Jutta Ditfurth und die Neocon-Querfront

von Hans Christoph Stoodt

Der Frankfurter Arbeitskreis 8. Mai hat eine Stellungnahme zu den Auseinandersetzung um die Revolutionäre 1. Mai – Demonstration in Berlin veröffentlicht. In diesen Auseinandersetzungen erkennt der AK 8. Mai zutreffend Hinweise und Belege für die seit längerem schon sichtbare Querfront von Antideutschen / Antinationalen und rechten Neocon-Aktivisten. Hier der Text der Stellungnahme: 

Seit den 1990er-Jahren bilden immer mehr „antideutsche“/„antinationale“ Organisationen Querfronten mit neokonservativen Rechten. Die Publizistin Jutta Ditfurth findet sich häufig an der Spitze dieser Bewegung ein und beteiligt sich an Hetzkampagnen gegen AntiimperialistInnen und andere antikapitalistische Linke. Dabei bedient sie sich der in „antideutschen“/„antinationalen“ Strukturen üblichen Methode der Instrumentalisierung des Antisemitismus-Vorwurfs und zögert auch nicht, sie gegen jüdisch-israelische Linke anzuwenden.

Während die Mobilisierung für den 1. Mai 2016 auf Hochtouren lief, versuchte die Gruppe Ökologische Linke um Jutta Ditfurth (Frankfurt am Main) den Ausschluss von zwei Gruppen aus dem Berliner Bündnis für die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration durchzusetzen: Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) Berlin und die vorwiegend aus jüdisch-israelischen und arabisch-palästinensischen Linken bestehende Gruppe F.O.R. Palestine seien „antisemitisch“, so ihre Begründung. „Noch nie haben wir in einem linken Bündnis eine derartig antisemitisch verhetzte Diskussion erlebt“, behauptete Ditfurth auf ihrer Facebook-Seite1, um wenige Tage später an derselben Stelle relativierend klarzustellen: sie persönlich ist gar nicht dabei gewesen.

Jüdisch-israelische Linke wollen „die jüdischen EinwohnerInnen Israels ins Meer treiben“?

Jutta Ditfurth ist nicht nur die führende politische Aktivistin der Ökologischen Linken und ÖkoLinx, sie ist es auch, die den Konflikt im Revolutionären 1. Mai-Bündnis zum öffentlichen Skandal um „linken Antisemitismus“ anzuheizen versucht. Im Rahmen des Berliner 1.Mai-Demo-Bündnisses scheiterte sie vorerst mit ihrem Vorhaben. Die Antisemitismus-Vorwürfe an die Adresse von BDS Berlin und F.O.R Palestine, die Ditfurth als „fanatische antizionistische AntisemitInnen“ bezeichnet und denen sie unterstellt, sie wollten „Israel zerstören“ und „die jüdischen EinwohnerInnen Israels ins Meer treiben“, konnten mit nichts belegt werden. Ditfurths ÖkoLi scheiterte deshalb mit ihrem Versuch. Er endete mit dem Auszug von ÖkoLi aus dem Bündnis.2 Nun ruft Ditfurth zu Aktionen am Rand der 1. Mai-Demo in Berlin auf − angeblich will man „über antizionistischen Antisemitismus im 1. Mai-Bündnis aufklären“.

Die Behauptung, das Berliner Demobündnis toleriere antisemitische Positionen in den eigenen Reihen, wurde umgehend von AfD und CDU sowie der Mainstream-Presse, aber auch von der neu-rechten Jungen Freiheit aufgegriffen3. Demoverbote für den 1. Mai wurden diskutiert und ein rabiates polizeiliches Vorgehen gegen „die linken Antisemiten“ gefordert. Die Jüdische Allgemeine betitelt einen Bericht zu den Vorgängen in Berlin mit „Revolutionärer Judenhass“4 und vermeldet, der Verfassungsschutz sei mit der Angelegenheit beschäftigt. Das Neue Deutschland übt sich in Äquidistanz (ist aber wenigstens um eine sachliche Darstellung der Vorgänge bemüht)5, die Jungle World betreibt ihr Business as usual und phantasiert von einer „Volksfront gegen Israel“.6 Nur die Redaktion der jungen Welt schweigt – traurig beredt (fürs „Drucken wie sie lügen“ fehlt es immer häufiger an Mut und Willen zur fundamentalen Opposition). Gegen die Hetze bürgerlicher und rechter Parteien und Medien ebenso wie gegen die rabiaten Methoden Ditfurths protestierte inzwischen das Bündnis zur Revolutionären 1. Mai-Demo in Hamburg.7

