Zu den Juden in Deutschland

Viele Juden in Deutschland sind traumatisiert, verunsichert und ängstlich. Gottseidank nicht alle. Traumatisiert und verunsichert sind in erster Linie die Mitglieder der Jüdischen Gemeinden, die vom Zentralrat der Juden gelenkt und geleitet werden. Sie sind folglich selbst für ihrer Selbstverängstigung verantwortlich; ihre Führung, die nicht müde wird zu verkünden, dass alle Juden geschlossen hinter Israel stünden, und dass alle Juden über die 1200 ermordeten Israelis und etwa 140 noch lebenden Geiseln zu trauerten, irritiert es nicht, dass sie vollkommen gleichgültig wirken gegenüber dem Tod von mehr als 40 000 palästinensischen Kindern, Frauen und Männern, alles Zivilisten. Für die gelenkten Juden sind alle Palästinenser in Gaza „Hamas-Terroristen“, auch die arabischen Schulkinder. Dabei sind diejenigen, die sie „Terroristen“ nennen, in den Augen der anderen Seite nichts minderes als Freiheitskämpfer. Die deutsche Wehrmacht definierte die russischen Partisanen und die Mitglieder der französischen Resistance  als Terroristen. Auch die jüdischen Widerstandgruppen „Etzel“,  die „Lechi“ und die „Stern-Gruppe“, die in Palästina gegen die englische Verwaltung Anschläge vornahm, galten den Briten als Terroristen.  Den Israelis dagegen gelten diese Leute heute als Freiheitskämpfer. Ob Terrorist oder Freiheitskämpfer ist also eine Frage des Standpunkt oder der Zeit.

Die Führung der Juden in der Diaspora argumentiert im Gaza-Konflikt so, als sei Israel aus heiterem Himmel mit dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 konfrontiert worden. Natürlich war dieser Überfall auf eine überflüssige Weise grausam und brutal, aber die israelische Besatzung der arabischen Teile Palästinas darf ebenso als grausam und brutal verstanden werden. Das Abwerfen von 1000-kg-Bomben auf ein feindliches Wohngebiet lässt sich kaum als eine humanitäre Tat darstellen.

Im Konflikt Israels mit den Arabern werden seit mehr als 100 Jahren unzählige Massaker von beiden Seiten verübt . Die Zahl der Opfer auf palästinensischer Seite ist um ein Vielfaches höher als die Verlustzahlen auf der israelischen. Nicht Palästinenser, sondern jüdische Terroristen waren es, die als erste Bomben auf Marktplätzen in Haifa und in Jerusalem zur Explosion brachten und zahllose Opfer „billigend in Kauf nahmen“. Über diese weinen palästinensische Mütter genauso wie jüdische um ihre getöteten Söhne und ihre ermordeten Kinder. Der Autor dieser Zeilen hatte in der Schule in Israel gelernt, dass palästinensische Mütter nicht um ihre Kinder weinten, weil ihre Tränen im Widerspruch zu den Umständen stehen, dass sie zuließen, dass die Kinder von der Hamas zum Krieg rekrutiert werden. Die pädagogischen Theoretiker überlegten niemals, dass die gleiche Argumentation auch den jüdischen Müttern vorgehalten werden könnte, die ihre Söhne und Töchter stolz in die Armee schickten.

„Nie wieder“ ist nicht erst „heute“. Nie wieder galt auch schon gestern und gilt eigentlich immer. Aber die Juden beziehen diesen Slogan allein auf sich. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder Antisemitismus. Nie wieder Hass auf Juden. „Nie wieder“ meint aber ein „Nie wieder Hass, Antipathie und Vernichtungswünsche“ zugunsten aller Menschen. „Nie wieder Krieg“ rufen gewisse Leute und wir sehen, dass die Juden im Nahen Osten wieder Krieg führen und in Europa den Gemetzeln zugestimmt wird. Deutsche Politiker fordern wieder blind und gewissenlos eine kritiklose Unterstützung Israels, obwohl alle Welt gesehen hat und weiß, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diesen Krieg gewollt und herbeigeführt hat.

Natürlich behaupten gewisse Juden, dass sie „keine andere Wahl“ hätten. Aber die Behauptung von fehlender Wahlfreiheit und bedrückender Alternativlosigkeit ist Unsinn. Der denkende Mensch findet immer eine alternative Möglichkeit. Das Zwanghafte des Prinzips „Aug´um Auge“ lässt die Welt erblinden, sagte Mahatma Ghandi. Wenn beide Seiten behaupten, dass sie alternativlos gestellt seien, dann leiden sie beide am politischen Grünen Star.

Ich denke da an die Geschichte des Juden Jakubowski und dem polnischen Oberst, für den es immer nur eine Möglichkeit gab und die heute von Netanjahu besetzt ist. Für den Juden Jakubowski gab es immer zwei Möglichkeiten, die er von seiner Mutter lernte, wie er immer wieder sagte. Damit wollte er sagen, dass es jüdische Lehre und Tradition war und ist, über eine Alternative im Köcher zu haben. Dass die Israelis seit Jahrzehnten keine Alternative sehen zeigt, dass sie sich vom traditionellen Judentum ziemlich weit entfernt haben.

Im konkreten Konflikt geht es nicht um Ideologie; der Konflikt ist nicht rassistisch und auch nicht religiös geprägt, sondern er ist ein ganz banaler Streit um Quadratmeter. Die Juden beanspruchen Land, weil ihre Bücher erzählen, dass ihre Vorfahren dort vor 2000 Jahren gelebt hätten, und die Palästinenser beanspruchen das Land, weil dort seit 2000 Jahren alle ihre Vorfahren bis zu ihnen hinab lebten.

Juden in Deutschland stehen „wrong or right“ hinter Israel, und sind empört, wenn an Wänden von Synagogen oder Gemeindehäuser gesprüht wird „Fuck Israel“ oder „Free Palestine“. Sie haben dafür keine andere Erklärung als: Antisemitismus. Damit verfremden sie diesen Begriff von seiner ursprünglichen Bedeutung, nämlich Judenhass aus den Reihen der Mitbürger. Sie verballhornen den Antisemitismusbegriff zu einem politischen Kampfmittel im Konflikt um Israel und in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern. Wenn die Palästinenser in dieser klassischen Auseinandersetzung agieren oder reagieren, dann gelten sie den Juden als Antisemiten. Dabei steht auf den diversen Wänden nicht „Fuck die Juden“. Und wenn die Juden sich so sehr mit Israel identifizieren, dass sie „Fuck Israel“ als Judenhass interpretieren, dann sind sie taub und blind für die Realität in Israel/Palästina und in Deutschland. Nach allem was die Israelis den Palästinensern angetan haben, haben letztere das Recht „Fuck Israel „ zu sprühen.

So einfach kann  man es sich machen. Aber damit kann man keine Probleme lösen und erst recht nicht den Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser, der offensichtlich unlösbar bleiben wird. Wenn man Menschen unterdrückt und die Freiheit raubt, sie quält, ausraubt, enteignet und brutal behandelt, dann darf sich nicht wundern, wenn diese Menschen sich irgendwann dagegen wehren, auch wenn ihre Reaktion unmenschlich und grausam ist. In diesem Konflikt wird ständig Grausamkeit mit  Grausamkeit verrechnet.

Ich habe längst den Glauben verloren, dass ich noch in meiner Lebzeit eine Lösung erlebe.

von Abraham Melzer

 

Zum Mail von Götz Schindler:

Lieber Götz,

ich habe Deine Empfehlung das Buch „Feuer“ von Ron Leschem zu lesen ernst genommen und das Buch bestellt. Vorab, noch bevor ich das Buch gelesen habe, möchte ich aber zu Deinen Zeilen und zur Rezension von Matthias Kolb in der SZ folgendes schreiben:

Du zitierst aus der Vorbemerkung des Autors folgenden Satz: „Es ist nicht möglich, den Teufelskreis des Blutvergießens zu stoppen und zu einer Lösung des Konflikts zu gelangen, ohne die Geschichte in ihrer ganzen Komplexität zu kennen.“ Und Du vergleichst diese Worte mit den Worten von Antonio Guterras, der daran erinnert hat, dass die grausame tat der Hamas vom 7. Oktober 2023 eine Vorgeschichte hat.

Das ist alles richtig und jeder weiß doch, dass die Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts nicht am 7. Oktober 2023 begonnen hat. Wer es nicht weiß ist nicht ignorant, sondern er will es bewusst und mit Absicht nicht wissen. Wenn aber bei uns in Deutschland nicht alle Menschen die Geschichte des Konflikts in seiner ganzen Komplexität kennen, dann ist es für die Lösung des Konflikts vollkommen belanglos, denn den Konflikt sollen nicht die Deutschen, Franzosen oder Engländer, sondern Israelis und Palästinenser beenden. Und sie, die Israelis und die Palästinenser wissen alles über die Komplexität des Problems, weil sie es seit zwei, drei Generation tagtäglich erleben. Während aber die Palästinenser immer wieder darüber reden, sich beklagen und ihre Tote zählen, schweigen die Israelis und suchen die Schuld bei der Hamas. Der Elephant im Raum ist aber die Besetzung Palästinas durch eine brutale israelische Armee. Inzwischen kann man auch nicht mehr von Besetzung reden. Man muss die Dinge beim Namen nennen: Es ist eine Kolonialisierung Palästinas durch israelische Siedler und Siedlungen. Solange es diese Kolonisierung geben wird, wird es keinen Frieden geben und alle Verhandlungen, auch wenn sie vermeintliche Ergebnisse ergeben, sind vergebens. Israel und seine jüdischen Bewohner müssen endlich kapieren, dass das Zeitalter der Kolonisation längst beendet ist. Solange die Israelis und die übrigen westlichen europäischen Staaten, und besonders Deutschland, die palästinensischen Kämpfer „Terroristen“ nennen, wird es eine faire Lösung des Problems nicht geben. Solange man in der Politik und in den Medien die palästinensischen Widerstandkämpfer Terroristen nennen wird, solange wird eine gleichberechtigte Verhandlung zwischen Kontrahenten nicht möglich sein. Solange die Israelis arrogant und selbstgerecht ihre Gegner, die Hamas, als Terroristen und ihre israelische Armee als die humanste Armee der Welt bezeichnen, wird es keinen Frieden geben. Und wenn Israel seine Politik nicht ändern wird, dann ist Israels Untergang nur eine Frage der Zeit. Eigentlich ist Israel schon heute mit seiner faschistischen und zum Teil kriminellen Regierung auf dem besten Wege dazu.

Das ist auch das Problem der Rezension von Matthias Kolb, dass sie unkritisch und naiv von der Hamas als eine Terrororganisation spricht. Überall auf der Welt waren Freiheitskämpfer, bevor sie ihr Ziel erreicht haben, Terroristen. In Indien unter der britischen Herrschaft, in Algerien unter französischer Herrschaft und in Kenja auch unter britischer Herrschaft, um nur drei Beispiele zu nennen. Jomo Kenjata, der Führer der sogenannten Terroristen bzw. Rebellen, wurde von der britischen Kolonialmacht als Terrorist gesucht. Nachdem Kenja frei wurde von der britischen Besatzung wurde er 1963 Ministerpräsident, und  ist von der britischen Königin mit allen diplomatischen Ehren empfangen worden. Und auch jüdische Widerstandskämpfer wie Menachem Begin und Moshe  Shamir, wurden von den Briten, die damals Palästina besetzt hielten, per Steckbrief als Terroristen gesucht und Shamir wurde sogar gefasst und in ein britisches Konzentrationslager in Afrika gesteck. Später wurden Begin und Shamir als Ministerpräsidenten ihres Landes überall auf der Welt mit allen Ehren empfangen. So wird es eines Tages auch mit den Führern der Hamas passieren, sofern sie nicht von der brutalen israelischen Regierung ermordet werden.

Es ist an der Zeit nicht mehr zurückzublicken, sondern nach vorn schauen. Die Israelis haben nur über eine Frage zu entscheiden, die für ihre Zukunft wichtig ist: Wollen sie in Frieden leben, wie zum Beispiel andere Nationen überall auf der Welt, oder wollen sie ewig Krieg führen? Wollen sie wie einst Yael Dayan, die Tochter des legendären Moshe Dayan, geschrieben hat: Ewig mit dem Gewehr schlafen?

Leider gibt es in Israel Politiker und viel zu viele Wähler, die das wollen. Bis zum letzten Palästinenser oder Palästinenserin, Kinder und Greise, alle vernichten. Und wenn Benjamin Netanjahu es vielleicht selbst nicht will, weil er kein blinder Fanatiker ist, sondern ein rationaler Faschist, wie sein Vater, so wird er aber von seinen Koalitionspartner Itamar ben Gvir und Bezalel Smotrich bedrängt und getrieben. Und schließlich geht es ihm auch um seine persönliche Zukunft. Er weiß, dass wenn er nachgibt, er selbst am Ende im Gefängnis landen wird. Und das will er vermeiden. Das Hemd ist ihm näher als der Rock und seine eigene Freiheit näher als die Freiheit der entführten Geiseln.

