Als Jude hat man einen anderen Blick auf Antisemitismus als ein Antisemitismus-Beauftragter, der sein Wissen aus dem Internet bzw. Wikipedia bezieht. Seit zwei Jahren, seit er in sein Amt versetzt worden ist, kämpft er angeblich gegen Judenhass, in Wirklichkeit aber gegen die Kritik an Israels völkerrechtswidrigen Politik. Sein langer Titel „Bundesbeauftragter für jüdisches Leben in Deutschland und Kampf gegen Antisemitismus“ ist irreführend und verlogen. Zwar sei der Bundeskanzlerin sehr daran gelegen gewesen, dass da stehe, er sei auch für und nicht nur gegen etwas, aber davon hat man bisher noch nichts gemerkt. Felix Klein ist immer nur dann aufgefallen, wenn er gegen etwas war. Jüdisches Leben in Deutschland scheint ihm vollkommen gleichgültig zu sein. Er sieht seine Aufgabe darin, international gegen Antisemitismus vorzugehen und was Antisemitismus ist bestimmt er allein.
„Herr Klein hat überreagiert und sich nicht sachkundig gemacht“, rügte der jüdische Publizist Micha Brumlik und die US-amerikanische Philosophin Susan Neimann befand, dass er an der falschen Seite gegen Antisemitismus kämpft, nämlich an der Seite der Antideutschen und Angelikaner, die sich Israel freundlich geben aber in Wirklichkeit Antisemiten sind. Viele haben inzwischen den Eindruck, dass er sein Metier nicht beherrscht und dass es nicht reicht, sich bei Wikipedia zu informieren.
Sein „großes Anliegen“ sei, „den Menschen in Deutschland klarzumachen, dass Antisemitismus kein Problem der Juden ist, sondern der Gesellschaft“. Sind denn die Juden kein Teil der Gesellschaft? Ist es nicht ein Frevel der Antisemiten gewesen, die Juden immer außerhalb der Gesellschaft zu stellen? Das ausgerechnet der Beauftragte für jüdisches Leben in Deutschland einen Unterschied zwischen Juden und der übrigen Gesellschaft macht, zeigt doch mehr als deutlich, dass er sein Amt nicht verstanden hat. Für ihn ist „jüdisches Leben ein Wunder“ und er zeigt damit, dass er von jüdischem Leben keine Ahnung hat. Wie oft ist „jüdisches Leben“ in Europa, besonders in Deutschland, zerstört, vernichtet und verbrannt worden und wie oft ist es wieder entstanden? Wie oft wurden Juden vertrieben? Wie oft kamen sie immer wieder zurück, weil Deutschland auch ihr Heimatland war.
„Nächstes Jahr in Jerusalem“ war doch nur eine leere Gebetsfloskel, die niemals zum Zionismus und zur Auswanderung nach Israel führte. Erst der rabiate Völkermord der Nazis hat dazu geführt, dass ein Staat Israel entstehen konnte. Da waren sich Nazis und Zionisten sogar einig. Das war auch weniger mittelbar, als unmittelbar durch die Entscheidung bei der UNO von 1947, die nichts mehr und nichts weniger als das schlechte Gewissen der Völker offenbarte, die zugeschaut haben wie die Nazis Juden morden und nichts getan haben.
Was hat denn Klein für das jüdische Leben in Deutschland getan? Was hat er erreicht? Er selbst bezeichnet es als seinen persönlichen Erfolg, den umstrittenen Beschluss des Bundestags, die Boykottbewegung BDS als antisemitisch einzustufen und bei seinem peinlichen Angriff auf den afrikanischen Intellektuellen Achile Mbembe beruft er sich ausgerechnet auf diesen Beschluss, den er selbst herbeigeführt hat. Und zur Zeit konzentriert er sich darauf, das Gleichbehandlungsgesetz zu erweitern, damit Kuweit Airlines sich nicht länger weigern kann, israelische Passagiere zu befördern. Als ob El Al arabische Passagiere ohne weiteres befördern würde. Bei meinem vielen Reisen mit El Al ist mir noch nicht aufgefallen, dass arabische Passagiere, zumal solche mit Pässen feindlicher Staaten, an Bord willkommen bzw. überhaupt anwesend sind. Was ich aber gesehen habe ist wie Araber mit israelischem Pass, also Israelis, bis auf die Unterhosen ausgezogen wurde, nur weil sie Nichtjuden waren, und, als man nichts gefunden hat, stehen gelassen wurde als hätten sie Lepra.
