Demokratiedefizit in Deutschland

von Wiltrud Rösch-Metzler

Immer heftiger, immer wilder werden die Angriffe auf Veranstaltungen in Deutschland, in denen Menschenrechtsverletzungen an palästinensischen Kindern, Frauen und Männern und die Rechte der Palästinenser im Mittelpunkt stehen.

Ob in Berlin, Nürnberg, Bremen, München, Frankfurt, Stuttgart oder an kleinen Orten wie Neuss, ob Bürgermeister, Dekane oder DGB-Chefs, überall sehen sich „Besitzer“ von Veranstaltungsräumen, – wohlgemerkt, meist handelt es sich um öffentliche Räume -, unter Druck, eine Raumzusage wieder rückgängig zu machen. Palästina-Veranstaltungen sollen damit in eine Schmuddelecke gedrängt werden. Der brave Bürger soll möglichst nichts mehr mitkriegen von der verheerenden Lage in Gaza, Ostjerusalem und Westbank. Dass es auch anders geht, zeigte 2006 der damalige CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster in Stuttgart, der trotz brachialer Einflussnahme den Festsaal des Rathauses den Veranstaltern eines Jeff Halper Vortrags überließ.

Räume für Palästina-Veranstaltungen zu verbieten, funktioniert nämlich auch nicht mehr; denn die Bürger wissen es besser als die furchtsamen Raum-Inhaber, dass nur eine andere Nahostpolitik eine noch einigermaßen gute Zukunft für Israelis und Palästinenser bieten kann. Was der deutsche Beitrag dazu sein kann, das wollen sie öffentlich und am liebsten mit ihren Politikern diskutieren. Räume für diese notwendige Diskussion zu sperren, stellt ein klares Demokratiedefizit dar. Dies führt zu einem weiteren Vertrauensverlust in die politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Eliten. Auch die staatsräson-begründeten Versuche, Vorträge und Ausstellungen um eine israelische Regierungssicht zu ergänzen, tragen nicht dazu bei, wieder Vertrauen aufzubauen, wenn gleichzeitig weiterhin Israeltage ohne eine Ergänzung aus palästinensischer Sicht stattfinden dürfen. So finden selbst in der kleinsten Gemeinde noch die doppelten Standards statt, die auf der großen politischen Bühne Deutschlands zu beobachten sind. Eigentlich müsste zur deutschen Staatsräson gehören: mehr Demokratie wagen.

Kommentar für die Juni-Ausgabe des „Palästina Journals“ der DPG.

OB Roters Entscheidung – ein „sehr bedauerlicher Beitrag zu antisemitischem Gedankengut“

von Iris Hefets

Sehr geehrter Herr Roters,

Medienberichten in Deutschland und Israel konnten wir entnehmen, dass Sie sich für die Absage der Ausstellung von Breaking the Silence in Köln entschieden haben. Die offizielle Begründung dafür sei, diese Ausstellung passe nicht zu den Feiern des Jubiläumsjahres der diplomatischen Beziehung zwischen Israel und Deutschland.

Dies deutet darauf hin, dass Sie diese Feierlichkeiten lieber eher unkritisch betrachten wollen und damit aber gleichzeitig und unausweichlich mit unseren Steuergeldern eine Verstärkung der „silence“ fördern. Als jüdische deutsche StaatsbürgerInnen bzw. Juden und Jüdinnen, die hier im Lande Steuern zahlen, protestieren wir gegen die Förderung undemokratischer Werte und Vorgehensweisen.  Weiterlesen

Haben deutsche Politiker nicht aus der Geschichte gelernt?

von Albert Ettinger

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters,

Stimmt es wirklich, dass Sie die Ausstellung „Breaking the Silence“ abgesagt haben? Falls ja: Sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass Sie damit, zumindest indirekt, couragierten Menschen einen Maulkorb erteilen? Menschen, die ihr Gewissen dazu treibt, Kriegsverbrechen und gröbste Menschen- und Völkerrechtsverstöße anzuprangern – auch und gerade dann, wenn sie von ihrem eigenen Staat begangen werden. Von einem Staat, der vorgibt, der Staat aller Juden zu sein und sich anmaßt, ausgerechnet in ihrem Namen, im Namen der Opfer von Auschwitz und ihrer Nachkommen zu handeln, wenn er Hunderte palästinensischer Kinder tötet.