Ich wiederhole mich: Das Problem ist nicht die Hamas,  auch wenn es so aussieht, als ob die israelische Armee die Hamas nicht besiegen Kann. Das Problem ist die israelische Besatzung und Unterdrückung eines anderen Volkes, brutal und herzlos, das Problem sind die unzähligen Siedlungen auf palästinensischen Boden, den die Israelis Judäa und Samaria  bezeichnen und sich dabei auf die Bibel berufen, als ob die Bibel ein Grundbuchverzeichnis sei. Das Problem ist die totale Ignorierung des palästinensischen Volkes, das Problem war und ist, dass sämtliche israelische Regierungen fest davon überzeugt waren, dass sie die Besatzung beherrschen können und es nur eine Frage der idealen Organisation sei. Das Problem ist, dass so viele Israelis das wissen, aber nicht wissen wollen. Dabei geschieht es vor ihren Augen und den Augen der Weltöffentlichkeit. Es erinnert mich an die Zustände in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1939, als man die Juden entrechtet hat, sie aus ihren Wohnungen vertrieben und schließlich in vollen Viehwagons nach Auschwitz gebracht hat. Die Bevölkerung hat das gesehen und geschwiegen.

Und wenn die Israelis so dumm, so stur und so selbstgerecht sind, dass sie die Realität nicht sehen wollen und diejenigen, die sie sehen schweigen oder das Land verlassen, so bleibt nur noch die Hoffnung, dass die Weltöffentlichkeit das sieht und aufschreit. Jüdische Menschen überall auf der Welt, die Jahrzehnte Israel moralisch und finanziell unterstützt haben, wenden sich ab von Israel. „Nicht in unserem Namen“ sagen sie in New York, London, Paris und Berlin.

Und mit dem Missbrauch der Benutzung des Holocaust als Entschuldigung für Israels völkerrechtlich falsches Verhalten und der Diffamierung von jedem, auch Juden, der Israels Politik kritisiert, als „Antisemit“ ist jetzt auch Schluss. Die Zeit der elenden und überflüssigen Antisemitismusbeauftragten ist vorbei. Schaffen wir sie ab und schicken wir sie nach Gaza, wo sie beim Wiederaufbau helfen können.

von Abraham Melzer

Heute weiß es jeder!

Man kann Sarah Wagenknecht vieles vorwerfen, vor allem, dass sie und ihre Partei weit entfernt von Demokratie sind. Manche werfen ihr sogar Faschismus vor. Ministerpräsident Michael Kretschmer meint sogar, dass sie ein Talent hat, Dinge zu zerstören. Ihre Affinität zu Putin ist gefährlich und ihre Nähe zur AfD noch mehr.

Aber was der Zentralrat der Juden durch den Zentralratsvorsitzenden Josef Schuster ihr vorwirft, ist absurd, lächerlich und dumm. Sie bediene antisemitische Narrative, meint Schuster, und er kann ihr nichts anderes vorwerfen, als dass sie den Bundestag aufgefordert hat Waffenlieferungen nach Israel einzustellen bzw. dass sie im März gesagt hat, dass Israels Kriegsführung in Gaza „Züge eines Vernichtungszuges“ trage. Dabei sagen das inzwischen auch viele Israelis und Juden überall auf der Welt und leider ist es wahr.

Schuster wirft Wagenknecht vor, sie würde „die Realitäten in diesem Krieg nicht anerkennen: Israel kämpft gegen die Terrororganisation Hamas – und nicht gegen die palästinensische Bevölkerung.“ Wenn das so ist, dann sollte Schuster uns erklären, wie es kommt, dass bis heute mehr als 40 000 Zivilisten in Gaza von der israelischen Armee getötet, wenn nicht sogar ermordet wurden. Darunter mehr als die Hälfte Kinder und Frauen.

Israel kämpft (angeblich) um sein Überleben, sagt Schuster. Aber die Hamas und die Palästinenser kämpfen auch um ihr Überleben, zumal es genügend Israelis auch im Parlament und in der Regierung gibt, die Gaza vernichten und ausradieren wollen. Und während diese Racheaktion der israelischen Armee jenseits von allen völkerrechtlichen Linien ist, ist der Kampf der Palästinenser (der Hamas) völkerrechtlich gerecht.

Und wenn die Hamas eine Terrororganisation ist, wie Schuster behauptet, waren nicht die Juden, die gegen die Nazis im Warschauer Ghetto rebelliert haben, nicht in der Sprache der Nazis auch Terroristen? Und die russischen Partisanen und die französische Resistance? Die Nazis haben sie zumindest so genannt, wie heute die israelische Regierung, Schuster und manche naiven Politiker weltweit die Hamas „radikal-terroristisch“ nennen. Radikal ist vor allem Netanjahu und seine rechts-nationalen Partner, von denen einer bereits im Gefängnis saß wegen Terrorismus.

Schuster nennt Wagenknechts Wortwahl „völlig unangemessen.“ Dabei ist seine Wortwahl schlimmer, weil sie dumm und peinlich ist. Den Judenhass in Deutschland befeuert nicht Sarah Wagenknecht, so sehr ich persönlich vor dieser Frau und Volksverhetzerin warne. Den Judenhass befeuert in Deutschland Josef Schuster, sein Zentralrat und nicht zuletzt die Jüdische Allgemeine mit ihren lächerlichen und primitiven Hetzartikel.

Schuster braucht doch nur zuzusehen, was in Israel seit dem 7. Oktober 2023 los ist. Die ach so berühmte und leider auch berüchtigte IDF, die von sich behauptet die humanste Armee der Welt zu sein, begeht Kriegsverbrechen und ist nicht in der Lage die Hamas zu besiegen.

Wenn Netanjahu und seine national-religiösen und radikalen Partner nicht bald einen fairen und nachhaltigen Friedensvertrag mit der Hamas und mit allen Palästinensern abzuschließen, die Westbank räumen und die Siedlungen abbauen, dann wird der Kriegszustand nie enden und das wird Israel nicht überleben. Das habe ich schon vor 10, 20 und 30 Jahren geschrieben und ich bin ausgelacht worden und als Antisemit diffamiert. Heute weiß es jeder.

von Abraham Melzer

Die größte Katastrophe des Judentums

17.06.2024, Abraham Melzer

(Geschrieben im Krankenhaus unter unerträglichen Schmerzen)

Manche sagen, und es sind auch sehr viele Juden darunter, dass die größte Katastrophe des Judentums die Gründung des Staates Israel war. Gemeint hat Seligmann wohl die größte Katastrophe der Juden und nicht des Judentums. Das Judentum ist eine Ideologie (Religion + Kultur) und kann durch einen noch so brutalen Anschlag nicht gefährdet sein. Juden und Judentum sind nicht dasselbe. Juden sind das Volk, die Masse, die Menschen. Judentum ist die Religion, die Ethik und Moral und schließlich die Kultur. Für das Judentum war nicht einmal der Holocaust, die Ermordung von sechs Millionen Menschen jüdischer Abstammung, die größte Katastrophe, so groß, grausam und barbarisch sie war. Das Judentum hat die deutsche Barbarei überlebt und ist heute stärker als je zuvor. m Judentum hat sich nichts verändert. Die 613 Gebote und Verbote gelten nach wie vor.

Ist aber der Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 tatsächlich „die größte Katastrophe seit dem Holocaust für alle Juden auf der ganzen Welt“, wie es Rafael Seligmann in seinem Aufsatz in Spiegel 24 vom 8.6.2024 bejammerte? Mitnichten. Er ist ein brutaler Überfall gewesen, der nicht nur die Juden, sondern auch Nichtjuden überall auf der Welt entsetzt hat. Nicht mehr entsetzt als andere Katastrophen in Asien, Afrika oder sonst wo auch. Die Juden aber neigen ihre Katastrophen immer als Superlative in den Mittelpunkt des Weltgeschehens stellen zu müssen, als ob die Katastrophen anderer Völker zweit und dritt rangig wären. Der Slogan „Juden first“ ist bei den Juden schon länger in Gebrauch als Trumps „Amerika first“. Und viele Juden glauben wirklich, es sei so.

Der 7.Oktober 2023 war  mehr für den Staat Israel eine Katastrophe, eine solche für seine Sicherheit und für den trügerischen Glauben, man könnte den Konflikt mit den Palästinensern irgendwie erfolgreich managen.  Netanjahu hat diesen Glauben propagiert und alle habe es ihm glauben wollen. Und nun sind sie im Schrecken aufgewacht, dass es nicht absolut zutrifft, dass man den Konflikt „verwalten“ könne, sondern dass man ihn schleunigst lösen muss. Die Politik der israelischen Regierung lässt aber  nach diesem Überfall keine Hoffnung durchscheinen, dass die Verantwortlichen in Jerusalem das verstanden haben.

Es war und bleibt also eine tragische Situation für den Staat Israel und seine Armee, die seit 8 Monaten mit kollateralen Erfolgen gegen die Hamas vorgeht. Abgesehen davon, dass die Armee Gaza fast total ausradiert hat, und dass sie fast 2 Millionen Menschen obdachlos gebombt hat, schweigt sie von den tausenden von Toten, auch von den eigenen Verlusten. Aber der Staat Israel und seine Armee, selbstdefiniert als die humanste Armee der Welt, sind nicht das Judentum. Manche ultraorthodoxen jüdischen Sekten zweifeln sogar daran, dass der Staat Israel jüdisch sei. (vgl. Tuvia Tenenbom in: Gott spricht Jiddisch).

Rafael Seligman nennt sich selbst schon seit mehr als einem halben Jahrhundert „Hebräer“, obwohl dieser Begriff in Israel schon genauso lange aus der Mode gekommen ist. Als Hebräer wurden die biblischen Juden bezeichnet. Der Zionismus hat sich aber nicht mit den biblischen Juden identifiziert, sondern wollte einen neuen, modernen Juden schaffen, der sich sogar von den alten Riten und Gebräuchen befreit hat. Das ist freilich nicht gelungen.

Trotzdem war der 7.10.23 für die Existenz des Staates Israel keine Katastrophe. Es war eine militärische Schlappe, die die Überheblichkeit des israelischen Militärs offenbart hat und zeigte, wie schwer es für reguläre Armeen ist, gegen eine Widerstandsbewegung zu obsiegen, wenn diese kein Land erobern will, sondern um spirituelle Begriffe wie Freiheit und Würde ficht. Der Staat hat die militärische Niederlage selbst nach 8 Monaten nicht wett gemacht. Die Kampfjets und Panzer schlagen zwar zielgenau zu und erreichen die totale Zerstörung der Stadt Gaza, aber nicht den Freiheitswillen und nicht die Würde der Bekämpften.

Selbst eine der moralisch motoviertesten Armeen der Welt ist offensichtlich nicht in der Lage einer Widerstands-organisation  das Rückgrat zu brechen. War es in Vietnam nicht ähnlich? Und wie war es in Afghanistan?  Moralisch hat Israel in der ganzen Welt  verloren. Die Stimmung im Land ist niedergeschlagen, von den wirtschaftlichen Problemen, die der Krieg verursacht, schweigt man besser. Trotzdem glauben noch viele Israelis, sie seien allen anderen Nationen überlegen. Sie weigern sich über die Ursachen der präsenten Katastrophe nachzudenken und einzuräumen, dass der Überfall auch seine Gründe hatte, die in der seit Jahren und Jahrzehnten  falschen Politik gegenüber den Palästinensern liegen.

Seligmann schreibt von der „Schamlosigkeit und Härte der Demokratien in Nordamerika und Europa“, weil dort Israels Krieg verurteilt wird. Er phantasiert über das Gespenst des Antisemitismus, der angeblich nach dem 7. Oktober in neuem Gewand erscheine. Er hat wie oft keine Erklärung und füllt die Lücke mit dem Begriff „Antisemitismus“. Er könnte es auch mal mit dem Begriff „Gottlosigkeit“ versuchen. Ist es nicht gottlos, die Juden hängen zu lassen? Schamlos und dumm ist Seligmanns  Argumentation, wenn er nicht müde wird den Freiheitsdrang unterdrückter Völker und den damit verbundenen oft verzweifelten und brutalen Kampf verächtlich zu machen und als Antisemitismus hinzustellen, als Terror, Aufsässigkeit, Ungehorsam, Rebellion und Frechheit gegenüber den vermeintlich moralisch überlegenen Juden zu diskreditieren. Es gibt so viel Hass auf der Welt und Judenhass ist nicht frei davon. Viele palästinensische Politiker und Intellektuelle haben wiederholt widersprochen, darunter auch die Führer der Hamas, und betont, dass die Palästinenser um ihre politische und persönliche Freiheit kämpfen und dass sie diesen Kampf auch führen würden, wenn die Besatzer keine Juden wären, sondern Hottentoten.

Es wird in Europa und ganz besonders bei uns in Deutschland vergessen, dass sie schon gegen die türkische Herrschaft und gegen die Briten rebelliert haben, als diese Mächte Palästina besetzt hielten.  Besatzung ist Besatzung und der Stiefel der Besatzer ist immer der gleiche Stiefel, ob braun, schwarz, rot oder blau.