Benjamin Weinthal – Neocon-Mann fürs Grobe

Bereits einige Tage bevor die Kampagne gegen das 1. Mai-Bündnis in Berlin startete, hatte Ditfurth über ihren Twitter-Account Kontakt zu dem Neocon-Journalisten Benjamin Weinthal aufgenommen8, den sie nach eigenen Angaben bereits kennt, seit Weinthal einen Artikel über ihren Prozess gegen Jürgen Elsässer im Jahr 2014 publiziert hat. Weinthal reagierte prompt, sprang Ditfurth zur Seite und machte ihre Antisemitismusvorwürfe öffentlich9. Die Kritik an dem sich abzeichnenden Schulterschluss mit Weinthal wurde von Ditfurth routiniert mit einem indirekten Antisemitismus-Vorwurf gekontert: Mit „Jetzt bin ich … Teil einer … soeben frisch erfundenen ,Neocon-Querfront‘, weil ich gegen den BDS und F.O.R. Palestine bin und sogar mit einem Journalisten der Jerusalem Post (Benjamin Weinthal) rede“10, versuchte sie, durch einen Wink mit dem Zaunpfahl auf ihre guten Kontakte nach Israel aufmerksam zu machen. Und damit auch der letzte Kritiker verstumme, setzte sie wenig später noch einen direkten Antisemitismus-Vorwurf drauf und behauptete, man hätte von ihr verlangt: „,Redet nicht mit jüd. Journalisten.‘ Ben Weinthal ist Journalist der Jerusalem Post.“11 Damit führte niemand anders als Ditfurth selbst die jüdische Identität Weinthals als „Argument“ in den Schlagabtausch ein. Kritikern in den Mund zu legen, man habe Weinthal einen „jüdischen Journalisten“ genannt, ist einfach eine Fälschung. Weinthal ist nicht wegen seiner Religionszugehörigkeit zu kritisieren, sondern wegen seiner rechten Positionen.

Ob „Toilettengate“ der Linkspartei-Fraktion12, Lügenpropaganda gegen deren ehemaligen außenpolitischen Sprecher Norman Paech13 oder Bashing der US-amerikanischen Fraueninitiative gegen den Drohnenkrieg Code Pink14: Benjamin Weinthal, Europa-Korrespondent der Jerusalem Post, der auch regelmäßig Rupert Murdochs Fox News und deutsche Medien, u.a. Tagesspiegel, taz, Jungle World, beliefert, ist bei jeder antilinken Kampagne immer ganz vorn mit dabei. Offiziell firmiert er als »Journalist«. Dass er Mitarbeiter der US-Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies (FDD) ist − das wird in seinen Publikationen oft nur am Rande oder gar nicht erwähnt.

