Das unheilvolle Dreieck. Deutschland, Israel und die Palästinenser

von Ludwig Watzal

Am 12. Mai 2015 jährt sich zum 50. Mal die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel. Anlässlich dieses Jahrestages ist ein publizistisches Feuerwerk gigantischen Ausmaßes seitens der politischen Institutionen und der Medien in Planung, das seinesgleichen suchen wird. Anstatt dieses Ereignis zum Anlass zu nehmen, um über das problematische Verhalten der deutschen politischen und medialen Klasse gegenüber dem israelischen Besatzerstaat kritisch zu reflektieren, werden viele Publikationen geplant, die vermutlich den politischen Stuss, der seit fünfzig Jahren unreflektiert abgesondert worden ist, neudrapiert recycelt widergekäut präsentieren werden. Die „Opfer der Opfer“ spielen in diesem neuzeitlichen kolonialistischen Spektakel nur den bemitleidenswerten Folklorepart.

Arn Strohmeyer war bis zu seiner Pensionierung Ressortleiter Politik bei der Tageszeitung „Bremer Nachrichten“. Seither wurde aus ihr der „Weser-Kurier“; diese Zeitung ist völlig ins proisraelisch-zionistische Fahrwasser geraten. Dort schreibt der Konvertit und Zionist Ulrich Sahm, der für seine einseitigen Berichte berühmt-berüchtigt ist. In der Politik-Redaktion arbeitet auch ein gewisser Daniel Killy, ein lupenreiner Zionist, der voiher Pressesprecher der Jüdischen Gemeinde in Hamburg war. Seine Kommentare sind so einseitig und unterirdisch, dass es Beschwerdebriefe an die Verlagsleitung gegeben hat. Diese scheinen ihn etwas gezähmt zu haben.

Neben seinen Veröffentlichungen zum Israel-Palästina-Konflikt gehört der Autor zu den besten deutschen Griechenland- und Kreta-Kennern. Er hat das jährlich stattfindende Festival in Matala auf Kreta mit aus der Taufe gehoben, dafür wurde er zum Ehrenbürger des Ortes ernannt. Zusammen mit dem Italiener Piero Meogrossi, dem ehemaligen Direktor des Kolosseums in Rom, wurde Strohmeyer mit dem Preis der Kulturgesellschaft „Asklepios“ der kretischen Orte Lentas und Kiamou ausgezeichnet.

„Wer Hitler abschütteln will, muss heute die Palästinenser verteidigen“, mit diesem Satz des deutsch-französische Publizist Alfred Grosser habe dieser die ganze unheilvolle Beziehung zwischen Deutschland, Israel und den Palästinensern auf den Punkt gebracht, so der Autor. Auch Avram Burg hat in seinem Buch „Hitler besiegen“ auf diese Tatsache hingewiesen. Kommt vielleicht der deutschen politischen Klasse zupass, dass Hitler niemals „besiegt“ werden soll, damit sie ihre Gedankenlosigkeit gegenüber der Menschenverachtenden Politik der israelischen Besatzungsmacht weiter pflegen kann? Gehört vielleicht auch dazu, dass die politische Klasse Deutschlands unter Berufung auf die Verbrechen der Nazis, Israels verbrecherische Politik gegenüber dem palästinensischen Volk mit den Verbrechen des Holocaust entschuldigt bzw. zu relativieren versucht? Gehören die Menschenrechtsverbrechen der israelischen Besatzungsmacht nach jüngster Definition der politischen Klasse auch zur deutschen „Staatsräson“? Solch unüberlegte Äußerungen der Kanzlerin verdeutlichen, wie einseitig und politisch unbedarft in Deutschland über Israel „gedacht“ wird. Oder handelt es sich doch nur um eine ganz bewusste politische Inszenierung deutscher Politiker, um Israel vor jeglicher Kritik zu immunisieren und die Kritiker als „Antisemiten“ zu diffamieren?