Seligmann schreibt „der Judenhass ist Teil der christlichen und islamischen Gesellschaft“ und fügt hinzu, dass der Judenhass vor 1945 ein „ehrlicher“ Judenhass gewesen sei. Was für eine erstaunliche und doch dümmliche These. Haben die Nazis die Juden in ehrlicher Haltung und nach Ansage ermordet? Nein, sie haben den Juden Duschräume vorgetäuscht. Auch ihr Judenhass war nie ehrlich. Er war immer von Kräften gelenkt, die zynisch ihr hinterhältiges Geschäft damit gemacht haben. Die Kirche, die die Juden hasste, weil sie sich nicht bekehren ließen, und trotzdem die Christenheit immer daran erinnerte, dass Jesus König der Juden vom Stamm Davids war, den die Pharisäer verleugneten. Die Fürsten und Könige waren gerne bei jüdischen Geldverleihern verschuldet, weil sie „ganz ehrlich“ (Raffael Seligmann) durch Pogrome und Vertreibung ihre Schulden loswerden konnten. Später “erfreuten“ (Raffael Seligmann)  sich die Juden   des ehrlichen Antisemitismus von fanatischen Rassehygienikern und zuletzt von eiskalten Nationalsozialisten des 3. Reiches.

Ehrlichen Judenhass gibt es nicht und kann es nicht geben. Seligmann wollte vielleicht sagen „offenen“ Antisemitismus, der bis in die 50er Jahre hinein (Philipp  Auerbach)  in Deutschland und Europa herrschte und in bürgerlichen Haushalten sogar zum guten Ton gehörte. Hier schließt sich der Kreis zu Seligmann, weil es auch erschreckend viele ehrliche Menschen gab, die Juden hassten, weil es von der Gesellschaft nicht verpönt war.

Die Debatte um den Antisemitismus wird leider seit Jahren unehrlich und falsch geführt. Rafael Seligmann ist ein Beispiel für einen Geisterfahrer gegen antisemitische Gespenster. Der sogenannte Israel bezogene Antisemitismus beherrscht die Debatten und Schlagzeilen. Das ist aber – und das muss deutlich und klar gesagt werden – kein Antisemitismus, den man mit dem Judenhass ehrlicher Antisemiten übersetzen kann und darf, sondern ein Antizionismus, der genauso legitim und erlaubt ist, wie Antikommunismus oder Antikapitalismus. Im Rahmen der Meinungsfreiheit ist es doch Nichtjuden und Juden erlaubt den Zionismus, der eine politische Ideologie ist, als eine kolonialistische oder gar rassistische Lehre zu verurteilen, die nichts mit Judentum zu tun hat. Der jüdische Religionsphilosoph Yakov Rabkin erklärt das in seinem in 14 Sprachen übersetztes Buch „Im Namen der Thora“, sehr klar und überzeugend.

Seligmann schreibt: „Man gibt vor, prinzipiell nichts gegen Juden zu haben, und stützt sich auf jüdische Antizionisten als Alibi, um den israelischen Zionismus zu geißeln .“ Wer ist „man“ und welche „jüdische Antizionisten“ können alibihalber benutzt werden? Was für eine üble, zynische und unehrliche Behauptung ins Blaue hinein! Um die falsche, atavistische und arrogante israelische Politik zu kritisieren, benötigt man keine „jüdische Antizionisten“. Da reicht es die zionistische israelische Politik zu beobachten und den gesunden Menschenverstand zu benutzen. Natürlich muss man jeder Form von Judenhass opponieren; dazu gehört aber auch, Kritik an Israels Politik von purem Antisemitismus zu unterscheiden. Es ist nicht alles im Interesse der Juden der Welt, was Israel veranstaltet. Die politischen Ansprüche der Palästinenser wollen die Juden der Diaspora nicht delegitimieren. Die Interessen der jüdischen Israelis in allen Ehren, aber sie sind zum großen Teil unmoralisch, unberechtigt und entsprechen nicht den internationalen Gepflogenheiten menschlichen Zusammenlebens, wenn sie die Interessen eines anderen Volkes ignorieren. Das Judentum ist eine universale Religion, der Zionismus dagegen eine separatistische Ideologie, die zum Religionsersatz großer Teile der Judenheit geworden ist, speziell derjenigen, die in Israel leben, denen der Universalismus des Judentums völlig fremd geworden ist. Den Universalismus, der im Judentum steckt, haben das Christentum und offensichtlich auch der Islam übernommen. Deshalb ist der Zionismus dem Judentum fremd. So denken zumindest Millionen orthodoxe und ultraorthodoxe Juden, denen der Zionismus wie ein Feind erscheint.

Seligmann empört sich, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag Israel verurteilt, und dass er das Land auf eine Stufe mit sogenannten islamischen Terrororganisationen gestellt hat. Seligmann schäumt geradezu vor Wut, weil Brasiliens Präsident Lula behauptet hat, die Israelis hätten „Zwölf Millionen Palästinenser ermordet“. Das eine solche Behauptung nur Unsinn sein kann, ergibt sich von selbst. Seligmann aber stellt sichtlich erleichtert fest, „dass selbst die Behörden der Hamas von rund 35000 Toten schreiben“. Als ob die Ermordung von lediglich 35000 Zivilisten, die Hälfte davon Minderjährige und Kinder, moralisch vertretbar und gerechtfertigt sei. Wie weit entfernt ist das vom jüdischen Gebot der Thora: Auge um Auge, Zahn um Zahn, wo es um die Verhältnismäßigkeit von Strafen und Rache geht.

Die Ermordung von 1000 Israelis war ohne jeden Zweifel ein Verbrechen, eine barbarische Tat, die geahndet werden muss. Aber muss man 35000 Palästinenser als Racheaktion niedermetzeln? Und noch ist die israelische Aktion nicht zu Ende. Es könnten am Ende doppelt und dreifach so viele Opfer werden.

Israel wird deswegen nicht völlig zu Unrecht des Völkermordes beschuldigt. Das Internationale Gericht in Den Haag hat Israel wohl zurecht Auflagen für die Kriegführung erteilt. Aber Zionisten wie Rafael Seligmann und fast die gesamte israelische Elite meinen, dass Israel wegen Völkermord beschuldigt wird, „um weltweit antisemitische Proteste zu rechtfertigen“. Das interpretieren sie kollektiv als Zeichen von „Geschichtsvergessenheit“. Sie messen alles, was Juden und gegen Juden passiert mit dem Maßstab von Auschwitz; sie sehen alles durch eine Brille des vor 100 Jahren verfolgten „ewigen Juden“. Bist Du Antisemit oder bist Du kein Antisemit, danach wird man beurteilt und verurteilt. Dass die Israelis mit der gleichen Intensität und Verachtung die Palästinenser bzw. alle Araber missachten. und dass sie die übrigen Nationen geringschätzen, wird nicht erwähnt. Sie alle jammern ständig, dass Israel seit dem Bestehen des jüdischen Staates mit Anschlägen und Terror leben muss und vergessen dabei, dass das palästinensische Volk seit Gründung des Staates Israel und davor mit noch mehr Anschlägen und Terror leben musste und mit dem schlimmsten von allem: mit dem Verlust ihrer Heimat.

Seligmann offenbart, dass er wenig Wissen von jüdischer Geschichte hat. Hat er die Bände Simon Dubnovs und die von Heinrich Graetz wirklich gelesen? Oder die von Alex Bein? Er bleibt bei seiner Marotte, die europäischen Juden „Hebräer“ zu nennen und erstreckt diese Bezeichnung auch auf die mehr als fünf Millionen russischen Juden. Dabei haben seriöse Historiker inzwischen zweifelsfrei nachgewiesen, dass sie und auch große Teile der Juden in Westeuropa nicht Nachkommen der Hebräer sein können, sondern der Chasaren. Arthur Ruppin (in Soziologie der Juden) definiert die Juden als „ostisches“ Mischvolk, Friedrich Rosen hält die sephardischen Juden für Nachkommen der Phönizier. Aber für Seligmann sind auch die Juden in Deutschland Hebräer, und er behauptet „hier dienten die Hebräer in der jüngsten Vergangenheit vor allem als Musterjuden mit Alibi-Figuren“. Das versteht kein Mensch, was er sagen will. Meint er, „Musterjuden“ seien die Funktionäre der jüdischen Gemeinden und des Zentralrats der Juden, die sich mehr als Gesandte des Staates Israel geben, als als Vertreter ihrer Wähler. Peinlich wird es, wenn sie ohne Wenn und Aber hinter der israelischen Politik stehen und sie empört protestieren und „haltet den Dieb“ (den Antisemiten) rufen, wenn man sie mit Israel identifiziert. Es wäre besser und gesünder für Rafael Seligmann und Josef Schuster, wenn sie nicht so blind und einäugig hinter Israels nationalistisch-chauvinistische Politik stehen würden nach der Devise:  „wrong or right – my country“. Israel kann  – realistisch gesehen –   nicht ihr „country“ sein. Es ist an der Zeit, dass in jüdischen Gemeinden und im Büro des Zentralrats der Juden in Deutschland Bilder deutscher Präsidenten   – oder wenigstens deutscher Staatsbeamter jüdischer Herkunft –   hängen. Sie  (die Zentralrätler) und Seligmann müssen langsam wissen, ob sie nur Juden in der deutschen Diaspora bleiben oder jüdische Deutsche werden wollen.

Unlogisch und verworren kommt mir Seligmanns These im Zusammenhang mit der von Politiker  immer neu gestellten Frage an Ignaz Bubis vor, ob Israel seine Heimat und dessen damaliger Präsident Chajim Herzog  sein Staatsoberhaupt sei. Bubis Antwort wirkte gekünstelt und unaufrichtig, wenn er mit Empörung reagierte. Jeder wusste, dass in seinem Büro beim Zentralrat der Juden in Deutschland und in jeder jüdischen Gemeinde israelische Fahnen und die Portraits des jeweiligen israelischen Präsidenten sichtbar aufgehängt waren, aber kein Konterfei eines  deutschen Staatspräsidenten. Was sollten deutsche Politiker und andere, die das gesehen haben, denken und fragen dürfen? Sind jüdische Gemeinden ein Staat im Staat? Sie sind es jedenfalls mehr als christliche Kirchen, denn die jüdischen Gemeinden sind nicht nur religiöse Einheiten.

„Seit dem 7. Oktober 2023 ist das deutsche Judentum so gefährdet wie lange nicht“, schreibt Seligmann. Er sagt sogar „heute quaken die Hebräer speziell der Diaspora, ihre Angst und ihren Schmerz heraus.“ Was für ein Unsinn. Antisemiten hätten es nicht besser ausdrücken können. Die Juden in Deutschland sind nicht gefährdet und außer Rafael Seligmann und andere zionistische Juden, wenn sich die Vertreter der „Juden in Deutschland“ nicht so blind und einseitig hinter Israels Politik stellen würden und nicht den Eindruck erwecken würden „right or wrong – my country“. Sie müssen endlich entscheiden, ob Deutschland oder Israel ihr „country“ ist.  Sie müssen endlich entscheiden, ob sie ewig fremd in diesem Land sein wollen oder jüdische Deutsche.

Es stimmt, in Gaza droht ein Krieg ohne Ende, was nicht nur für die Juden gefährlich ist, sondern auch für uns in Deutschland. Es ist längst an der Zeit, politischen Quacksalbern wie Rafael Seligmann (und Joseph Schuster) den Stecker zu ziehen. Es ist Zeit für eine Kurskorrektur, nicht nur in der Politik in Israel, sondern auch die Haltung des Zentralrats der Juden zu der Israels. Wir dürfen nicht vergessen und viele ahnen es gar nicht, dass der Zionismus von Anfang als binationaler Staat für Juden und Palästinenser gedacht war. Das wollte Theodor  Herzl , bevor er die zionistische Organisation gegründet hatte. Die binationale Idee geht also bis auf den Gründer des Zionismus zurück. Die Idee eines Staates für zwei Nationen hatte ganz zu Beginn des Zionismus gestanden. Wenn man bedenkt, dass Herzl und die ersten Zionisten aus einem Viel- Völker-Staat kamen, dann braucht man sich darüber nicht zu wundern. Herzl träumte nicht von einem exklusiv jüdischen Staat.

Der Holocaust hat jedoch alles verändert, nicht nur unter den Juden. Nach dem Holocaust wollten viele einen separaten Staat nur für Juden, und konnten auch bei den Nationen der Welt, die aus schlechtem Gewissen nach 1945 der Meinung waren, dass die ganze Welt den Juden „Wiedergutmachung“ schulde, eine solche Forderung durchsetzen. Deswegen beschlossen die Mitglieder der UN mit einfacher Mehrheit am 27. November 1947 die jüdischen Siedlungen in Palästina  zur ideellen  Wiedergutmachung als Staat anzuerkennen.

Die Idee hatte nur einen gravierenden Schönheitsfehler. Das Land, auf dem die Juden ihren Staat errichten wollten, gehörte einem anderen Volk. Und so beschloss man den Juden Teile Palästina zu schenken, weil die Palästinenser sich gegen einen solch perfiden Beschluss nicht wehren konnten. Das war ein Fehler, der durch das arrogante und selbstgerechte Verhalten der Juden bis heute nicht korrigiert werden konnte. Und so spitzte sich die Lage bis zum heutigen Tag mehr und mehr zu.