Ich kenne sehr wohl, als Germanist und Deutschlehrer, die besondere Rücksicht oder besser Nachsicht, die man in Deutschland glaub,t walten lassen zu müssen, wenn es um die Politik Israels und die Kritik an ihr geht. Auch ich denke, dass aus der jüngeren deutschen Geschichte eine besondere Verantwortung und Verpflichtung deutscher Politik erwächst: Die Nazi-Verbrechen sollten in der Tat dazu führen, dass die wichtigste moralische Maxime deutscher Politik lauten müsste: „Nie wieder!“ Nie wieder Krieg, nie wieder Gewalt und Terror, nie wieder das unbeschränkte, rücksichtslose, brutale Recht des Stärkeren, nie wieder Herrenmenschentum, nie wieder Landraub und Eroberung, nie wieder Entrechtung, Enteignung, Entmenschlichung und Knechtung ganzer Völker! Folgt aber die deutsche Politik dieser Maxime, wenn sie über alle Völker- und Menschenrechtsverstöße Israels hinwegsieht und sich international zum Komplizen seiner Siedlungs-, Annexions- und Aggressionsstrategie macht? Kommt Deutschland seiner aus der Nazi-Vergangenheit resultierenden moralischen Verpflichtung nach, wenn es in Nibelungentreue zu Figuren wie Lieberman und Netanjahu steht und diese sogar gegen jüdische und israelische Kritiker in Schutz nimmt? Schließt die besondere deutsche Verantwortung und Verpflichtung die Liebermans, Sharons, Begins, Jigal Amirs (so heißt der Mörder Jitzchak Rabins) ein, nicht aber die jüdischen Kritiker Israels? (Und auch nicht andere „Opfervölker“ wie Roma, Russen, Serben)?

Als Oberbürgermeister der Stadt Köln und als Sozialdemokrat sollten Sie, sehr geehrter Herr Roters, darauf achten, dass der internationale Ruf Ihrer Stadt keinen Schaden erleidet. Sie werden mir verzeihen, wenn mir Angesichts der Kölner Absage (des Verbots, der Zensur?) einer Ausstellung, die in den Nachbarländern (in Luxemburg, in der Schweiz) großen Zuspruch erfuhr, die Verse eines großen deutschen Dichters in den Sinn kommen, der einst, lange noch vor dem Nazi-Spuk, über Ihre Stadt schrieb:

„Die Flamme der Scheiterhaufen hat hier/ Bücher und Menschen verschlungen; / Die Glocken wurden geläutet dabei / Und Kyrie eleison gesungen. / Dummheit und Bosheit buhlten hier /Gleich Hunden auf freier Gasse …“

Ich bin fest davon überzeugt, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters, dass Sie alles vermeiden werden, was auch nur den geringsten Anschein erwecken könnte, die höchsten Vertreter der Stadt Köln übten sich diesbezüglich in irgendeiner Art Traditionspflege.

Mit vorzüglicher Hochachtung,
Dr. Albert Ettinger
professeur honoraire des Lycée Classique de Diekirch, ehemaliger Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier
132, route de Mersch
L-7432 Gosseldange / Luxemburg

Kölns Oberbürgermeister Roters ein Erfüllungsgehilfe der Israel-Lobby?

von Günter Schenk

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters,

Ihre Entscheidung – ist es Ihre Entscheidung oder haben Sie sich zu einem willigen Vollstrecker von Lobby-Gruppen? – anlässlich der Erinnerung an 50 Jahre Beziehungen Bundesrepublik-Israel, die Ausstellung von Veteranten der Armee Israels „Breaking the Silence“ zu untersagen, ist im höchsten Maß beunruhigend.

Wer das Schweigen über Verfehlungen und Verbrechen brechen will, wo weiteres Schweigen ungewollt zu Komplizenschaft mit Fehlentwicklungen und Verbrechen führt, leistet etwas für gute Beziehungen zwischen unseren Staaten. Wenn Sie aber lieber nicht nur selbst schweigen (was selbst schon die Alarmglocken wacher Bürger läuten lassen müsste), zudem aber andere am Brechen des Schweigens hindern wollen, so bringt das Menschen mit Gewissen in schiere Wut uns Entsetzen.

Dass dafür ein deutscher Sozialdemokrat, Bürgermeister einer traditionell der Toleranz, wie auch „christlichen Werten“ verbundene Großstadt am Rhein Verantwortung übernimmt, ist schlichtweg nicht hinnehbar.

