Antisemiten und Philosemiten

Jutta Ditfurth möchte sich von allen Freunden entfreunden, die eine „fragwürdige Position gegenüber jüdischen Menschen“ haben. Da will sie eine eindeutige Linie ziehen. Aber wo und wie ist diese Linie? Was bedeutet hier „fragwürdig“? Ist Kritik an Netanjahu schon eine „fragwürdige“ Position? Ist Kritik an der fragwürdigen Politik des Staates Israel auch schon fragwürdig?

Schon wieder taucht da eine Jean d´Arc aus altem preußischen Adelsgeschlecht auf und will uns Juden verteidigen. Gott im Himmel, ich glaube zwar nicht, dass es dich gibt, aber wenn es dich gibt, dann schütze uns Juden doch vor solchen fragwürdigen Gestalten, die uns retten wollen und deshalb offene und klare Debatten nicht zulassen. Sie wollen uns in Watte einpacken und uns vor jeder Kritik am Staat Israel, der ja vielen von uns Juden am Rücken vorbeigeht, schützen, obwohl wir gar nicht beschützt werden wollen. 

Ich kann auf solche Beschützer verzichten, und ich bleibe weiter Freund von Diether Dehm. Ich kenne ihn schon seit 1970, als ich sein erstes Buch verlegt habe. Mir ist es nie aufgefallen, dass er eine „unklare Position gegenüber dem Antisemitismus“ hat. Dabei habe ich vor fünfundvierzig Jahren, was Antisemitismus betrifft, keine Ohren gehabt, sondern Antennen, die auf die leiseste antisemitische Regung reagiert haben. Bei Dieter Dehm hat sich da nichts bewegt. Und wenn ein deutscher Politiker den Antisemitismus als „massenmordende Bestie“ definiert und davor warnt, dass man den Begriff des Antisemitismus nicht für Alles und Jeden inflationär gebrauchen darf, dann hat er meine volle und vollste Unterstützung, besonders gegen die Broders und Ditfurths dieser Welt, die schon glauben, dass „jüdische Menschen sich beleidigt und verfolgt“ fühlen würden, wenn ein Nichtjude in ihrer Nähe einen Furz lässt. Und wenn man dann von solch einem Furz gleich die Verbindung zu den „Protokollen der Weisen von Zion“ zieht, dann hat man wohl den Antisemitismus im Kopf. Und wenn jemand vom amerikanischen Ostküste-Kapitalismus redet, dann erkenne ich als Jude darin noch nicht den bösen, radikalen Antisemiten, und wenn jemand eine böse Karikatur des jüdischen Milliardärs Zuckerberg als Inhaber von Facebook macht, dann meint er nicht unbedingt den Juden, sondern er könnte auch den Milliardär und Kapitalisten und Partner des Kapitals sehen, der in den USA bestimmt nicht nur in jüdischer Hand ist. Und man sollte sich auch daran gewöhnen, dass es auch jüdische Rassisten, Chauvinisten und kapitalistische Schweine gibt. Der jüdische Milliardär Adelson, der amerikanische Kasino-König und Freund Netanjahus, ist alles andere als ein sympathischer  Mensch. Und der Kriegsverbrecher Sharon war auch kein angenehmer Zeitgenosse.

Antisemit ist, wer Juden hasst (und töten will) nur weil sie Juden sind. Bei Dieter Dehm kann davon keine Rede sein. Wir sind viele Jahre befreundet und meine jüdische Antenne hat mir nie irgendwelche Warnsignale gesendet. Bei anderen wie Jutta Ditfurth habe ich schon eher meine Zweifel.

Es sind dieselben, die einen Günter Grass angegriffen haben, weil er absolut berechtigt seine Sorgen über einen Angriff des Iran durch Israel zum Ausdruck brachte. In Israel wird gerade in den letzten Tagen darüber räsoniert, ob man nicht bald den Iran angreifen soll, bevor das Fenster sich schließt. Es sind dieselben, die Leute wie Didi Hallervorden, Rolf Verleger, Daniel Barenboim, Alfred Grosser u.a. angreifen, weil sie Israels Politik zu Recht kritisieren. Es sind diese gottverfluchten Philosemiten, die irgendwer einmal als Antisemiten bezeichnete, die Juden lieben.