Zum Schluss seines Pamphlets fordert Seligmann die Allgemeinheit auf, ihre „Menschlichkeit auch auf die Juden auszudehnen.“ Schade, dass er die Palästinenser wieder ausgelassen hat. Auf die Idee, dass auch sie Menschlichkeit verdienen, ist er nicht gekommen. Deren Katastrophe, die Nakba, zählt wohl nicht. Für Seligmann und Gesinnungsgenossen gilt wohl heute noch was David Ben-Gurion, der Gründer des zionistischen Staates Israel einst erklärt hat: „Wir müssen die Araber vertreiben und ihren Platz einnehmen.“ Und selbst Itzhak Rabin, der pragmatischste aller israelischen Ministerpräsidenten, sagte noch wenige Monate bevor er die Oslo-Verträge unterschrieb: „Brecht den Palästinensern die Knochen.“

Seit zwei Jahren beherrscht aber in Israel eine rechtsradikale Regierung den Lauf der Dinge, die an Frieden nicht denkt. Zwei wegen Terrorismus vorbestraften Minister bestimmen den Kurs des Staatsschiffs mit. Die Führer der Welt und die Juden sollten langsam erkennen, dass der israelische Terrorismus durchaus gefährlicher und bedrohlicher werden kann als der der Hamas. Von der BDS und von einem zahnlosen Alt-Antisemitismus droht niemanden Gefahr, dagegen von einem ungezügelten jüdischen Nationalismus sehr wohl.  Das gilt erst recht, wenn  ein  politischer Hasardeur ohne Gewissen wie Benjamin Netanjahu die Konfliktstoffe anhäuft. Die größte Katastrophe für die Juden und für Israel ist also in voller Vorbereitung. Sie ist in Arbeit beim israelischen Parlament und in der israelischen Regierung.

 

 

 

Friedman kritisiert Netanjahu. Aber wo?

Von Abraham Melzer

Danke Michel Friedman, dass du uns wieder gezeigt hast, wes Geistes Kind Du bist. Du behauptest in der Überschrift Deines naiv-primitiven Artikels, voller Banalitäten und Widersprüche, dass „nun das Schweigen das letzte Wort“ hat. Wieso eigentlich? Von welchem Schweigen sprichst Du? Ich stelle erfreut fest, dass nach dieser politischen Berlinale nirgends geschwiegen wird. Es wird heftig diskutiert und gestritten und es geht überhaupt nicht um Antisemitismus, sondern immer nur um Meinungsfreiheit. Antisemitismus interessiert niemanden mehr. Es reicht. Es hat sich ausantisemitiert. Du selbst hast ja Dein neues Pamphlet JUDENHASS genannt, weil Du geahnt hast oder schon wusstest, dass sich niemand mehr für Antisemitismus interessiert und niemand Dein Buch mit einem solchen Titel kaufen wird.

Dass Du gefangen bist im Ghetto des Antisemitismus ist uns allen schon lange klar. Es ist deshalb kein Skandal und kein Wunder, dass Du so schreibst, wie Du schreibst, geschwollen bis zum Erbrechen und dummdreist. Skandalös und für mich verwunderlich ist allein die Tatsache, dass sich immer noch Zeitungen und Verlage finden, die deinen Mist drucken. Aber, schon die alten Römer wussten: Pecunia non olet – Geld stinkt nicht.

„Nie wieder ist jetzt“, ist Dein Slogan und wohl auch Dein Wunsch. Das wünschen sich aber auch viele andere Menschen. Nicht zuletzt auch für Palästina. Es stimmt, dass der Angriff der Hamas bestialisch war und es ist absolut richtig das immer wieder zu sagen, aber wenn Du beklagst, dass den Menschen der Mut fehlte „zum Widerstand gegen den Antisemitismus“, wobei ich korrigieren würde in „den vermeintlichen Antisemitismus“, dann frage ich mich wo Deine Kritik und Widerstand geblieben ist gegen den bestialischen Überfall israelischer Soldaten auf eine Versammlung von Menschen in Gaza, die hungrig nach Brot waren. Das geschah vor laufenden Kameras und wurde in der ganzen Welt ausgestrahlt.

Du schreibst, dass durch unser Land „eine weitere, dramatische, antisemitische Welle rollt.“ Das erinnert mich an das Kommunistische Manifest von Karl Marx, das damit beginnt: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europas haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet.“ Und es war schon damals übertrieben, wenn nicht gar eine propagandistische Lüge, wie das, was Du heute schreibst, übertrieben und eine propagandistische Lüge ist. Du schreibst von einem exzessiven Judenhass und behauptest, dass sich auf deutschen Straßen „Gewalt breit macht“ und dass „Tod den Juden“ skandiert wird. Ich frage mich in welchem Land du lebst oder in welchem Jahrhundert. In dem Deutschland, in dem ich lebe, hört man jedenfalls sowas nicht und schon gar nicht, so wie bei Dir scheint, täglich. Menschen im Ausland, und vor allem Juden, müssen Angst haben nach Deutschland zu kommen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Viele israelische Juden kommen gerne nach Deutschland und auf Berliner Straßen hörten man oft Hebräisch plappern.

Du behauptest auch: „Jüdische Menschen sind meist nicht israelische Staatsbürger, sondern Deutsche.“ Auch das ist nicht ganz richtig. Sehr viele Juden sind tatsächlich auch israelische Staatsbürger, wobei es darauf gar nicht ankommt, solange die politischen Vertreter der Juden, der Zentralrat der Juden in Deutschland, stramm, fest und ohne Widerstand hinter der rechts-radikalen israelischen Regierung stehen, solange alle jüdischen Gemeinden sich mit Israel solidarisieren, solange sie die Portraits der israelischen Präsidenten in ihrem Büro hängen und die israelische Fahne zeigen. Solange es so bleibt, wird man eben dem Vorsitzenden des Zentralrats immer wieder zum Geburtstag des israelischen Präsidenten gratulieren und nicht zu vergessen, solange eine Charlotte Knobloch in aller Öffentlichkeit behaupten wird, dass ihr Herz „in Israel begraben ist“. Leider ist auch ihr Verstand in Israel begraben, sonst hätte sie und die anderen Vorsitzenden längst dafür gesorgt, dass „Jüdische Menschen“ Deutsche sind und nicht nur Juden in Deutschland. Als Juden in Deutschland sind die Juden keine Deutsche, sondern eben nur Juden in Deutschland, wie Türken, Italiener oder Palästinenser in Deutschland. Es liegt an den Juden dies zu ändern und nicht an den Deutschen, denen sie Antisemitismus vorwerfen, wenn sie von Juden in Deutschland sprechen, die man leicht mit Israelis  verwechseln kann, da sie selbst sich von eine Identifizierung mit Israel und seiner Politik nicht Abstand nehmen. Es gibt aber nochmal genauso viele Juden, die nicht Mitglieder von jüdischen Gemeinden sind und nicht dem von Israel dirigierten Zentralrat angeschlossen sind. Das sind die jüdischen Deutschen oder Deutschen, von denen Du geschrieben hast. Du hast aber die falschen gemeint.

Du beklagst Dich, dass Demonstrationen gegen Judenhass „mickrig“ ausfallen. Dass der Funke der Empathie gegenüber Juden nicht übergesprungen ist. Und Du fragst warum. Frag doch Dich selbst. Du und Deine Mitstreiter hast doch mit dem Vorwurf des Judenhasses, den ihr bis zuletzt Antisemitismus genannt habt, völlig übertrieben. So sehr übertrieben, dass die Leute es satthatten und nicht mehr hören konnten. Und überhaupt, gab es nicht in Deutschland Jahrzehnte lang eine Empathie für die armen Juden? Und gibt es sie nicht heute noch, wenn Politiker immer noch Merkels unverantwortlichen und dümmlichen Satz wiederholen: „Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson.“? Und ist es nicht an der Zeit auch Empathie für die Palästinenser zu zeigen, deren Schicksal auch mit der deutschen Schuld zusammenhängt? Es reicht eben nicht nur von einer „Zweistaaten-Lösung“ zu sprechen. Man muss den zweiten Staat, nämlich Palästina auch anerkennen, und zwar sofort. Jede weitere Bemühung um Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ist sinnlos und zum Scheitern verurteilt, solange man Palästina nicht als souveränen Staat anerkannt hat und damit den Palästinensern einen Teil ihrer Würde zurückgegeben hat.

Du interpretierst die Kritik der Kulturszene an Israels Politik als „Aggressivität gegen den Staat Israel.“ Das ist aber falsch, wo Du doch selbst schreibst: „Kultur ist ein geschützter Ort. Dort müssen alle Emotionen…möglich sein. Auch der Hass“. Das sind Deine Worte. Aber Du bist nicht in der Lage die Emotionen anderer Menschen, die Dir nicht passen, zu ertragen. Du meinst, wie schon seit langer Zeit, oder schon immer, dass man alles sagen darf und alle kritisieren darf – nur Israel nicht, denn das ist Antisemitismus.“ Und was Hass betrifft, so kann ich Dir versichern, dass in den Israel kritischen Kreisen, in denen ich verkehre, kein Hass auf Israel herrscht; allerdings Hass auf Israels rassistische Apartheid-Politik.

Du schreibst: „Harte, durchaus berechtigte Kritik an der israelischen Regierung ist eine Selbstverständlichkeit und kein Judenhass.“ Allerdings erlebe ich schon immer und ganz besonders in den letzten Tagen, dass Kritik an der Politik der israelischen Regierung überhaupt nicht selbstverständlich ist und von Dir und allen anderen Philosemiten und Israel-Freunde immer als Antisemitismus und Judenhass diskreditiert wird. Ich warte schon seit Jahren, dass Du oder Josef Schuster, oder vielleicht sogar Charlotte Knobloch, endlich uns Kritiker der israelischen Politik sagen, wann eine Kritik erlaubt sei und wann sie antisemitisch ist. Und ich warte auch schon Jahre darauf, dass Charlotte Knobloch sich bei mir entschuldigt dafür, dass sie mich einen „berüchtigten Antisemiten“ genannt hat. Ihr verhaltet euch wie der ehemalige israelische Botschafter in Washington, der nach seinen Erfolgen als Botschafter gefragt wurde und geantwortet hat: „Es ist mir gelungen die amerikanische Administration zu überzeugen, dass Kritik an Israels Politik Antisemitismus ist.“

Du behauptest, dass Terroristen und Autokraten keine Demokraten sind. Sie beschützen ihr Volk nicht, sie nutzen es aus und die eigenen Opfer spielen keine Rolle. Wie recht Du hast. Wir brauchen nur auf den Ukraine-Krieg zu schauen und auf den brutalen und rücksichtslosen Putin. Aber Netanjahu ist nicht weniger brutal, zynisch und rücksichtslos. Die israelischen Geiseln sind ihm egal und die inzwischen in die hunderten gefallenen oder besser gesagt getöteten israelischen Soldaten ebenfalls. Und nicht alle Terroristen sind Terroristen. Auch Menachem Begin und Moshe Shamir, die Führer der Etzel und Lechi, wurden von den Briten als Terroristen mit Steckbrief gesucht. Und Kenjata, der gefürchtete Führer der kenianischen Freiheitskämpfer wurde, nachdem er gesiegt hatte und Staatsoberhaupt wurde, sogar von der englischen Königin mit allen Ehren empfangen. Terrorist ist man, solange man der schwächere ist. So nannten die Nazis auch die russischen Partisanen und die französische Resistance Terroristen und die Israelis setzen diese Tradition fort. Ihre Gegner, die sie brutal bestialisch foltern und brutal unterdrücken bezeichnen sie Terroristen, wenn diese sich wehren. Und dass ein sich Wehren mit Worten nichts bringt, wehren sich die Unterdrückten am Ende mit „bestialischen Taten“. Natürlich ist das schrecklich. Aber eine mehr als fünfzigjährige Besatzung, Demütigung und Unterdrückung sind eben auch schrecklich.

Und wenn Du Dich darüber beklagst, dass man auf der Bühne der Berlinale nur Israel kritisiert hat und nicht die bestialische Tat der Hamas erwähnte, dann solltest Du so ehrlich sein und hinzufügen, dass Du auch nicht von der bestialischen Besatzung ein Wort geschrieben hast. Die sinnlose Siedlungspolitik der Netanjahu Regierung zu kritisieren, reicht nicht. Die Besatzung ist das Problem und sie muss aufhören und ich vermisse hier Deine Kritik.

Nie wieder ist jetzt, heißt Deine Forderung. Warum gilt sie nicht für den israelischen und palästinensischen Filmemacher, die es gewagt haben, eben jetzt, in Berlin und vor einem vollen Saal zu verlangen: „Peace for Palestine and Israel“. Und wo blieb Deine Stimme, als bekannt wurde, dass der israelische Filmemacher nicht nach Israel zurückkehren kann und sich in Griechenland versteckt, aus Angst vor einem jüdisch-israelischen Mob, der sich für seine vernünftigen Worte rächen will. Und ist das schon Antisemitismus, wenn der amerikanische Kollege mit einem Arabertuch, einer Kefia, auftritt? Sind denn alle bescheuert?

Und Du manipulierst wieder Deine Leserschaft, wenn Du fragst: Warum eigentlich immer Israel? Es geht um BDS und um Boykott. Wieso also „immer nur Israel“. Wird denn Russland nicht boykottiert, und der Iran und Nord-Korea?

