dieses „Würstchen“ (Hannah Arendt) so weit dachte. Siemens, BASF, Bayer und Höchst (damals IG Farben; Höchst gehört heute zu Sanofi) und wie die großen deutschen Unternehmen noch firmieren, klagten über den Mangel an Arbeitskräften. Sie konnten nicht mehr genug für den Kriegsbedarf produzieren, weil die Arbeiter an der Front kämpften. Eigentlich war der Krieg damit verloren. Aber nicht für Deutsche, denen Friedrich der Große das große Vorbild ist. Also durchhalten, bis der Gegner kriegsmüde wird. Konsequent forderte die deutsche Wirtschaft Ersatz für ihre Arbeiter. Woher nehmen? Kriegsgefangene? Waren schon 200.000 gefangene Franzosen in Deutschland. Freiwillige? Wurden schon seit Jahren per Razzien gefunden. Polen: Seit Jahren restlos unterjocht. Die Juden in den befreundeten Ländern waren noch ein Reservoir. Also her damit.
Die Deutschen haben aber nicht herkommen und Vichy um die arbeitstauglichen Juden bitten können. Wie hätte Vichy die verbleibenden Alten, Siechen, Kinder und Mütter ernähren sollen? Also kamen die Deutschen auf die Umsiedlungsidee. Dafür gab Frankreich seine „aschkenasischen“ Juden heraus. Ungarn verhielt sich entsprechend und brachte seine Juden in zwei Lager. Die Deutschen deportierten sie nach Auschwitz weiter, wo Mediziner die für Siemens, Bayer, BASF und andere Industrieunternehmen geeigneten aussonderten. Das lief nicht willkürlich ab. Der kleine SS-Mann sah kritisch zu, dass der Chef korrekt arbeitete und keine Milde, nur Härte zeigte. Ruth Klüger und ihre Mutter erschienen als gesund genug. Seweryna Smaglewska berichtet von einer Gefangenen, dass ihre Schwester mit Kind eingeliefert wurde. Die Gefangene rief der Schwester noch zu: „Gib das Kind der Mutter“. Diese folgte und wurde prompt zur Arbeit abgesondert. Rudolf Höß berichtet analog von einer Frau, die er wegen ihrer Kinder zum Vergasen sortiert hatte, aber bemerkte, dass sie in Wirklichkeit keine Kinder hatte. Höß hatte sie nach Vorschrift ins Gas geschickt, nach Vorschrift, die den Bedürfnissen von Siemens, BASF und Bayer Rechnung trug. 70% der Ankömmlinge vergasten sie. Ihre Leichen verbrannten sie restlos. Siemens will nicht gewusst haben, dass für seine 550 Arbeiter(innen) in Bobrek mindestens 1.500 Frauen, Kinder, Ältere und Kranke haben sterben müssen? Lächerlich.
Wie lange gucken wir diesem Eiertanz um das Kartenhaus noch zu?
Die deutsche Aufarbeitung ist ein Schwindel, beginnend mit der Entnazifizierung, dem Luxemburger Abkommen bis zur Beschimpfung aller, die an dieses Kartenhaus hin tappen.