Wie wollen Sie in Zukunft Bürgern Kölns erklären, Bürgerverantworung setzt wache Bürger mit entwickeltem Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft voraus?

Dass Ihre Entscheidung, sehr geehrter Herr Roters, inzwischen weit über deutsche Grenzen, bis nach New York und Tel Aviv Wellen geschlagen hat, sollte Sie
beunruhigen. Ihre Aufgabe, anstelle Erinnerung zu be-, schlimmer noch zu verhindern, muss vielmehr die Förderung von Erinnerungskultur und ständiger Bereitschaft zur Gewissensprüfung von Bürgern sein. Ganz besonders wenn es sich um Befehlen unterliegenden Beamten, Soldatinnen und Soldaten handelt.

Darin haben Sie mit dem Einknicken vor einer schändlisch agierenden Lobby schwere Verantwortung auf sich geladen. Sie haben nicht nur das Ansehen einer der ältesten Städte Deutschlands geschädigt, sondern auch die Gefühle jedes ethisch orientierten Menschen mit Füßen getreten. Mit Ihrem lamentablen Einknicken vor der Botschaft Israels haben Sie beiden, der Stadt Köln und dem Staat Israel, gleichermaßen einen Bärendienst geleistet. Sie haben den übelsten und aus guten Gründen als gefährlich zu bezeichnenden Vermutungen über Macht und Unterwerfung Vorschub geleistet. Das ist gerade für die zwischenstaatlichen Beziehungen Israels zu Europa besonders verwerflich.

Herr Roters, mir fehlen die Worte! Als langjähriger Sozialdemokrat schäme ich mich für Sie.

Günter Schenk, Strasbourg, Frankreich.

– membre du Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la Palestine, Strasbourg.
– Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands SPD (seit 1966)

Deutsche Politiker ohne Zivilcourage

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters,

ich habe mit Entsetzen und tiefster Enttäuschung die Nachricht gelesen, dass Sie nach „Protesten der israelischen Botschaft“ die Ausstellung  „Breaking the Silence“ abgesagt haben. In Zürich stößt diese Ausstellung auf großes Interesse. Der Andrang der Besucher ist „überwältigend“. Auch in der Schweiz hatte die israelische Botschaft kritisiert und alles getan, damit die Ausstellung abgesagt würde. Die Schweizer sind aber nicht eingeknickt, wie Sie und wie es in Deutschland inzwischen Routine ist, wenn es um Ausstellungen wie die „Nakba“, die den israelischen Behörden und vor allem dem israelischen „Hasbara“ (Propaganda)-Ministerium nicht passen.

Wir Deutsche sind leider Opfer von unfähigen, rückgratlosen Politikern, Gewerkschaftsbossen und Kirchenoberen, die nicht den Mut haben, der israelischen Botschaft und dem Zentralrat der Juden zu sagen, dass sie sich gefälligst nicht in kulturellen Angelegenheiten der Deutschen einmischen sollen.

Als Jude und Deutscher, als deutscher Jude, protestiere ich gegen diese Feigheit, gegen diesen Opportunismus und gegen die Verletzung unseres Grundgesetzes, das in Artikel 5 sagt: (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“  

Es sind immer wieder dieselben Organisationen, die diese Freiheit verhindern, weil sie damit den Staat Israel und seine Menschenrechte verletzende Politik schützen wollen. Es sind die Synagogengemeinden geführt und geleitet vom Zentralrat, es ist die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und vor allem ist es auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Alle behaupten immer wieder, auch im Falle der Nakba-Ausstellung, dass solche Ausstellungen „antisemitische Reaktionen hervorrufen könnten“.  Antisemitische Reaktionen würden aber die Absetzung hervorrufen, denn die Bevölkerung ist nicht dumm und nicht naiv und sie hat es nicht gerne, bevormundet zu werden von einer israelischen Botschaft, die besser schweigen sollte und ihren Soldaten ermöglichen sollte, ein anderes Schweigen zu brechen.

Die Ausrede Ihres Amtes, dass man „die Ausstellung nicht zeigen kann, ohne sie in einem größeren Kontext zu stellen“, ist mehr bzw. weniger als dürftig. Welcher „Kontext“ schwebt Ihnen da vor? Mit solchen Ausreden zeigen Sie doch nur, dass Sie der Meinung sind, das „das Volk“ nicht reif ist für solche Ausstellungen, die aber das Willy Brandt-Haus in Berlin bereits gezeigt hat, ohne dass es zu antisemitischen Reaktionen gekommen ist.

