Antisemitismus

Niemand weiß genau, was das ist. Die offiziell in Deutschland etablierten Juden verstehen ihn synonym für „Judenhass“; aber wer hasst schon „die Juden“. Aus jüdischen Häusern sind viel zu viele bedeutende Persönlichkeiten hervorgegangen, als dass man Juden pauschal hassen könnte: angefangen bei Baruch Spinoza bis hin zu Otto Kernberg, der dieses Jahr seinen 90. Geburtstag feiert, könnte man ein neues „jüdisches Lexikon“ kompilieren. Problem? Viele dieser Persönlichkeiten werden von den maßgeblichen „Amtsjuden“ nicht nur abgelehnt, sondern gar gehasst: Bruno Bettelheim, Alfred Kantorowicz, die nicht auf der Linie der jüdischen Innung liegen. Das ergibt einen gänzlich neuen „Antisemitismus“: die Verehrung des  heterodoxen Juden und seine Jünger. Wir sind wieder beim Modell „Jesus“ angekommen. Wer Juden schätzt, die dem Amtsjudentum der politischen Neo-Rabbiner entfremdet sind, muss das „Kreuzige-ihn-Gebrüll“ aus den Reihen des Amtsjudentums ertragen können.

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn Deutschland nicht von einem US-frommen Regierungssystem beherrscht und von einer Art Landpflegern regiert werden würde. Die „kreuzigen“, wenn sie das Gebrüll hören. Und unter die Brüllopfer fallen auch die bei uns lebenden Menschen orientalischer Eltern, die Sympathien für orientalische Organisationen zeigen, die israelfeindlich sind. Aktuell ist es solchen gelungen, (angeblich ganz) Israel in Schockzustand zu versetzen, indem sie Raketen in so großer Zahl auf (das immer friedlich menschenfreundliche) Israel abzuschießen, dass dessen „Eiserner Dom“ überfordert war. Leider wird verkannt, dass israelische Gegenschläge immer nur Antworten auf (z.B.) arabische Aggressionen sind, aber, so muss man leider einräumen, schlägt „Israel“ stets massiver zurück als es getroffen wurde, und so ist die nächste bewaffnete Provokation programmiert. Bedauerlicherweise zeigt man im Westen nur die Bilder geköpfter israelischer Babys, aber nie deren durch israelische Bomben zerrissenen arabischen Kinderkörper , auch wenn deren Eltern ebenso schockiert sind. Denn die Verbreitung solcher Bilder wäre wieder „antisemitisch“. Das tut man also nicht, aber wir versuchen es mal:.

Quelle: Reuters.com: https://www.reuters.com/pictures/israeli-air-strikes-hit-gaza-palestinians-flee-2023-10-14/

Auch das beengt unsere Informationsfreiheit nicht wirklich. Denn die Welt ist voll solcher Gräuel. In Myanmar, in Bergkarabach, in Grosny, in vielen Gebieten der Ukraine, in Afrika überhaupt, wahrscheinlich auch in Süd- und Mittelamerika geht es grausam zu. Warum empören uns daher die Bilder aus Israel? Vielleicht, weil dort die Hälfte aller Juden existiert, während die andere Hälfte in den USA lebt. Und dort haben diese viel Einfluss, auch wenn sie zum großen Teil von den Israelis gar nicht mehr als richtige Juden akzeptiert werden (Carlo Strenger sah das US-Judentum halachisch auf 13% seines heutigen Bestandes dahinschmelzen). Diese „Eisschmelze“ führt aber dazu, dass das Judentum in den USA als Schmelzwasser ansteigt mit der Folge, dass sich viele teiljüdische Amerikaner nur durch strikte Parteinahme für Israel als „Auch-Juden“ beweisen können. Das ist natürlich höchstparadox, aber bleibt im Rahmen irrationaler Logik. Vielleicht kann man den Begriff „Wasserjuden“ verwenden in Ableitung zum Begriff „Wasserpolacken“, der vor dem Krieg in Schlesien aus „Volkspolen“ loyale deutsche Staatsbürger machte. Die unhalachischen (Doch-)Juden können folglich zuz Amerikas Nah-Ost-Politik viel beitragen, letztlich auch, weil den nicht-jüdischen Amerikaner das gelobte Land in Nah-Ost weniger interessiert. Der Amerikaner lebt ja im wirklich gelobten Land.