Ist es die Aufgabe eines Beauftragten für jüdisches Leben, sich um Kuwait Airways zu kümmern? Wenn an Bord eines Passagierflugzeugs die Hoheit der Bundesrepublik aufhört und das Recht des Staates anfängt, dem das Flugzeug gehört, dann darf doch Kuwait selbst entscheiden, ob israelische Staatsangehörige mitfliegen dürfen, zumal in diesem speziellen Fall, der in der Presse Schlagzeilen gemacht hat, der Passagier nicht nur Israeli, sondern auch Deutscher war. Warum hat er nicht seinen deutschen Pass benutzt? Natürlich ist das eine rein rhetorische Frage, denn alle wissen doch, dass der Vorfall eine Provokation war. Vielleicht aber nicht alle. Felix Klein scheint es nicht zu wissen oder wissen zu wollen. Er will dranbleiben. Man dürfe nicht lockerlassen.
Um zu zeigen wie philosemitisch, also Juden liebend, Klein ist, musiziert er am liebsten „Stücke jüdischer Komponisten, Mendelssohn zum Beispiel“. Jakob Ludwig Felix Mendelssohn Bartholdy war aber ein deutscher Komponist, Pianist und Organist und seit seinem sechsten Lebensjahr evangelisch. Er gilt als einer der bedeutendsten Musiker der Romantik und setzte als Dirigent neue Maßstäbe, die das Dirigieren bis heute maßgeblich prägen. Seine Musik ist eher christlich geprägt und hat gar keine jüdischen Elemente. Wenn Klein jüdische Musik spielen wollte, warum nicht die ostjüdische Klezmer Musik? Weil seine ganze Nähe zum Judentum verlogen und peinlich ist. Jüdisch war Mendelssohn nur für Antisemiten.
Die Frage ist aber, wer hinter Klein steht und wer ihn dirigiert. Darauf gibt Klein eine ehrliche Antwort: „Auch ich könnte meinen Job nicht mehr machen, wenn der Zentralrat der Juden kein Vertrauen in mich hätte.“ Und er gibt zu, dass es einen israelbezogenen Antisemitismus gäbe, bei dem der kritische Umgang mit Israel den Israelis offenbar zu weit geht. Auf die Frage ob es gerechtfertigt war, dass Ministerpräsident Netanjahu deshalb bei der Kanzlerin interveniert, antwortet Klein kurz und bündig: „Nein“. Ob ihm das zu Fall bringt?
Das bestätigt, was wir schon seit langem beobachten, dass nämlich der Zentralrat und die israelische Regierung sich regelmäßig in innenpolitische Debatten einmischen und dafür sorgen, dass Kritiker der israelischen Politik von der Bühne verschwinden oder gar nicht auf die Bühne gelangen. Man fragt sich ob Netanjahu und Schuster keine anderen Sorgen und Aufgaben haben, als sich darum zu kümmern, wer die Eröffnungsrede bei der Ruhrtriennale hält. Und man fragt sich, wie es gekommen ist, dass der Begriff Antisemitismus zur Waffe mutiert und zur Keule wurde? Wann ist Kritik an der israelischen Politik bloße Kritik und wann ist sie Judenfeindlichkeit? Judenfeindlichkeit ist doch verkürzt Hass auf Juden, weil sie Juden sind. Was hat das mit Kritik an Israels Politik zu tun? Wenn ich Polens oder Ungarns Politik kritisiere, was inzwischen oft genug auch von unserer Bundeskanzlerin gemacht wird, dann bin ich doch kein Gegner des Christentums. Nur bei Israel ist es anders. Die westliche Welt hat ein solch schlechtes Gewissen gegenüber den Juden, dass sie sich alles gefallen lässt, jede Chuzpe, Unverschämtheit, und jede noch so schwere Verletzung des Völkerrechts.
