Von Juden und einzelnen Lügen

Alex Bein schreibt in seiner Geschichte der Judenfrage kurz und bündig und in fester Überzeugung, „marrano“ bedeute auf Spanisch Schwein. Tatsächlich heißt das liebe Tier im Spanischen „cerdo“, auf Portugiesisch heißt es „porco“. Das Wort „marrano“ gibt es originär im Spanischen nicht. In “Google/Wikipedia“ kann man trotzdem lesen:

„Marranos, auch Conversos oder Neuchristen (spanisch cristianos nuevos, portugiesisch cristãos-novos), sind iberische Juden und deren Nachkommen, die unter Zwang oder schwerem Druck zum Christentum bekehrt wurden. Oft wurde ihnen vorgeworfen, als Kryptojuden weiterhin jüdische Riten zu praktizieren. Der Begriff tauchte erstmals im spätmittelalterlichen Spanien auf.[1]…. Forscher, wie Benzion Netanjahu, Yirmiyahu Yovel, Cecil Roth, N. Wachtel und die französische Schule, verwenden das Wort als Oberbegriff für alle judeoconversos iberischer Abstammung.[3] Nicht wenige Historiker vermeiden den Ausdruck wegen seiner Unbestimmtheit und seiner Herkunft aus der judenfeindlichen Vulgärsprache….. Sie meinen, marrano bzw. marrão leite sich ….. aus dem Arabischen her, vom Adjektiv muharram,[5] das auf religiöse Verbote verweist und im konkreten Kontext in der anathematischen Bedeutung von „(von Gott) verflucht, exkommuniziert“ interpretiert wird.[6] Andere Deutungen verweisen auf das spätarabischen Wort barrānī[7] für „Fremder, Außenseiter“[8] oder das arabische Verb marana[9] (biegsam, anpassungsfähig sein).[10] Einige führen Marrane auf das hebräische Wort mar’it ayin (Augenschein, Trugbild) zurück, da die Marranen augenscheinlich Christen waren, doch im Geheimen Juden blieben, oder auf Hebräisch mochoram (verbannt, verboten), das mit dem oben genannten arabischen muḥarram verwandt ist.[11] Nach einer anderen Deutung stammt der Begriff vom aramäischen maran atha (Unser Herr ist gekommen) oder mar anus und bar anus (gezwungener Herr oder Mann bzw. Sohn eines Gezwungenen)…. (blabla)…!

Natürlich ist „marrano“ ein Pejorativ. Das Wort wurde gefunden, wie man im Deutschen für den Polen „Polacke“ sagt. Der Pole selbst nennt sich „Polak“. Ersetzt der Deutsche das Wort „Pole“ durch Polacke, meint er den Polen der unteren sozialen Schichten.Ähnliche Übernahmen sind der „Kanake“ vom Südpazifik, wo Kanake „Mensch“ bedeutet. Der „Franzose“, der eigentlich „Frankreicher“ heißen müsste, leitet sich von alt-französischen „francois“ ab. Im Spanischen ist das nicht anders. Marrano ist der Mann, der seinen jüdischen Sabbattischgenossen mit „Birschut maranan“ oder Sawri maranan“ zuprostet. „Maranan“ heißt „Meine Herren“.  Nix Herkunft vom Arabischen oder noch gekünsteltere Konstruktionen. Der Marrane ist der falsche Christ, der in Wirklichkeit ein Jude ist.

Warum schreiben dann profilierte jüdische Autoren, die sich jede Woche mit „Birschut maranan“ oder Sawri maranan“ zuprosten, einen derartigen Unsinn vom Schwein? Offenbar, weil für den Juden ein Marrane ein „Schwein sei. „Die Spanier“ hatten probate Mittel, einen Verdacht auf Judaisieren zu zerstreuen. Der Neuchrist musste als Schweinefleisch verzehren (Serano-Schinken, Pata Negra), eine köstliche Speise, die den abergläubischen Juden so verboten ist wie Hasenbraten, Schalentiere, Muscheln, Austern und sogar Hülsenfrüchte an Pascha. Wer sich also auch von Schweinefleisch ernähren kann, kann kein verkappter Jude sein. Der christliche Speisezettel bewies es. Ganz abgesehen davon ist es sehr unwahrscheinlich, dass sephardische Juden an den westlichen Mittelmeerküsten nicht „frutti del mare“ genossen hätten. Die aschkenasischen Juden haben natürlich keine Austern gegessen, schon weil sie solche in den Weiten Litauens gar nicht hatten. Und so kann man unterstellen, dass die „marrano- Lüge“ vom Schwein auch eine aschkenasische ist.

Bei dieser Gelegenheit: Die Mehrheit der spanischen Juden ließ sich nach den Unruhen von 1391 taufen.  Die Minderheit, die am jüdischen Aberglauben festhielt, wurde 1492 amtlich vor die Wahl der Taufe oder der Auswanderung gestellt. Während des 19. Jahrhunderts bevorzugten Bürger von jüdischen Eltern in Deutschland die Konfessionslosigkeit. Damals, 1492 war Religion noch Staatskult des Landes, zu dem man sich bekennen sollte. Die Auseinandersetzung mit der moslemischen Staatenwelt verlangte auch von Juden ein eindeutiges Bekenntnis. Taufe bedeutet nicht zwangsweise „glauben“. Man schätzt, dass noch 80.000 Juden auswanderten. Einige „flüchteten“ sich zu den Glaubensgenossen nach Marokko, von wo sie alsbald reuig zurückkehrten. Den Juden dort ging es sozial noch schlechter als denen in Spanien. Es ging Juden noch im 19. Jahrhundert unter Arabern so schlecht, dass 1870 der französische Justizminister Adolphe Cremieux  allen Juden Algeriens auf Antrag die französische Staatsbürgerschaft verlieh.

Die sephardischen Juden sind in der Zeit zwischen 1492 und 1870 in den romanischen Ländern gut integriert (nicht wie im aschkenasischen Raum „assimiliert“) worden. Eric Zemmour, der jüdische Präsidentschaftskandidat, konnte im Wahlkampf behaupten, Marschall Philipp Petain habe „die französischen Juden“ vor den Deutschen gerettet. Alain Finkielstein bestätigt dies. „Frankreich“ lieferte den Deutschen „zwecks Umsiedlung“ die Juden mit deutsch klingenden Namen aus. Unter diesen war die Halbjüdin Fania Goldstein (Fenelon), deren Mutter Bernier hieß, die also im aschkenasisch- halachischem Sinn gar keine Jüdin war. In Schicksal wurde verfilmt (playing for time). Das zeigt, dass „man“ in Frankreich schon vor der der Revolution von 1789 zu den (sephardischen) Juden ein zivilisiertes Verhältnis hatte. So wurden die „Neuchristen“ aus Bordeaux, die dort als „Portugiesen“ ihr jüdisches Leben praktizierten, durch jüdische Abgeordnete in der Nationalversammlung vertreten. Den Frieden störten nur die Juden aus dem Elsaß und aus Metz. Wer auf einen französischen Friedhof geht und jüdische Gräber betrachtet, sieht, dass auch die Juden die Verstorbenen durch Fotografien in Erinnerung halten. Im aschkenasischen Raum würden Steine fliegen.

Woher kommt also das deutsche Problem mit den Juden oder das jüdische Problem mit den Deutschen, das (nach Alex Bein) sich nach 1879 mit dem klassischen Antisemitismus artikulierte? Wahrscheinlich liegt das Problem darin, dass der Raum des „deutschen“ (aschkenasischen) Judentums weit über die Grenzen des germano-deutschen Raums hinausreicht. Selbst heute gehörte der Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt zu „unserem“ Judentum. ER erscheint genauso, wie Heinrich Graetz die Juden des Ostens beschreibt. Genau diese Problematik sah Heinrich v Treitschke. Jeder Reform-Rabbiner konnte sofort nach seinen Reformversuchen durch einen konservativen Rabbiner aus dem Osten ersetzt werden. Das aschkenasische Judentum hatte ein retardierendes Moment, weswegen sich auch große Persönlichkeiten (z.B. Sigmund Freud) von ihm abwandten. Arthur Ruppin (in: Soziologie der Juden) zählt jüdische Persönlichkeiten auf, mit denen er die Bedeutung des Judentums unterstreichen will. Die Hälfte dieser Leute sind schon zu Ruppins Zeiten vom Judentum abgefallen. Man kann annehmen, das, wenn es ein aschkenasisches Judentum gegeben hätte, dessen Raum sich mit dem des Deutschtums gedeckt hätte, dieses „untergegangen“ (Felix Theilhaber) oder in die deutsche Gesellschaft so integriert worden wäre wie das sephardische Judentum in Frankreich, Spanien oder Italien. Die faschistische Partei Mussolinis ist von vielen Juden mitgegründet worden, mehrere Juden hatten in der Zeit des Faschismus vor dem Stahlpakt mit Deutschland hohe Regierungsämter inne.   Das Judenproblem ist also gar kein jüdisches, sondern ein aschkenasisches. Das erweist sich auch in der Behauptung der Ostjuden, dass Marranen „Schweine“ seien.

von Lobenstein, 19.08.2023

 

 

 

Michael Wolffsohn und sein ”vermeintlicher Jude“ Fabian Wolff

Vorab sollte man wissen: das Christentum mit seinen Vorschriften und Dogmen hatte den Sinn, die weltliche Herrschaft des Römischen Kaisers religiös zu legitimieren. Zuletzt musste jeder zum Christen werden: Ein Gott, ein Reich, ein Kaiser. Bei den Juden war es umgekehrt: die Rabbinen ersannen unsinnige, unnütze und abstoßende Vorschriften zum Schutz der biblischen Vorschriften, um das abergläubische Volk als solches strenger durch die Zeit bis zum Erscheinen des Messias identisch zu erhalten. Viele wurden trotzdem abtrünnig, wenige stießen hinzu. Das Römische Reich zählte zur Zeit des Kaisers Augustus 55 Millionen Einwohner (inklusive Nordafrika und Ägypten), worunter 4,5 Millionen Juden waren. Heute schätzt man die Juden auf 14 Millionen Menschen einschließlich derer in den USA, aber die Länder auf dem Gebiet des Römischen Reichs dürften heute zusammen mehr als 300 Millionen Einwohner haben. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung ist also von 8% auf 0,3 % – einschließlich der Juden in Israel – zurückgegangen.

Wieso diskutiert man dann überhaupt so viel über jüdische Dinge, wenn sich schon die Juden kaum dafür interessieren? Jedenfalls in Deutschland tut man es mit Leidenschaft: Jews sell, sagt Michael Wolffsohn. Deutschland wurde in 2 Kriegen vom Westen niedergemacht, und ist zu einem halbsouveränen US-Vasallenstaat degradiert worden. Das Wohlwollen seines amerikanischen Lehensherrn hängt von einer anti-nationalsozialistischen Haltung ab. Nun ist aber Deutschland ziemlich sozialistisch; seine Sozialgesetze, Einheitsgewerkschaften, ja sogar seine ganze Verwaltung wurzeln in der nationalsozialistischen Vorkriegszeit. Über die braunen Wurzeln des BKA schreibt Dieter Schenk ein ganzes Buch. Nationalistisch ist Deutschland auch, was man alle 2 Jahre durch den Fußball vor Augen geführt bekommt. Die zuverlässigste Methode, den Amerikanern eine Abkehr vom Denken früherer Zeiten vorzustellen, ist die Pflege von jüdischem Leben in Deutschland. Ursprünglich hatte man nur 30.000 Juden sozial zu bemuttern, durch die Auflösung der Sowjetunion sind nach Berechnungen von Charlotte Knobloch sogar 200.000 Juden nach Deutschland zugewandert. Ein Drittel von ihnen hat sich bei den Gemeinden immatrikuliert. Da kann man schon schöne Synagogen bauen und den Amerikanern etwas vorstellen. Peinlich ist es nur, wenn die Heiligen Kühe der deutschen Politik untereinander in Streit geraten. Und noch peinlicher wird es, wenn ein Streit ausgetragen wird, der nach amerikanischen Regeln für das Judentum anders zu entscheiden wäre als nach den Vorstellungen der konservativen Fraktionen in Israel. Den letzteren hat sich die deutsche Szenerie verpflichtet.

1.

Der große Michael Wolffsohn schreibt in der NZZ (27.7.23), er sei „Fabian“ Wolff nie begegnet. „Fabian“ habe auf zeit-online in Form eines Essays dargestellt, er sei „doch kein Jude“. Ist das nun gut oder schlecht? Die Verhältnisse von 1933 unterstellt, könnte man „Fabian“ dem jüdischen Kulturkreis   – wenigstens auf Zeit –  zuordnen. Er könnte als Geltungsjude angesehen werden. Denn für einen nicht-religiösen gibt es keinen Weg in die jüdische Gesellschaft ohne jüdische Mutter. Aber was macht ein jüdisch Bemutterter ohne Glauben in der jüdischen Gesellschaft? Man, d.h. die Deutschen, würden ihn aus höheren Funktionen entlassen haben. Warum aber schreibt dann Wolffsohn gegen den „Geltungsjuden“ Fabian einen Artikel in der NZZ? Man sollte erwarten, dass Wolffsohn ihm schriebe „lieber Fabian, selbst wenn dir eine halachische Ahnfrau fehlt, fühle dich in unserem Kulturkreis willkommen. Aber so ist es nicht. Fabian gehört nicht mehr zum auserwählten Volk und die Linke hat einen Anhänger ohne jüdisches Etikett mehr. Das wirft mehrere theoretische Fragen aus der immer noch latent präsenten Vergangenheit auf. Eine Frage erinnert an den Autor Max Czollek, dem Maxim Biller vorwarf, halachisch gesehen kein Jude zu sein, was den großen Vorsitzenden Josef Schuster motivierte, nachzutreten und zu erklären, Czollek „segle (oder segelte) unter falscher Flagge“. „Fabian“ hat seinen halachischen Wimpel selbst eingeholt, was Wolffsohn zu freuen scheint, weil Fabian zuvor der „stets antisemitischen Linken als Vorzeigejude gedient hätte“. Für Wolffsohn ist die diffuse Linke defacto antisemitisch, weil sie auch linke Palästinenser unterstützt. Dabei tobt gerade in Israel ein Richtungsstreit. Darf es denn keine Linke geben, die in antikolonialistischer Tradition die Verhältnisse in Israel anders wertet als die frommen Siedler im Westjordanland? Sind diese Leute gleich als „Antisemiten“ auszugrenzen? Wolffsohn sieht es so, denn wie „jeder anständige Antisemit seine besten jüdischen Freunde habe“, berufen sich Halb- und Vollantisemiten gerne auf die Meinung eines Juden, der sie in der Kritik jüdischen Lebens stützt. Das schützt vor einem plumpen Vorwurf des Antisemitismus. Damit räumt der Historiker Wolffsohn ein, dass wir politisch wieder im frühen Mittelalter gelandet sind. „Damals verbarg man einen originellen Gedanken, indem man ihn mit einer anerkannten Autorität belegte. Jeder intellektuelle Revolutionär versuchte zu beweisen, dass er „nur die Stimme der Tradition zur Geltung bringe“ (Kurt Flasch in: Einführung in die Philosophie des Mittelalters). Wer über Juden spricht, bedarf der Legitimation eines wenigstens vermeintlichen Juden. Nur dieser besitzt das angeborene Recht der Meinungsfreiheit zu jüdischen Themen. Der sekundierende Jude kann objektiv kein echter Antisemit sein. Wenn man sogar etwas Heterodoxes zu Juden, Auschwitz, Halacha oder Israel äußern will, versichere man sich vorab eines Juden, der die Meinung mitvertreten will. Dafür gibt es ein Reservoir von Jüdischen Gelehrten und Autoren. Wie viele es gibt, lässt sich abschätzen. Wenn sich die Bevölkerung auf dem Gebiet des Römischen Reichs versechsfacht hat, dann müsste es heute 27 Millionen Juden geben. Jeder zweite als Kleinkind beschnitte Jude hat sich also vom unsinnigen, nutzlosen und abstoßenden Kodex der Rabbiner abgewandt. Für jeden Juden gibt es also auch einen Nicht-Mehr-Juden. Wenn man keine Bücher besitzt, dann findet man lebende Juden mit „antisemitischer“ Auffassung (nach jüdischer Wertung). Alles ist unter Gottes Sonne vorhanden.