Du schreibst geschwollen und selbstgerecht von Artikel 1 des Grundgesetzes, von der „Würde des Menschen“, die unantastbar ist. Du vergisst aber zu erwähnen, dass dies für alle Menschen gilt, nicht nur für Juden, auch für Moslems und auch für Palästinenser, deren Menschenwürde in Israel nichts gilt. Wir haben es gerade in Gaza gesehen. Und es begann nicht erst jetzt. Als vor mehr als 30 Jahren in der Wüstenstadt Beer-Sheva ein durchgeknallter Richter entschieden hat, das jüdisches Blut wertvoller als arabisches Blut sei, hat keine israelische Zeitung aufgeschrien und die Bevölkerung schwieg. Als voriges Jahr Netanjahu zwei vorbestrafte rassistische Minister in sein Kabinett aufgenommen hatte, schwiegen die Israelis und die ganze Welt. Es sind Minister, die seit Jahren Genozid für die Palästinenser fordern, und wenn nicht das, dann zumindest die totale Vertreibung der Palästinenser. Als ob das menschlicher und humaner wäre. Und Du beklagst Dich, dass der harmlose Slogan „From the River to the Sea“ an das Verhalten der Nazis erinnert. Daran erinnert mich eher die Gewalt der Siedler und der Siedlerjugend gegen palästinensische Bauern und dass Yeshajahu Leibowitz diese Juden als „Judeo-Nazis“ bezeichnet hat. Und was den Slogan betrifft, so weißt Du sicherlich, dass das auch der Slogan der Rechts-Nationalisten in Israel ist. Sie haben es allerdings umgedreht und skandieren: „Vom Meer bis zum Joran „ und sogar darüber hinaus. Ich habe lange genug in Israel gelebt um das nicht zu vergessen.

Die Bühne in Berlin wurde mitnichten missbraucht, als Israel, als Apartheid-Staat bezeichnet wurde. Viele Juden und Israelis machen es auch. Und das Israels Handeln in Gaza ein Genozid genannt werden kann, hat auch das IGH in Den Haag schon festgestellt. Engstirnigkeit, Hetze und Hass sehe ich auf beide Seiten und leider gießen die Politiker beider Seiten, aber auch Du und Deine Freunde, immer mehr Öl ins Feuer. Es wird keinen  Frieden geben, wenn es so weiter geht. Netanjahus Politik, dass man den Konflikt „managen“ kann, ist gescheitert. Es kann nur noch eine radikale Umkehr der israelischen Politik etwas ändern. Aber eine solcher ist nicht in Sicht..

Du schreibst: „Kultur ist ein geschützter Ort. Dort müssen alle Emotionen in Texten, in Musik, in bildenden Künsten und in vielen anderen kulturellen Übersetzungen möglich sein. Auch der Hass.“ Dann solltest Du dich entscheiden, ob das auch für Kritik an Israels Politik gilt.  Wenn ja, dann solltest Du endlich aufhören Kritik an Israel als antisemitisch diskreditieren. Wenn nein, wenn Du der Meinung bist, dass es so ist, dann solltest Du nicht mehr von der Freiheit der Kunst bzw. von jeglicher Meinungsfreiheit schwafeln, denn es hört sich dann heuchlerisch, zynisch und falsch an. Ich bin schon seit langem überzeugt, dass Du ein Heuchler und Lügner bist. Du redest und predigst von Wahrhaftigkeit und betrügst uns alle, sogar Deine Frau. Du bist ein falscher Prophet und ein schlechter Schriftsteller. Deine Sprache ist gefällig und schwer lesbar. Aber Du bist wie Du bist und ich kann Dir deswegen keine Vorwürfe machen, denn wie Du selbst sagst: Die Gedanken sind frei. Auch wenn sie voller Hass, Verachtung und Geringschätzung sind. Wahrhaftigkeit, Dein Lieblingswort, sieht anders aus.

 

An die Beauftragte für Kultur und Medien, Staatsministerin Claudia Roth

1. März 2024

Guten Tag Frau Staatsministerin Claudia Roth,

ich bin entsetzt über Ihre Antisemitismusvorwürfe nach der Berlinale.

Ist es antisemitisch, wenn man einen Waffenstillstand fordert, ist es antisemitisch, wenn man dieses Gemetzel in Gaza als Völkermord bezeichnet? Nein, der israelische Experte für Völkermord und
Holocaust, Raz Segal, bezeichnete den israelischen Angriff auf den Gazastreifen als Genozid, und wies auf die Kriterien der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen von 1948 hin. Gaza ist für Segal ein „Lehrbuchfall“ von Genozid, denn es ist ein Völkermord mit Ansage, wie einige Aussagen israelischer Politiker eindeutig zeigen:

Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant: „Ich habe eine vollständige Belagerung des Gazastreifens angeordnet. Es wird keinen Strom geben, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff, alles ist geschlossen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend. Der Gazastreifen wird nicht mehr so sein wie vorher. Wir werden alles liquidieren.“

Premierminister Netanjahu: „Ich sage den Bewohnern des Gazastreifens: Verschwindet jetzt von dort, denn wir werden überall und mit aller Kraft handeln […] Gaza ist die Stadt des Bösen, wir werden alle Orte, an denen sich die Hamas aufhält und versteckt, in Trümmer verwandeln.“

Energie- und Wasserminister Yisrael Katz: ”Sie werden nicht einen Tropfen Wasser oder eine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen.”

Tsachi Hanegbi, Vorsitzender des Rates für nationale Sicherheit: „Mit einem Feind, den wir auslöschen wollen, wird es keine Verhandlungen geben.“

Das israelische Militär befolgt diese Anweisungen und lässt kaum Lebensmittel, Wasser, noch Medikamente in den Gazastreifen, die die hungernde Bevölkerung so dringend braucht.

Das Aushungern von Zivilisten als Mittel der Kriegführung ist laut dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ein Kriegsverbrechen und sollte auch von der deutschen Regierung immer wieder angeprangert werden. Aber schöne Worte oder Appelle scheinen schon lange ohne irgendwelche Konsequenzen zu verhallen. Also müssen den Worten Taten folgen, was etliche Regierungen angesichts des anhaltenden Mordens und Zerstörung schon lange fordern. Das heißt, keine Waffenlieferungen, keine finanzielle Unterstützung und sofortiges Aussetzen des EU-Israel-Assoziierungsabkommens!

Es ist absolut unverständlich und in meinen Augen auch absolut skandalös, dass die Bundesregierung weiterhin Waffen an die israelische Regierung liefert. Will die Bundesregierung wirklich die israelische Regierung unterstützen, der zwei rechtsextreme Minister angehören? Itamar Ben-Gvir, Minister für Nationale Sicherheit und Polizei, wird von der israelischen Zeitung Haaretz als „jüdischer Terrorist“ bezeichnet und ist wegen Rechtsterrorismus rechtskräftig verurteilt. Er verteilte unlängst Waffen an die Siedler im Westjordanland, die Palästinenser aus ihren Häusern und von ihrem Land vertreiben.
Die Bedrohungen und Angriffe auf die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland sind allerdings kaum in den deutschen Medien. Die fokussieren sich wie die Politik auf den Antisemitismus, der mit Israelkritik gleichgesetzt wird.

Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich nennt sich selbst öffentlich Faschist und leugnet die Palästinenser als Volk, „weil es so etwas wie das palästinensische Volk nicht gibt“. Und solche Leute
unterstützt die Bundesregierung?

Sie werden wohl gehört haben, dass der israelische Filmemacher Yuval Abraham, dem Sie auf der Berlinale applaudiert haben, nach den Antisemitismusvorwürfen nach seinem Berlinale-Auftritt Morddrohungen erhalten hat und dass seine Familie von einem rechtsgerichteten israelischen Mob in ihrem Haus bedroht wurde, so dass sie noch in der Nacht flohen.

Ist Ihnen und den anderen Politikern eigentlich bewusst, dass sie mit den Antisemitismusvorwürfen gegen Juden und Jüdinnen diese Menschen gefährden? Warum wird nicht zwischen Kritik an der
israelischen Politik und Antisemitismus unterschieden, wird diese Differenzierung bewusst nicht gemacht?

Darf ich Sie erinnern, dass der Bundestag 2010 einmütig einen Antrag angenommen hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, alles zu tun, um die Blockade Gazas aufzuheben? Leider haben die Bundesregierungen der letzten 14 Jahre nicht ansatzweise versucht, dieser Forderung stattzugeben. Jetzt ist die Aufhebung der Blockade lebensnotweniger denn je.

Mit dem drohenden Hungertod Tausender Menschen im Gazastreifen und der Fristverstreichung, die der Internationale Gerichtshof der israelischen Regierung auferlegt hat, muss die internationale Gemeinschaft, und insbesondere die USA und die Bundesregierung als die größten Unterstützer der israelischen Regierung, sich jetzt eindeutig positionieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören die sofortige Einstellung aller Waffen- und Geldlieferungen an Israel, Suspendierung aller Handelsverträge und die sofortige Wiedereinstellung der Zahlungen an UNRWA! Die Ermöglichung von Hilfslieferungen auf dem Land-, Wasserweg und von Flugzeugen und ein sofortiger
Waffenstillstand.

Wie Sie wissen, hat der IGH Ende Januar Israel auf Antrag Südafrikas in einer Eilentscheidung aufgefordert, in Gaza keinen Völkermord zu begehen und die Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung zu verbessern. Bis Ende Februar sollte Israel dem IGH berichten, wie es die Vorgaben umgesetzt hat. Das ist nicht geschehen. Welche Konsequenzen hat diese Unterlassung?

Ich möchte Sie bitten, die ungerechtfertigten Antisemitismusvorwürfen gegen Kulturschaffende zu unterlassen, die sie gefährden, und die eher dem Antisemitismus dienlich sind und ihn befördern.

Wenn die Diffamierungen gegen israelkritische Menschen weitergehen, werden immer wenige Kulturschaffende bereit sein, nach Deutschland zu kommen, weil sie Gefahr laufen, beschimpft und möglicherweise bestraft zu werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie eine solche drohende kulturelle Armut bei uns fördern möchten.

Ich hoffe sehr, dass die beiden Regisseure des Films „No other Land“ Yuval Abraham und Basel Adra die Anschuldigungen und Antisemitismusvorwürfen ohne weitere große Probleme überstehen! Falls ihnen etwas passiert, tragen Sie, Claudia Roth, eine Mitschuld.

Am besten wäre eine publikumswirksame Entschuldigung Ihrerseits und die „Reinwaschung“ der beiden Regisseure vom Stigma des Antisemitismus! Viele Menschen würden Ihnen dafür viel Beifall zollen!

Mit der Bitte um Bestätigung des Erhalts meines Briefes verbleibe ich

Annette Groth

ehemalige Menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag

Kulturministerin Claudia Roth klatschte auf der Berlinale 24 nur mit einer Hand.

Shelly Steinberg, München
Mein Brief an Claudia Roth (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien):

Sehr geehrte Frau Roth,

ich wende mich an Sie, da ich sprach- und fassungslos bin angesichts der Reaktionen auf die Reden auf der Berlinale 2024.
Ich selbst bin in Israel geboren und in Deutschland aufgewachsen. Ich habe Judaistik, Jüdische Geschichte und Kultur sowie Kultursoziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert.
2010 habe ich im Rahmen des IPS (International Parliamentary Scholarship) für den Bundestag ein Praktikum in der Knesset in Jerusalem absolviert.

Seit Jahren ist hier in Deutschland ein äußerst bedenkliches, repressives Vorgehen der Politik gegenüber israelkritischen Stimmen zu sehen.
Um eine pro-israelische Agenda durchzusetzen, missbrauchen Politiker und weitere öffentliche Institutionen den Begriff Antisemitismus. Diese Diffamierung macht auch vor jüdischen bzw. israelischen Kritikern keinen Halt. Es ist zu beobachten, wie deutsche Politiker sich zu Handlangern der Israellobby machen und dabei geltendes Recht missachten. Meinungsfreiheit ist eines der höchsten demokratischen Güter – doch sobald es um Israel geht, wirft die deutsche Politik rechtsstaatliche Prinzipien über Bord. Zugunsten der Politik Israels wird Menschen das in der Verfassung verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit entzogen. Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht nur das Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung, sonder auch das Recht, sich freiheitlich eine Meinung bilden zu können; mit den permanenten Zensuren missachtet der Staat somit das Recht der Gesellschaft, Zugang zu unterschiedlichen Informationen zu bekommen. Und genau dieses Spektrum an Informationen zu gewährleisten, wäre die Aufgabe der politischen Ebene und nicht – so wie sie es jetzt tut – eine bestimmte Meinung und Direktive vorzugeben und mit verfassungswidrigen Repressionen durchzusetzen.

Antisemitismus ist ganz klar als Hass/Anfeindung gegen Juden aufgrund ihrer bloßen Existenz als Juden definiert. Beim Antisemitismus geht es wie bei jeder Form des Rassismus‘ nicht darum, was gemacht wird, sondern vom wem etwas gemacht wird – nicht das Was, sondern das Wer ist hier entscheidend. Und daher ist der Antisemitismusvorwurf gegen Kritiker der israelischen Politik absurd. Den Palästinensern und ihren Unterstützern ist es egal, dass die Besatzer und Unterdrücker Juden sind – wären die Besatzer Buddhisten, würden sich die Palästinenser genauso wehren. Es sind doch eher die Deutschen, die mit einer regelrechten Obsession alles verteidigen, was Israel macht, weil es sich dabei um Juden handelt. Es sind die Deutschen, für die das Wer die entscheidende Rolle spielt – und das entspricht ganz klar der Definition von Antisemitismus.

