von Ludwig Watzal
Es war zu erwarten, dass Präsident Donald Trump das Nuklearabkommen mit dem Iran verlässt, das die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland mit dem Iran abgeschlossen haben. Das Abkommen war ein großer Erfolg Obamas, schon deshalb musste Trump es zerreißen. Die Vereinbarung beinhaltet, dass Iran sein Nuklearprogramm vollständig einstellt und im Gegenzug die drakonischen Sanktionen des Westens aufgehoben werden.
Bisher hat sich Iran minutiös an die Vereinbarungen gehalten, was die Inspektoren der Internationalen Atomenergie Agentur (IAEA) in Wien regelmäßig bestätigt haben. Selbst der jetzige amerikanische Außenminister Mike Pompeo hat dies bei seiner Anhörung vor dem US-Senat noch bestätigt. Auch Verteidigungsminister James Mattis war dergleichen Meinung. Die anderen fünf Unterzeichnerstaaten sprachen sich für das Verbleiben der USA in diesem Abkommen aus.
Ganz anderer Meinung war Israels Benjamin Netanyahu. Er hat den Iran seit Mitte der 1990er Jahre dämonisiert und seither alles getan, um das Abkommen zu Fall zu bringen. Was ihm unter Präsident Obama nicht gelungen ist, hat ihm nun Trump auf dem Silbertablett präsentiert. Gegen dieses Nuklearabkommen waren neben Israel noch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, eine nicht gerade vorzeigbare Unterstützerkoalition.
Die USA sind unter Trump vertragsbrüchig geworden. Das Wort der USA gilt nichts mehr. Kim Jong-un sollte sich auf mögliche Zusagen von Trump nicht verlassen. Seine Nuklearwaffen darf er nicht abgeben, da es ihm sonst wie Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi ergeht.
Trumps Rede enthielt außer wirrer Politrhetorik und Propaganda nichts Vernünftiges. Seine Karikierung des Iran hätte besser auf Israel zugetroffen, das alles tut, um das Chaos im Nahen- und Mittleren Osten noch zu befeuern. Trump berief sich in seiner Rede ausdrücklich auf Netanyahus Reality Show, in der er alte Kamellen über das iranische Nuklearprogramm mediengerecht und reißerisch zum Besten gab, und zwar auf Englisch. Sein Hauptadressat war Donald Trump, der diesen Unsinn bestimmt live verfolgt hat.
Die Dämonisierung des Iran, die Trump dem Publikum vorsetzte, hätte auch von Netanyahu stammen können. Nicht der Iran verbreitet Terror im Mittleren Osten, sondern Israel, die USA und Saudi-Arabien. Sie bilden die neue „Achse des Bösen“ und haben Iran, Nord Korea und Syrien als „Schurkenstaaten“ abgelöst. Alle drei Länder brechen permanent Völkerrecht, missachten die Menschenrechte und führen Krieg gegen andere Völker. Israel seit 70 Jahren gegen die Palästinenser, die USA seit 2001 gegen Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen und demnächst gegen den Iran. Saudi-Arabien bombardiert seit zwei Jahren den Jemen und hat in diesem Land eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes ausgelöst.
Es bleibt abzuwarten, wie lange die Europäer gegenüber diesen Schurkenstaaten noch im Iran-Deal verharren. Trump hat bereits mit Strafmaßnahmen gegen alle Firmen gedroht, die weiterhin mit dem Iran Geschäfte machen. Dieser Art der Erpressung müssen Europa, Russland und China widerstehen, wenn sie sich nicht lächerlich machen wollen. Die Politik dieser Länder muss darauf abzielen, die „Achse des Bösen“ in der internationalen Politik zu isolieren.
Die Frage nach einem so genannten Plan B wurde immer wieder gestellt und so getan, als ob diese Schurkenstaaten keinen hätten. Natürlich haben sie einen Plan B, und zwar politische Destabilisierung, Regimewechsel und wenn diese Maßnahmen nicht funktioniert, wird Iran mit Krieg überzogen. Einen solchen wollte Netanyahu schon unter Präsident Obama anzetteln, wurde aber von seinen eigenen Geheimdienstleuten und dem Militär ausgebremst. Auch bei Obama konnte er sich mit seinen gefährlichen Ansichten nicht durchsetzen. Netanyah will, dass die USA den Krieg für Israel führen so wie im Irak.
Mit Trump sitzt nun eine Reality-TY-Star im Weißen Hause, der nicht nur unberechenbar, sondern gegenüber Netanyahu auch noch extrem beinflussbar ist. Desweitern hat er mit John Bolton einen politischen Hardliner als Sicherheitsberater an seiner Seite, der sich bereits des Öfteren für die Bombardierung Irans ausgesprochen hat. Auch Außenminister Pompeo gehört zu den Hardlinern, die nur Verachtung für Iran übrighaben. Zu den Kriegsbefürwortern gehören auch weite Teile der zionistischen Israellobby sowie deren Unterstützer im US-Kongress. Langfristig läuft alles auf eine militärische Konfrontation mit Iran hinaus.