Fazit:

Trotzdem ist nicht jeder Jude für jedes Argument gut oder für jeden Zweck geeignet, aber für jeden Zweck lässt sich ein Jude finden. Das war schon immer so: Die barocken Fürsten hatten ihre Hofjuden, die Kirche ihre ex-jüdischen Konvertiten, die Hamburger Kaufleute ihre portugiesischen Juden zur Belebung ihres Handels, die Bundeswehr hatte Michael Wolffsohn für den Geschichtsunterricht,  und selbst zur banalen Armee lassen sich Juden einziehen. Gut 100.000 kämpften für das kaiserliche Deutschland, wobei man nicht weiß, wie viele russische Juden von ihnen bekämpft und niedergemetzelt worden sind. Juden sind national und international ubiquitär, wie es Arthur Ruppin (in: Soziologie der Juden) beschreibt. Eine Überlegungsebene höher: Juden sind Menschen wie Du und ich; man trifft sie auf rechtsradikaler Seite (Ajelet Shani: Neo-Nazi-Minister in Israel) wie auf der linken, wo sie Israel als Apartheid- und Kolonialstaat „bashen“. Die nach Shani vermeintlichen „Neo-Nazi-Minister sind natürlich keine Neo-Nazis, sondern eher erzreaktionäre Kirchenstaatler. Kann man JudKluxClan sagen? Egal! Insgesamt sind die Erscheinungen des realen Judentums so vielfältig, dass die verwendeten Schablonen aus der Zeit von Adolfs Großmutter nicht mehr passen. Trödeljuden, jüdische Hausierer und jüdische Wucherer findet man heute nicht mehr, Zuckmayers Herrenschneider Wormser ist durch Schneider aus Asien verdrängt..

Man könnte angesichts dieser Zeitenwende experimentell versuchen, an Michael Wolffsohn die alte Schablone „Antisemit“ anzulegen. Etwas antiquiert ist er schließlich. Es kommt darauf an, wie man „Antisemit“ definiert. Gilead Atzmon meint, jeder sei Antisemit, der das Missfallen eines Juden errege. So weit wollen wir nicht gehen, denn dann wären quasi alle Leute individuelle Antisemiten. Heute gibt es christliche Zionisten, die dennoch als „selektive Antisemiten“ (wie den Antisemitismusbeauftragten Michael Blume) beschimpft werden darf. Berüchtigte Antisemiten (wie den jüdischen Autor Josef Ginsburg), der schon 1980 von Zion-Nazis schrieb, jüdische Antisemiten (wie Maximilian Harden) als „Selbsthasser“ von Theodor Lessing diskreditiert, und vor allem israelbezogene Antisemiten (von denen es heute wimmelt). Aber wir wollen eine klassische Schablone verwenden; voilà: die klassischen Antisemiten hatten es praktikabel gemacht; sie sprachen vom „Nicht-Arier“. Erst die Nürnberger Gesetze definierten den Juden:

mindestens 3 volljüdische Großelternteile. Volljüdisch! Nota bene. Waren etwa zwei der Großeltern keine Volljuden, also Leute mit weniger als 3 wiederum volljüdischen (Urur-)Großelternteilen, konnte es kompliziert werden.

Sigmund Freud sagte richtig: Nie zuvor hatte ein Staat seine Bürger wegen ihrer Abstammung verfolgt. Das war die Revolution: Es war quasi verboten, mehr als 2 jüdische Großelternteile zu haben. Die Feindschaft dabei richtete sich nicht gegen Semiten, sondern gegen „Juden“. Der wahre Antisemit Theodor Fritsch (+ 1933) hielt den Begriff „Antisemit“ in diesem Zusammenhang für unglücklich gewählt. Er stammt vom Radau-Antisemiten Wilhelm Marr. Fritsch seziert genauer: „die Juden“ seien zu 90% Aschkenasen (nach Arthur Ruppin zu 92%) und wären daher keine (edlen) Semiten (wie die arabischen Beduinen), sondern eine vorderasiatisch- mediterrane Mischrasse (ähnlich Arthur Ruppin). Tadelt Wolffsohn die israelische Regierung wegen der Behandlung der „semitischen“ Edel-Palästinenser? Nein. Er nimmt eher billigend in Kauf, was dort von den Angehörigen der vorderasiatisch-mediterranen Mischrasse veranstaltet wird, weil der Staat Israel „die Lebensversicherung aller Juden“ sonst wo auf der Welt sei.

Peinlich an der Sache für Wolffsohn ist nur, dass „die Juden“ vor dem Ersten Weltkrieg die Einwanderung nach den USA favorisierten. Nach Arthur Ruppin seien 3 ½ Millionen Juden in die USA emigriert, während die englische Kolonialverwaltung 1919 in Palästina nur auf 80.000 Juden stieß (vgl. Adolf Böhm in: Die zionistische Bewegung). Diese Zahl hatte sich bis 1948 zur Unabhängigkeit Israels verzehnfacht, aber Dank des nationalsozialistischen Terrors, der zeitweise auch die Einwanderung nach Palästina wohlwollend begünstigte durch ein Haavara-Abkommen.

Und auch das passt nicht ganz zur Sicht von Michael Wolffsohn. Denn in Israel sind nicht 92% der Juden Aschkenasim, sondern eher nur die Hälfte. Deswegen nennt Wolffsohn die derzeitige israelische Regierung eine „Alptraumkoalition“, deren „Chauvinisten und orthodoxen Fundamentalisten“ aus sephardischen und orientalischen Kreisen erwuchs. Mit welchem Recht nennt Wolffsohn die heutige Knessetmehrheit einen „Albtraum“? Die Sephardim und Mizrachim legitimieren die Existenz Israels mehr als die Aschkenasim: erste sind wirklich europäische Kolonialisten, während die „Mizrachim“ von den Arabern aus allen möglichen arabischen Ländern nach Palästina vertrieben und zwangsumgesiedelt wurden. Wolffsohn ein antisephardisch- selektiver Antisemit? Schaut ganz so aus.

Was Wolffsohn von sich gibt, passt auch sonst nicht in die Realität der heutigen Verhältnisse. Denn es stellen eher die 5 Millionen amerikanischer Juden eine Lebensversicherung für Israel als Israel eine für die Banu Ze´evs; aber wie steht Wolffsohn zu den Juden in Amerika? Er spricht über diese kein Wort. Also noch eine selektiv antisemitische Komponente?

Trotzdem lässt sich viel aus seinen Erklärungen auf Amerikas Juden beziehen.

Für den positiven Antisemitismustest Wolffsohns spricht seine Billigung der Ausgrenzung nicht-halachischer Juden aus der jüdischen Schicksals-Gemeinschaft. Vermeintlicher Jude? Irgendeinen jüdischen Vorfahren wird jeder haben, wenn er seine Ahnengalerie um 1750 in der Breite zustande bringt. Während das israelische Rückkehrgesetz noch einem „Mischling 2. Grades“ (nach Nürnberger Gesetzen) die Heimkehr ins Land der Lebensversicherung erlaubt, wollen Wolffsohn und Biller nicht nur die fast-arischen Vaterjuden, sondern auch „Nürnberger“ Juden abbeißen, denen die jüdische Großmutter mütterlicherseits fehlt. Hier entdeckt man eine Gemeinsamkeit mit den Antisemiten der kaiserlichen Vorkriegszeit: Denn ein klassischer Antisemit (z.B. Gerhard Kittel) lehnte besonders die getauften, die konfessionslosen, die „nicht-jüdischen Juden“ (Isaac Deutscher), die Friedhofsjuden (David Farbstein) oder „Nicht-Mehr-Juden“, Halb- und Vierteljuden für die christliche Gesellschaft ab. Jüdische Autoren nennen sie verächtlich „Täuflinge“ (auch wenn sie bereits getauft sind), und Wolffsohn behauptet, Heinrich Heine habe „seine Taufe bitter bereut“. Das kann nicht ganz stimmen, denn Heine kehrte nicht in die jüdische Welt zurück, die ihm wie den getauften Marranen in Bordeaux und Amsterdam stets offenstand. Die „Täuflinge“ (Konvertiten, Neuchristen) wirkten nach traditionell-antisemitischer Vorstellung destruktiv auf die Limpiezza der aufnehmenden Rasse. Diese Ansicht ist natürlich Unsinn, aber sie wird reziprok von Juden auch vertreten: Ruppin meint, die Lockerung der sittlichen Verhältnisse habe neue jüdische Typen zeugen lassen. Kittel meinte als Antisemit, man müsse „die Juden“ zwingen, ihre Gebote wirklich einzuhalten, um ihnen den Wunsch nach Assimilation zu vereiteln. Auf diese Weise würde auch die Entstehung „neuer jüdischer Typen“ (Ruppin) vermieden werden und es gäbe auch keine „Nicht-Juden“ wie „Fabian“. Houston Stuart Chamberlain nannte die abtrünnigen Juden und deren Nachkommen „Judenstämmlinge“. Der wahre Antisemit hasst also die Mischlinge, denen Wolffsohn auch seinerseits einen Fußtritt versetzt.

Wolffsohn steht damit nicht allein; inzwischen treten auch andere nach: sie sprechen von „Kostümjuden“ (Barbara Steiner); aber rein halachisch gesehen, wenn Fabians mütterliche Ahnereihe stimmt und seine Ur-Ur-Großmutter Jüdin wäre, dann wäre er doch Jude, so wie ein Adliger einen Adelstitel führen kann, auch wenn sein Ur-Ur-Großvater das letzte Mal standesgemäß geheiratet hätte. Das Judentum ist nämlich seit der Neuzeit ziemlich herabgekommen (Heinrich Graetz), so dass es viele „Täuflinge“ verloren hat. Nach Auffassung vieler Rabbiner ändert aber die Taufe nichts an der Zugehörigkeit zum Judentum.

Hier haben wir also eine Nahtstelle von jüdischen Chauvinisten (Zionisten) und antisemitischen „Nazis“. Hier saugte Wolffsohn rassistisches Gedankengut ein und spuckt es in hebräischen Runen wieder aus. An der Mischlingsgrenze begegnen sich diese Radikalen von Blut, Tradition und Kultpflege wohlwollend. Die halachische Frage, die ein Dr. Josef Schuster und ein Maxim Biller gegen einen Mischling wie Max Czollek ausspielen, hat ein rassistisches Moment, auch wenn es religiös unterlegt wird. Das Hauptargument in der Literatur gegen die fehlende jüdische Großmutter ist ein rein hausfrauliches. Es ist so albern wie die Behauptung, dass das Schwein Trichinen habe, um es vom jüdischen Speisezettel zu verbannen. Ohne jüdische Mutter bestünde die Gefahr, dass die jüdische Familie ihr Lammkotelett in einer Pfanne zubereitet bekommt, in der anderntags Rühreier in Sahne geschlagen wurden. Nur haben heute die wenigstens Juden in ihren minimalistischen Küchen die halachische Anzahl von Kochtöpfen. Die jüdischen Kochtöpfe haben den eingangs beschriebenen Sinn, potentielle Proselyten abzuschrecken.

Facit:  Michael Wolffsohn ist nicht wirklich Antisemit, aber er begünstigt diesen selektiv, allerdings unabsichtlich, we suppose.

2.

Es ist an der Zeit, Begriffe wie „Jude“ aus dem geistigen Ghetto herauszuführen und „Antisemit“ als geschichtliche Einstellung ad acta zu legen, weil ihnen heute der reale Boden fehlt. Der Jude von heute ist in Europa nicht mehr so jüdisch wie es der Jude von gestern war. Man muss schon „Ultra“ sein, wenn man den Kern des Judentums für weitere tausend Jahre sichern will. Moshe Zuckermann beklagt, dass „Ultras“ schon mit knapp 30 Jahren 10 Kinder haben und sich in Israel vom Staat unterhalten lassen. Lenin würde von einer „Abstimmung mit der Gebärmutter“ sprechen. In den USA, so stellte Carlo Strenger fest, wo die „Ultras“ nicht die Szene beherrschen, würde der Bestand der jüdischen Gesellschaft nach halachischen Prinzipien binnen zweier Generationen auf 13% der heutigen Stärke reduziert werden. Das US-Judentum leitet sein Selbstbewusstsein nicht mehr von der Halacha und der Gebärfähigkeit seiner Damenwelt her ab, aber es stellt die reale „Lebensversicherung für die Juden der Welt“ dar. Soll man sie vergraetzen wie es einst Ezra und Jeremiah taten? Arthur Ruppin sieht in der Eingehung einer Mischehe das Zeichen des endgültigen Abfalls vom Judentum. Nach Strenger wären also 87% der amerikanischen Juden auf dem Weg des Abfalls. Es ist ganz klar, dass das Judentum zuletzt nur mehr aus Haredim und Chassidim fortdauern könnte, wenn man stur halachisch bleibt. Aber können denn Leute wie Biller und Schuster für ihre nicht-ultrareligiösen Nachkommen späterer Generationen garantieren, dass sie weiterhin jüdisch heiraten? Sogar Moses Mendelsohns Kinder wandten sich vom Judentum ab. Ruppin rühmt die Leistung von Juden wie Baruch Spinoza, der aber mit dem Cherem belegt wurde und konfessionslos war. Er nannte die jüdische Religion einen Aberglauben.  Intellektuell stand Spinoza außerhalb des Judentums. Sogar die katholische Kirche will sich nicht auf Mönche reduziert sehen, sondern lockert ihr Kirchenrecht. Carlo Strenger verwies auf Marc Zuckerberg als Beispiel: Zuckerberg ist mit einer chinesisch-stämmigen Ärztin verheiratet. „Hinter- Asiatinnen“ seien heute vielfach als Ehefrauen von Juden favorisiert. Sollen Zuckerbergs Töchter keine Ehe mit Juden eingehen dürfen? Die alte jüdische Mischrasse entsteht offensichtlich in Amerika in neu gemischter Auflage. In diese Zukunft will man im alten Europa offenbar nicht blicken.

Blicken wir dafür zurück in halachische Zeiten. Heinrich Graetz schreibt, dass „die Juden“ der Barockzeit zu abergläubischen, „kindischen Greisen“ verkommen waren. Geht der Zug des Judentums in diese Zeiten zurück? Diese Zeiten sind heute abgegessen, leben aber im unterbewussten Weltbild der Banu Ze´ev fort; ein Blick zurück zeigt die absurde Einstellung der trotzigen Talmudisten. Zu Zeiten von Johannes Aventinus Turmair (1477 – 1534) war auch die halachische Welt noch in spiritueller Ordnung. Johann Turmair (latinisiert Aventinus ‚der Abensberger‘) gilt als Vater der bayerischen Geschichtsschreibung. In seiner Baierischen Chronik schreibt er (S. 175) an einer Stelle „von den Juden“:

„…. Und während dieser großen Zwietracht des Kaisers [Ludwig der Baier] mit dem Papst meinten die Juden, es wäre vorbei mit dem Römischen Reich und dem ganzen christlichen Glauben, den sie für eitlen Tand halten. Sie glaubten, der Messias werde jetzt kommen. Sie schlossen sich in ganz Deutschland zu einem Bunde gegen die Christen zusammen, entwendeten Hostien und Messwein. … Sie warfen diese in ihre Backöfen und trieben viel Spott mit diesen Dingen. Als dies bekannt wurde, sind die Juden überall verbrannt worden, vornehmlich in Baiern, in Deggendorf (29.9.1337), wo Hartmann von Degenberg Pfleger war. Auch zu Straubing ging es über die Juden her. Nur die Bürger von Wien und Regensburg schützten ihre Juden und retteten sie. Aber in Städten, in denen der einfache Mann über die Juden herfiel, konnte sie niemand retten…“

Ein Dankgebet für die Christen in Regensburg und Wien! Bei Friedrich Frank, (in: „die Kirche und die Juden“) klingt es so:

„….. Zu Deggendorf in Bayern wurden die Juden beschuldigt, sie hätten von einem alten Weibe eine konsekrierte Hostie erkauft, aus welcher sich Blut ergoss, nachdem die erbosten Christenhasser mit Pfriemen hineingestochen hatten. Die Obrigkeit wollte die Sache bedächtlich untersuchen, aber am 29. September 1337 zog Hartmann von Degenberg an der Spitze vieler Bauern des Bayerischen Waldes nach dem Städtchen, und innerhalb einer Stunde waren alle Juden in Deggendorf niedergemetzelt. Herzog Heinrich von Bayern soll die Volksjustiz gebilligt haben. Aus dem Gelde der Erschlagenen soll die noch stehende Kirche der Stadt erbaut sein. Vielerorts in Bayern, bis nach Österreich und Kärnten hinab, wurden damals die Juden verfolgt. Am Rhein dauerte die Verfolgung noch bis zum folgenden Frühjahr fort.

