Antisemitische Klischees und die sie anwenden

Nachdem in den letzten Tagen bereits die Thüringer Allgemeine und die Ostthüringer Zeitung Angriffe auf den Oberbürgermeister von Jena,  A. Schröter, gestartet hatten, muss man sich fragen, wieso plötzlich aus dem Nichts eine Schmutzkampagne gestartet wurde, in deren Mittelpunkt der OB steht, der vor zwei Jahren einen Aufruf von PAX CHRISTI unterschrieben hatte, in dem das gefordert wurde, was die EU schon lange fordert, nämlich die Kennzeichnung israelischer Produkte, die aus den illegalen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten stammen. Man muss nicht mehr vermuten, dass hier wieder eine schmierige Kampagne vorliegt, die wieder von den „üblichen Verdächtigten“ gesteuert wird.

Das ist immer wieder der Fall, wenn die Regierung Israels menschen- und völkerrechtswidrige Handlungen begeht und prophylaktisch handelt, um nicht kritisiert zu werden. Man baut dann einen antisemitischen Popanz auf und versucht alle Augen auf diesen Popanz zu lenken. Man sucht und findet irgendeinen „Sündenbock“, der etwas richtiges und notwendiges, aber auch kritisches und anklagendes gegenüber Israel  gesagt hat und behauptet, das sei Antisemitismus. Man findet auch immer einen dummen, zionistischen Juden – und in diesem Fall ist es Reinhard Schramm, der Vorsitzende der Landesgemeinden in Thüringen, der den Vorwurf erhebt: „Dr. Schröter bediene sich Klischees“ und in diesem Fall kommt der Vorwurf wie ein Bumerang auf Herrn Reinhard Schramm zurück. Denn es gibt kein größeres, dümmeres und gefährlicheres Klischee als der Antisemitismus-Vorwurf.  

Ein unbekannter „Schmock“ aus Augsburg (!) bezieht sich auf eine vermeintliche Äußerung von OB Schröter, in der er vor zwei Jahren gefordert haben soll, Produkte aus Israel zu kennzeichnen und stellt einen Strafantrag bei einer offensichtlich total überforderten Staatsanwaltschaft, die eine solche sinnlose und dumme Anzeige auch noch annimmt. Außerdem wäre eine solche Aussage deshalb schon sinnlos, weil bei importierten Produkten ohnehin das Herkunftsland angegeben werden muss. Gibt es denn bei deutschen Staatsanwaltschaften keine Staatsanwälte mehr mit gesundem Menschenverstand? Scheinbar kann aber nicht sein, was nicht sein darf und Kritik an Israel ist wohl von „oben“ nicht erwünscht und folglich verboten und was verboten ist, ist eben nicht erlaubt.

Da beeilt sich die Thüringische Landeszeitung im offensichtlich voreilenden Gehorsam ihren Lesern mitzuteilen, dass „gegen Jenas OB Schröter“ eine Anzeige wegen Volksverhetzung vorliegt, statt die Nachricht in den Papierkorb zu werfen und die Staatsanwaltschaft zu fragen, was man sich dabei gedacht hat.

Und pflichtgemäß wird auch gleich das Aktenzeichen nachgereicht, unter dem die Anzeige geführt wird. Wenn das nicht eine Denunziation und eine solch absurde Posse wäre, dann könnte man vielleicht noch darüber lachen, aber das Lachen vergeht einem sehr schnell, wenn man den Ernst wahrnimmt, mit dem die Zeitung darüber berichtet. Es ist ja schließlich eine „seriöse“ Tageszeitung und nicht die Titanic.

Wir erfahren auch, dass Schröter kürzlich die Außenpolitik der USA und Deutschlands für die Flüchtlingskrise verantwortlich gemacht hat. Damit hat er auch vollkommen Recht. Wer soll denn sonst daran  schuld sein? Etwa die Flüchtlinge selbst, nachdem die USA und die NATO ihr Land zerstört haben und weiterhin zerstören. Und, da bewundere ich den mutigen OB, Deutschland solle endlich seine Rolle im Nahost-Konflikt überdenken.

Und da springt Reinhard Schramm, Vorsitzender der jüdischen Landesgemeinde, vor Empörung auf und behauptet, dass wenn OB Schröter Israel als Sündenbock anbietet, dann bedient er das uralte Klischee: „Die Juden sind an allem schuld. Damit begünstigt er Antisemitismus unter den Flüchtlingen wie unter der Bevölkerung.“ Dabei hat Schröter in diesem Zusammenhang gar nicht von Israel und schon gar nicht von Juden gesprochen.

