Es gibt keinen Grund, Juden zu lieben, nur weil sie Juden sind.

Seitdem ich in Deutschland lebe, seit 62 Jahren, ist Antisemitismus ein Thema, mit dem ich mich fast täglich auseinandersetzen musste. Gleichzeitig muss ich aber gestehen, dass mir persönlich Judenhass nie begegnet ist. Dennoch: Während Nichtjuden lernen müssen, was Antisemitismus ist, habe ich es seit meiner Geburt mit der Muttermilch gesogen und in meinen Genen konserviert. Wenn ich zuerst Angst vor Antisemitismus hatte und später Hass, so hat es sich im Laufe der Jahre in Nichtbeachtung verwandelt, je mehr sich der Antisemitismus politisierte und als Instrument der israelischen Propaganda geworden ist.

Als Jude hat man einen anderen Blick auf Antisemitismus als ein Antisemitismus-Beauftragter, der nicht wissen kann, wie sich Juden fühlen, wenn er Menschen als Antisemiten, also als Judenhasser, bezichtigt, die Juden gar nicht hassen, sondern nur Israels Politik kritisieren, und das nicht einmal scharf genug, weil sie Angst haben, als Antisemiten diffamiert zu werden. Das ist eine Verharmlosung des Antisemitismus, eine Manipulierung und Politisierung und schließlich lächerliche Deutung des Begriffs. Wenn jemand, der mit BDS sympathisiert, allein deshalb schon ein Antisemit ist, dann kann man Antisemitismus nicht mehr ernst nehmen und die echten Antisemiten, die es leider noch gibt, die Israels Behandlung der Palästinenser gutheißen, reiben sich die Hände und bedanken sich bei Felix Klein und seinen Kollegen. Unterstützt werden diese noch von jüdischen Funktionären à la Charlotte Knobloch, die sich nicht zu schade is, einen jüdischen Kritiker der israelischen Politik einen „berüchtigten Antisemiten“ zu nennen. Da wundert man sich nicht, wenn der Beifall von der AfD kommt, die solche Beschützer Israels, wie z. B. Henryk M. Broder, zu Vorträgen einlädt und sich mit ihm vor Kameras in Pose werfen.

Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte, ist wie ein Evangelikaler, der die Juden am liebsten missionieren würde, um sie später zu Seinesgleichen zu machen. Er liebt die Juden, aber es ist eine verlogene Liebe. Genauso gut könnte er sie auch hassen. Es gibt nämlich überhaupt keinen Grund, Juden zu lieben, nur weil sie Juden sind, denn das ist auch das Merkmal des Antisemitismus, dass man Juden hasst, nur weil sie Juden sind. 

Man kann als Jude besser beurteilen, was Juden verletzt. Kritik an der israelischen Politik kann und darf es jedenfalls nicht sein. Man sollte sich darauf einigen, dass Antisemitismus nicht mehr und nicht weniger ist als Rassismus gegen Schwarze. In diesem Fall ist alles, was die Würde des Menschen verletzt ein Verstoß gegen unsere Verfassung, die in Artikel 1 festgelegt hat, dass die Würde des Menschen unantastbar sei.

Antisemitismus ist eine Verletzung der Menschenwürde von Menschen, nur weil sie Juden sind, so wie Rassismus eine Verletzung der Menschenwürde von Menschen, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben. Als Jude, Schwarzer oder Araber hat man einen ganz anderen Blick auf Rassismus, als ihn Weiße haben, die nie wegen ihrer Hautfarbe, Abstammung oder Religion benachteiligt, diffamiert, verfolgt oder gedemütigt wurden. Schon allein die Tatsache, dass der Staat einen Beamten beauftragt, die Juden zu schützen, zeigt, dass der Staat die Juden als etwas Besonderes sieht, als Menschen, die man von der nichtjüdischen Bevölkerung absondern und trennen muss, um sie zu schützen. Es stellt sich sofort die Frage, warum nur die Juden? Warum werden die Moslems nicht durch einen Beauftragten geschützt, oder die Frauen, oder die Schwulen und Lesben? Und warum werden die Palästinenser nicht geschützt, die schließlich Opfer der Opfer sind.

Warum immer wieder die Juden? Mal werden sie besonders brutal verfolgt und mal werden sie besonders beschützt, als stünden sie unter Denkmalschutz. Warum ist jemand, der Israels Politik kritisiert oder mit dem Widerstand der Palästinenser sympathisiert, ein Antisemit, auch wenn er selbst Jude ist? Wie kommt denn ein nichtjüdischer Antisemitismusbeauftragter dazu, Juden als Antisemiten zu diskreditieren, nur weil sie Israels Politik ablehnen?