Nach einer Mitteilung des damaligen bayerischen Geschichtsschreibers Aventinus hatte sich infolge des langjährigen Streites, den der römische Kaiser Ludwig der Bayer mit dem Apostolischen Stuhle führte, bei den Juden in Deutschland die Meinung gebildet, das Deutsche Reich und mit ihm das ganze Christentum werde bald untergehen. Der von den Juden erwartete Messias werde nun bald erscheinen. In dieser Hoffnung hätten die Juden in Deutschland einen Geheimbund gegen die Christen geschlossen. Diese Mitteilung dürfte als Hinweis dienen, dass die Niedermetzelei der Juden in Deggendorf und an vielen anderen Orten fortgesetzt wurde ….“

Eine eigentlich vergessene Zeitströmung; aber wenn es heute keine Hostien mehr gibt, pieken nicht einige Juden in andere Dinge hinein? Die NZZ (22.7.23) erinnert, dass der MOSSAD vor 50 Jahren den harmlosen, aus Marokko stammenden Kellner Achmed Bouchiki in Norwegen ermorden ließ. „Der Mossad tötete den falschen Mann“, schreibt das Blatt, aber hätte der Mossad in Lillhammer etwa „den richtigen Mann“ ermorden dürfen? Der russische Geheimdienst macht es genauso und lässt politische Gegner selbst am helllichten Tag im Berliner Tiergarten abknallen. Das ist das gleiche Niveau, fremde Rechtsordnungen zu achten. Diese Morde haben Tradition in Israel: So ermordete der zionistische Geheimdienst in den 20er Jahren den unbequemen Hareden Jakob Israel de Haan. Es ist ja nicht so, dass die Mörder der israelischen Behörde unbekannt geblieben wären. Aber die israelischen Behörden schützen ihre Berufskiller. Sie beschäftigen diese schließlich. Haben „die Nazis“ solches auch gemacht? Jedenfalls wäre ein Vergleich mit Gestapo-Methoden nach heutiger Rechtsprechung unzulässig, weil solche gezielten Morde eigentlich nicht von deutscher Art sind. Aber sowjetische Behörden praktizieren nach der feineren Art die Beseitigung von Gegnern und üben Rache; dem Deutschen ist es nur peinlich etwas über den Fall Nawalmy und seine russischen Freunde zu lesen, weil er an die Ehrlichkeit seiner russischen Partner glauben will. Auch Adolf Eichmann haben die Israelis gegen alles internationale Recht entführt. Jüdische Apologeten behaupten, Eichmann hätte untertauchen können. Das ist reiner Quatsch. Israel hätte begründen müssen, für welche Untaten es Eichmann hätte aburteilen wollen. Ein ordentliches Auslieferungsverfahren hätte kaum ein Todesurteil zugelassen, denn Eichmann persönlich hatte niemanden ermordet.

So praktiziert der israelische Staat seit Jahrzehnten Lynchjustiz, als gäbe es sonst „….  kein Recht, nirgends…“ (Willy Cohn). Es gibt kein Recht im Zusammenhang mit Israel, das Bestand hat, wenn es kritisch wird. Die „Alptraumkoalition“ Wolffsohn´scher Vorstellungen will die israelische Justiz reformieren. War Israel bis eben noch ein Rechtsstaat? Streng genommen nicht. Lea Tzemel nennt sich Rechtsanwältin, die noch nie einen Prozess gewonnen hat. Kunststück, denn sie verteidigt Palästinenser. Und es ist offen, ob Israel durch Netanjahu zum Rechtsstaat wird. Ein Rechtsstaat hält sich an internationales Auslieferungsrecht, was Israel nicht tut. Israel eine Lebensversicherung für alle Juden? Sicher nicht; aber wenigstens für die halachischen? Vertrauen ist gut, besser, wenn es keine Probe aufs Exempel geben wird.

von Lobenstein, 10.08.2023

 

 

Postholocaust und Lösung der Judenfrage im neuen Jahrhundert

2012 sollte Benjamin Netanjahu in der UNO eine Rede halten, schwieg aber eine Minute lang, bevor er bemerkte, man habe 6 Millionen Juden ermordet, und nun dulde die Welt, dass der Iran zu einer Atommacht werde, die Israel vernichten wolle. Der jüdische Staat sei von einem neuen Holocaust bedroht. „Unsere“ Juden in Deutschland, deren kollektives „jüdisches Leben“ die Bundesrepublik fördert (bzw. insezeniere nach Barbara Steiner), verstehen daher jede Kritik an jüdischen Staat als Fortsetzung des Antisemitismus deutscher Tradition.

Tatsächlich war nirgends der Antisemitismus so ausgeprägt wie in Deutschland. Arthur A. Cohen weiß, dass die französischen Juden Franzosen jüdischen Glauben wurden; die Juden Italien gründeten sogar überproportional zum Bevölkerungsanteil die faschistische Partei mit Mussolini, aus der sie erst auf deutschen Druck Ende der 30-er Jahre ausgeschlossen wurden. In Deutschland etablierte sich dagegen schon nach der Reichsgründung eine antisemitische Partei, nach dem Ersten Weltkrieg schlossen staatstragende Verbände ab 1919 jüdische Mitbürger aus. 1923 ließ die Bayerische Staatsregierung die „Ostjuden“ aus Bayern vertreiben. Die deutsch-jüdische Agonie dürften zwei Dinge grundlegend begünstigt haben: Zum einen die fehlende Identität von germano-deutschen und jüdisch-aschkenasischem Lebensraum: das aschkenasische Judentum erstreckte sich weit über Deutschland hinaus und konnte sich von der deutschen Entwicklung abgrenzen. Zum anderen boten im engeren Deutschland die zahlreichen halbsouveränen Territorien den Juden unterschiedliche Lebensbedingungen. Die Reichsstädte schlossen die Juden aus, während Territorien wie Nellenburg Juden gerne aufnahmen. Die Assimilierung fand daher nicht in dem Maße statt wie in Frankreich, wie es Heinrich v. Treitschke beklagte. Vermögenden Juden ging es gut, sie waren „generalprivilegiert“ wie ein preußischer Aristokrat, viele andere lebten arm am Rande des Elends.

Heute sind die „natürlichen Juden“ (Arthur A. Cohen) so gut wie aus dem deutschen Sozialleben verschwunden, die Deutschen haben den aschkenasischen Lebensraum zerstört. Jüdische Präsenz in Restdeutschland drückt sich in sterilen Synagogenbauten, leblosen Mahnmalen und Stolpersteinen aus, die auf sein Verschwinden hinweisen. Es gibt aber noch genug „übernatürliche Juden“ (ders.), die sich zu Wort melden, etwa in der Jüdischen Allgemeinen (12.7.23), die sich über eine spanische Band und deren Song zur Intifada der Araber aufregt:

„ ……  kritisierte ein weiteres Element der SKA-P-Shows: Ein Bandmitglied hatte sich während eines kürzlich erfolgten Konzertes in Augsburg als »Zigeunerin mit Glaskugel« verkleidet und damit Vorurteile bedient.

Die Band SKA-P erklärte, die Einlage mit der Frau, die in eine Glaskugel schaue, sei eine Persiflage auf eine spanische Fernsehsendung….“

Anzumerken ist hierzu, dass „die Zigeuner“ in Spanien nicht das schlechte Image haben wie in Deutschland. Das Problem in Deutschland ist also auch seine europäische Einbindung, die es noch nicht ganz bewältigt hat. Die Jüdische Allgemeine geifert weiter:

„Zu den Vorwürfen hinsichtlich des Songs »Intifada« schrieb der Gitarrist der Gruppe, bezüglich ihres »Antizionismus« habe SKA-P keine Geheimnisse. Er forderter, das Lied müsse respektiert werden. Den Vorwurf des Antisemitismus wies der Gitarrist zurück.

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle sagte, die Band SKA-P solle beim geplanten Konzert vom kritisierten Song »Intifada« Abstand nehmen. Dieser Song sei Ausdruck eines israelbezogenen Antisemitismus und damit nicht verhandelbar. Das Handeln des Staats Israel lasse sich bei allem Recht zur Kritik an staatlichem Handeln nicht mit dem totalitären Unrechtsregime der NSDAP vergleichen“.

 Volker Beck bezog ebenfalls Stellung. »Der Text der Band ist nicht nur eine klassisch antisemitische Täter-Umkehr, er sei auch Volksverhetzung, wenn es tatsächlich in dem Song heißt: „Die Opfer sind zu Henkern geworden, sie kehren ihr Inneres nach außen, …“ Damit würden die Opfer der Shoah verleumdet und herabgesetzt. Volksverhetzung könne sich nicht auf die Kunstfreiheit berufen. So etwas dürfe in München keine Bühne haben, und Beck fügte hinzu. »Ich fordere die Behörden in München auf, unverzüglich alles zur Unterbindung der Verbreitung dieser antisemitischen Hetze zu tun.« Beck, der auch Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) ist, kündigte an, er werde Strafanzeige stellen….“

Sprachliche Fehler des Textes habe ich weitgehend eliminiert. Natürlich können Opfer der Shoa nicht zu Henkern des israelischen Staates mutieren. Das ist aber auch nicht gedacht. Gemeint sein wird, dass die Israelis, die sich historisch als die Nachkommen der Opfer tausendjähriger Judenverfolgung und zuletzt als die der deutschen Vernichtungspolitik identifizieren, heutzutage erbarmungslos ihre egoistische Siedlungspolitik vertreten. Entscheidend am Zusammenleben mit Juden aber ist in diesem textlichen Zusammenhang, dass jedes Gespräch letztlich der Strafjustiz übermittelt und faktisch wie in einer Diktatur polizeilich ausgewertet wird. „Die Juden“ sind damit wieder in ein soziales Ghetto geraten.

Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch den Umstand, dass sich ein historisch und politisch dünnbrettbohrender Mediziner, Dr. Josef Schuster, im politischen Zeitgespräch ohne Unterlass zu Wort meldet, nicht um Israel zu beweihräuchern, sondern, um den regierungsamtlichen. deutschen Stellen zu willfahren. Für die Corona-Maßnahmen bellt er gegen Impfmuffel, obwohl in Israel die frömmsten Orthodoxen der Impfung meist absent blieben. Zur rechten Politik in Israel schweigt er, aber gegen die AfD hetzt er, während inzwischen ein linker Ministerpräsident diese Partei als europäisch „normal“ akzeptiert. Er manövriert das Restjudentum in Deutschland in eine Ecke, in der ihm als Wauwau der fürstlichen Regierungen (Kaiserjuden, Hofjuden etc.) nie Segen zuteil wurde. Aber fest eingerahmt von amtlichen „Antisemitismusbeauftragten“ auf Bundes-, Länder- und Betriebsebene kann sich dieses Judentum in Deutschland gar nicht frei entfalten.

Hinzu kommt, dass sich die deutsche Politik auch mit Leuten mit jüdischen Familiennamen als Gallionsfiguren bedient, etwa Bettina Schlesinger bei RBB, Malu Dreier als rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, Rita Süßmund als Bundestagspräsidentin, um an ein paar Beispiele zu erinnern. Niemand belästigt diese Namensträger, auch nicht den Namensträger (Georg) Gysi. Nach den Nürnberger Gesetzen wäre er sogar dem arischen Volkskörper zuzurechnen gewesen. Er rechnet sich zwar väterlicher- wie mütterlicherseits Bruchteilsjudentum zu, aber das würde ihm nicht einmal ausreichen, nach Israel „zurückzukehren“.

Der deutsche Antisemitismus hatte es aber gerade auf die assimilierten Juden abgesehen: auf die „jehudäischen Alliancen“ des deutschen Adels, auf abtrünnige und getaufte „Rassejuden“ wie Jakob Wassermann oder Kurt Tucholsky. Sogar Heinrich Heine, dem der jüdische Glaube „zu wenig Sauce“ bot, wurde von Wilhelm Stapel herabgesetzt: dessen Loreley-Gedicht lasse sich an den romantischen Reimen von Eichendorffs Ausdruckstärke nicht messen, als würde der deutsche Normalo in seiner Sprache ausdrucksstark sein. Sigmund Freud, der den jüdischen Glauben für eine kollektive Neurose hielt, hassten Juden wie Nazis gleichermaßen. Theodor Fritsch, Wilhelm Stapel, Philipp Stauff, Gerhard Kittel, und Wilhelm Marr hassten getaufte Voll- wie Halbjuden, die ihrerseits als Marranen Hassobjekte der konservativen Rabbinen waren. Der Zionismus, der „die Reste der jüdischen Religionsgenossenschaft“ (Brockhaus 1895) für ein Siedeln in Palästina zu gewinnen suchte, fand dagegen auch Sympathie bei Antisemiten, worüber sich Karl Krauss in der FACKEL amüsierte. „Die Nazis“ förderten die Auswanderung der deutschen Juden nach Palästina, Adolf Eichmann galt als Spezialist für die illegitime Auswanderung.

Das zeigt, dass heutiger Antisemitismus etwas völlig anderes sein muss als der klassische deutsche Antisemitismus der Vorkriegszeit. Die Sympathie, die früher die Antisemiten für die jüdische Auswanderung zeigten, mit der heutigen deutschen Solidarität mit Israel gleichzusetzen, wäre wohl absurd. Aber genauso absurd ist es, die fehlende Sympathie für Israel als „Antisemitismus“ zu definieren. Der in der Diaspora lebende Jude leidet unter Antisemitismus, dem in Israel lebenden Juden kann es gleichgütig sein, ob ihn Iraner, Araber, Indonesier oder gar Deutsche hassen oder nicht.

Warum grämen sich dann Juden um den oben erwähnten Mediziner Schuster, wenn in Deutschland Araber und ihre Sympathisanten ihre Antipathien gegen israelische Politik demonstrieren? Glauben sie etwa, dass deswegen auch nur eine einzige Jaffa-Orange weniger exportiert werden kann? Sie erwecken nur den Anschein, eher so etwas wie Auslandsisraelis als loyale Staatsbürger zu sein. Abigall Gerstetter meint, dass ohnehin viel zu viele christliche Alttestamentler als Rabbiner fungierten. Walter Homolka scheint ein solch mächtiger Proselyt gewesen zu sein. Das zeigt, dass „Juden“ nicht einmal den einst von Antisemiten gefürchteten „jüdischen Geist“ ins Deutsche übertragen könnten.

Facit: Antisemitismus klassischer Art ist überholt, der „jüdische Geist“ ist ein reines Hirngespinst.

Man überwindet diese Chimäre besser durch Bekämpfung des Christentums. In der heute geübten christlich-jüdischen Zusammenarbeit liegt nämlich ein gewisser Verrat am Judentum, was sogar liberale Rabbiner beklagten; sie wissen meist viel zu wenig vom Wesen der christlichen Theologie und meinen irrig, Jeshu Nasri sei ein jüdischer Sektierer gewesen.

Hier haben wir den eigentlichen Schwindel in Deutschland: Man operiert gegen „Antisemitismus“, aber in Wirklichkeit wollen konservative Kreise die christlichen Kirchen erhalten. Ginge es nur um Juden, könnte man ruhig die Moslems gegen Israel protestieren lassen und Juden Juden sein lassen: Die christliche Religion ist unser aller Unglück, für Juden wie für Deutsche.

Wie ist die christliche Kirche überhaupt entstanden? Jedenfalls nicht so, wie es tausende von christlichen Religionslehrern den Kindern vorfabulieren.

Julius Wellhausen hat die christlichen Epochen vor Kaiser Konstantin gut zu unterscheiden gewusst: Die Zeit Jesu, die der Apostel, dann die der Epigonen und zuletzt die Zeit unzählbarer christlicher Sekten. Aber wer war dieser Jesus, der das geistige Chaos schuf?

Martin Luther empört sich in einer seiner Judenschriften (Toledot Jeshu Nasri), dass einige Juden behaupten würden, er sei der Sohn eines griechischen Söldners Pantheras gewesen. Diese Behauptung stammt aber schon vom zeitnahen Philosophen Kelsos, den Origines zu widerlegen suchte. Jedenfalls verbreitete sich das Christentum mit seinen Erlöservorstellungen anfänglich in den untersten Volksschichten des Römischen Reichs, weswegen noch Kaiser Trajan diesen Glauben als Privatsache hinnahm. Aber das römische Volk verelendete durch endlose Kriege und Bürgerkriege, so dass auch gebildetere Schichten um esoterische und spirituelle Erlösung beteten. Die neuen Anhänger synkretisierten die Lehren der Apostel mit überlieferten halbphilosophischen und kultischen Ideen. Zuletzt war das Christentum ein Sammelsurium unzähliger religiöser Vorstellungen, so zahlreich wie die Heiligen der katholischen Kirche.

Tatsache ist jedenfalls, dass Palästina schon nach 333 vor Christus („Issuskeilerei“) durch Alexander den Großen unter griechische Herrschaft kam. Zur Zeit Jesu war das Land bereits 300 Jahre lang hellenisiert worden. Selbst die Bibel, Heinrich Graetz und Simon Dubnow erzählen, wie sich „die frommen Juden“ gegen die hellenische Bräuche wehrten. Jesu Predigten vom Reich Gottes und der Auferstehung, der Erlösung der Individuen und den Eingang der Seele ins Himmelreich entsprechen den griechischen Mysterienkulten, die Eduard Meyer (in: Geschichte des Christentums) auch der Geschichte des Christentums voranstellt. Und Jesus selbst gab seinen Aposteln auf (Matth. 10,5),

„nicht zu den Heiden zu gehen, sondern zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“.