Ja, diese jüdische Paranoia, sie ist unausrottbar. Broder prägte den Slogan: „Antisemitismus ohne Juden!“ In Wirklichkeit ist es aber Antisemitismus ohne Antisemiten. Denn viele Bürger stellen sich schon längst die Frage, wer diese Antisemiten sind. Und dank Broder, Schramm, Knobloch und mehr solcher Witzfiguren ist Antisemit fast schon zu einem „Ehrentitel“ geworden. Wenn man überlegt wer alles schon von dieser Clique als Antisemit beschimpft wurde, dann möchte man am liebsten dazu gehören.

Man wundert sich wie lange noch deutsche Politiker, Spaßmacher (Didi Hallervorden) und deutsch-jüdische Musiker wie Daniel Barenboim sich diese dümmlichen Beleidigungen und Diffamierungen gefallen lassen werden. Wenn Hallervorden und Barenboim (und Annette Groth, Wolfgang Gehrke, Dieter Dehm und viele anderen) nicht reagieren und über diese Beleidigungen, hinwegsehen, dann begehen sie damit einen Fehler, der nicht-Solidarität mit den anderen schwächeren, die Angst haben, ihre Meinung zu sagen, Israels völkerrechtsverletzende Politik zu kritisieren.

Die Stadt Jena ist seit vielen Jahren schon eng mit den Menschen in Israel und Palästina verbunden und pflegt eine offizielle Städtepartnerschaft mit der palästinensischen Stadt Beit Jala. Eine Partnerschaft mit einer jüdischen Stadt in Israel ist in Vorbereitung. Wir wünschten viele andere Bürgermeister und Oberbürgermeister würden diesem Beispiel folgen. Es ist deshalb nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht eines deutschen Oberbürgermeisters, gegen das Unrecht zu protestieren, wenn Israel ohne konkrete Ankündigung und ohne Recht erneut Land konfisziert und uralte Olivenbaume zerstört, indem man sie ausreißt, um stattdessen eine Mauer zu bauen.

Und es ist unserer aller Pflicht, gegen neue menschenrechteverletzenden Gesetze zu protestieren, die israelischen Soldaten und Polizisten das Recht geben, auf vierzehnjährige Steinewerfer zu schießen und zu töten. Wenn die Steinewerfer jünger als 14 Jahre sind, sollten die Eltern belangt werden. Solche Gesetze hat nicht einmal Ungarn und sollte ein europäischer Staat solche drakonische Strafen einführen, dann würde die gesamte EU protestieren. Bei Israel ist man seltsamerweise ruhig, still und verständnisvoll.

Es ist nicht nur für die Palästinenser ein Glück, dass eine Stadt in Deutschland das verurteilt. Es ist auch für uns alle in Deutschland ein Glück, dass es solch einen mutigen Politiker gibt. Da mögen die Damen und Herren vom Zentralrat der Juden weinen und jammern, protestieren und kritisieren. Es wird ihnen nicht nützen. Die Bürger von Jena stehen hinter ihrem OB und die Bürger in Deutschland finden das in ihrer Mehrheit auch gut. Da mögen durchgeknallte Juden noch so „Antisemitismus“ rufen. Wir rufen „J’accuse“ – wir klagen diese Juden und diejenigen, die ihnen folgen, an.

Heute hörten wir in den Morgennachrichten, dass der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland davor gewarnt hat, dass unter den Flüchtlingen, die täglich nach Deutschland kommen, auch viele Antisemiten sein könnten. Selten habe ich mich für einen anderen Juden so geschämt wie heute früh. Mein Frühstück hat mir nicht mehr geschmeckt. Er meinte, die Flüchtlinge aus Syrien müssten Antisemiten sein, weil Israel der Erzfeind Syriens sei. So kann nur jemand denken, der immer noch im Ghetto lebt oder das Ghetto im Kopf trägt. In Syrien hat es bis zuletzt eine jüdische Gemeinde gegeben, deren Mitglieder heute vielleicht auch unter den Flüchtlingen sind. In Kategorien von Erzfeind zu denken ist so was von gestrig und erinnert an die Zeit der dreißiger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts, als deutsche Nazis gemeint haben, die Juden seien unser „Erzfeind“.