Das Wort „Jude“ ist kein einziges Mal auf der Berlinale gefallen. Dennoch wird hier Antisemitismus herbei fantasiert. Wenn man den Begriff „Genozid“ im Bezug auf Israels Vorgehen in Gaza nicht verwenden darf, weil das antisemitisch sei, dann bedeutet das im Umkehrschluß, dass Genozid etwas Jüdisches sei. Es ist eine schiere Unverschämtheit, welches Bild des Judentums von deutschen Politikern hier gezeichnet wird. Es ist nichts Jüdisches, Kinder, Männer und Frauen zu entrechten, zu entwürdigen und umzubringen. Es ist nichts Jüdisches, Land eines anderen Volkes zu rauben und die dortige Bevölkerung zu unterdrücken und auszubeuten. Daher KANN die Kritik an solchen Zuständen gar nicht antisemitisch sein. Wer jedoch angesichts dieser Verbrechen von Antisemitismus spricht, missbraucht diesen Begriff und zeichnet ein widerliches Bild vom Judentum. Gegen eine solche Darstellung des Judentums verwehre ich mich vehement!
Statt in den eigenen Reihen wahren Antisemitismus zu bekämpfen, wird hier gegen jeden Israelkritker geschossen. Ein solches Vorgehen wirkt sich nicht sonderlich förderlich für die demokratische Ordnung in diesem Land aus.
Es wäre schön, wenn auch einmal andere jüdische Stimmen als die des Zentralrats der Juden Gehör finden würden – denn der Zentralrat vertritt nur die absolute Minderheit der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden. Der Zentralrat ist kein von den Bürgern gewähltes politisches Organ, daher herrscht bei den Bürgern Unverständnis über die enorme Einflussnahme des Zentralrats auf bestimmte politische Themen. Es ist nicht Aufgabe der deutschen Politiker, sich in Israelbelangen Vorgaben vom Zentralrat machen zu lassen und diese dann unkritisch umzusetzen.

Der Skandal ist der Skandal

Von Abraham Melzer

Seit mehr als 50 Jahren beschäftige ich mich mit dem Nahost-Konflikt und mit dem Problem des Antisemitismus, vor allem in Deutschland. Früher, in meiner Jugend, war allen klar, was Antisemitismus bedeutet und wer ein Antisemit ist: Nämlich derjenige, der Juden hasst und sie beseitigen will. Auch das „Beseitigen“, ersatzweise ihr. „vernichten, ermorden,  endlösen“ war ein unmissverständliches Anliegen. Es ist ein Verbrechen und muss vom Staat verfolgt und bestraft werden. Das mit dem Hass ist aber nicht so einfach, denn Hass kann man nicht erkennen; er fällt schließlich unter die Gedanken- und Gefühlsfreiheit, die wie gesagt, frei sind.

Der Begriff des Antisemitismus hat sich im Verlauf der letzten fünfzig Jahre völlig gewandelt. Er hat mehrere Metamorphosen erlebt und bewältigt. Was früher Judenhass bedeutete, bedeutet 50 Jahre später Kritik an der israelischen Politik. Aktuell mutiert er in reine Kritik am Vorgehen der Israelis gegen die Hamas und in Kritik am Krieg Israels schlechthin. Mehr noch, schon der Umstand, dass der amerikanische Filmemacher Ben Russel, der für seinen Film „Direct Action“ mit einem Palästinensertuch bei der Preisverleihung aufgetreten ist, reichte aus, ihn als Antisemiten hinzustellen.

Auch ein israelischer und ein palästinensischer Filmemacher bekamen für ihren Dokumentarfilm „No Other Land“, der die Brutalität der israelischen Besatzungstruppen im Westjordanland zeigt, den Dokumentarfilmpreis der Berlinale. Sie empfingen auch den Panorama-Publikum Preis, wurden dafür kritisiert und schließlich als Antisemiten abgefertigt, weil der israelische Regisseur Yuval Abraham es gewagt hatte zu bemerken, dass bei Rückkehr in ihr Land für seinen palästinensischen Partner und Kollegen Basel Adra im besetzten Westjordanland nicht dasselbe Recht gelte, wie für ihn in Israel. Basel Adra seinerseits beging den unverzeihlichen und für viele einen antisemitischen Fehler, als er zum Ausdruck brachte, dass es ihm schwer falle, den Preis zu feiern, während in Gaza weiterhin Menschen getötet werden, nur weil sie Palästinenser sind. Das war wohl zu viel für die zarten Ohren der deutschen Gutmenschen, die nicht hören wollen, wenn palästinensisches Leid thematisiert wird.

Yuval Abraham schrieb in einem offenen Brief am 27.02.2024:

„Ein rechtsgerichteter israelischer Mob kam gestern (26.2.24) in das Haus meiner Familie, um nach mir zu suchen. Er bedrohte enge Familienmitglieder. Dies geschah, nachdem israelische Medien und deutsche Politiker meine Rede auf der Berlinale – in der ich die Gleichberechtigung von Israelis und Palästinensern, einen Waffenstillstand und ein Ende der Apartheid forderte – absurderweise als „antisemitisch“ bezeichneten. Ich bekomme Morddrohungen und musste meinen Heimflug absagen.“

Politiker, Professoren, Journalisten und Redakteure fühlten sich sofort in der Pflicht, nach angelerntem Schema  zu reagieren; sie alle schrien auf: „Haltet den Dieb, er ist ein Antisemit.“  Bestärkt wurden sie durch die Tatsache, dass es linientreue „Gutmenschen“ auch in Israel gibt, die den israelischen Regisseur Yuval Abraham als „Antisemit“ verunglimpften. Israel wird mehr und mehr zum dem, was der berühmte und gefürchtete Kritiker der israelischen Politik, Prof. Yeschajahu Leibowitz  schon vor Jahren vorausgeahnt hat: Ein Land von Judeo-Nazis. Rückblickend gesehen wurde Professor Leibowitz zu einem Proto-Antisemiten neuer Art.

Je deutscher der Politiker, desto eifriger nutzt er die Chance, um sich in den Medien zu produzieren. Die Medien ihrerseits hatten endlich ein Skandalthema, und hatten nichts anderes zu tun, als vom Berlinale-Skandal zu berichten. So sprach Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der mit seiner Bildung leider im Kindergarten steckengeblieben zu sein scheint, von einem „untragbaren Relativieren“. Er vergaß zu erwähnen was im verteufelten Dokumentarfilm wohl „relativiert“ worden sei. Er nannte das Geschehen eine „perfide Täter-Opfer-Umkehr“, wie sie Franz Werfel in seiner Novelle: „Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuld“ beschrieben hatte. Nach Kai Wegner sind die Israelis edel, vollkommen und immer unschuldig. Die Palästinenser sind schuldbeladen, wohl deswegen, weil sie den Juden ihr Land nicht auf einem silbernen Tablett servierten, sondern selbst heute noch, nach mehr als siebzig Jahren um ihr Land, um ihren Grund und Boden, um ihre Freiheit und Würde kämpfen.

Die Palästinenser sind also die Täter, und die Israelis sind ihre Opfer. Ein anderer, mit dem ich in der Regel absolut nicht übereinstimme, Henryk M. Broder, hat sogar gesagt: „Es stimmt, die Israelis sind Täter“, und er fügte zynisch und geschmacklos hinzu, „Aber Tätersein macht Spaß!“ Kai Wegner, der keine Ahnung hat sollte sich besser informieren, wenn er weniger dümmliche und peinliche Statements von sich geben möchte.

Aber auch die Grünen- und FDP-Politiker Konstantin von Notz und Linda Teutenberg meinten, der Genozid-Vorwurf angesichts von nur 30.000 Toten Palästinenser, darunter 12.000 Kinder, sei „absurd“,  und ein „Gefasel vom Genozid“. Müssen es immer erst Millionen werden, um als Genozid bezeichnen werden zu dürfen? Dreißigtausend sind nicht der Rede wert, zumal es sich noch nur um Palästinenser handelt, die der israelische Präsident unter die „Tiere in Menschengestalt“ gerechnet hatte.

Es melden sich aber noch viel mehr pro-israelische Stimmen zu Wort, die als Gutmenschen wahrgenommen werden wollen. Nicht wenige halten sich tatsächlich für gute Menschen, wenn sie die bestialischen Taten der Hamas verurteilen und die nicht weniger bestialischen Taten der israelischen Armee verschweigen. Christian Tretbar, der Chefredakteur des Tagesspiegels bezeichnet die Preisverleihung: „Peinlich, beschämend, verstörend, propagandistisch und eine Pro-Palästina Show.“ Wenn es eine amtlich genehmigte „Pro-Israel-Show“ gewesen wäre, hätte er sie vermutlich ignoriert, denn diese wäre dann politisch korrekt gewesen. Eine „spontane“ Pro-Palästina-Show kommt einem blanken Antisemitismus gleich. Es ist Tretbar wohl entgangen, dass das, was er geschrieben hat, peinlich, beschämend und propagandistisch ist, nämlich fast wörtlich bei der israelischen Hasbara abgeschrieben.

Und für NZZ-Redakteur Alexander Kissler, der genauso gut zur Bildzeitung passen würde, war die Berlinale ein „Klassentreffen der Israelhasser“. Man fragt sich warum er nicht gleich „der Judenhasser“ geschrieben hat. Judenhass ist, frei nach Michel Friedman, das neue-alte Wort für Antisemitismus, nachdem sich dieser immerhin mehr als 150 Jahre bewahrt hat, und jetzt vollkommen umgewertet worden ist. Haltlose Gesinnungsverdächtigungen von Leuten wie Michel Friedman, Charlotte Knobloch, Josef Schuster und seitens anderer „ehrenwerter“ Juden haben es zustande gebracht, dass sogar Juden als „berüchtigte Antisemiten“ diffamiert werden können, als diese es gewagt haben sich von der israelischen Regierungspolitik zu distanzieren, wie zum Beispiel mich. Wenn auch Juden Antisemiten sein können, umso mehr können es auch Nichtjuden sein.

Die Liste solcher und ähnlicher Äußerungen ließe sich beliebig fortführen. Es begann schon letztes Jahr bei der documenta, wo die Freiheit der Kunst und die Freiheit der eigenen Meinung heftig attackiert wurde und aus Banalitäten Antisemitismus konstruiert wurde. Ein Vorwurf, den nicht-deutsche Künstler überhaupt nicht verstehen können. Und schon bei der documenta erhoben sich Stimmen dämlicher und kulturloser Politiker und Journalisten, dass man in Deutschland die Kulturpolitik „sehr genau beobachten“ muss und im ernsten Fall die finanziellen Mittel entziehen sollte. Mit Geld lässt sich eben alles regulieren. Dr. Josef Goebbels kontrollierte die Kunst und Meinung über Papierzuteilungen, Nancy Faeser will es über Zuwendungen an Geld organisieren.

Philipp von Becker schreibt in den Nachdenkseiten: „Für Union und Publikationen der Axel Springer SE – die im Übrigen mit illegalen israelischen Siedlungen Geld verdienen – mögen Rassismus und Zensuraufrufe noch als trauriges „business as usual“ zu verbuchen sein. Doch dass auch weite Teile der sogenannten „bürgerlichen Presse“ sowie Vertreter ehemals als „links“ geltender Parteien nicht auf die Idee kommen, dass der Protest herausragender Filmkünstler auf einem der wichtigsten Filmfestival der Welt nichts mit Antisemitismus, sondern mit 30.000 getöteten Menschen (davon 12.000 Kindern), einem komplett zerstörten Gazastreifen, 1,7 Millionen Vertriebenen, Jahrzehnten Apartheid, einer von Hungersnot bedrohten Bevölkerung und offen geäußerten genozidalen Absichten einer rechtsextremen Regierung zu tun hat, ist ein erbärmliches Schreckenszeugnis für eine sich für demokratisch und aufgeklärt haltende Gesellschaft.“

Das ist der Skandal.

Und von Becker führt fort: „Die traurige Realität hierbei ist: Nicht diejenigen, die gegen die Kriegsverbrechen einer rechtsextremistischen Regierung und Jahrzehnte Apartheid protestieren, sondern diejenigen, die dies weiterhin rechtfertigen, sind diejenigen, die Antisemitismus befördern und mit ihren haltlosen Anschuldigungen den Antisemitismusbegriff vollkommen entwerten.“ Er kann damit nur diejenigen meinen, die auch ich seit Jahren anprangere. Es sind die inzwischen zahllosen gewordenen Antisemitismusbeauftragten, die von Politiker bestallt und vergattert werden. Zum Teil sind die Krypto- Antisemiten, zum Teil glühende Philosemiten, wobei ihre Glut das gleiche verderbliche Ergebnis hat.