Nach Jesus sollten also nicht die Heiden für den jüdischen Aberglauben, sondern die Juden für einen Mysterienkult gewonnen werden. Offensichtlich hat Paulus die Brisanz der Vermengung griechischer Erlösungslehren mit dem Monotheismus erkannt und damit die Entwicklung des Christentums losgetreten. Die Juden in ihrer Mehrzahl erreichte er nicht; denn aus Galiläa kann für fromme Juden kein Prophet kommen; und der alte Jahwe zeugt nicht wie der gute Zeus mit Jungfrauen wie der schönen Helena Kinder.

Dennoch verbreitete sich das Christentum über die hellenistische Osthälfte des Römischen Reichs, aber nicht einheitlich. Die Einheit des Christentums schuf der zuerst nur weströmische Mit-Kaiser Konstantin als er den Osten eroberte. Er dekretierte auf einem Konzil (Nikäa 325 ) für das ganz Römische Reich den orientalischen Despotismus. Das schuf er durch ein paar dogmatische Vorschriften, an denen auch ein Martin Luther nie gerüttelt hat:

1.

Es gibt nur ein Reich, einen Kaiser und folglich kann es nur einen Gott geben. Dieser besteht allerdings aus 3 Personen, nämlich:

Vater, Sohn und (die Erfindung römischer Juristen) den Heiligen Geist. Jede dieser Personen ist simultan der ganze und einzige Gott (Geheimnis des Glaubens 1 ist gleich 3).

2.

Jesus, der Sohn, wurde durch eine Jungfrau Maria zur Welt gebracht; er war während seiner Erdentage  – unvermischt – sowohl ganzer Mensch als auch ganzer Gott.

3.

Als solcher fuhr er (nach seiner Auferstehung nach dem Kreuzestod) körperlich in den Himmel auf. Er hinterließ   – als seinen mystischen Leib –   die Gemeinschaft der Apostel als Ur-Kirche.

4.

In diese Kirche fuhr an Pfingsten der Hl. Geist, der in dieser bis zum Jüngsten Tage bleibt.

Quod erat demonstrandum:

Kirche und Hl. Geist sind auf Erden unvermischt und doch eins nach dem Vorbild des Jesus. Wenn Staat und Kirche identisch sind, dann haben wir fortan die Göttlichkeit des Staates. Das ist die ganze christliche Theologie, ergänzt durch humanitäres Geschwafel von Brüderlichkeit.

Die „christliche“ Institutionalisierung des orientalischen Despotismus hat unsere klassische politische Kultur von athenischer Demokratie und römischer Republik beseitigt. Sigmund Freud erkannte hierin die Ursache des eingefleischten Antisemitismus, die auch Bernd Witte (in: Moses und Homer) darstellt. Die christlich- jüdische Lehre läuft allen Instinkten der westlichen Völker zuwider (Sigmund Freud). Um die Juden Juden sein zu lassen, muss also nicht „der Jude“, sondern muss der immanente Autoritätsterror des Christentums überwunden werden. Mit anderen Worten; Religion ist Opium für das Volk; es gibt keinen Gott, auch nicht Allah…. (auch keine Engel, , Heiligen oder Dschinnen)

Vulgo: Nicht die Rabbiner, sondern die Pfaffen muss man totschlagen.

von Lobenstein

Michael Wolffsohn und sein ”vermeintlicher Jude“ Fabian Wolff

Vorab sollte man wissen: das Christentum mit seinen Vorschriften und Dogmen hatte den Sinn, die weltliche Herrschaft des Römischen Kaisers religiös zu legitimieren. Zuletzt musste jeder zum Christen werden: Ein Gott, ein Reich, ein Kaiser. Bei den Juden war es umgekehrt: die Rabbinen ersannen unsinnige, unnütze und abstoßende Vorschriften zum Schutz der biblischen Vorschriften, um das abergläubische Volk als solches strenger durch die Zeit bis zum Erscheinen des Messias identisch zu erhalten. Viele wurden trotzdem abtrünnig, wenige stießen hinzu. Das Römische Reich zählte zur Zeit des Kaisers Augustus 55 Millionen Einwohner (inklusive Nordafrika und Ägypten), worunter 4,5 Millionen Juden waren. Heute schätzt man die Juden auf 14 Millionen Menschen einschließlich derer in den USA, aber die Länder auf dem Gebiet des Römischen Reichs dürften heute zusammen mehr als 300 Millionen Einwohner haben. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung ist also von 8% auf 0,3 % – einschließlich der Juden in Israel – zurückgegangen.

Wieso diskutiert man dann überhaupt so viel über jüdische Dinge, wenn sich schon die Juden kaum dafür interessieren? Jedenfalls in Deutschland tut man es mit Leidenschaft: Jews sell, sagt Michael Wolffsohn. Deutschland wurde in 2 Kriegen vom Westen niedergemacht, und ist zu einem halbsouveränen US-Vasallenstaat degradiert worden. Das Wohlwollen seines amerikanischen Lehensherrn hängt von einer anti-nationalsozialistischen Haltung ab. Nun ist aber Deutschland ziemlich sozialistisch; seine Sozialgesetze, Einheitsgewerkschaften, ja sogar seine ganze Verwaltung wurzeln in der nationalsozialistischen Vorkriegszeit. Über die braunen Wurzeln des BKA schreibt Dieter Schenk ein ganzes Buch. Nationalistisch ist Deutschland auch, was man alle 2 Jahre durch den Fußball vor Augen geführt bekommt. Die zuverlässigste Methode, den Amerikanern eine Abkehr vom Denken früherer Zeiten vorzustellen, ist die Pflege von jüdischem Leben in Deutschland. Ursprünglich hatte man nur 30.000 Juden sozial zu bemuttern, durch die Auflösung der Sowjetunion sind nach Berechnungen von Charlotte Knobloch sogar 200.000 Juden nach Deutschland zugewandert. Ein Drittel von ihnen hat sich bei den Gemeinden immatrikuliert. Da kann man schon schöne Synagogen bauen und den Amerikanern etwas vorstellen. Peinlich ist es nur, wenn die Heiligen Kühe der deutschen Politik untereinander in Streit geraten. Und noch peinlicher wird es, wenn ein Streit ausgetragen wird, der nach amerikanischen Regeln für das Judentum anders zu entscheiden wäre als nach den Vorstellungen der konservativen Fraktionen in Israel. Den letzteren hat sich die deutsche Szenerie verpflichtet.

1.

Der große Michael Wolffsohn schreibt in der NZZ (27.7.23), er sei „Fabian“ Wolff nie begegnet. „Fabian“ habe auf zeit-online in Form eines Essays dargestellt, er sei „doch kein Jude“. Ist das nun gut oder schlecht? Die Verhältnisse von 1933 unterstellt, könnte man „Fabian“ dem jüdischen Kulturkreis   – wenigstens auf Zeit –  zuordnen. Er könnte als Geltungsjude angesehen werden. Denn für einen nicht-religiösen gibt es keinen Weg in die jüdische Gesellschaft ohne jüdische Mutter. Aber was macht ein jüdische Bemutterter ohne Glauben in der jüdischen Gesellschaft? Man, d.h. die Deutschen, würden ihn aus höheren Funktionen entlassen haben. Warum aber schreibt dann Wolffsohn gegen den „Geltungsjuden“ Fabian einen Artikel in der NZZ? Man sollte erwarten, dass Wolffsohn ihm schriebe „lieber Fabian, selbst wenn dir eine halachische Ahnfrau fehlt, fühle dich in unserem Kulturkreis willkommen. Aber so ist es nicht. Fabian gehört nicht mehr zum auserwählten Volk und die Linke hat einen Anhänger ohne jüdisches Etikett mehr. Das wirft mehrere theoretische Fragen aus der immer noch latent präsenten Vergangenheit auf. Eine Frage erinnert an den Autor Max Czollek, dem Maxim Biller vorwarf, halachisch gesehen kein Jude zu sein, was den großen Vorsitzenden Josef Schuster motivierte, nachzutreten und zu erklären, Czollek „segle (oder segelte) unter falscher Flagge“. „Fabian“ hat seinen halachischen Wimpel selbst eingeholt, was Wolffsohn zu freuen scheint, weil Fabian zuvor der „stets antisemitischen Linken als Vorzeigejude gedient hätte“. Für Wolffsohn ist die diffuse Linke defacto antisemitisch, weil sie auch linke Palästinenser unterstützt. Dabei tobt gerade in Israel ein Richtungsstreit. Darf es denn keine Linke geben, die in antikolonialistischer Tradition die Verhältnisse in Israel anders wertet als die frommen Siedler im Westjordanland? Sind diese Leute gleich als „Antisemiten“ auszugrenzen? Wolffsohn sieht es so, denn wie „jeder anständige Antisemit seine besten jüdischen Freunde habe“, berufen sich Halb- und Vollantisemiten gerne auf die Meinung eines Juden, der sie in der Kritik jüdischen Lebens stützt. Das schützt vor einem plumpen Vorwurf des Antisemitismus. Damit räumt der Historiker Wolffsohn ein, dass wir politisch wieder im frühen Mittelalter gelandet sind. „Damals verbarg man einen originellen Gedanken, indem man ihn mit einer anerkannten Autorität belegte. Jeder intellektuelle Revolutionär versuchte zu beweisen, dass er „nur die Stimme der Tradition zur Geltung bringe“ (Kurt Flasch in: Einführung in die Philosophie des Mittelalters). Wer über Juden spricht, bedarf der Legitimation eines wenigstens vermeintlichen Juden. Nur dieser besitzt das angeborene Recht der Meinungsfreiheit zu jüdischen Themen. Der sekundierende Jude kann objektiv kein echter Antisemit sein. Wenn man sogar etwas Heterodoxes zu Juden, Auschwitz, Halacha oder Israel äußern will, versichere man sich vorab eines Juden, der die Meinung mitvertreten will. Dafür gibt es ein Reservoir von Jüdischen Gelehrten und Autoren. Wie viele es gibt, lässt sich abschätzen. Wenn sich die Bevölkerung auf dem Gebiet des Römischen Reichs versechsfacht hat, dann müsste es heute 27 Millionen Juden geben. Jeder zweite als Kleinkind beschnitte Jude hat sich also vom unsinnigen, nutzlosen und abstoßenden Kodex der Rabbiner abgewandt. Für jeden Juden gibt es also auch einen Nicht-Mehr-Juden. Wenn man keine Bücher besitzt, dann findet man lebende Juden mit „antisemitischer“ Auffassung (nach jüdischer Wertung). Alles ist unter Gottes Sonne vorhanden.

Fazit:

Trotzdem ist nicht jeder Jude für jedes Argument gut oder für jeden Zweck geeignet, aber für jeden Zweck lässt sich ein Jude finden. Das war schon immer so: Die barocken Fürsten hatten ihre Hofjuden, die Kirche ihre ex-jüdischen Konvertiten, die Hamburger Kaufleute ihre portugiesischen Juden zur Belebung ihres Handels, die Bundeswehr hatte Michael Wolffsohn für den Geschichtsunterricht,  und selbst zur banalen Armee lassen sich Juden einziehen. Gut 100.000 kämpften für das kaiserliche Deutschland, wobei man nicht weiß, wie viele russische Juden von ihnen bekämpft und niedergemetzelt worden sind. Juden sind national und international ubiquitär, wie es Arthur Ruppin (in: Soziologie der Juden) beschreibt. Eine Überlegungsebene höher: Juden sind Menschen wie Du und ich; man trifft sie auf rechtsradikaler Seite (Ajelet Shani: Neo-Nazi-Minister in Israel) wie auf der linken, wo sie Israel als Apartheid- und Kolonialstaat „bashen“. Die nach Shani vermeintlichen „Neo-Nazi-Minister sind natürlich keine Neo-Nazis, sondern eher erzreaktionäre Kirchenstaatler. Kann man JudKluxClan sagen? Egal! Insgesamt sind die Erscheinungen des realen Judentums so vielfältig, dass die verwendeten Schablonen aus der Zeit von Adolfs Großmutter nicht mehr passen. Trödeljuden, jüdische Hausierer und jüdische Wucherer findet man heute nicht mehr, Zuckmayers Herrenschneider Wormser ist durch Schneider aus Asien verdrängt..

Man könnte angesichts dieser Zeitenwende experimentell versuchen, an Michael Wolffsohn die alte Schablone „Antisemit“ anzulegen. Etwas antiquiert ist er schließlich. Es kommt darauf an, wie man „Antisemit“ definiert. Gilead Atzmon meint, jeder sei Antisemit, der das Missfallen eines Juden errege. So weit wollen wir nicht gehen, denn dann wären quasi alle Leute individuelle Antisemiten. Heute gibt es christliche Zionisten, die dennoch als „selektive Antisemiten“ (wie den Antisemitismusbeauftragten Michael Blume) beschimpft werden darf. Berüchtigte Antisemiten (wie den jüdischen Autor Josef Ginsburg), der schon 1980 von Zion-Nazis schrieb, jüdische Antisemiten (wie Maximilian Harden) als „Selbsthasser“ von Theodor Lessing diskreditiert, und vor allem israelbezogene Antisemiten (von denen es heute wimmelt). Aber wir wollen eine klassische Schablone verwenden; voilà: die klassischen Antisemiten hatten es praktikabel gemacht; sie sprachen vom „Nicht-Arier“. Erst die Nürnberger Gesetze definierten den Juden:

mindestens 3 volljüdische Großelternteile. Volljüdisch! Nota bene. Waren etwa zwei der Großeltern keine Volljuden, also Leute mit weniger als 3 wiederum volljüdischen (Urur-)Großelternteilen, konnte es kompliziert werden.

Sigmund Freud sagte richtig: Nie zuvor hatte ein Staat seine Bürger wegen ihrer Abstammung verfolgt. Das war die Revolution: Es war quasi verboten, mehr als 2 jüdische Großelternteile zu haben. Die Feindschaft dabei richtete sich nicht gegen Semiten, sondern gegen „Juden“. Der wahre Antisemit Theodor Fritsch (+ 1933) hielt den Begriff „Antisemit“ in diesem Zusammenhang für unglücklich gewählt. Er stammt vom Radau-Antisemiten Wilhelm Marr. Fritsch seziert genauer: „die Juden“ seien zu 90% Aschkenasen (nach Arthur Ruppin zu 92%) und wären daher keine (edlen) Semiten (wie die arabischen Beduinen), sondern eine vorderasiatisch- mediterrane Mischrasse (ähnlich Arthur Ruppin). Tadelt Wolffsohn die israelische Regierung wegen der Behandlung der „semitischen“ Edel-Palästinenser? Nein. Er nimmt eher billigend in Kauf, was dort von den Angehörigen der vorderasiatisch-mediterranen Mischrasse veranstaltet wird, weil der Staat Israel „die Lebensversicherung aller Juden“ sonst wo auf der Welt sei.

Peinlich an der Sache für Wolffsohn ist nur, dass „die Juden“ vor dem Ersten Weltkrieg die Einwanderung nach den USA favorisierten. Nach Arthur Ruppin seien 3 ½ Millionen Juden in die USA emigriert, während die englische Kolonialverwaltung 1919 in Palästina nur auf 80.000 Juden stieß (vgl. Adolf Böhm in: Die zionistische Bewegung). Diese Zahl hatte sich bis 1948 zur Unabhängigkeit Israels verzehnfacht, aber Dank des nationalsozialistischen Terrors, der zeitweise auch die Einwanderung nach Palästina wohlwollend begünstigte durch ein Haavara-Abkommen.

Und auch das passt nicht ganz zur Sicht von Michael Wolffsohn. Denn in Israel sind nicht 92% der Juden Aschkenasim, sondern eher nur die Hälfte. Deswegen nennt Wolffsohn die derzeitige israelische Regierung eine „Alptraumkoalition“, deren „Chauvinisten und orthodoxen Fundamentalisten“ aus sephardischen und orientalischen Kreisen erwuchs. Mit welchem Recht nennt Wolffsohn die heutige Knessetmehrheit einen „Albtraum“? Die Sephardim und Mizrachim legitimieren die Existenz Israels mehr als die Aschkenasim: erste sind wirklich europäische Kolonialisten, während die „Mizrachim“ von den Arabern aus allen möglichen arabischen Ländern nach Palästina vertrieben und zwangsumgesiedelt wurden. Wolffsohn ein antisephardisch- selektiver Antisemit? Schaut ganz so aus.

Was Wolffsohn von sich gibt, passt auch sonst nicht in die Realität der heutigen Verhältnisse. Denn es stellen eher die 5 Millionen amerikanischer Juden eine Lebensversicherung für Israel als Israel eine für die Banu Ze´evs; aber wie steht Wolffsohn zu den Juden in Amerika? Er spricht über diese kein Wort. Also noch eine selektiv antisemitische Komponente?

Trotzdem lässt sich viel aus seinen Erklärungen auf Amerikas Juden beziehen.