Hier beginnt nun das Problem in Deutschland. Israel ist nahe, so dass bei uns Türken und Araber leben, die oft eine offene Familienrechnung mit Israel haben. Deutschland ist von den USA 1945 gänzlich unterworfen worden; seine Regierung braucht das stete Wohlwollen dieses Siegers. Es kann sich nicht leisten, irgendetwas „antijüdisches“ vorzubringen. Derzeit verlangt Israel die Räumung des nördlichen Teils von Gaza, was die Flucht von 1,2 Millionen Menschen, darunter rein statistisch 600.000 Frauen verlangt.  Objektiv nach den statischen Regeln von Felix Theilhaber und Emile Durckheim werden es nur 300.000 Frauen sein, weil wegen des Kinderreichtums der Araber die Hälfte der zu vertreibenden Menschen unmündige Kinder sein dürften. 24 Stunden gab man ihnen Zeit, verlängerte aber in jüdischer Menschlichkeit diese Frist. Im Vergleich zur praktizierten Vertreibung der Deutschen aus Pommern und Schlesien bleibt diese Frist allerdings unmenschlich kurz. Die Israelis haben aber keine Zeit: Sie haben 300.000 Reservisten einberufen zu ihren 160.000 Soldaten „der Linie“, was sich das kleine Land nicht lange leisten kann. Durch die Mobilisierung sollen andere Länder abgehalten werden, in den Konflikt einzugreifen. Israel kann sich aber auch nicht leisten, den Norden Gazas samt seiner Zivilbevölkerung platt zu machen. Israel ist mühsam daran, mit den arabischen Königreichen und Emiraten freundliche Beziehungen anzuknüpfen, was es unopportun werden lässt, krasse Kriegsverbrechen an Arabern zu begehen.  Nach einem alten Wehrmachtslied, dass es „Panzer und Flieger nie allein schaffen… ohne deinen Einsatz nie.. Deutsche Infanterie“, müssen auch die Israelis die Infanterie einsetzen, wenn sie in Gaza Ordnung schaffen wollen. Sie können sie aber auch nicht wirklich einsetzen, weil diese im Häuserkampf größere Verluste erleiden dürfte, die so viel jüdische Opfer kosten könnten wie die, die man rächen will.  Eine Million Menschen kann man praktisch auch nicht vertreiben, ohne unter ihnen Opfer zu provozieren. Wie viele Deutsche kamen 1945 auf der „Flucht“ um? Wie viele Frauen verloren auf der Flucht ihre kleinen Kinder? Jedenfalls gibt es für die verlangte Umsiedlung keine logistische Assistenz von Seiten Israels. Das ganze Vorhaben ähnelt insoweit eher der „Umsiedlung“ der Armenier von 1915, die damals die Türken nicht im Grenzgebiet zu Russland hatten belassen wollen. Es gibt nicht wenige Historiker, die diese „Umsiedlung“ der Armenier in Wüstengebiete als Völkermord werten. Steht Israel an der Schwelle zum Völkermord? Schaut fast so aus.

Es wäre wohl das Vernünftigste, die Racheaktion abzublasen. Aber ist das möglich, nachdem EU und bis auf einen Mitgliedsstaat alle europäischen Länder für eine israelische Gewaltpolitik „Grünes Licht“ gegeben haben? Das macht die Sache zu einem inländischen Problem. Die Araber bei uns würden gut daran tun, gegen die kriminelle Unterstützung der deutschen Regierung zu protestieren statt Exzesse der Hamas zu bejubenln; bislang ist der potentielle Völkermord der Israelis noch Theorie, aber die kriminelle Anstiftung und Beihilfe dazu seitens der deutschen Regierung ist bereits vollendet. Jeder „Evakuierungsflug“ der Bundeswehr signalisiert das Einverständnis, in Gaza tabula rasa zu machen. Während man den Israelis teils Notwehr, teils Verlust der Einsichtsfähigkeit wegen Hysterie, sowie andere schuldmindernde Umstände zubilligen kann, fehlen solche bei der deutschen Regierung. Die müssen wissen, was sie tun, wenn sie sich bedingungslos an die Seite einer verrückt gewordenen israelischen Regierung stellen, die vielleicht gar nicht die Opfer der Hamas-Aggression, sondern die Bloßstellung ihres politischen Unvermögens rächen will.

15.10.2023 von Lobenstein

 

 

 

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