Für die USA könnte sich dieser Ausstieg und Vertragsbruch als verhängnisvoll erweisen. Für Netanyahu konnte es nicht besser kommen, ja mehr Chaos in den Nachbarstaaten des Nahen Osten herrscht, desto besser für Israel. Israel hat sich nach dem Yinon-Plan immer für die Zerschlagung der Staaten entlang ethnischer Linien eingesetzt. Iran ist der letzte Staat, der gemäß diesem Plan zerschlagen werden muss, damit Israels Hegemonie sich vom Iran bis nach Marokko erstrecken kann. Iran ist der letzte Dominostein in dieser Kette.
Aber oft kommt es in der Politik anders, als man denkt. Der von den USA, Israel und Saudi-Arabien angestrebte Regimewechsel im Iran könnte schneller in den USA, Israel oder Saudi-Arabien kommen als gedacht. Sollten die Demokraten bei den Zwischenwahlen im Herbst die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zurückgewinnen, könnten sie ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aufgrund seiner nicht enden wollenden Skandale und dubiosen Machenschaften einleiten. Netanyahu sieht sich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt, die zu eine Anklagerhebung führen könnten. Auch im saudischen Königshaus gärt es. Der vermeintliche Kronprinz Mohammed bin Salman hat sich durch seinen Kampf gegen „Korruption“ unter der Prinzenschaar viele Feinde gemacht. Auch dort sind im wörtlichen Sinne die Messer bereits gewetzt.
Also Regime Change nicht im Iran, sondern eher in den USA, Israel und Saudi-Arabien?
Zum Thema Plan B hat der israelische Journalist Bradley Burston am 20. März 2003, d.h. zu Beginn des Zweiten Irakkrieges, in der Haaretz Online Edition Teile aus einem kurz zuvor geführten Interview des israelischen Channel One mit dem vormaligen Ministerpräsidenten Shimon Peres zitiert. Hier im Original die entsprechende Passage aus seinem Bericht, die beweist, dass es schon damals den Plan gab, ggf. auch den Iran mit Krieg zu überziehen. Ich zitiere:
„“The war in Iraq is just the beginning,“ Peres told Israel Channel One Television. „Problems of the first magnitude can be expected therafter, as well: Iran, North Korea, and Libya.“
Asked if that meant America might then be facing as many as five or six years of war at this point, Peres replied, „That is very possible. I don’t know how long it will
take, but the problem is a global one, and it will not end in Iraq, even if a new
regime is instituted – say a regime like Jordan’s, not a democracy, but orderly and
responsible rule.“
Die BRD hat zur Auseinandersetzung USA/Israel – Iran als ‚friedensstiftende‘ Maßnahme zur Vitalisierung dieses Konflikts bereits kräftig beigetragen: durch die Lieferung von mehreren U-Booten an Israel. Für die USA wird es nicht schwierig sein, sie atomar zu bestücken, mit ‚kleinen‘ taktischen Atomwaffen. Israel ist dann in der Lage, den Iran vom Meer aus, quasi aus großer Nähe, atomar anzugreifen. Uns in der BRD kann das nur begeistern, denn die USA und Israel gehören ja zu uns, zur westlichen Wertegemeinschaft, wir haben ja gemeinsame Werte. Das begründet ja auch unsere Nibelungentreue zur NATO.
Die christliche CDU/CSU wird über diesen Waffengang jubilieren – endlich mal wieder ein Kreuzzug mit zeitgemäßen Waffen. Und die SPD? Sie kann auf unübersehbare Weise ihren Erneuerungsprozess in Richtung ‚Merkelianismus‘ in der Koalition erfolgreich fortsetzen.
Herr Watzal trifft den Punkt: Indem Präsident Trump sich so eindeutig hinter die Politik der Regierung Netanyahu stellt – und im Gegensatz zu anderen US-Präsidenten auf eine diplomatisch-verharmlosende Sprache verzichtet, wird die Problematik dieser Politik geradezu überdeutlich. Da Trump aber andererseits „Erfolge“ vorweisen möchte, kann es sehr wohl sein, dass genau diese undiplomatische Politik ihm Erfolgsmöglichkeiten bietet, die dann keineswegs im Sinne der Regierung Netanyahu sein könnten. Denn wie es bislang der Nord-Korea-Konflikt aufzeigt, scheint Trump ein „Politik-Entertainer“ zu sein, dem es vor allem auf eins ankommt: auf Beifall.