Seit zwei Jahren sitzt ein Antisemitismusbeauftragter mit einem gewaltigen Stab an Mitarbeitern im Innenministerium, verursacht Kosten und hat bis heute eigentlich nichts getan, zumindest nichts erreicht, außer Beleidigungen, Diskriminierungen und Forderungen nach Einschränkung der Meinungsfreiheit, die, gottseidank, keiner ernst genommen hat. So brüllt er weiter gegen international bekannte und anerkannte Intellektuelle und gegen die palästinensische BDS-Bewegung, die seiner Meinung nach Israel vernichten möchte, und ignoriert die Meinung und die Forderung tausender von israelischer und jüdischer Menschen, die inzwischen auch schon seine Abberufung verlangen. Seit zwei Jahren hören wir von ihm und von den vielen anderen Beauftragten gegen Antisemitismus, nur absurde und lächerliche Forderungen, wie z. B. die Forderung nach höheren Strafen oder Verbot der BDS-Bewegung. Uwe Becker; Bürgermeister und Kämmerer von Frankfurt,  will den Antisemitismus mit dem Strafrecht „bis in die Wohnzimmer hinein bekämpfen“. Steht ihm da nicht unser GG im Wege?

Ich lese die israelische Presse und bin entsetzt. Ich habe das alles zwar kommen sehen, aber jetzt, wo es da ist, kann man es kaum glauben. Israel wird von zwei Mafia-Bossen regiert. Der eine ist raffiniert und skrupellos und der andere dumm und naiv, dabei aber nicht weniger korrupt und skrupellos. Vor zwanzig Jahren war Israel schon eine Demoktatur. Inzwischen ist es das geworden, was schon seit mehr als zwanzig Jahren prognostiziert wird, ein Apartheid-Staat. Israel hat ein Parlament, dass sich mitnichten um die Sorgen und Probleme des Volkes kümmert, sondern nur noch um Posten, Titel und Etas streitet. Die aufgeblasene israelische Regierung von Benjamin Netanjahu und Benjamin Gantz hat es uns deutlich und sehr anschaulich gezeigt. Wer aber darüber in der deutschen Presse schreibt, wird von Klein und Becker als Antisemit diffamiert.

Was ich da über Benjamin Gantz lese, ist unglaublich aber offensichtlich wahr. Er ist noch korrupter als Netanjahu. Die Welt schaut zu und lacht sich ins Fäustchen und denkt, ja, so sind sie die Juden. Die Israelis sind, wie man sieht, ein genauso dummes Volk, wie viele andere. Es lässt eine schwache, aber totalitäre Machtelite zu und jubelt. Es akzeptiert ein Büro des Ministerpräsidenten und eines des zukünftigen Ministerpräsidenten und all die Kosten, die damit und mit all den anderen Büros und dem Schutz der Familien des Ministerpräsidenten und zukünftigen Ministerpräsidenten verbunden sind. Man könnte lachen, wenn man nicht weinen müsste.

Israel delegitimiert sich selbst. Was wir in den letzten Wochen gesehen haben, war ein Trauerspiel, das ein Shakespeare nicht besser hätte inszenieren können. Ich bin froh, dass ich schon vor 20 Jahren meine israelische Staatsbürgerschaft zurückgegeben habe. Was kann und soll man von einem Staat halten, wenn eine Ministerin protestierend die Knesset verlässt, weil der jüdische Stardirigent Daniel Barnboim aus der israelischen Unabhängigkeitserklärung vorliest und die Ministerin behauptet, er würde damit Israel beleidigen. Kennt die Ministerin und offensichtlich das ganze Parlament nicht die eigene Verfassung? Die Unabhängigkeits-Erklärung ist demnach eine Beleidigung für Israel und die Minister der Likud schämen sich wegen dem, was da niedergeschrieben steht.  Israel wollte eine Demokratie sein, „ein Licht für die Völker“, und ist am Ende ein fast faschistischer Staat geworden. Eine Schande für die Israelis und für die Juden. Ich schäme mich für Israel ebenso wie Daniel Barnboim, der es kürzlich öffentlich gebeichtet hat. Und seitdem im Kabinett in Israel eine Ministerin sitzt, die sich offen für den Faschismus bekannt hat, ist der Staat auf dem besten Weg, ein echter faschistischer Staat zu werden. Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm. Benjamin Netanjahus Vater war Sekretär des Mussolini-Verehrer Vladimir Jabotinsky und selbst ein Anhänger des Duce.

Man kann nur hoffen, dass es bald zu Ende geht und Israel zu Recht und Moral zurückfindet oder im Chaos untergeht. Ich bin da aber sehr skeptisch. Ich fürchte Netanjahu und Gantz würden auch noch die Dummheit begehen, die sie im Koalitionsvertrag dem Volk versprochen haben: Das Jordantal annektieren. Damit würden sie nur die Lunte an das Pulverfass legen. Damit wird das Ende des „dritten jüdischen Reiches“ näherrücken, denn wie lange noch wird sich die Welt das gefallen lassen, und vor allem, wie lange noch werden die Palästinenser diese Ungerechtigkeit  erdulden können oder wollen?