Für den positiven Antisemitismustest Wolffsohns spricht seine Billigung der Ausgrenzung nicht-halachischer Juden aus der jüdischen Schicksals-Gemeinschaft. Vermeintlicher Jude? Irgendeinen jüdischen Vorfahren wird jeder haben, wenn er seine Ahnengalerie um 1750 in der Breite zustande bringt. Während das israelische Rückkehrgesetz noch einem „Mischling 2. Grades“ (nach Nürnberger Gesetzen) die Heimkehr ins Land der Lebensversicherung erlaubt, wollen Wolffsohn und Biller nicht nur die fast-arischen Vaterjuden, sondern auch „Nürnberger“ Juden abbeißen, denen die jüdische Großmutter mütterlicherseits fehlt. Hier entdeckt man eine Gemeinsamkeit mit den Antisemiten der kaiserlichen Vorkriegszeit: Denn ein klassischer Antisemit (z.B. Gerhard Kittel) lehnte besonders die getauften, die konfessionslosen, die „nicht-jüdischen Juden“ (Isaac Deutscher), die Friedhofsjuden (David Farbstein) oder „Nicht-Mehr-Juden“, Halb- und Vierteljuden für die christliche Gesellschaft ab. Jüdische Autoren nennen sie verächtlich „Täuflinge“ (auch wenn sie bereits getauft sind), und Wolffsohn behauptet, Heinrich Heine habe „seine Taufe bitter bereut“. Das kann nicht ganz stimmen, denn Heine kehrte nicht in die jüdische Welt zurück, die ihm wie den getauften Marranen in Bordeaux und Amsterdam stets offenstand. Die „Täuflinge“ (Konvertiten, Neuchristen) wirkten nach traditionell-antisemitischer Vorstellung destruktiv auf die Limpiezza der aufnehmenden Rasse. Diese Ansicht ist natürlich Unsinn, aber sie wird reziprok von Juden auch vertreten: Ruppin meint, die Lockerung der sittlichen Verhältnisse habe neue jüdische Typen zeugen lassen. Kittel meinte als Antisemit, man müsse „die Juden“ zwingen, ihre Gebote wirklich einzuhalten, um ihnen den Wunsch nach Assimilation zu vereiteln. Auf diese Weise würde auch die Entstehung „neuer jüdischer Typen“ (Ruppin) vermieden werden und es gäbe auch keine „Nicht-Juden“ wie „Fabian“. Houston Stuart Chamberlain nannte die abtrünnigen Juden und deren Nachkommen „Judenstämmlinge“. Der wahre Antisemit hasst also die Mischlinge, denen Wolffsohn auch seinerseits einen Fußtritt versetzt.

Hier haben wir also eine Nahtstelle von jüdischen Chauvinisten (Zionisten) und antisemitischen „Nazis“. Hier saugte Wolffsohn antisemitisches Gedankengut ein und spuckt es in hebräischen Runen wieder aus. An der Mischlingsgrenze begegnen sich diese Radikalen von Blut, Tradition und Kultpflege wohlwollend. Die halachische Frage, die ein Dr. Josef Schuster und ein Maxim Biller gegen einen Mischling wie Max Czollek ausspielen, hat ein rassistisches Moment, auch wenn es religiös unterlegt wird. Das Hauptargument in der Literatur gegen die fehlende jüdische Großmutter ist ein rein hausfrauliches. Es ist so albern wie die Behauptung, dass das Schwein Trichinen habe, um es vom jüdischen Speisezettel zu verbannen. Ohne jüdische Mutter bestünde die Gefahr, dass die jüdische Familie ihr Lammkotelett in einer Pfanne zubereitet bekommt, in der anderntags Rühreier in Sahne geschlagen wurden. Nur haben heute die wenigstens Juden in ihren minimalistischen Küchen die halachische Anzahl von Kochtöpfen. Die jüdischen Kochtöpfe haben den eingangs beschriebenen Sinn, potentielle Proselyten abzuschrecken.

Fazit:  Michael Wolffsohn ist nicht wirklich Antisemit, aber er begünstigt diesen selektiv, allerdings unabsichtlich, we suppose.

 

2.

Es ist an der Zeit, Begriffe wie „Jude“ aus dem geistigen Ghetto herauszuführen und „Antisemit“ als geschichtliche Einstellung ad acta zu legen, weil ihnen heute der reale Boden fehlt. Der Jude von heute ist in Europa nicht mehr so jüdisch wie es der Jude von gestern war. Man muss schon „Ultra“ sein, wenn man den Kern des Judentums für weitere tausend Jahre sichern will. Moshe Zuckermann beklagt, dass „Ultras“ schon mit knapp 30 Jahren 10 Kinder haben und sich in Israel vom Staat unterhalten lassen. Lenin würde von einer „Abstimmung mit der Gebärmutter“ sprechen. In den USA, so stellte Carlo Strenger fest, wo die „Ultras“ nicht die Szene beherrschen, würde der Bestand der jüdischen Gesellschaft nach halachischen Prinzipien binnen zweier Generationen auf 13% der heutigen Stärke reduziert werden. Das US-Judentum leitet sein Selbstbewusstsein nicht mehr von der Halacha und der Gebärfähigkeit seiner Damenwelt her ab, aber es stellt die reale „Lebensversicherung für die Juden der Welt“ dar. Soll man sie vergraetzen wie es einst Ezra und Jeremiah taten? Arthur Ruppin sieht in der Eingehung einer Mischehe das Zeichen des endgültigen Abfalls vom Judentum. Nach Strenger wären also 87% der amerikanischen Juden auf dem Weg des Abfalls. Es ist ganz klar, dass das Judentum zuletzt nur mehr aus Haredim und Chassidim fortdauern könnte, wenn man stur halachisch bleibt. Aber können denn Leute wie Biller und Schuster für ihre nicht-ultrareligiösen Nachkommen späterer Generationen garantieren, dass sie weiterhin jüdisch heiraten? Sogar Moses Mendelsohns Kinder wandten sich vom Judentum ab. Ruppin rühmt die Leistung von Juden wie Baruch Spinoza, der aber mit dem Cherem belegt wurde und konfessionslos war. Er nannte die jüdische Religion einen Aberglauben.  Intellektuell stand Spinoza außerhalb des Judentums. Sogar die katholische Kirche will sich nicht auf Mönche reduziert sehen, sondern lockert ihr Kirchenrecht. Carlo Strenger verwies auf Marc Zuckerberg als Beispiel: Zuckerberg ist mit einer chinesisch-stämmigen Ärztin verheiratet. „Hinter- Asiatinnen“ seien heute vielfach als Ehefrauen von Juden favorisiert. Sollen Zuckerbergs Töchter keine Ehe mit Juden eingehen dürfen? Die alte jüdische Mischrasse entsteht offensichtlich in Amerika in neu gemischter Auflage. In diese Zukunft will man im alten Europa offenbar nicht blicken.

Blicken wir dafür zurück in halachische Zeiten. Heinrich Graetz schreibt, dass „die Juden“ der Barockzeit zu abergläubischen, „kindischen Greisen“ verkommen waren. Geht der Zug des Judentums in diese Zeiten zurück? Diese Zeiten sind heute abgegessen, leben aber im unterbewussten Weltbild der Banu Ze´ev fort; ein Blick zurück zeigt die absurde Einstellung der trotzigen Talmudisten. Zu Zeiten von Johannes Aventinus Turmair (1477 – 1534) war auch die halachische Welt noch in spiritueller Ordnung. Johann Turmair (latinisiert Aventinus ‚der Abensberger‘) gilt als Vater der bayerischen Geschichtsschreibung. In seiner Baierischen Chronik schreibt er (S. 175) an einer Stelle „von den Juden“:

„…. Und während dieser großen Zwietracht des Kaisers [Ludwig der Baier] mit dem Papst meinten die Juden, es wäre vorbei mit dem Römischen Reich und dem ganzen christlichen Glauben, den sie für eitlen Tand halten. Sie glaubten, der Messias werde jetzt kommen. Sie schlossen sich in ganz Deutschland zu einem Bunde gegen die Christen zusammen, entwendeten Hostien und Messwein. … Sie warfen diese in ihre Backöfen und trieben viel Spott mit diesen Dingen. Als dies bekannt wurde, sind die Juden überall verbrannt worden, vornehmlich in Baiern, in Deggendorf (29.9.1337), wo Hartmann von Degenberg Pfleger war. Auch zu Straubing ging es über die Juden her. Nur die Bürger von Wien und Regensburg schützten ihre Juden und retteten sie. Aber in Städten, in denen der einfache Mann über die Juden herfiel, konnte sie niemand retten…“

 

Ein Dankgebet für die Christen in Regensburg und Wien! Bei Friedrich Frank, (in: „die Kirche und die Juden“) klingt es so:

 

„….. Zu Deggendorf in Bayern wurden die Juden beschuldigt, sie hätten von einem alten Weibe eine konsekrierte Hostie erkauft, aus welcher sich Blut ergoss, nachdem die erbosten Christenhasser mit Pfriemen hineingestochen hatten. Die Obrigkeit wollte die Sache bedächtlich untersuchen, aber am 29. September 1337 zog Hartmann von Degenberg an der Spitze vieler Bauern des Bayerischen Waldes nach dem Städtchen, und innerhalb einer Stunde waren alle Juden in Deggendorf niedergemetzelt. Herzog Heinrich von Bayern soll die Volksjustiz gebilligt haben. Aus dem Gelde der Erschlagenen soll die noch stehende Kirche der Stadt erbaut sein. Vielerorts in Bayern, bis nach Österreich und Kärnten hinab, wurden damals die Juden verfolgt. Am Rhein dauerte die Verfolgung noch bis zum folgenden Frühjahr fort.

Nach einer Mitteilung des damaligen bayerischen Geschichtsschreibers Aventinus hatte sich infolge des langjährigen Streites, den der römische Kaiser Ludwig der Bayer mit dem Apostolischen Stuhle führte, bei den Juden in Deutschland die Meinung gebildet, das Deutsche Reich und mit ihm das ganze Christentum werde bald untergehen. Der von den Juden erwartete Messias werde nun bald erscheinen. In dieser Hoffnung hätten die Juden in Deutschland einen Geheimbund gegen die Christen geschlossen. Diese Mitteilung dürfte als Hinweis dienen, dass die Niedermetzelei der Juden in Deggendorf und an vielen anderen Orten fortgesetzt wurde ….“

Eine eigentlich vergessene Zeitströmung; aber wenn es heute keine Hostien mehr gibt, pieken nicht einige Juden in andere Dinge hinein? Die NZZ (22.7.23) erinnert, dass der MOSSAD vor 50 Jahren den harmlosen, aus Marokko stammenden Kellner Achmed Bouchiki in Norwegen ermorden ließ. „Der Mossad tötete den falschen Mann“, schreibt das Blatt, aber hätte der Mossad in Lillhammer etwa „den richtigen Mann“ ermorden dürfen? Der russische Geheimdienst macht es genauso und lässt politische Gegner selbst am helllichten Tag im Berliner Tiergarten abknallen. Das ist das gleiche Niveau, fremde Rechtsordnungen zu achten. Diese Morde haben Tradition in Israel: So ermordete der zionistische Geheimdienst in den 20er Jahren den unbequemen Hareden Jakob Israel de Haan. Es ist ja nicht so, dass die Mörder der israelischen Behörde unbekannt geblieben wären. Aber die israelischen Behörden schützen ihre Berufskiller. Sie beschäftigen diese schließlich. Haben „die Nazis“ solches auch gemacht? Jedenfalls wäre ein Vergleich mit Gestapo-Methoden nach heutiger Rechtsprechung unzulässig, weil solche gezielten Morde eigentlich nicht von deutscher Art sind. Aber sowjetische Behörden praktizieren nach der feineren Art die Beseitigung von Gegnern und üben Rache; dem Deutschen ist es nur peinlich etwas über den Fall Nawalmy und seine russischen Freunde zu lesen, weil er an die Ehrlichkeit seiner russischen Partner glauben will. Auch Adolf Eichmann haben die Israelis gegen alles internationale Recht entführt. Jüdische Apologeten behaupten, Eichmann hätte untertauchen können. Das ist reiner Quatsch. Israel hätte begründen müssen, für welche Untaten es Eichmann hätte aburteilen wollen. Ein ordentliches Auslieferungsverfahren hätte kaum ein Todesurteil zugelassen, denn Eichmann persönlich hatte niemanden ermordet.

So praktiziert der israelische Staat seit Jahrzehnten Lynchjustiz, als gäbe es sonst „….  kein Recht, nirgends…“ (Willy Cohn). Es gibt kein Recht im Zusammenhang mit Israel, das Bestand hat, wenn es kritisch wird. Die „Alptraumkoalition“ Wolffsohn´scher Vorstellungen will die israelische Justiz reformieren. War Israel bis eben noch ein Rechtsstaat? Streng genommen nicht. Lea Tzemel nennt sich Rechtsanwältin, die noch nie einen Prozess gewonnen hat. Kunststück, denn sie verteidigt Palästinenser. Und es ist offen, ob Israel durch Netanjahu zum Rechtsstaat wird. Ein Rechtsstaat hält sich an internationales Auslieferungsrecht, was Israel nicht tut. Israel eine Lebensversicherung für alle Juden? Sicher nicht; aber wenigstens für die halachischen? Vertrauen ist gut, besser, wenn es keine Probe aufs Exempel geben wird.

Lobenstein

 