Wo liegen die Grenzen des Amtes von Felix Klein, fragt der SPIEGEL. Die Antwort gibt das Magazin aber auch: „Klein sei moralisch nicht mehr in der Lage, den Kampf gegen Antisemitismus zu führen. Er habe aus diesem Kampf ein Instrument zur Förderung von Rassismus und gesellschaftlicher Spaltung gemacht.“ Das schrieben zwar „nur“ afrikanische Intellektuelle, aber es trifft zu und entspricht auch der Meinung tausender und hunderttausender Israelis und Juden überall auf der Welt. Klein meint zwar, dass es auch Juden gibt, die „mich sehr unterstützen“, aber solche Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Von dem, was in seinem Titel steht, auch für etwas zu sein, für ein jüdisches Leben in Deutschland, haben wir bisher noch nichts gesehen und vernommen.
Gemessen an seinen eigenen Ansprüchen, ist seine Bilanz gut, aber das bedeutet nur, dass seine Ansprüche sehr bescheiden, um nicht zu sagen, sehr ungenügend sind. In einem solchen Amt können die Ansprüche nicht hoch genug sein. Er begnügt sich damit, dass die antisemitischen Übergriffe nur im Netz passieren. Dass das überhaupt erwähnt und auch noch gezählt wird, zeigt doch auf welchem Niveau sein Amt arbeitet. Wir wissen doch alle, wie viel Mist im Netz verbreitet wird. Sich damit zu beschäftigen ist Wahnsinn und zwecklos, weil man damit nichts ändern wird. Es wird immer Idioten geben und offensichtlich auch solche, die sich obsessiv und masochistisch mit diesen Idioten, Rassisten, Nazis und Antisemiten beschäftigen werden. Dabei ist doch Kleins Aufgabe in seinem Amt, sich um jüdisches Leben zu kümmern. Wann und wo hat er das getan? Doch nicht etwa als er die Deutschen aufgefordert hat mit Kippa zu gehen. Etwas absurderes und sinnloseres habe ich noch nicht erlebt. Frommen Juden ist es verboten mit Kippa in der Öffentlichkeit zu gehen. Deshalb tragen sie einen Hut über der Kippa. Aber woher soll das Herr Klein wissen? Vielleicht weiß es auch sein Betreuer vom Zentralrat, Josef Schuster, nicht, der von Beruf Arzt ist.
Zum umstrittenen Beschluss des Bundestags die palästinensische und inzwischen internationale Boykottbewegung BDS als antisemitisch einzustufen und damit die Meinungsfreiheit zu beschränken, gibt es seit einiger Zeit einen Streit vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die SZ hat neulich berichtet: „Gericht will städtischen BDS-Beschluss kippen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht die Meinungsfreiheit unzulässig beschränkt.“ Wenn der Beschluss der Stadt München kippt, fällt auch der Beschluss des Bundestags. Dann könnte Herr Klein behaupten, dass der Verwaltungsgerichthof antisemitisch sei. Der Streit geht dann eine Etage höher und am Ende wird auch der Europäische Verwaltungsgericht entscheiden, dass der Beschluss des Bundestags gegen europäisches Recht verstößt und zurückgenommen werden muss.
Was macht dann Herr Klein?
„Wenn der Beschluss der Stadt München kippt, fällt auch der Beschluss des Bundestags.“
Sehr zu hoffen!