Das alles sehen aber die deutschen Antisemitismusbeauftragten nicht. Sie verfolgen diejenigen, die das sehen und kritisieren. Sie wollen Israel vor Israelis und Israeli vor sich schützen und merken nicht, dass sie nur noch mehr Öl ins Feuer gießen. Uwe Becker, der Hessische Antisemitismusbeauftragter und Präsident der DIG, der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft, fordert öffentlich die Verschärfung des Strafrechts für die Bekämpfung von Volksverhetzung. Unter „Volksverhetzung“ versteht er die Verbreitung von Antisemitismus „von einer zu anderen Person“, als ob es sich um eine Corona-Virus-Epidemie handelt. Becker leidet an einem permanenten „antisemitischen Grundrauschens“, der ihm keine Ruhe gönnt und zum aggressiven Verfolger des Antisemitismus „von Wohnzimmer zu Wohnzimmer und von Klassenraum zu Klassenraum“ macht. Da müsste man doch die Wohnzimmer und Klassenräume unter Quarantäne stellen, damit der Virus sich nicht weiterverbreitet. Becker und Klein meinen die „zerstörerische Kraft des Judenhasses“ und nennen immerfort die berechtigte Kritik an Israels Politik, die für sie Judenhass bedeutet.

Judenhass ist aber nur, wenn man Juden hasst, nur weil sie Juden sind. Das ist aber bei einer berechtigten und notwendigen Kritik an Netanjahus Politik nicht der Fall. Man muss nicht Antisemit sein, um Israels Politik zu kritisieren. Man muss nur einen gesunden Menschenverstand haben und die Würde des Menschen achten. Ein nichtjüdischer Antisemitismusbeauftragter kann aber über Antisemitismus reden, wie ein Mann über eine Schwangerschaft. Er wird vielleicht viel darüber gelesen haben, hat es aber nie erlebt und wird es auch nie erleben, und kann es auch nicht verstehen und sollte deshalb schweigen. Ein Felix Klein oder Uwe Becker werden nie begreifen, wie ein Jude sich fühlt, der antisemitisch diskriminiert wird und reden deshalb über Antisemitismus wie Blinde von der Farbe.

Ein Gedanke zu „Es gibt keinen Grund, Juden zu lieben, nur weil sie Juden sind.

  1. Alles, was Abi Melzer über das zionistische Regime in Palästina sagt, ist zutreffend.
    Peinlich hingegen ist sein Antisemitismus-Verständnis und noch problematischer ist sein Verständnis vom „Juden“,
    Dass nur ein Jude beurteilen könne, was „antisemitisch“ sei, ist reinster Biologismus, sprich: Rassismus im Sinne des jüdischen Selbstverständnisses 5. Mose 7, 3-4.

    Melzers Verständnis vom „Juden“ hingegen ist biologistisch, gibt es doch ansonsten kein Identitätskriterium für DEN Juden. Melzer schreibt: „Merkmal des Antisemitismus, dass man Juden hasst, nur weil sie Juden sind. “
    Melzer definiert Antisemitismus also wie ein Zionist: DER ZIONISTISCHE ANTISEMITISMUSBEGRIFF https://wp.me/sxqev-4289, nämlich als persönliche Einstellung und Haltung eines Individuums, bevorzugt als persönlicher Hass, also als ein psychologisches, ein rein individualistisches Phänomen und deshalb überhaupt nicht reserviert für Juden, gehört Hass doch zur Humanitas, was jeder aus eigener Erfahrung bestätigen kann.
    Melzer vermeidet deshalb auch die Definition dessen, was ein Jude ist, denn er müsste sich ansonsten für sein biologistisches Verständnis von DEM Juden als Rassist bezeichnen lassen bzw. selbst bemerken, dass er rassistisch argumentiert.
    Abi Melzer unterscheidet sich diesbezüglich nicht von den Zionisten Netanjahu und Gantz, weil er deren Ideologie von der Existenz DES Juden – nebenbei gesagt: der Hauptgrund für den jahrtausendealten Judenhass ist dieses jüdische Selbstverständnis, nicht persönlich, sondern völkisch definiert zu sein – ebenfalls propagiert.
    Beispiel: „Antisemitismus ist eine Verletzung der Menschenwürde von Menschen, nur weil sie Juden sind“ – ein völkisches Verständnis von DEM Juden (den es, was ja Melzer selber feststellt, in Wirklichkeit gar nicht gibt!), das zionistischerseits keiner anderen Nation zugestanden wird und das – nebenbei bemerkt – die Affinität der AfD, der FPÖ oder des FN zum zionistischen Regime Israels verstehen hilft.
    Es gibt in der Tat überhaupt keinen Grund, einen Menschen aus völkischen Gründen zu „lieben“ – wobei, nebenbei bemerkt, „lieben“ das Kritisieren einschließen muss, will Liebe nicht als Hörigkeit dastehen.

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