NAHER OSTEN/NORDAFRIKA

Bis zum Äußersten entschlossen
Israels Regierung treibt ihre umstrittene Justizreform trotz Massenprotesten voran. Das Risiko einer Eskalation steigt mit jedem Tag.
Schon seit Beginn des Jahres demonstrieren Israelis gegen die Neuordnung von Staat und Gesellschaft, die das rechts-religiöse Kabinett Netanjahu vorantreibt. Mit markanten Slogans „Demokratia“ – „Schande“ (für die Regierung) – „Wir werden siegen“ – „Wir sind die Mehrheit“ wenden sie sich insbesondere gegen den Umbau der Justiz. Denn dieser würde die Gewaltenteilung aushöhlen und so den Weg zu
einer illiberalen Demokratie ebnen. Im Juni scheiterten die Bemühungen des israelischen Präsidenten Jitzhak Herzog, einen Kompromiss zwischen Regierung und Opposition zu den Hauptpunkten der Reform zu vermitteln. Seither treibt die Regierung
den Justizumbau nicht mehr durch ein umfassendes Gesetzespaket, sondern durch einzelne Gesetzesvorlagen voran. Um dies zu verhindern, hat die Protestbewegung im Juli ihre Aktivitäten ausgeweitet und verschärft. Zusätzlich zu den wöchentlichen Massendemonstrationen in den größeren Städten Israels hat diese Woche schon zum zweiten Mal ein „Tag des Widerstands“ stattgefunden, an dem Autobahnen und
Bahnhöfe blockiert und landesweit digitale Dienstleistungen gestört wurden. Reservisten aus Eliteeinheiten der Armee – unter anderem Kampfpiloten – kündigten an, nicht länger zu dienen, sollte die Regierung die Gesetzgebung durchpeitschen.
Ihr Störpotenzial – und damit ihr politisches Gewicht – verdankt die Bewegung dem breiten Bündnis, das sie repräsentiert. Denn es vereint Vertreterinnen und Vertreter aus den entscheidenden Bereichen Politik, Wirtschaft, Sicherheit und Zivilgesellschaft Israels. Obwohl von der zionistischen Linken organisiert, findet es breite Unterstützung auch im Zentrum und bei der liberalen Rechten. Die Sprecherinnen und Sprecher
bei den Protestkundgebungen bilden genau diese Breite ab. So traten etwa am letzten Samstag in Tel Aviv der ehemalige Finanzminister im Kabinett von Netanjahu, Dan Meridor, auf, und es sprachen unter anderem Repräsentantinnen und Repräsentanten der Reservisten und der Hightech-Industrie.
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Dem Bündnis geht es darum, Israels politische und gesellschaftliche Ordnung zu bewahren, nicht sie zu verändern. Dem Bündnis geht es darum, Israels politische und gesellschaftliche Ordnung zu bewahren, nicht sie zu verändern. Dazu beruft es sich auf den in der Unabhängigkeitserklärung proklamierten „jüdischen und demokratischen Staat“. Damit einher geht, dass von den Podien die inhärenten Spannungen nicht artikuliert werden: weder das Spannungsverhältnis zwischen den beiden Säulen „jüdisch“ und „demokratisch“ im Inneren Israels noch die Tatsache, dass rund fünf Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser unter einer auf Dauer angelegten Besatzung kein Mitspracherecht im israelischen Entscheidungsprozess haben. Zwar ist bei den Protesten ein Antibesatzungsblock präsent, dieser wird aber eher toleriert als
willkommen geheißen.
Derzeit geht es der Protestbewegung in erster Linie darum, die von der Regierung beabsichtigte Aufhebung zentraler Rechtsprinzipien und die Veränderung der Verfahren bei der Ernennung der Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts zu stoppen. Denn diese würden die Unabhängigkeit der Justiz unterminieren und ihre Kompetenzen bei der Überprüfung von Regierungshandeln und bei der Ernennung von Personal einschränken. Konkret soll noch vor der Sommerpause der Knesset – also nächste Woche – ein Gesetzentwurf verabschiedet werden, der dafür sorgen soll, dass die Anwendung der sogenannten Angemessenheitsklausel als leitendes Rechtsprinzip deutlich eingeschränkt wird.
Was sich zunächst technisch anhört, wäre ein entscheidender Schritt, um die Rechtsstaatlichkeit zu unterminieren. Denn das Prinzip der Angemessenheit spielt eine wichtige Rolle in Israels Regierungssystem. Es bildet die Leitlinie für das Oberste Gericht bei der Überprüfung von Regierungshandeln, sei es bei der Ernennung von Regierungsmitgliedern, sei es bei der Ernennung von Rechtsberaterinnen und -beratern in den Ministerien (die wiederum eine entscheidende Funktion bei der Wahrung rechtsstaatlichen Handelns haben), sei es bei Politik- oder Personalentscheidungen, die die Regierung trifft. Zu Letzteren könnte zum Beispiel die Entlassung eines unliebsamen Generalstaatsanwalts gehören – also der Person, die derzeit die diversen Anklagen wegen Vorteilsnahme und Korruption gegen Premier Netanjahu vertritt.
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Noch ist unklar, ob es der Protestbewegung gelingen wird, die Gesetzesvorhaben zu
stoppen. Weitere Gesetzentwürfe sollen nach der Sommerpause eingebracht werden. Dazu gehört vor allem einer, der auf die Veränderung in der Zusammensetzung des
Gremiums abzielt, das die Richterinnen und Richter (nicht zuletzt des Obersten Gerichts) ernennt. Dabei soll der Einfluss der Regierungsbank zulasten der Opposition
ausgeweitet und die Beteiligung der Juristen- /Anwaltsverbände und der Richter des
Obersten Gerichts zurückgedrängt werden. Es geht also darum, künftig Besetzungen der Gerichte zu ermöglichen, die in erster Linie politischen Prioritäten entsprechen, statt auf professioneller Qualifikation zu beruhen, und die nicht wie bislang aus einem
Kompromiss zwischen Regierung und Opposition hervorgehen. Ein weiterer
Gesetzentwurf zielt auf die Einschränkung der Kompetenzen bei der Normenkontrolle
durch das Oberste Gericht ab sowie auf die Möglichkeit, diesbezügliche
Gerichtsentscheidungen mit einfacher Mehrheit der Knesset zu überstimmen.
Gelingt es dem Kabinett Netanjahu im Wege der Salamitaktik, die genannten Vorhaben zum Umbau der Justiz umzusetzen, werden die entscheidenden Mechanismen außer Kraft gesetzt, die bis dato zur Verfügung stehen, um im israelischen System rechtsstaatliches Handeln abzusichern. Damit wäre der Weg in eine illiberale Mehrheitsdemokratie ohne effektiven Minderheitenschutz vorgezeichnet. Denn in Israel
existieren keine anderen effektiven Gegengewichte zum Regierungshandeln: weder eine horizontale Gewaltenteilung (wie etwa in den Präsidialdemokratien der USA oder Frankreichs) noch eine vertikale Gewaltenteilung (wie etwa im föderalen System der Bundesrepublik) noch ein verfassungsrechtlich geschützter Menschenrechtskern oder
suprastaatliche Kontrollorgane (wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte).
Noch ist unklar, ob es der Protestbewegung gelingen wird, die Gesetzesvorhaben zu stoppen oder zumindest einmal mehr auf Eis zu legen und damit einen neuen Vermittlungsprozess oder eine Volksbefragung zu erlauben. Aber es hat den Anschein, als ob beide Seiten – Regierung und Protestbewegung – zum Äußersten entschlossen
sind, um in dieser Konfrontation zu obsiegen. Dies birgt auch das Risiko
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von Gewalt. Denn je mehr das Anti-Bibi-Bündnis seine disruptive Macht einsetzt, desto stärker dürfte die Regierung auf die Mobilisierung ihrer Anhängerschaft setzen, unter anderem unter der teils radikalisierten und bewaffneten Siedlerbevölkerung.
Zudem überdeckt die Mobilisation um den Justizumbau die Beschleunigung der Annexions-, Siedlungs- und Verdrängungspolitik, die parallel dazu von der Regierung Netanjahu vorangetrieben wird. Und diese stellt die Demokratie in Israel mindestens so stark in Frage wie der Umbau der Justiz. Denn es kann, so formuliert es die Minderheit unter den Protestierenden, keine Demokratie mit Besatzung geben

19.07.2023 | Muriel Asseburg

Legale Gesetzesbrüche?

Der deutsche Bundestag ist eine wahre Gesetzesmaschine: 3.000 Gesetze und Gesetzesverbesserungen werden von ihm jährlich verabschiedet. Ein krimineller Lebensmittelfälscher ist, wer sein Hackfleisch nach der soeben außer Kraft gesetzten letzten Hackfleischverordnung weiter herstellt. Selbst ein Jura-Professor könnte nicht alle neuen Gesetze verstehen und für ein Studentenseminar bearbeiten. Verbände (Lobbyisten) und Ausschüsse sind heute die eigentlichen Gesetzesmacher, der Gesetzgeber entscheidet dann mit einer Mindestzahl von Abgeordneten entsprechend der Entscheidung im Ausschuss. Wenn allerdings das ganze Volk von einem Gesetz betroffen werden kann, wie es beim Coronagesetz war und jetzt beim „Heizungsgesetz“ beabsichtigt ist, dann müssen sich mehr als die üblichen Ausschussabgeordneten beteiligen. Und in diesem konkreten Zusammenhang zeigt sich, wie relativ unsere Demokratie geworden ist: Das Bundesverfassungsgericht hat die für den 7.7. vorgesehene Verabschiedung des „Heizungsgesetzes“ wegen dessen Widerspruch zwischen Umfang und Frist zum Studium der Vorschriften untersagt, aber der Vizekanzler hat bereits erklärt, das Gesetz werde im September unverändert verabschiedet werden.  Klarer kann man nicht erklären, was für ein willenloser Gesetzgebungsapparat künstlicher Intelligenz der Bundestag geworden ist.

Aber auch das Volk weiß nicht mehr genau Recht von Unrecht zu unterscheiden. Die Presse bezeichnet einen Starkoch als „Steuerkriminellen“, der nichts anderes getan hat, als sein selbstverdientes Geld nicht zur Gänze mit einem Staat zu teilen. Das hat mit der klassischen Kriminalität nichts zu tun. Warum soll ein Bürger ohne Zwang Steuern entrichten, wenn dessen Regierung ohne Unterlass Unsinn produziert und Geld verschwendet. Viele politische Maßnahmen sind Veruntreuungen im Sinne von § 246 StGB. Man kann sagen, in den Behörden wimmelt es von Kriminellen, wenn man den Maßstab für den Starkoch anlegt. So hat etwa das rotrotgrüne Kartell in Berlin eine ungültig gewählte Regierung gebildet, aber munter ihre Position mißbraucht. Die  „Grüne“ Jarasch hat ein Mittelstück der zentralen Friedrichstrasse in Berlin für den Autoverkehr sperren lassen, was der Staatskasse sinnlos unnütze Kosten verursachte. Jetzt ist die Aussperrung des Autoverkehrs wieder aufgehoben. Die ungültig gewählte Regierung ernannte Stadträte, die die inzwischen neu gewählte Regierung nicht braucht, aber bezahlen muss. Das war eine höchst kriminelle Aktion.  Der Bezirk Lichtenberg von Berlin ehrt einen verstorbenen Obdachlosen aus Moldawien, den ein Filialleiter eines Supermarktes wegen eines Ladendiebstahls verprügelt hatte. Ist nun der Starkoch oder sind eher die ungültig gewählte Jarasch und der diebische Obdachlose kriminell?

Der Platz vor dem Bahnhof Lichtenberg ist eine Problemzone. EDEKA hat sich dort wohl unglücklich etabliert. Sein Filialleiter hatte, wie man so sagt, die Schnauze voll vom Geziefer (Opfermenschen), das aus den Balkanstaaten eintrifft und sich in Selbstbedienungsläden selbst bedient. Das legte man ihm als „Rassismus“ aus.

Die Wahlen in Sonneberg und Ranguhn sollen nun Signal sein, dass das Volk die Demokratie deren Feinden auszuliefern tendiert. In Israel ist das Volk schon weiter. Ajelet Shani meint, man habe inzwischen „Neonazi-Minister“. Dort haben noch mehr Leute „die Schnauze voll“ von unaufhörlichen arabischen Anschlägen, Raketenbasteleien, tödlichem Feuerwerk und Morden. Man philosophiert daher in Haaretz (6.7.23), unter welchen Voraussetzungen ein formal gesetzwidriger Widerstand gegen staatliche Anordnungen und Gesetze einer Mehrheit für die Minderheit erlaubt sein könne. “Widerstand“ wird natürlich so begriffen, dass die Mehrheit mit ihren Anliegen nicht zum Zuge kommen soll. Mit anderen Worten: Darf die Minderheit die Mehrheit blockieren? Eigentlich nicht, denn das wäre das Ende des Mehrheitssystems. Art. 20 IV deutsches GG erlaubt einen solchen Widerstand, wenn die Prinzipien der Verfassung beseitigt werden sollen und „Abhilfe nicht möglich ist“. Aber wann kann dies der Fall werden? In Israel gibt es nicht einmal eine geschriebene Verfassung. Abhilfe durch einen Militärputsch? In Frankreich randaliert eine empörte Jugend und demonstriert, wie weit sie zu gehen bereit ist. Ein 17-jähriger, der sich einer Polizeikontrolle entziehen wollte, wurde “auf der Flucht erschossen“. Das Volk sieht es anders als die Regierung von Ödipus Macron. Eric Zemmour und Jean Messiha sammelten 10 mal so viel Geld für den beschuldigten Polizisten Florian Mendes ein als die Sympathisanten des erschossenen Nahel Merzouk für dessen Familie zusammen bekamen. Das sagt alles: Die Mehrheit ist es leid, sich von Minderheiten terrorisieren zu lassen.

Ist die Mehrheit latent braun, autoritär, nationalsozialistisch?

Das Referenzsystem, gegen das posthum jeder Widerstand erlaubt wird, ist natürlich der deutsche Nationalsozialismus. Er räumte brutal mit einigen Minderheiten auf. Aber ist er wirklich als Referenz geeignet, wenn man den Anfängen einer neuen Diktatur wehren will? Alexis de Tocqueville beschrieb schon 1830, dass sich die Demokratie in Amerika in Richtung auf eine „sanfte Diktatur“ hin entwickle. Was könnte eine „sanfte Diktatur“ bedeuten? Dass sie so liberal ist, heterodoxe Meinungen zuzulassen und dass sie der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung trägt. Der deutschen Diktatur fehlte eine solche Sanftheit. Paradoxerweise wäre in Deutschland Widerstand immer zulässig, aber „der Deutsche“ ist zu gehorsam, um Widerstand zu leisten. Er widersteht lieber seinem eigenen Gewissen.

Zurück zum NS-Regime:

Das deutsche NS-Regime traf auf eine unglücklich konstruierte Republik: eine Reichsregierung leitete das Reich, während eine preußische „Landesregierung“ etwa 70% des Reichsgebiets polizeilich lenkte. Die Reichsregierung Ebert ließ mit dieser Macht die Arbeitsaufstände allerorten niederschlagen. 1924, als das Reich gewaltsam befriedet war, funktionierte der Staat scheinbar, scheiterte aber schon an der Wirtschaftskrise. Als „Alternative für Deutschland“ kamen die Nationalsozialisten in Betracht. Die Ereignisse auf Reichsebene sind bekannt, was auf preußischer Landesebene zur Diktatur betrug, wird ignoriert. Mit diesen 70% der deutschen Parallelmacht konnte der Nationalsozialist Hermann Göring als preußischer Ministerpräsident 70% der deutschen Polizei befehligen, die er durch das Millionenheer der SA-Verbände verstärkte. Die Idee, auf Reichsebene die 4 nationalsozialistischen Minister „einrahmen zu können“, ist also von Anfang an eine Illusion gewesen, wenn 70% des Reichs als Preußen in NS-Hand waren. Die Polizei war immer Ländersache, folglich konnte die SA ganz legitim als Polizei fungieren.

Folgerichtig reservierte sich Hitler nach seinem Gleichschaltungsesetz für die Länder den Posten des Reichsstatthalters in Preußen. Damit war er effektiv zum Diktator in Deutschland geworden, was bei uns die Historiker den Kindern verschweigen. Denn seine anderen Funktionen als Reichspräsident, Reichskanzler und Oberbefehlshaber der Wehrmacht werden hervorgehoben, seine eigentliche Machtposition als Reichsstatthalter in Preußen wird kaum beachtet. Die Legitimität des deutschen Systems verlangt das Zusammenspiel freier Kräfte von Ländern und Bund.

Die Regierung Merkel vollzog während der Corona-Krise auch eine gefährliche verfassungswidrige Methode, mit der sie das verfassungsmäßige Zusammenspiel hinterging: Sie schuf eine Art Ministerpräsidentenkonferenz, mit der sie im Innern am Bundesrat vorbei regierte. Als Modell dafür diente ihr die Kultusministerkonferenz, die auch als verfassungsrechtlich bedenklich gilt.

Die Verfassung ist inzwischen schon ganz schön erodiert:

Statt (z.B.) den Bundesgrenzschutz (BGS), organisierte man aus BGS und der Bahnpolizei eine an sich verfassungswidrige Bundespolizei. Offiziell bewacht diese zwar nur neuralgische Punkte wie Flughäfen und Großbahnhöfe, aber real wird sie auch zur Unterstützung der Landespolizeien herangezogen.

Natürlich erscheint dies immer wieder als notwendig. Die Notwendigkeit für Verfassungsbrüche entsteht aber infolge anderer Verfassungsbrüche. „Der Deutsche“ kann nicht unterscheiden zwischen formalem und materiellem Recht. Als Helmut Schmidt bei der Hamburger Flutkatastrophe die Bundeswehr einsetzte, empörten sich einige Schlaumeier, sie werde verfassungswidrig „im Innern“ eingesetzt. Verboten ist natürlich nur der polizeiliche Einsatz der Bundeswehr, also ein Einsatz, wie es die Reichswehr zwischen 1919und 23 praktizierte. Verfassungswidrig sind eher auch polizeiliche Einsätze der Bundeswehr im Ausland. Ein Verfassungsignorant wie Wolfgang Schäuble konstruierte 1990 als „Architekt der deutschen Einheit“ als Ersatz für die zentralistische DDR fünf „neue Bundesländer“, deren Zuschnitt besatzungszeitlich war, damit deren politische Kompetenz von der Bundesregierung hat manipuliert werden können. Damit relativierte er den bundesstaatlichen Charakter Deutschlands insgesamt: die richtigen Bundesländer mit zeitgemäß etwa 10 Millionen Einwohnern (Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW), die zusammen 60% der bundesdeutschen Bevölkerung vertreten, kommen im Bundesrat nur auf 24 von 69 Sitzen. Die unter der Regie der Bundesregierung stehenden Bundeszwergländer, wie das Saarland, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-VP, Sachsen-Anhalt, Berlin, Thüringen, Sachsen und Brandenburg und Bremen mit zusammen weniger als 30% der Einwohner (wegen Hessen und Rheinland-Pfalz) erlauben der Bundesregierung und ihrer Koalition den Bundesrat zur Farce zu machen.

Demokratie in Deutschland? Das war gestern gewesen.

Angefangen hatte die Erosion bereits in den 70er Jahren mit der Gemeindegebietsreform. Bis damals konnte in ländlichen Gemeinden ein Bauer Bürgermeister werden und eine Gemeinde mit ihren Selbstverwaltungsanliegen (z.B. Bebauungsplan) vertreten. Heute macht die Gemeinde zwar auch noch die Bebauungspläne, aber es sind nicht mehr die Bauern, die sie machen: Denn die Gemeinden sind größer und haben staatliche Aufgaben überbürdet bekommen: man kann Pässe und Ausweise auf der Gemeindekanzlei vor geschulten Fachbeamten beantragen. Was als Fortschritt verkauft werden kann, was als Machtvermehrung der Gemeinden gepriesen wird, was dem Bürger auch bequem vorkommt, verlangt aber auch professionelle Verwaltungsbeamte, und solche auch als Bürgermeister. Sie werden zwar auch noch von den Gemeindebürgern gewählt, rekrutieren sich aber aus der Beamtenschaft, einer höheren Kaste in diesem Lande.