Es ist gefährlich für Deutschland, wenn das deutsche Kulturleben von hörigen Beamten und von Israels Geheimdienst gemanagt wird.  Kulturignorante jüdische Funktionären wie Charlotte Knobloch oder Josef Schuster wollen bestimmen, dass jede noch so vorsichtig vorgetragene Kritik an Israel und seiner rechtsradikalen Regierung als Antisemitismus ausgemacht wird. Wenn man es ihnen nachsehen will, weil es ja ihr Job ist und weil sie dafür gedungen sind und besoldet werden, dann ist es umso schlimmer, dass die deutschen Medien hier mitmachen. Sie verschaffen diesen objektiv unbedeutenden Funktionären und politischen Zwergen eine Bühne.

Leider ist es der jüdischen Funktionärin Charlotte Knobloch gelungen, dass die Stadt München, als einzige Stadt in Deutschland und weltweit, das Anbringen von Stolpersteinen nicht zulässt. Knobloch ist es gelungen den Münchner Stadträten, quer durch alle Fraktionen und seit Jahren, einzuimpfen, dass das Treten auf einem Stolperstein ein antisemitischer Akt sei. Und das erinnert an den ehemaligen israelischen Botschafter in Washington, der auf die Frage was sein größter Erfolg während seiner Amtszeit als Botschafter Israels gewesen sei, geantwortet hat: „Es ist mir gelungen die amerikanische Administration davon zu überzeugen, dass Kritik an Israel Antisemitismus sei.“

Das hat die deutsche Szene in vorauseilendem Gehorsam übernommen und setzt es täglich um.

 

 

Vorsicht vor diesem Buch.

Man hat mir selten ein derart schlechtes, banales und verhetzendes Buch zur Rezension vorgelegt. Schon sein Titel ist mehr Narretei als Provokation. Dem Autor gereicht aber zur Ehre, auf das inzwischen abgenutzte Wort „Antisemitismus“ verzichtet zu haben. Denn alles, was er sich so von seiner verletzten Seele heruntergeschrieben hat, hat nichts mit Antisemitismus und noch eniger mit Judenhass zu tun. Oder glaubt irgendwer noch, dass die Palästinenser die Israelis weniger hassen würden, wenn sie keine Juden wären?

Mit dieser Rezension möchte ich eigentlich vor diesem Buch warnen. Andere Leser sollten sich ersparen, was ich mir mit der Lektüre antun musste. Trotz seines absurden, falschen und dümmlichen Titels bringt das Buch nichts zu Palästina, nichts über die Hamas, und nichts über den Nahost-Konflikt. Es behandelt einzig und allein Friedmans Angstneurosen, sein Paranoia und verläuft sich in einer Warnung vor Antisemitismus in Deutschland, was so weit geht, dass er seine jüdischen Mitbürger auffordert, „ein Land, in dem die Gefahr für jüdisches Leben existenziell werde, zu verlassen. Seit dem 7. Oktober dächten sehr viele, gerade jüngere Menschen darüber mehr nach als je zuvor. Auch ich.“ Also auch er, Michel Friedman.

Wenn das hier nicht sein Land ist, auch wenn er es bisher tausendmal beteuert hat, wenn er sich nicht als deutscher Jude oder meinetwegen jüdischer Deutscher fühlt, sondern immer noch als „Jude in Deutschland“ (als „displaced person“), so wie es der Zentralrat der Juden in Deutschland vorschreibt, dann soll er doch das umsetzen, was er den anderen Juden empfiehlt: Deutschland verlassen. Vielleicht nach Israel, wo jüdisches Leben inzwischen noch gefährdeter ist als woanders in der Welt? Ich werde ihn nicht vermissen.

Friedman empfiehlt „nicht nur auf den Blick der Gesellschaft, der Antisemiten, zu achten“. Die Gesellschaft, die Deutschen, unter denen er lebt, besteht für ihn aus Antisemiten. Wie kann er noch in einem solchen Land leben? Er wiederholt mehrfach, dass Juden keine Opfer mehr sein wollen, beklagt aber unentwegt, dass Juden Opfer sind. Ein anderer „Jude in Deutschland“, Wolf Biermann, sagte dagegen vor wenigen Tagen in einem Spiegel-Interview, dass „Juden in Deutschland wie im Paradies leben“ würden. „Leben“ sagte Biermann. Friedman spricht aber von einem Überleben. Er schreibt: „Das will jeder Mensch. Überleben auch. Und da Juden Menschen sind, sie ebenfalls.“

Da möchte man Friedman allgemein in Erinnerung rufen, dass auch die Palästinenser Menschen sind, dass auch sie überleben, oder sogar leben wollen. Einerseits gibt er seinem Buch den Titel „7. Oktober 2023- JUDENHASS“, andererseits erwähnt er die Palästinenser mit keinem Wort. Er spricht von Bildung, die für ihn der wichtigste Schritt sei, dem radikalen muslimischen Judenhass entgegenzutreten. Wie wäre es mit Respekt und Gleichberechtigung, mit denselben Menschenrechten auch für Muslime? Er mahnt zigfach „antisemitische oder rassistische“ Hetze ab, aber unterlässt es zu erwähnen, dass Antisemitismus auch Rassismus ist . So müsste es ausreichen, wenn man gegen Rassismus kämpft.

Skandalös und deshalb auch absurd und falsch ist Friedmans Abgleich des „Massakers“ vom 7. Oktober 2023 mit denen der Nazis, vollzogen „an entrechteten jüdischen Menschen, mit denen man alles machen konnte.“ Seltsam, dass mir bei diesem Vergleich eher die Palästinenser, die Menschen in Gaza einfallen, mit denen die Israelis so ziemlich alles machen, was früher die Nazis mit den Juden in Warschau gemacht haben. Friedman will uns einreden, dass die Hamas diesen brutalen Überfall verübt hat, weil die Israelis Juden sind. Abgesehen davon, dass das ganze Buch grottenschlecht geschrieben ist und dass es einen Affront gegen die deutsche Sprache darstellt, wird es mit Sicherheit nicht „die Botschaft“ der Hamas gewesen sein, wie Friedman unterstellt. Der Überfall ist nicht, wie bereits UN-Generalsekretär Antonio Guteres erklärte, plötzlich und unerwartet wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen. Israel hat die ganze Zeit die Palästinenser, ob in Gaza oder auf der Westbank, nicht gerade mit Samthandschuhen traktiert und nicht mit Mozartkogeln auf sie geschossen. Der Abwurf einer 1000 Kilo Bombe auf ein Wohngebiet in Gaza stellt auch keine humanitäre Aktion dar. In Deutschland werden, findet man eine Fliegerbombe aus dem letzten Krieg, die Wohnungen im Umkreis von 500 Metern geräumt.  Darüber aber schreibt Friedman nichts in seinen Vergleichen.

Friedman nutzt jede noch so banale Gelegenheit aus, die Hamas mit den Nazis zu vergleichen. „Auch die Nazis hatten die Menschen jüdischen Glaubens entmenschlicht. Sie nannten sie Ratten und Ungeziefer.“ Und er ergänzt: „Ein Mensch, der Jude ist, ist vor allem Jude und weniger ein Mensch.“ Ich aber vermisse die Aussagen israelischer Minister, dass die Hamas „Tiere in Menschengestalt“ seien, dass die Palästinenser ein „Krebsgeschwür“ darstellten. In Israel und auch in den jüdischen Gemeinden in Deutschland werden die Palästinenser auch nicht als Menschen gesehen, sondern als radikale Terroristen, die man vernichten muss.-

Friedman irrt blind und taub durch die Landschaft. Er ist sich nicht zu schade, üble und falsche pro-israelische Propaganda zu wiederholen. Er fragt, warum Brandsätze vor Synagogen stattfinden und nicht vor die israelische Botschaft („Wie bei „Israelkritik“ zu erwarten“). Vielleicht, weil die Juden in Deutschland sich ohne Wenn und Aber hinter Israels Politik stellen und zu Parolen wie „Tod den Arabern“ in Israel schweigen. Vielleicht, weil sie auch schweigen, wenn in Israel „Vom Jordan bis zum Meer“ skandiert wird, und sie sich empören, wenn in Deutschland auf Demonstrationen „From the river to the sea“ gerufen wird und, nach Michel Friedman, „die Fantasie der Vernichtung des Staates Israel und aller seiner (jüdischen) Bewohner“ herausgebrüllt wird. Oft genug fügt er noch hinzu: „Der Vernichtung aller Juden auf der ganzen Welt“. Immerhin räumt er ein, dass es sich dabei um „Israelkritik“ handelt und nicht um Antisemitismus.

Er jammert und weint, dass es schon peinlich wird, weil immer noch kein Mitleid mit ihm aufkommt. Er beschwört, dass Deutschland „doch auch unser Land sei“ und fleht „Ich will doch nur eine Umarmung. Eine Umarmung von einem nichtjüdischen Menschen, der mir zeigt: „Ich fühle deinen Schmerz.“ Und er steht vor den Scherben seiner Arbeit und vor den Scherben seines Lebens. Und wenn irgendwo Verständnis für die Palästinenser durchklingt, und sogar geäußert wird, und wenn man die israelischen Siedlungen und die israelische Besatzungspolitik…und, und, und kritisiert, würde er am liebsten schreien: „Die Israelis sind nicht die Täter. Sie bleiben die Opfer.“ Frei nach Franz Werfels Novelle: Nicht der Mörder, sondern der Ermordete ist schuld. Und er glaubt wirklich, dass wir nach dem 7. Oktober „an einem Scheidepunkt stünden, weil es nicht nur um das Judentum geht.“ Da zeigt er schon wieder, dass er keine Ahnung hat. Natürlich geht es nicht um das Judentum. Es geht um Juden. Und eigentlich auch nicht um die Juden, sondern um die Israelis, die von vielen Juden nicht mehr als traditionelle Juden akzeptiert werden. Aber das weiß Michel Friedman nicht, und ignoriert es. Und durch das ganze Büchlein macht er keinen Unterschied zwischen Juden und Judentum, als ob Christen und Christentum dasselbe wären. Nicht alle Juden sind Israelis und nicht alle Israelis sind Juden.

Und weil er, wie es Charlotte Knobloch einmal sagte, mit dem Herzen in Israel lebt, fragt er rhetorisch: „haben wir hier (Deutschland) eine Zukunft?“ Und antwortet gleich: „Die Antwort fällt immer pessimistischer aus.“ Aber wohin will er auswandern? Wo hat er selbst eine Zukunft? In Israel etwa? David Grossman schreibt über sein Land: „Dieses Land wurde preisgegeben – zugunsten engstirniger Interessen, zugunsten einer zynischen, schlafwandlerisch unvernünftigen Politik.“ Und obwohl die Politik sich schon längst nach rechts ausgerichtet hat und obwohl Rassisten und Nationalisten schon seit langem in der Regierung sitzen, wird das Land nach dem jetzigen Krieg noch viel rechter, militanter und rassistischer sein. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die Tragödie im Nahen Osten ohne gleichzeitige Linderung des palästinensischen Leides nicht zu bewältigen ist. Wenn sich nichts ändert, werden die Israelis nun wohl auf ewig unter höchster Anspannung und ständiger Kriegsbereitschaft leben müssen. Yael Dayan, die Tochter des legendären Moshe Dayan drückte es so aus: Ich schlafe mit meinem Gewehr. Es war schon immer so und dennoch, die Israelis, wie sie einst waren, werden nie wieder sein können. Das Gefühl der Trunkenheit vor Überheblichkeit und Siegeswahn, wie nach dem Sechs-Tage-Krieg ist für immer verschwunden. Es kommt nie wieder zurück. Jetzt wissen die Israelis, dass sie siegen können, aber auch, dass sie verlieren könnten. Von jetzt an wird alles Erleben binär: Null oder eins. Sein oder Nichtsein.

Jüdische Menschen wie Friedman, nicht alle Juden, sind verstört, traumatisiert und verunsichert. Nicht, weil in Israel mehr als tausend Juden ermordet wurden, sondern weil sie befürchten, dass Juden den Nichtjuden gleichgültig sind. Ich kann diese Art von Furcht nicht verstehen. Friedman schreibt: „Angst griff um sich. Denn gemeint waren von der Hamas nicht die Israelis, sondern alle Juden in der Welt.“ Das ist keine Angst mehr, sondern schon Paranoia. Es erinnert mich an den Mann, dem man vorwirft, dass seine Schwester eine Hure sei. Es hilft nicht, wenn er sagt: Ich habe keine Schwester. Er hat eben eine Schwester zu haben. Und so ist es mit der Hamas. Es hilft nicht, wenn sie immer wieder behauptet, dass sie nichts gegen Juden in New York, Amsterdam oder Berlin hat. Sie hat etwas gegen diese Juden zu haben, damit man sagen kann sie seien Antisemiten. Absurd? Nicht wahr?  Genau das kann und will Michel Friedman der Hamas nicht verzeihen, dass sie nicht antisemitisch ist. Es erinnert an die Nazis, die Auschwitz den Juden nie verzeihen werden.