Deshalb müssen wir von der Jüdischen Stimme aufstehen und dieses Land und seine Bürger verteidigen, denn es ist auch unser Land und wir wollen nicht in einem Land leben, indem die israelische Propaganda das Sagen hat. Müssen wir nicht unsere Stimme erheben und dem Oberbürgermeister von Jena, der zur  Zeit von jüdischen und nichtjüdischen Seiten angegriffen wird, weil er etwas Richtiges gesagt und etwas Vernünftiges gefordert hat, zur Seite stehen? Müssen wir nicht die Hetze gegen ihn in der deutschen Presse und in der jüdischen und israelischen Presse demaskieren und kritisieren? Wir alle sind doch auch für BDS-Maßnahmen gegen Israel, und sollten wir schweigend zusehen, wie der Oberbürgermeister diffamiert wird, weil er einen Aufruf von PAX CHRISTI unterschrieben hatte, in dem das gefordert wurde, was die EU schonlange fordert, nämlich die Kennzeichnung israelischer Produkte.

Ich bin empört und ich hoffe ihr alle auch und Reinhard Schramm, der Vorsitzende des Landesgemeinde in Thüringen, der wieder von Antisemitismus redet, sollten wir die Meinung sagen, zumindest, dass er nicht in unserem und nicht im Namen aller Juden redet und das er übrigens Unsinn redet. Für die Flucht so vieler Menschen aus dem Nahen Osten ist kein anderer als die unsägliche US- amerikanisch-europäische und somit auch deutsche Politik schuld. Und da kann dieser jüdische Persil-Vertreter noch so fromm tun und versuchen die USA, die EU, Deutschland und last not least Israel rein von Schuld zu waschen. Es wird ihm nicht gelingen. Und natürlich sind wir Juden nicht an allem schuld, aber wir sollten zudem stehen, wofür wir schuldig sind.

Ein Gedanke zu „Antisemitische Klischees und die sie anwenden

  1. Lieber Herr Melzer,

    Sie versuchen, mit Hilfe Ihrer gut entwickelten Hirnrinde Stammhirnreflexe anderer Menschen über das Einschalten der Vernunft kontrollieren zu helfen. Der „Antisemitismus“-Reflex ist leider im Stammhirn vieler Menschen, nicht nur von Juden, verankert – und vermutlich nur in vereinzelten Fällen und ausnahmsweise dekonstruierbar. Da es sich politisch, nicht selten auch wirtschaftlich im wahrsten Sinne des Wortes auszahlt, einen solchen Reflex beizubehalten, wird es folglich sehr schwer sein, diesen – sozusagen gegen die eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen gerichtet – bei durchaus intelligenten Menschen aufzulösen.

    In zu vielen Fällen kommt zugegebenermaßen auch noch der Dummheit ein gerüttelt Maß an reflexartigem Verhalten hinzu, eben als zentraler Bestandteil eines jeden Mitläufertums. Und gegen Dummheit, so lehrt das Sprichwort, kämpften schon die Götter vergebens.

    Der Zionismus, der heute den Mainstreams auch im Diaspora Judentum darstellt, – das bekanntlich den Zionismus, bevor Hitler kam, einst intensiv bekämpfte – beutet den Antisemitismus-Reflex auf Kosten des Anstands und der Lebensansprüche der Palästinenser in ihrem eigenen Land heute schamlos aus.

    Wir können nur hoffen, dass jüngere Juden in der Lage sein werden, sich emanzipatorisch zu verhalten, den für alle Menschen gültigen Rassismus-Begriff benutzen statt der elitären Zusatz-Vokabel „Antisemitismus“.

    Allerdings wären die Folgen einer solchen emanzipatorischen Einstellung für den Zionismus und seines ethnozentrierten Exklusivitätsanspruchs, der auch noch auf politisch auswertbaren Aussagen einer Stammesgottheit gründet, mehr als nur eine vorübergehende Identitätskrise. Auch aus diesem Grund wird der „Antisemitismus“-Reflex noch lange Jahre in der Welt bleiben. Als Deutscher muss ich auch noch mit dem „Nazi-Reflex“ leben. Seit ich Menschen mit solchen Reflexen verstehe, die mit Schlagworten anstelle von Argumenten um sich schlagen, sehe ich immer öfters den Typus des Cro-Magnon-Menschen vor mir. So hat das alles auch seinen – zugegebenermaßen eingeschränkten – Unterhaltungswert.

    Den Palästinensern hätte ich freundlichere Einwanderer als Nachbarn gewünscht.

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