Der Charakter des Staatswesens hat sich unmerklich verändert. Es ist nicht mehr die Demokratie der Laien und Bürger, sondern ein Beamtenapparat mit plebiszitären Zügen. Wie jemand Präsidentin der Bundesarbeitsagentur wie Frau Nahles werden kann, kann den Bürger nur in Staunen versetzen. Er kann es nicht nachvollziehen, was hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird. Unverständlich ist es, wie eine Kramp-Karrenbauer oder eine von-der-Leyen Verteidigungsminister*innen werden können. Da erscheint dann ein Herr Pistorius sogar als tauglicher Generalfeldmarschall.

Kann sich der Staat in seiner erodierten Form noch lange halten? Theoretisch ja, solange er die Untertanen halbwegs gerecht behandelt. Ein „Bergsturz“ für die Elite scheint derzeit unwahrscheinlich. 1790, als Referenz für Deutschland, waren die Deutschen nicht revolutionär gesonnen und hielten zu ihren Fürsten. Möge Gott die Beamten in ihren Hierarchien begnaden, Deutschland gerecht zu regieren. Und schütze er es vor einem neuen Napoleon aus Russland oder aus China.

von Lobenstein

 

 

Vaterlandsgefühle für den Beamtenstaat?

Warum sagt jemand „Scheibe-Staat“? Irgendwie auch, weil er will,dass es besser werde. Wen der Scheibe-Staat nicht juckt, weil er hier die Kohle macht, um seine Tage in Madeira zu beenden, sagt nicht Scheibe-Staat. Er würde sich auch in Nord-Korea arrangieren, während der Dauer seines wirtschaftlichen Engagements.

Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht immer aufs Neue, und jedes Mal stärker, zugunsten des Rechts auf freie Meinungsäußerung entschieden. „Kein Staat gedeihe ohne die Freiheit des Individuums“ sagte John Stuart Mill und kämpfte gegen sämtliche Denkverbote, Konformismus und soziale Tyrannei (NZZ v. 6.5.23). Aber die Gerichte und Staatsanwaltschaften, Institutionen von Tyrannei, Denkverboten und Konformismus gehen unbeirrbar gegen die Meinungsfreiheit vor. So hatte ein Arbeitnehmer in einem Arbeitsgerichtsprozess seinen bisherigen Arbeitgeber einen Betrüger genannt, was die Staatsanwaltschaft Waldshut zur Anklage wegen Beleidigung motivierte. Das dortige Amtsgericht, ein juristisches Kartell von furchtbar autoritären Juristen, verurteilte den Mann, der dann in Berufung ging. Das Landgericht bewog den Angeklagten, einer Einstellung zuzustimmen. Das tat er auch, denn der Instanzenzug hatte ihm die Knie weichgeklopft. Die Anwälte taugen in ländlichen Kreisen wenig, denn kein Anwalt kann es sich leisten, mit seinem Gericht in Feindschaft zu leben.
Korrekt hätte das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufheben und freisprechen müssen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war in der juristischen Fachpresse längst bekannt gemacht, dass ein Arbeitnehmer innerhalb eines Verfahrens zu weit gehen und dabei seinen früheren Chef als Betrüger bezeichnen dürfe. Das irgendwo betrügerisch handelnde Landgericht schädigte den Verfolgten um erheblich Kosten, die die Staatskasse ihm hätte ersetzen müssen.
In Baden-Württemberg ist eine Meucheljustiz am Drücker. Im Norden Deutschlands ist es nicht besser:

Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein verfolgt den Mikrobiologen Sucharit Bhagdi, der die Zwangsimpfung mit der Praxis der (innerdeutschen) Judenverfolgung zwischen 1933 und 1938 verglich, wegen „Verharmlosung des Holocausts“. Jedenfalls wurde von staatlicher Seite aus gewaltiger sozialer Druck auf Ungeimpfte ausgeübt, denen – ähnlich wie den Juden zwischen 33 und 38, der Besuch von Gaststätten untersagt war. Ganz abwegig waren diese Vergleicht nicht. Die Rechtstaktik mit der Verharmlosung ist bei den Behörden beliebt geworden. Sie verleiht der Behörde einen politischen Heiligenschein, ist aber glatte Rechtsbeugung. Man verharmlost nicht das Geschehen A, wenn man ein Geschehen B übertreibt. Wer einen kritikwürdigen Grundschullehrer mit dem Degerlocher Hauptschullehrer Ernst Wagner vergleicht, übertreibt wohl maßlos, billigt oder verharmlost aber nicht die Tat(en) von Ernst Wagner. Die deutsche Justiz hat sich angewöhnt, die Logik bei Bedarf auf den Kopf zu stellen. Das macht ihr von Grund auf verbrecherisches Wesen aus.

Objektiv ist es geschmacklos und Ausdruck flatterhaften Wissens, sich einen gelben Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ anzuheften. Aber subjektiv kratzt der Protestler nicht an der Holocaustüberlieferung. Die Impfgegner hätten es vielleicht mit mittelalterlichen Lepra-Rassel versuchen sollen, wenn sie protestierten. Aber eine „Verharmlosung des Holocausts“ stellt der Protest mit gelben Judensternen trotz alledem nicht dar. Und – Geschmacklosigkeit ist kein Straftatbestand.

So ganz abwegig ist der Vergleich der autoritären Corona-Politik in Deutschland mit der anfänglichen Judendiskriminierung der Reichsregierung aber trotzdem nicht gewesen. Gemeinsam ist beiden, dass Hinz und Kunz dahinterstanden und denunzierten. Das wollen Hinz und Kunz als Träger der heutigen Demokratie nicht hören. Jude zu sein hieß aber vor dem Krieg nicht „Auschwitz“. Vor der Reichskristallnacht glaubten viele Juden, sich im Rahmen des Regimes halten zu können (Wolfgang Benz in: die Juden in Deutschland). Noch im Oktober 1938 lebten ca 50.000 Juden mit polnischen Pässen in Deutschland und erhielten sogar Arbeitslosenunterstützung. Heute vergleicht man alles mit den Maßnahmen während der Zeit des totalen Krieges. Hier liegt das Manko bei der Verständigung. Aber woher soll dies ein Sucharit Bhagdi wissen? Um die Entwicklung der Judenverfolgung zu begreifen, bedarf es eines ausgeprägten Interesses, das in erster Linie den Nachkommen der Überlebenden eigen ist. Der im Ausland erzogenene Mensch hat von alledem nur ein summatisches Wissen.
Lea Fleischmann, geboren in einem Lager für „displaced persons“, das zuvor noch als KZ-Außenlager verwendet worden war, und deren Eltern in Deutschland blieben, war Berufsschullehrerin in Hessen geworden, als ihr durch ihre Beobachtung des Schulbetriebs klar wurde, dass dieser nicht und auch sonst nichts in Deutschland anders funktioniere und organisiert sei als der Betrieb eines Konzentrations- oder Vernichtungslagers. Eingespannt in den Betriebsablauf des Schulbetriebs, unterworfen höherer Weisungen und Vorschriften, beobachtete sie, dass, wo etwa eine individuelle Entscheidung zugunsten einer schlechteren Schülerin möglich gewesen wäre, sich immer eine verfahrenshörige Fraktion im Kollegium bildete, die „grundsätzlich“ und ohne Kenntnis der Schülerin deren Nichtversetzung durchsetzte. Sie wirkte bei dieserart Entscheidungen faktisch mit, weil sie einfach in den Betrieb eingespannt war, nolens volens.
Natürlich nicht genauso, aber prinzipiell gleichartig funktionierten nach Fleischmanns Überlegungen die Lager.
Man kann auch andere Beispiele hernehmen. Guckt man auf das Militär, funktionieren die Divisionen der unterschiedlichen Länder alle ähnlich. Auch Gefängnisse funktionieren gleich; der Unterschied besteht dann in der Qualität der Waffen, der moderneren Menschenführung oder der besseren Gefängnisausstattung.
Was macht daher das „Deutsche“ an Divisionen, Gefängnissen und Schulen aus? Das menschlich-individuelle Element wird neutralisiert. Der deutsche Gefängniswärter glaubt, dass sein Gefängnis optimal organisiert ist. Er muss das glauben, denn er will sozial konform und nicht gesetzwidrig wirken. Der Deutsche ist auch vom Grunde seiner Seele her schadenfreudig und bösartig. So wurden im KZ die Selektionen zwar nach im Voraus festgelegten Vorgaben durchgezogen, aber ein vom System abweichender Wink des selektierenden Arztes aus Mitleid oder Erbarmen wäre jedem Wachmann aufgefallen. Er hätte Meldung gemacht, wiederum aus Angst, dass man ihn melden könnte. Der deutsche Mensch lebt zwanghaft, einmal in seiner Ordnung und persönlich in der Angst, aufzufallen, dass er den Anforderungen nicht genüge. Seweryna Smaglewska berichtet über einen Krematorium-Wachmann, der sich zu betrinken begann und zuletzt selbst als KZ-Häftling endete. Die deutschen Verfahren – egal zu welchem Zweck – sind auf Automatismus programmiert, was das richtige Funktionieren auch der Unbegabtesten innerhalb des Systems sicherstellt. Darin liegt Deutschlands Stärke: denn auch das intellektuelle Mittelmaß bringt mittelmäßig brauchbare Leistungen, während in der Durchschnittlichkeit eines Gremiums bessere Leistungen regelmäßig untergehen. Also braucht man in deutschen Institutionen weniger intelligente und selbstdenkende Menschen, aber diese funktionieren besser als etwa französische. Die französische Methode der „écremage“ sortiert zu viele Begabtere aus, die dazu neigen, auf Positionen unterhalb ihrer Begabung eigenständig zu denken, wo der Mensch nur funktionieren sollte.

Sie, Fleischmann, konnte nicht wegen „Verharmlosung des Holocausts“ verfolgt werden, denn sie verließ Deutschland, das „nicht ihr Land“ sein konnte. Besonders widerte sie ein Telekomingenieur an, der in und um Auschwitz Telefonleitungen verlegte. Dabei war es ihm durchaus unangenehm gewesen, überall Leichen herum- und aufgestapelt liegend sehen zu müssen. Aber seine Telefonleitungen verlegte er weiter. Das war seine Verwendung. Das war damals natürlich keine „Beihilfe zum Mord“.

Wenn man dies rein technisch betrachtet und Ideologien ignoriert, sind die Institutionen in Israel auch sehr perfektioniert. Israel ist allein durch seine geografische Lage genötigt, sich optimal zu strukturieren (Alex Bein). Es ist von daher fast selbstverständlich, dass seine Institutionen auf deutsche Art funktionieren, so dass Sucharit Bhagdi eigentlich nur trivial gesagt haben kann, dass die Juden, die ohnehin das Lernen für eine Tugend ihrer Rasse halten (Heinrich Graetz), das bösartige Besatzungsregime von den Deutschen kopiert hätten. Man muss dies dem Amtsrichter in Plön hoch anrechnen, dass er Bhagdi freisprach. Abstoßend wirkt dagegen das Gegeifere des Dr. med. J. Schuster in dessen Jüdischer Allgemeinen, der diesen Freispruch skandalisiert. Worin liegt der Skandal? Er liegt in der Person dieses Vorsitzenden und Frühstücksdirektors der Jüdischen Diaspora. Hinter ihm steht vielleicht das Diaspora-Ministerium der israelischen Regierung, und das deutsche Außenministerium. Es ist Schusters Leistung, dass sich auch die regionalen Führer der deutschen Dispora mit der israelischen Regierung identifizieren, aber auch, dass die Zeitgenossen die Mitglieder der Diaspora mit den Zionisten in einen Topf werfen. Die Reaktion auf das Ergebnis der amtsjüdischen Politikt wird Bhagdi als „Antisemitismus“ ankreidet. Im Sinne von J. S. Mill strotzt das jüdische Leben in Deutschland von Denkverboten und sozialer Tyrannei, so dass es kindisch ist, von einem „jüdischen Leben“ in Deutschland zu sprechen.

Diese Tendenz ist nicht erst seit der Ägide Schuster ein Problem. Die 4 Bände des Beck-Verlags zur deutsch-jüdischen Geschichte der Neuzeit sind inhaltlich eine anödende Literatur zwischen Hagiographie und Martyrologie. Felix Theilhaber und Arthur Ruppin erscheinen mit ihren Werken im Vergleich dazu beinahe schon als Antisemiten.

Schwierig ist es derzeit für den amtlichen Verband der deutschen Diaspora, die Berichte zu Israel aufzuarbeiten, wo inzwischen eine stramm, ja sogar aggressive rechte Politik gemacht wird (Ajelet Shani sprach sogar von Neonazi-Ministern). Die Bundesregierung versucht die Ereignisse zu ignorieren. Weil in Deutschland der Zentralrat alles deutsche „Rechte“ traditionell giftig begeifert und eine exzessive Martyrologie aus der jüngeren jüdischen Geschichte gemacht hat, tut er sich schwer, das Rechte in Israel und die Besatzungspolitik zu belobigen. Sind die Araber wirklich die Märtyrer? Alex Bein versteht nicht, dass der israelisch-ägyptische Friedensschluss so wenig zur Befriedigung der Verhältnisse beitragen konnte. Aber die Welten von Juden und Arabern sind zu verschieden. Zu den nationalen Differenzen kommt noch so etwas wie ein sozialer Klassenkampf. Das wird aber nicht diskutiert. Schuster „warnt“ (was immer das heißen soll) davor, alles im krassen Licht der Tatsachen zu betrachten. Auch das schadet dem Trend nicht, denn die jüdische Inszenierung in Deutschland hatte nie einen realen Bezug. Nur was ist das irreale Moment, das jede Diskussion bei und im Land vergiftet?

Israel ist das herzl‘ sche Altneuland geblieben, das mit der europäischen Entwicklung Schritt hielt. Ein wesentliches Element des Judentums ist die Ideologie der Freiheit (Martin Buber), die zweifelsfrei das spanische Judentum geprägt hat, das aber nicht unbedingt die aschkenasischen Massen leitet. Israel ist sowohl eine Massengesellschaft als auch im Bunde mit der Diaspora eine Demokratie der Optimaten. Die heute so genannte „einzige Demokratie in Nah-Ost“ hat noch nicht einmal eine geschriebene Verfassung, was sie als Republik der Optimaten nicht braucht, als Volksdemokratie aber nötig hätte. Außerdem: was ist für die Leute a.) Nah-Ost? Gehören die Türkei und Zypern nicht zum Nahen Osten? Und b.), bedarf eine Demokratie keiner strikten Gewaltenteilung im Sinne von Montesquieu?
Man muss es anders lesen: Israel ist die einzige jüdische Demokratie, und dies sogar weltweit. Sie lässt sich mit Thierschs „christlichem Staat“ von 1880 vergleichen, den „die Juden“ damals als unzeitgemäß abgelehnt hatten. 1870 war sogar der Kirchenstaat aufgehoben worden und Utah, der Mormonenstaat musste seine Verfassung revidieren, um in die USA als Unionsstaat aufgenommen zu werden.

Soll es erst einmal bei einer „jüdischen Demokratie“ bleiben. Auch „die Juden“ haben das Recht, nach Zeiten der Zerstreuung und Atomisierung (Martin Buber) wieder zu einer Nation zusammenzufinden. Problem ist das kein primäres, Problem ist nur die Demontage der Freiheit bei uns, die Dres. Schuster und Co betreiben. Unsere Justiz, die sich als eigenständige „Dritte Gewalt“ darstellt, kann sich trotz Art 20 II GG auf keine Urwahl beziehen. Sie entspricht in etwa der Autokratie der israelischen Justiz, wie sie von Kaiser Hadrian 135 „nach“ abgeschafft worden war (Markus Brann). In beiden Institutionen bestimmen die etablierten Richter, wer ihnen als Richter nachfolgen soll. In gewisser Hinsicht entspricht dies der monarchischen Idee, wo der Kronprinz nach Erbregeln feststeht. Das passt alles nicht ganz zusammen. In Israel wehrt sich die Regierung dagegen, dass die Justiz nach Art der Patriarchen einzelne Minister absetzen kann, wie etwa Arje Deri. Ministeranklage? Nicht erforderlich.
Richter ohne demokratische Legitimation lassen sich von Lobbies unter Druck setzen. Im obigen Fall “ Waldshut“ ist die Justiz Gehilfin der Polizei. Noch betrifft die deutsche Polizeigehilfenschaft Einzelfälle, schafft Justizopfer wie Mollath, Rupp und angebliche Vergewaltiger wie Kachelmann, aber schafft auch Gruppen von Opfern: Palästinenser, die ihrem Unmut gegen die Politik des israelischen Besatzungsregimes Luft machen wollen, werden auch bei uns pauschal unterdrückt und diskriminiert. Wer keine Musik mag, geniert es auch nicht, dass ein Roger Waters Probleme hat, seine Konzerte stattfinden zu lassen. Wer nicht weiß, wer Pacelli war, ignoriert auch, dass die Berliner Straße Golda-Meir-Allee heißen soll. Wer liest schon Annie Ernaux, eine von vielen Nobellpreisträgerinnen, deren Ansichten einem Dr. Schuster missfallen?