In Deutschland wird über Israel wie über den „Mann im Mond“ diskutiert. Alle wirklich politisch-relevanten Fragen israelischer Besatzungspolitik werden mit den deutschen Verbrechen am deutschen und europäischen Judentum relativiert und gerechtfertigt. Dabei geht es um die Frage, warum die Palästinenser für den europäischen Antisemitismus und die Verbrechen des Holocaust die Zeche zahlen müssen. Ihr Land wurde ihnen genommen, sie wurden 1948 und 1967 zu Hunderttausenden vertrieben, und ihr verbliebenes Land wurde besetzt. Anstatt sich der politischen Verantwortung für die Palästinenser zu stellen, wird sie verdrängt und geleugnet. Deutschland hat gegenüber den „Opfern der Opfer“ ebenso eine moralisch-politische Verantwortung. Deutschland hat bis zur Wiedervereinigung immer wieder das Recht des deutschen Volkes auf Selbstbestimmung betont. Es ist deshalb umso verwunderlicher, dass seitens der Bundesregierung nie ein Wort zum Recht auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes zu hören ist. Deutschland sollte sich endlich zu seiner Mitschuld an der katastrophalen Lage des palästinensischen Volkes bekennen und alles dafür tun, damit der Alptraum der israelischen Besatzungsherrschaft eine Ende findet. Deutschland sollte offensive in den Vereinten Nationen für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser eintreten und das Land diplomatisch anerkennen.

Arn Strohmeyer hat in seinem Buch das ganze Dilemma und die Verlogenheit der deutschen Israel- und Nahostpolitik dargelegt. Dazu gehören u. a.: die Instrumentalisierung des Holocaust, der Philosemitismus als eine Art Entlastungs-Antisemitismus, die Bewaffnung Israels wider alle Waffenexport-Verbote in Krisenregionen, das Schweigen zu Israels Menschrechts- und Kriegsverbrechen wie zum Beispiel während der beiden Massaker im Gaza-Streifen von 2008/09 und 2014, zu Israels Rolle als „imperialer Vorposten“ des Westens sowie seiner quasi-Mitgliedschaft in der NATO und der EU.

Auf dem Höhepunkt des Gaza-Massakers durch die israelische High-Tech-Armee fand in Deutschland eine der politisch groteskesten Demonstrationen in Berlin statt, an der die gesamt politische Klasse – angefangen von Bundespräsident Gauck, über Bundeskanzlerin Merkel, allen Vertretern der politisch relevanten Organisationen und der beiden Großkirchen auf „Einladung“ des Zentralrates der Juden in Deutschland – stattfand. Dort wurde, anstatt über Israels Kriegsverbrechen, über „Antisemitismus“ in Deutschland palavert, weil auf einer Demonstration in Berlin, antisemitischer Parolen gerufen worden seien. Dieser Auftrieb der politischen Klasse, obwohl vor sehr bescheidener Kulisse (4 000 aus dem ganzen Bundesgebiet herangeschaffter Demonstranten), zeigt, wie schräg in Deutschland über den Nahostkonflikt und seine vermeintlichen Nebeneffekte diskutiert wird.

Arn Strohmeyer hat in journalistisch-hervorragender Weise alle diese Widersprüche und politischen Absurditäten pointiert in seinem Buch zusammengestellt. Ob die politische Klasse es zur Kenntnis nimmt, scheint, wie die Erfahrung lehrt, eher zweifelhaft, da sie sich ihren immunisierenden Kokon nicht selber zerstören will. Aber vielleicht wird eines Tages eine Protestbewegung ihr diesen Schutzpanzer vom Leibe reißen und sie als politisch „nackt“ bloßstellen, wie es weiland auf vielen anderen Politfeldern geschieht. Strohmeyers Buch wird dafür die nötigen Argumente liefern, die nötig sind, um eine neue deutsche Nahostpolitik zu begründen, denn dafür ist die Zeit mehr als überfällig. Der bevorstehende Jahrestag wäre eine passende Gelegenheit. Vielleicht nutzen ihn die Palästinenser, um die doppelten Standards der deutschen Politikerklasse der Öffentlichkeit bewusst zu machen.

Ein politisch mutiges und überaus lesenswertes Buch.

Erschienen auch hier.

Arn Strohmeyer, Das unheilvolle Dreieck. Deutschland, Israel und die Palästinenser. Plädoyer für eine andere Nahostpolitik, Gabriele Schäfer Verlag, Herne 2014,  € 19,50.

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