Friedman zitiert Adornos Definition des Antisemitismus, die nicht deshalb richtig sein muss, weil sie von Adorno stammt. Antisemitismus sei „das Gerücht über die Juden“. Ich verstehe nicht wie Adorno, der ja ein kluger und gebildeter Kopf war, auf eine solch abwegige und irreführende Definition kommen konnte. Gerüchte sind schleimig, schreibt Friedman und sein Büchlein ist so voll mit Schleim, dass er fast schon aus dem Buch fließt. Will man Friedman packen, glitscht er weg und schwafelt immer wieder von Wahrhaftigkeit und Menschlichkeit. Als ob nur Juden benachteiligt würden. Als ob die Sinti und Roma, die in diesem Land von vielen immer noch Zigeuner genannt werden, nicht benachteiligt werden, als ob Türken, Muslime und Schwarze nicht benachteiligt werden. Immer nur die Juden, die Juden, die Juden.

Dass Friedman keine Ahnung hat, belegt er immer wieder selbst. Er behauptet, dass die Kirchen, also das Christentum, das Gerücht über die Juden in die Welt gesetzt hätten. Die Kirche hat die Juden gehasst, und das war kein Gerücht. Das war eine für alle erkennbare Tatsache, besonders für die Juden. Wenn man Friedmans Buch liest, wird es jedem auch deswegen überdrüssig, weil es ununterbrochen den Eindruck erweckt, dass wir immer noch im Mittelalter leben, oder bestenfalls schon im Dritten Reich, wo Juden wirklich verfolgt wurden. Deswegen möchte man es nach jeder mit Abscheu und Widerwillen bewältigten Seite in den Papierkorb werfen, oder auf den Mühlhaufen der Geschichte.

Man wird fast verführt zu glauben, dass in diesem Land täglich Juden ermordet werden. Friedman schreibt von den 1990er-Jahren, in denen es „latenten und manifestierten Antisemitismus und brutalen Rassismus gab.“ Und man könnte fast glauben, dass in Mölln, Solingen, Rostock, Hoyerswerda und Hanau Juden von der NSU ermordet wurden. Mir ist nicht bekannt, dass mehr als ein einziger Jude ermordet worden ist. Es gibt kaum ein anderes Land auf dieser Welt, wo Juden so sicher leben wie in Deutschland, wo die Behörden sie in Watte packen, und sie außerdem noch mit Samthandschuhen anfassen.

Friedman behauptet, dass die Gesellschaft in der Bundesrepublik sich nicht mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt hat. „Man wusch die Hände in Unschuld“. Das ist aber nicht das Deutschland, in dem ich aufgewachsen bin. Er kommt auf Israel, und da schreibt er ab bei der israelischen Propaganda. Der offene Antisemitismus war nach dem Massenmord in Verruf geraten.. Deshalb entstand der „sekundäre Antisemitismus“, der Hass auf Israel. Was für eine Lüge, was für eine Verdrehung der real existierenden Sympathie für Israel. Ich habe nie Hass auf Israel beobachtet. Ich habe Kritik an Israels Politik erfahren und diese zurecht. „Jeder kann und darf die israelische Regierung kritisieren“, behauptet Friedman. Aber wenn ein Jude wie ich es tut, dann wird er von einer Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats war und seit Generationen Vorsitzende (oder Besitzerin) der Jüdischen Gemeinde in München ist, als „berüchtigter Antisemit“ diffamiert. Und Michel Friedman hat geschwiegen, obwohl ihm die Würde des Menschen, jedes Menschen, lieb und teuer wäre.

Michel Friedman redet nicht nur geschwollen, selbstgerecht und immer an der Sache vorbei, er schreibt auch so. Sein Buch, wenn nicht „Friedman“ überhaupt, sind kaum erträglich zu lesen. Er behauptet, dass der Überfall vom 7. Oktober ein Pogrom war. Es wundert mich, dass ein Jude wie Friedman nicht weiß, was ein Pogrom ist. Noch mehr ekelt es mich an, dass er nicht müde wird den Widerstand der Palästinenser gegen eine ungerechte und brutale Besatzung mit den grundlosen antisemitischen Überfällen eines Mobs auf eine unschuldige Bevölkerung zu vergleichen oder gar mit dem organisierten Massenmord der Nazis. Der Überfall der Hamas war bestialisch, aber es stehen nicht palästinensische Panzer in Tel Aviv, sondern israelische, nicht jüdische, Panzer in Gaza.

Friedman meint, dass die rote Linie überschritten ist, wenn man die israelische Regierung mit Nazi-Deutschland vergleicht. Aber der bekannte und geachtete jüdische Religionsphilosoph Jeshajahu Leibowitz nannte die israelische Regierung: „Judeo-Nazis“. Und Henryk Broder schrieb: „Die Israelis sind Täter, aber Täter sein macht Spaß.“ Und dieser fürchterliche Satz ist sogar in der Jüdischen Zeitung abgedruckt worden. Dürfen nur die Israelis Spaß haben? Und was ist mit den Palästinensern, die dabei sicherlich kein Spaß haben, wenn israelische Soldaten mordend durch ihre Siedlungen toben.

Friedman findet die Aktion der Stolpersteine großartig. Er hat es aber bis heute versäumt seine Kollegin Charlotte Knobloch zu kritisieren, die dafür gesorgt hat, dass München die einzige Stadt europaweit ist, die das Einsetzen von Stolperstein verbietet. Verhindert hat es keine andere als Charlotte Knobloch. Die rabiate zionistische Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern hat mit ihrer Art des Drucks, die eher nach Erpressung riecht, die Stadtverwaltung bzw. den Oberbürgermeister gezwungen, Stolpersteinverlegungen in München zu untersagen, obwohl Familienangehörige der Opfer glücklich und dankbar darüber sind, dass ihrer Familienangehörigen gedacht wird.

Und warum ist Knobloch dagegen? Weil sie nicht will, dass Nichtjuden auf jüdische Namen treten. Sie hat wohl mit ihrer begrenzten Einsichtsfähigkeit nicht verstanden, dass dies genau das verhindert, worum es den Stolpersteinen geht. Die Menschen sollen stolpern, erschrecken und zum Nachdenken gebracht werden. Nicht umsonst heißt es, dass dies die nachhaltigste Idee der Versöhnung ist. Knobloch hat es nicht verstanden.

Ich kann nicht weiter und werde hier aufhören. Für Friedman sind Juden wieder Opfer, obwohl er tausendmal versichert, dass er kein Opfer mehr sein will. Er verhält sich aber so, er schreibt wie aus dem Ghetto, als ob wir immer noch regelmäßig Judenpogrome hätten. Man hat bei ihm den Eindruck, als ob er auf gepackte Koffer säße, und auf eine Gelegenheit fiebere zu flüchten. Er wird aber hierbleiben, weil es ihm nirgends auf der Welt so gut gehen wird, wie hier und heute. Das hindert ihn nicht, bei den übrigen Juden Angst und Schrecken zu säen.  Er trinkt Wein und predigt Wasser. Aber sein Wasser ist versalzen und schmeckt bitter.

Wenn man es geschafft hat, das Buch zu lesen, dann kann man Juden nicht mehr hassen, man muss einfach Mitleid mit ihnen bekommen. Viele von ihnen, besonders die Zionisten, zahlen heute den Preis, weil sie sich jahrelang von dummen, korrupten und rassistischen Politikern haben verführen lassen. Und selbst jetzt, nach den letzten Gräueltaten sind viele von ihnen nicht bereit die Schuld Israel zuzuschreiben. Wie zum Beispiel Michel Friedman. Die Besatzung ist ein Verbrechen und sie versuchen eine Hierarchie des Bösen mit einer eindeutig pro-israelischen Randordnung zu gestalten. Zivilisten kaltblütig niederzuschießen – das ist ein viel schwereres Verbrechen, behaupten sie. Sie sollten Franz Fanon lesen, der schon vor mehr als achtzig Jahren in seinem Buch „Die Verdammten dieser Erde“ solche Erhebungen gegen Unterdrückung, Gewalt und Dehumanisierung vorausgesagt hat.

Fanon war ein französischer PsychiaterPolitikerSchriftsteller und Vordenker der Entkolonialisierung. Und bei der Gräueltat der Hamas geht es um nichts anderes als um einen Aufstand gegen eine brutale und erbarmungslose Besatzungsmacht, die den Menschen in Gaza gerade noch die Luft zum Atmen überließ, nicht aber den Strand zum Baden und die Freiheit Gaza zu verlassen. Nicht umsonst wurde Gaza das größte Freiluftgefängnis  der Welt genannt. So macht man aus Menschen mit menschlichem Antlitz Bestien, die auch in der Lage sind, Frauen und Kinder zu ermorden.

All das kümmert aber Michel Friedman nicht. Er hat nur seine Juden im Kopf, seine jüdischen Kinder, die jetzt in Angst und Furcht leben,  und von ihren nichtjüdischen Kameraden nicht umarmt werden. Es ist typisch jüdisch, und daran leiden viele Juden, dass sie die Probleme der Juden in den Mittelpunkt ihrer Welt stellen und alles, was in der Welt passiert, perifer beurteilen: Ist es gut für die Juden oder ist es schlecht für die Juden. Ob eine mehr als 70jährige Besatzung schlecht ist für die Besetzten, spielt für Friedman und seine Juden keine Rolle. Deshalb ist er auch blind zu erkennen, dass eine solche Besatzung auch schlecht ist für die Besatzer sein könnte. Eine solche Besatzung korrumpiert und entmenschlicht und macht den Besetzern, nach Henryk Broder, nur dann Spaß, wenn sie kein Gewissen haben, wenn sie keine Moral kennen und wenn Menschenrechte für sie nicht gelten. In Israel gilt immer noch David Ben-Gurions Häme über die UNO: Um-Schmum, was ins Deutsche übersetzt, heißt: Die UNO ist nichts wert. Aber dass die UNO die Gründung des Staates Israel in jener verhängnisvollen Nacht im November 1947 beschlossen hatte, das Lernen israelische Schüler schon in der ersten Klasse der Volksschule.

Ob Michel Friedman das weiß? Wenn er es weiß, warum fordert er Israel nicht auf der UN zu folgen, und fordert seinerseits, den Krieg in Gaza zu beenden. Sind 30 000 getötete palästinensische Einwohner noch nicht genug? Sind mehr als 13500 tote Kinder nicht ausreichend? Friedman hat aber nur jüdische Kinder im Sinn. Nur jüdische Kinder verdienen es frei und in Wohlstand zu leben. „Jüdische Kinder waren und sind verstört und traumatisiert. Nicht nur, weil sie sahen, wozu die Terroristen in Israel fähig waren, sondern weil die spontanen Reaktionen auf der Straße nicht solidarisch waren für die jüdische Gemeinschaft.“  Dass palästinensische Kinder mehrfach traumatisiert und verunsichert sind, das interessiert ihn offensichtlich nicht.

Warum sollten sich die Menschen auf der Straße mit den Jüdinnen und Juden solidarisieren? Sind sie also doch Israelis und gehören nicht in dieses Land? Und verdienen die Palästinenser keine Solidarität? Sie sind doch die Juden der Juden. Friedman wirft den Deutschen vor, dass „kaum Fahnen mit dem Davidstern aus den Fenstern gehängt wurden. Es versammelten sich nicht Hunderttausende. Es ist nicht verstanden worden, dass es nur vordergründig um „Juden“ geht, aber in Wirklichkeit um die Würde des Menschen, die verletzt wurde.“ Wenn man will, kann man diesen Satz als die Quintessenz seines schmalen Buches betrachten. Er versucht uns und unser Grundgesetz in die Verantwortung einzubinden. Dabei ging es von Anfang an und auch am 7. Oktober 2023 nicht um „Juden“. Israelis sind Israelis, sind Israelis. Manche von ihnen sind Juden und andere ohne Religion. Die Hamas wollte keine Juden töten, weil sie Juden sind, sondern Israelis, weil es Feinde sind und man sich seit mehr als 70 Jahren in einem Kriegszustand befindet. Und so übel und verbrecherisch die Ermordung von Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, auch war, Friedman sollte nicht vergessen, dass auch palästinensische Frauen und Kinder ermordet wurden und werden. Unter dem Strich sind es weitaus mehr Palästinenser als Israelis.

Wenn Friedman wollen würde, dass das „nie wieder“ passiert, dann soll er sich auch für einen totalen Frieden einsetzen, einen nachhaltigen Frieden, der den Israelis Sicherheit garantiert und den Palästinensern volle Menschenrechte, Achtung ihrer Würde und Freiheit bringt.

Die Rezension ist doch länger geworden als ich beabsichtigt habe. Ich könnte als Antwort auf Michel Friedman ein gleich langes Büchlein schreiben. Aber JUDENHASS verkauft sich besser. Friedmanns Traktat ist gerade erst erschienen, und schon auf der Bestseller-Liste. So macht man Geld mit dem Elend seiner Brüder und Schwestern , und vor allem mit dem Elend der Palästinenser. Man wirft ein Buch auf den Markt, schnell hingeschrieben, hastig lektoriert (wenn überhaupt), eiligst gedruckt und schleunig und billig verkauft. Es kostet nur 12 Euro und das können die Käufer verschmerzen, wenn sie das Buch nach wenigen Minuten in den Abfall, zu den verschimmelten Gurken, werfen

 

Michel Friedman – 7. Oktober 2023 – JUDENHASS, Berlin Verlag, 104 Seiten, 12,–€, ISBN 9 783827 015150