Ach wie angenehm ist doch der Stumpfsinn, in dem diese Gesellschaft klimaneutral, vegan und biologisch vegetieren kann.
Lobenstein

Das Phantom des Antisemitismus

So ganz ohne Antisemitismus wird es in Deutschland nicht mehr lange weitergehen können. Ohne das Phantom des Antisemitismus schwindet auch das Judentum. Dies nicht, weil sich die Grabspalten des Kyffhäusers öffnen würden, sondern, weil Dres. Schuster und Consorten den Begriff „Antisemitismus“ entsetzlich ausgeleiert haben. Hinter jedem brennenden Dornbusch mit israelischer Fahne steckt ein antisemitisches Gespenst. Nur noch der ordentlichste Deutsche, wo absolut nichts Brennbares rumliegt, kann einem Verwurf antisemitischer Gedanken aus dem Weg gehen. Selbst Juden werden als „berüchtigte Antisemiten“ gescholten, und ein Antisemitismusbeauftragter fiel sogar den Beobachtern des Simon-Wiesenthalcenter in Kalifornien als „selektiver Antisemit“ auf. Roger Waters wird gleich „übler“ Antisemit (Spaenle) gescholten. Es muss also auch Antisemiten geben, die nicht übel sind. Gilead Atzmon schätzt Otto Weininger, der sicher Antisemit war, aber offenbar kein üblet. Atzmon definierte den Begriff so, dass Antisemit sei, wer für einen Juden zum Ärgernis werde.
Jean Paul Sartre und Adolf Böhm witzelten ihrerzeit ähnlich, dass jemand Antisemit werde, weil er zufällig von einem Juden betrogen worden sei; heute ist es umgekehrt. Ein falsches Wort, und schon gilt man als Antisemit.
Guckt man in die Werke von Adolf Böhm oder von Peter Beer länger hinein, dann kann man auch erfahren, wie sich unter Juden die Vertreter einzelner Denkrichtungen mit dem Herem belegt hatten. Je individualistischer sich die Judenheit zusammensetzt, desto antisemitischer scheint sie selbst zu werden, je nachdem, aus welcher Perspektive man das Zeitgespräch betrachtet. Isaac Deutscher (in: Der nichtjüdische Jude) stellte fest, dass nach heutiger Definition von Antisemitismus die Juden Galiziens mehrheitlich Antisemiten gewesen sein müssten, was zu behaupten natürlich absurd wäre.

Absurd scheint das richtige Wort zu sein: Antisemitismus ist längst ein Phantom.

Versimpelt gilt heute jemand als Antisemit, der an Israel als zionistischen Staat artikuliert Anstoß nimmt, und das auch noch sagt. Er mag sich damit rechtfertigen, dass „die Juden“ zu dieser Frage schon um 1900 „mit den Füßen abgestimmt“ (W. Lenin) hatten. Eine Million russischer Juden wanderte nach den USA aus, während sich nur 80.000 bis um 1920 in Palästina einfanden. Absurd wäre es nun wiederum, die US Juden als Antisemiten zu sehen. Allerdings stellte Carlo Strenger fest, dass die amerikanische Judenheit binnen zweier Generationen auf 13% des heutigen Bestandes abschmelzen werde. In einer freien Gesellschaft heiraten Juden – Marc Zuckerberg als illustres Beispiel – gerne Asiatinnen. Sie sind so gut wie nie Jüdinnen. Unser Dr. Schuster verkündete in seinem Blatt, das amerikanische Programm zur „Festigung jüdischen Volkstums“ (jewish outreach program) greife nicht. Warum sollte ein Euro-Asiate Jude werden wollen angesichts seiner kulturellen Alternativen. Ganz abgesehen davon sind „die Juden“ gegenüber Mischlngen kritischer eingestellt als es die Nazis waren. Sie lassen selbst einen israelischen (para-jüdischen) Ukrainer nach Zypern reisen, wo er im Ausland seine echt-jüdische Partnerin heiraten kann. So ganz koscher ist es also nicht in der „einzigen Demokratie in Nah-Ost.
Unbestreitbar bleiben als „echte Juden“ dann nur die Chareden und andere Sekten, die witziger Weise wiederum dem „jüdischen Staat“ kritisch gegenüber stehen (vgl. Jakov Rabkin, Im Namen der Thora).

Ganz nebenbei. Der Text bis hierher reicht aus, um als Antisemit verteufelg werden zu können. Aber steigen wir den Scheiterhaufen noch ein paar Reisigbündel höher:

Gehen wir erst einmal davon aus, dass der Vorwurf „Antisemit“ nichts anderes sein kann als ein säkulares Herem, das eine vom deutschen Staat unterhaltene Clique von bundesdeutsch-jüdischen Kollaborateuren sehr leichtfertig anwendet. Als souveräner Mensch wird einen dieses Herem genauso wenig genieren wie ein katholischer Kirchenbann. Problematisch wird die folgende Bundes-Acht. Im Mittelalter (es ist offiziell vorbei, aber wir entdecken seine Spiritualität neu) folgte dem Bann die Reichs-Acht (Ächtung). Hier liegt unser retardierendes Problem. Dem Herem folgt in unserem Land eine soziale Ächtung, weil der deutsche Mensch angstgesteuert ist. Der Redakteur Finn Canonica vom Schweizer Tagesanzeiger hatte sich viel erlauben können. Dass er aber als Korrekturzeichen für unerwünschte Germanismen in einer Schweizer Zeitschrift kleine Hakenkreuzchen als Korrekturzeichen und -begründung nutzte, das war der Skandal, an dem man ihn packen konnte.
Die Gesellschaft meidet den zum Antisemiten gestempelten wie im Mittelalter, fürchtend, selbst unter Interdiktion zu fallen.

So gesehen sind die staatlich etablierten Juden wieder eine Gefahr für die Freiheit.

Den Deutschen ist die Freiheit zwar weitgehend gleichgültig, was sogar Hendryk Boder im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg konstatierte. Deswegen respektiert es die Bundesächtung und setzt Preisverleihungen aus. Samuel Salzborn als Berliner Antisemitismusinquisitor nimmt sich im Schatten dieser Gleichgültigkeit Berliner Straßennamen vor: soll doch die Kantstrasse morgen Kantenstraße heißen Den Richard Wagnerplatz könnte man Ernst Wagnerplatz benamsen nach dem Degerlocher Hauptschullehrer und Massenmörder, der während der Nazizeit in einer Irrenanstalt verstarb. Der Bundesantisemitismusbeauftragte Felix Klein konnte als Agent des Bundesfiskus und Hauptkunden für juristische Literatur den Beckverlag zwingen, dessen Gesetzessammlungen umzutaufen, ungeachtet der Tatsache, dass kaum ein Jurist etwa vor der Umbenennung wußte, wer Otto Palandt gewesen sein soll. Palandt war – wissen wir jetzt – als Leiter des Reichsjustizprüfungsamtes angeblich für die falsche Erziehung des deutschen Juristennachwuchses verantwortlich, was eigentlich nicht sein kann, weil dieJurastudenten an den Universitäten von Hunderten von Juraprofessoren ausgebildet wurden. Aber wen interessiert es? Keine Sau. Ingo Müller (in: Furtchtbare Juristen) weiß zu berichten, dass die Nazi-Zeit juristisch keine Sonderrechtszeit war. Trotzdem: Wei politisch die Deutschen heute ziemlich willenlos sind, können Dres. Schuster und Co, ohne auf Opposition zu treffen, ihre geschichtlichen Revisionen durchziehen.

Nun scheinen die Herrschaften aber doch zu hoch zu pokern, bzw. Ihr Blatt zu überreizen. Ihre Inquisition nimmt sich inzwischen auch grundrechtlich geschützte Segmente des sozialen Lebens, die Kunst und die Meinungsfreiheit vor. Es wird den metökenden Palästinensern z. B. verboten, zu demonstrieren, weil „antisemitische“ Parolen skandiert werden könnten, bzw. weil solche schon ausgerufen worden seien. Dies verletze die Rechte der Juden. Sie fühlen sich beleidigt. Sollte tatsächlich ein arabischer Lausejunge rufen „(J-Wort), verrecke“, dann wäre dies wohl empörend, aber nicht so gravierend, dass a.) ein Jude um seine Menschenwürde gebracht werden würde noch b.) dass gleich allen Arabern das Protestieren am Jerusalemtag verboten werden muss. Auch der wenig informierte Jude könnte erkennen, dass hier Araber demonstrieren, mit denen die Regierung in Israel nicht gerade zimperlich umspringt. Deswegen protestieren sie.

Eingeschränkt werden soll aber das Demonstrationsrecht bei uns. Das ist schlimm.

Das Gleiche gilt für die Kunst. Auch hier soll der Deutsche nicht mehr sehen dürfen, wie man z. B. in Indonesien die zionistische, und damit westliche, Herrschaft über die palästinensischen Autonomiegebiete sieht. Natürlich kann der Künstler in Jakarta das jüdische Besatzungsregime noch krasser darstellen, aber bei uns wird verboten, es dem Deutschen zu zeigen. Hier liegt das Problem, zumal die „antisemitischen Kunstwerke“ in Indonesien weiter ausgestellt werden können. Der „jüdische“ Angriff richtet sich nicht nur gegen die Kunstfreiheit allein, sondern auch gegen den internationalen Gedankenaustausch. Israel hat das Problem, in der Dritten Welt geächtet zu sein. Müssen wir auch im Kulturbereich Israel folgen?

Die jüdischen Inquisitoren gehen sogar so weit, die Verleihung von Literaturpreisen an französische und dnglische Damen zu vereiteln, weil diese eine BDS-Petition unterzeichnet hätten. Aber ist die BDS wirklich antisemitisch? Viele Juden sagen „nein“.

Noch krasser wird es, Konzerte von Roger Waters verbieten lassen zu wollen, weil dieser auch irgendwelche BDS Petitionen unterzeichnet habe. Allein die Unterzeichnunv einer Petition ist grundrechtlich geschützt (Art. 17 GG). eremy Coburn, der sich zu diesem Thema abstinent zeigte, wurde auch urplötzlich als Antisemit abgestempelt. Es liegt in der Logik politisch links stehender Personen, rechte Politik generell abzulehnen und mit einem antisemitischen Verdycht zu bestäuben, aber inzwischen sind erklärte Linke des Antisemitismus verdächtigt. Simultan berichtet aber ein Pinchas Goldschmid 2023 stolz von seiner Reise nach Jerusalem über Israel, dass eine satte Mehrheit der jüdischen Israelis für den jüdischen Staat in seiner religiösen Ausrichtung seien. Kann den jüdischen Staat ein linker Demokrat als eine Art jüdischen Kirchenstaat noch für akzeptabel halten?

Ich übergehe die historische Frage, ob Israel ein banaler Kolonialstaat sei mit dem Axiom, es sei nicht ein Kolonialstaat, denn das Land gehöre seit Moses (seit 3000 Jahren) „den Juden“, die es nur der bösen Römer wegen hatten räumen müssen, was die Araber veranlasste, es zu squatten. Nun errichten die Juden einen jüdischen Staat auf ihrem ihnen zu Unrecht weggenommenen Grund und Boden, wobei man heute nicht genau abschätzen kann, was das im Detail heißt.
Greifen wir zu einer Analogie. Wilhelm Thiersch hatte 1875 eine Abhandlung über den christlichen Staat verfasst, die durchaus Theodor Herzl als Zeitgenossen als Blaupause für sein Altneuland hat gedient haben können. Thiersch räumt zwar die These der französischen Revolution als richtig ein, dass der Staat selbst ein Atheist sei und sein müsse, verweist aber darauf, dass der Staat auch eine Genossenschaft darstelle, die christlich wäre, so dass der Staat (von 1875) faktisch christlich sein müsse. Übernimmt man diese Argumentation für Israel, so wäre die jüdische Bevölkerung die religiöse Genossenschaft, die dem atheistischen Staat das Gepräge gäbe.

Seit Thiersch haben sich aber die folgenden Generationen dechristianisiert, was die Idee vom christlichen Staat erledigte. Selbst in den USA musste sich das Utah-Territorium von den Regeln des Mormonenstaates befreien, um in die Union aufgenommen werden zu können. Israel bekennt sich also zu prädemokratischen Grundsätzen.

Auch wenn man die Verhältnisse mit denen in Europa vergleicht, kommt nichts anderes bei heraus. Zwar sind noch etwa 50% der Deutschen Mitglied einer Kirche, dürften aber nach David Farbstein eher „Friedhofschristen“ sein, die nur noch ein christliches Begräbnis wünschen. Georg Liebe schrieb über die Juden um 1900, sie seien Menschen wie du und ich, so dass die selbe Dejudaisierung die Idee vom jüdischen Staat erledigen müsse. Das hakt: zwar in den USA geht die Zahl der Talmudgetreuen zurück (Carlo Strenger), aber nicht in Israel. Dort hätten wir nach Auskunft von Pinchas Goldschmid noch länger einen jüdischen Mormonenstaat.

Praktisch ist es so, dass im nicht-kolonialistischen Israel auch Araber mit dem „falschen“ Glauben leben; außerdem identifizieren sie sich – soweit Moslems – auch nur über eine Art Aberglauben. Um hier keine falsche Religion zum Zuge kommen zu lassen, muss es, so lange es Moslems geben wird, beim jüdischen Staat bleiben, auch wenn die Gläubigen zahlenmäßig zurückgehen. Als Ersatz kommt das jüdische Abstammungsbewusstsein zum Zuge. Der Staat bleibt jüdisch, weil die Leute das Sagen haben, die von drei oder mehr volljüdischen Großeltern abstammen. Dieser Realität muss man unbefangen ins Auge sehen.

Hier liegt ein Widerspruch zur Politik der Diaspora der Dres. Schuster und Co im freien Germanien. Die jüdischen Herrschaften spielen politisch immer noch die linke Karte aus und suchen sogar den Schulterschluss mit den „Feinden Israels“ (Karl Lagerfeld), wenn es um obszöne Albernheiten wie die Beschneidung oder um abergläubische Schlachtmethoden geht. In Israel ist heute kein Juden gezwungen, seine Buben beschneiden zu lassen. Für Dres. Schuster und Co wäre dies aber ein Hinweis auf Antisemitismus, die Beschneidung unmündiger Kinder verbieten zu wollen. Religionsfreiheit der Eltern? Sie endet an der Vorhaut einesr selbständigen Rechtsperson. Gleichzeitig vernebeln die Dres. Schuster die rechten Verhältnisse in Israel, wo inzwischen Neonazis zu Ministern aufgestiegen seien (Ajelet Shani).

Inzwischen hat die Politik der Dres. Schuster und Co die neue „Antisemitenliga“ ganz schön anwachsen lassen mit der Folge, dass, was gestern noch „no go“ war, Dank Schuster und Co cool und woke geworden ist. Vor 10 Jahren, z. B. erschien – natürlich auf Arabisch – in einer arabischen Zeitung Ibtisam Azems Roman vom Verschwinden der Palästinenser in Israel. 2019 erschien er auf Englich in den Staaten. Und auf der Suche nach „antisemitischem“ bzw. propalästinensischem Schrifttum wurde er jetzt für das deutsche Publikum entdeckt und verlegt. Das Buch beschreibe die Lage der Palästinenser mit touch für die Zukunft. Denn in der Tat kann Israel – als atheistischer Staat wie als jüdische Gesellschaft – nicht auf die Arbeitskraft der Araber verzichten, gewährt ihnen aber nur mindere, bzw Ausländerrechte. Und das wird erst der Anfang sein von einer Flutwelle „antisemitischer“ Literatur, deren Wassermassen die alte Garde jüdischer Kollaborateure deutscher Vergangenheitspolitk (Norbert Frei) aufgestaut hat. Die „einzige Demokratie in Nah-Ost “ hat noch nicht einmal eine geschriebene Verfassung, keine kodifizierten Menschenrechte, die die „V-Waffenschläge“ nach Gaza relativieren müssten, und ringt seit ihrer Gründung um die Gewaltenteilung nach Montesquieu.

Man kann statt von Kollaborateure der bundesdeutschen Politik auch von „Bärendienern“ an der Diaspira sprechen. Sie machen auch alberne und unrealistische Stücke wie lemmon tree oder die Vögel für ein oberflächliches Publikum, das nach Tatort-Art moralisiert, sehenswert. Denn, „etwas ist faul im Staate Israel“, würde Shakespeare sagen, aber dass die deutsche Diaspora-Führung morsch ist, das sagen ganz aktuell sogar die Leute von der Jüdischen Rundschau.

von Lobenstein