Die Ausstellung ist der israelischen Botschaft und dem Zentralrat der Juden, der sich als zweite israelische Botschaft versteht, peinlich. Das ist auch gut so. Aber das darf doch kein Grund sein, sie dem deutschen Publikum zu enthalten.

Zeigen Sie Zivilcourage und nehmen Sie ihre Absage zurück. Die Bürger der Stadt Köln werden es Ihnen danken und auch ich, als ehemaliger Kölner werde es Ihnen danken.

In den Auseinandersetzungen um die Nakba-Ausstellungen haben mehrere Gerichte unabhängig voneinander entschieden, dass die Behörden kein Recht hatten, sich einzumischen bzw. abzusagen. Das könnte auch in diesem Fall passieren, wenn jemand Sie verklagen sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Abraham Melzer

Jüdischer Verleger und Publizist

The Zionist Lobby goes Bananas over BDS

by Ludwig Watzal

Not only the Israeli government but also the Zionist Lobby in the U.S. is going wild about the Boycott, Divestment, and Sanctions (BDS) campaign that is going to start to hurt the Israeli economy. The former minister of finance, Yair Lapid, addressing an audience at Manhattan`s Park Avenue Synagogue to help in the fight against „delegitimization“ of Israel. He used the same rhetoric against BDS that this campaign „is classic anti-Semitism in a modern disguise“. He continued dramatically: „The situation is getting worse. The tide is turning and either we turn it back now or it will sweep over us.” One can ask how long do people accept this worn out argument of anti-Semitism when the criticism is about Israel’s war crimes and the oppression of a defenseless people?

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From Germany, With Hypocrisy: Steinmeier visits the Gaza Strip

by Emran Feroz

On Monday, Germany’s foreign minister Frank-Walter Steinmeier visited the Gaza Strip and “expressed harsh criticism”, as German media outlets put it, after witnessing the destruction of Israel’s last attack in summer 2014. “Life in Gaza is unbearable”, Steinmeier said, adding that the status quo is unsustainable. After hearing such news, one might think that this politician is a bold truth teller and critic of the occupation, a remarkable role for a German Secretary of State. But a closer look shows that Steinmeier has behaved with just as much hypocrisy as many other European politicians who support Israel without reservation. In fact, he may be an even greater enabler of apartheid than any of his peers. Weiterlesen

A Palestinian’s guide to Palestine

by Amer Zahr

have just returned from a two-week trip to Palestine. I am quite sorry that I was not very active online during that time, but Palestine can really eat up one’s time. Family and friends took up about half of my trip. The other half was spent on hummus.

Let me make a quick note here. Even though most Palestinians live outside of Palestine, when we do go there, we don’t “visit.” We “return.” Israel, as you might have read, was able to expel many of us. However, if you do pay attention to numbers, you might realize that she did a quite terrible job of it. We are still a sizable “demographic threat,” getting more “demographically threatening” with every wedding. In any case, one “visits” a place if he is not from that place. He “visits” a place if he has no connection to that place. He “visits” a place that is foreign to him, where he doesn’t speak the language, know the food, or understand the customs. We Palestinians aren’t the “visitors” in Palestine. Someone else is.  Weiterlesen

David Ben-Gurion: Kein Interesse an der Rückkehr des Feindes

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Brief von David Ben-Gurion an Aba Chushi vom 2. Juni 1948.

In der Nähe des Flugplatzes in Haifa gibt es eine Berufsschule, die von der früheren Regierung für Araber gebaut wurde. Die Luftwaffe will diese Schule für ihre Zwecke haben. Stellen Sie bitte fest in welchem Zustand die Schule ist und teilen Sie mir mit, ob es irgendwelche Gründe gegen die Überlassung dieser Schule an die Luftwaffe gibt.

Ich höre, dass Mr. Marius für die Rückkehr der Araber nach Haifa sorgt. Ich weiß nicht wieso das die Sache von Mister Marius ist – aber bis zum Ende des Krieges sind wir nicht daran interessiert, dass der Feind zurückkehrt. Alle Institutionen müssen nach dieser Linie handeln.

Mit freundschaftlichen Gruß

D. Ben-Gurion

Übersetzung aus dem Hebräischen: Abraham Melzer.

Dieses Dokument wurde kürzlich in einem Nachlass gefunden und in London auf einer Auktion versteigert.

Ben_Gurion

David Ben-Gurion mit dem ehemaligen Bürgermeister von Haifa Aba Chushi.