Antisemiten sind mir unsympathisch, aber Philosemiten à la Ditfurth sind mir widerlich. Ich möchte nicht von solchen paranoiden Menschen beschützt werden. Da sind mir Antisemiten schon lieber, denn vor ihnen kann ich mich selbst schützen.

Und insofern kann man nur stolz darauf sein, kein Freund von Jutta Ditfurth zu sein. Da braucht man sich auch nicht zu entfreunden. Die arrogante und überhebliche Ditfurth war mir schon lange unsympathisch. Die Art und Weise wie sie mit Andersdenkenden umgeht, erinnert ganz und gar an die Art, wie Gutsherren mit Knechten umgegangen sind. Sie lehnt ihr „von“ ab und versucht jede Verbindung zum deutschen Adel zu verwischen, aber andererseits versäumt sie keine Gelegenheit, darauf aufmerksam zu machen. In ihrem 2013 veröffentlichten Buch „Der Baron, die Juden und die Nazis – Reise in eine Familiengeschichte“ liefert sie anhand vieler Quellen eine kritische Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte und beschreibt darin unter anderem den Antisemitismus und das einschlägige Wirken von vielen mit ihr verwandten Vorfahren bis hin zur Diktatur des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945. Sie  stammt also aus einer Familie in der Antisemitismus Tradition hatte. Wenn sie sich davon trennen will, dann ist der Weg, den sie geht, nicht der richtige Weg. Wir Juden können ihr keine Absolution erteilen, und bei uns braucht sie auch nicht zu beichten.

Es reicht wenn sie sagt, dass ihre Vorfahren Antisemiten waren. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig, dass auch sie eine ist. Aber wenn sie aus ihrem Philosemitismus eine Passion macht, dann könnte man auf die Idee kommen.

4 Gedanken zu „Antisemiten und Philosemiten

  1. Lieber Abi Melzer,
    Sie kritisieren Jutta Ditfurth zu Recht dafür, dass auch sie den „Antisemitismus“ als Geschäftsidee entdeckt hat und dass sie ihn jetzt für ihre Geschäfte benutzt. Frau Ditfurth gehört zu denjenigen „Philosemiten“, die erkannt haben: „Only „Anti-$emitism“ $ells!“, und dies deshalb, weil der „Antisemitismus“ die Existenzgrundlage des modernen Zionismus abgibt, weshalb dieser 1967ff. mit Zuckerbrot (für Ditfurth) und Peitsche (für Melzer) weltweit dessen Reanimation betrieben hat: ADL.

    Was mir auffällt, das ist eine Gemeinsamkeit, die Sie mit Frau Ditfurth und Co. aufweisen, und zwar haben sie beide das selbe (!) Verständnis vom „Antisemitismus“ itself, wenn sie ihn für sich so definieren: „Antisemit ist, wer Juden hasst (und töten will) nur weil sie Juden sind“ und wenn Sie damit „persönlich“ werden: „Antisemiten sind mir unsympathisch, aber Philosemiten à la Ditfurth sind mir widerlich. Ich möchte nicht von solchen paranoiden Menschen beschützt werden“.

    Genau mit diesem personalistischen, genauer gesagt: „psychologistischen“ Verständnis von Antisemitismus sind nämlich auch Sie ihm aufgesessen: dem zionistischen Antisemitismusbegriff http://wp.me/sxqev-4289.

    Ihr Verständnis von Antisemitismus entspricht deshalb – und das ist die Crux des Psychologismus – auch in Allem, in jeder Facette dem Verständnis des “Holocaust-Überlebenden” Hajo Myer, der die Antisemitismus-Lüge der modernen Zionisten und ihrer Informellen Mitarbeiter in Forschung, Publizistik, Politik und Pädagogik zugleich referiert und persifliert, wenn er schreibt: „An anti-Semite used to be a person who disliked Jews“ , um ironisch (aber empirisch zutreffend) fortzufahren: „Now it is a person who Jews dislike.“

    Leider treffen seine beiden Interpretationen dieses Begriffes auch auf Ihre Äußerungen zu, oder irre ich mich da?!

    Ihr personalistisches, Ihr psychologistisches Verständnis von Antisemitismus – „Es reicht wenn sie sagt, dass ihre Vorfahren Antisemiten waren. Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig, dass auch sie eine ist“ – ist von mir als zionistisches Antisemitismusverständnis auf den Begriff gebracht worden, das sich – sieht man von einer Politik der „Endlösung der Araberfrage“ ab – in Nichts vom modernen Zionismus selbst unterscheidet, der ja das, was den „Antisemitismus nach Auschwitz“ determiniert, im jüdischen Staat Israel selbst fortführt: den RASSISMUS ALS STAATSDOKTRIN http://www.blueprinttheorie.de .

    Was in diesem Zusammenhang noch auffällt, das ist die Tatsache, dass Sie Jutta Ditfurth nicht wissenschaftlich kritisieren, sondern dass auch Sie als Standpunkt Ihr Judentum bemühen. Ich frage Sie: definieren Sie sich wirklich als Jude http://wp.me/pxqev-cr, verstehen Sie darunter das, was die Zionisten darunter verstehen, wenn sie vom „jüdischen Staat Israel“ sprechen – und WARUM tun Sie das? Gibt es für Sie eine jüdische Wissenschaft?

  2. Hallo, Herr Melzer!

    Vielen Dank für den Kommentar. Ich halte an sich viel von Frau Ditfurth, doch war mir schon lange ihre „Faschismusparanoia“ aufgefallen, die sich auch auf an sich vollkommen harmlose Gruppen wie etwa die Anthroposophen erstreckte – nun gut, der gute Rudolf hatte „Gesichter“. Als Jutta sich Herrn Elsässer vornahm, einen der von ganz links nach ganz rechts auf der Wanderschaft ist – also an dem Röhl-Syndrom erkrankt ist – ,fand ich allerdings den Antisemitismusvorwurf sehr weit hergeholt. Aber nun, und dafür der Dank – ich hatte das garnicht mitbekommen – wird auch der Dieter als Antisemit geoutet, also jetzt hats „Zoom“ gemacht. In dem Moment, in dem die politische Arbeit offensichtlich hauptsächlich darin besteht, eigentliche Mitstreiter zu denunzieren, und das mit dem härtesten Vorwurf, den man in Deutschland einem Linken machen kann, ist irgendetwas mit Jutta geschehen. Aber, man soll die Hoffnung ja nie aufgeben, vielleicht fängt sie sich ja wieder…

  3. Danke Herr Melzer für den Artikel.
    Ich fühle mich bestätigt in meiner Meinung, denn als ich nicht wusste, was denn wohl „Antideutsche“ sind und danach gegoogelt habe, da dachte ich, eine Begegnung der dritten Art zu haben. Es hat mir regelrecht einen Schrecken eingejagt, so irre und verquer wurden dort Menschen für ihre Kritik an der Regierung von Israel als alles mögliche abqualifiziert. Einen Tag später erschien ein post bei mir auf FaceBook von einem Andreas Waibel, der mich grundlos als „Links-Faschistin“ und dergleichen beschimpfte, aber so, das es sich wie eine Drohung anhörte. Dieser Mann treibt sich auch auf der Plattform „Sarah Wagenknecht Aktuell“ herum, ein Forum, das sehr eigenartig ist. Ich gehöre keiner Partei an, aber S.W. ist wirklich gut.
    Mehr will ich hier gar nicht mehr erwähnen, nur das ich glaube, von J. Ditfurth lässt man besser die Finger,
    Ich habe nur eiskalte Kritik an Netanjahu und Co. und ich umarme die Juden…so habe ich’s gelernt und es kommt von Herzen. Aber Mötder sind Mörder…da beißt die Maus keinen Faden ab. Danke und Tschüss !

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