Alarmistische Rhetorik und Angstmachrei“

FDD ist eine neokonservative Pressure Group, die unter dem Deckmantel der „Terrorismus-Bekämpfung“ imperialistische Kriege – vorwiegend − im Nahen Osten und die völkerrechtswidrige Politik der israelischen Rechten promotet. Gegenwärtig stehen Interventionen gegen den Iran und Syrien ganz oben auf der bellizistischen Agenda der FDD, die vor allem auf die bewährte Strategie setzt, durch Sanktionsregime militärische Konflikte zu forcieren. So lief die FDD Sturm gegen Obamas Atomdeal mit dem Iran, brachte die Forderung des US-Präsidenten an Israel und Palästina in Misskredit, ihre Friedensgespräche wiederaufzunehmen und macht PRgegen eine Zweistaaten-Lösung (!) des Nahost-Konflikts. ThinkProgress (ein Blog des den Demokraten nahestehenden Center of American Progress) kritisiert die FDD nicht zuletzt für ihre Eskalationspolitik, „alarmistische Rhetorik und Angstmacherei“. Genau diese und andere manipulative Methoden beherrscht der FDD-Mann fürs Grobe Benjamin Weinthal perfekt. In seinen Artikeln macht er von allen nur erdenklichen Mitteln der gezielten Desinformation Gebrauch: Ereignisse werden verkürzt oder verzerrt dargestellt, Spekulationen und unbewiesene Behauptungen als Fakten präsentiert − oder, wenn sie seiner tendenziösen Darstellung nicht dienlich sind, einfach unterschlagen. Zitate werden aus ihrem Kontext gerissen und eigene Meinungen als allgemein gültige Wahrheiten und Common Sense ausgegeben. Dabei bedient Weinthal sich einer reißerischen, sloganlastigen Sprache, wie man sie von Springers Bild in Deutschland und britischen Skandalmedien kennt. Weinthals Arbeit hat weder etwas mit unabhängigem noch mit objektivem Journalismus zu tun. Letzthin ist sein publizistisches Output nichts anderes als eine Dauerwerbeschleife für eine aggressive Expansionspolitik, wie sie von dem hegemonialen Neocon-Flügel der US-amerikanischen Republikaner (inklusive fundamentalistischer Christian Rights), Israels radikaler Rechter (inklusive der in Teilen kahanistisch-faschistischen Siedlerbewegung), last but not least der Rüstungsindustrie und anderen Kapitalen vertreten werden, die ihre Profite vorwiegend durch die imperialistischen Kriege des Westens machen.

Alle, die als „Feinde“ oder auch nur störende Elemente für die Durchsetzung der FDD-Agenda ausgemacht werden, stehen offenbar auf der Liste der Zielobjekte von Weinthals Diffamierungskampagnen. Internationale − vor allem jüdische − Linke (die Kritik an Israels menschenrechtswidriger Regierungs- oder auch nur an der US-amerikanischen Außenpolitik üben), Bürgerrechtsaktivisten und Kapitalismuskritiker werden von Weinthal nach dem immer gleichen Muster mit in der Regel völlig haltlosen Antisemitismusvorwürfen (gemäß der bewährten ideologischen Formeln „Israelkritik=Antizionismus=Antisemitismus“, „Kapitalismuskritik=Antisemitismus“) drangsaliert: Noam Chomsky, Tony Judt, Alfred Grosser oder Judith Butler – kaum ein namhafter jüdischer Intellektueller blieb von Weinthals Rufmordkampagnen verschont. Selbst Shoah-Opfer dürfen keinen Pardon erwarten: Im Februar 2016 zerrte Weinthal die 91-jährige Menschenrechtsaktivistin Hedy Epstein (die in Deutschland geborene Jüdin konnte den Nazis 1939 durch einen Kindertransport nach England entkommen, bevor ihre Eltern in Auschwitz ermordet wurden) als „Pro-Hamas-pro-BDS-Jüdin“ an den Medien-Pranger der Jerusalem Post. Dabei ließ Weinthal mit einer perfiden Masche Epsteins Status als Holocaust-Überlebende durch eine vermeintliche Expertise von Efraim Zuroff (Simon Wiesenthal Center) infrage stellen: Epstein sei „keine Überlebende im klassischen Sinn”, zitierte Weinthal Zuroff. „Sie ist eine notorische Antizionistin, die keine Gelegenheit auslässt, ihre Biographie auszubeuten, um Israel anzugreifen.“15

Auch bei der rassistischen Stimmungsmache gegen die Flüchtlinge, die nach Deutschland und in andere EU-Länder kommen, dürfen Räuberpistolen von Weinthal, etwa über angeblich massenhafte „Flüchtlings-Sex-Attacken“, nicht fehlen. Wenn es darum geht, „rote Teppiche“, die Bundeskanzlerin Merkel den Flüchtlingen ausgerollt haben soll, die Apokalypse der Islamisierung Deutschlands und eine Alarmstufe-eins-Terrorgefahr durch Schutzsuchende aus muslimisch geprägten Ländern herbei zu halluzinieren, steht Weinthal der Rechten-Hetzer-Dreifaltigkeit von AfD, Elsässer und PEGIDA in nichts nach.16

Die „antideutsche“/„antinationale“ Querfront

Wer wie Ditfurth gemeinsam mit einem international bekannten Neocon-Thinktank-Campaigner gegen eine Revolutionäre 1. Mai-Demonstration vorgeht, handelt, wie man annehmen muss, bewusst und vorsätzlich. Was ist der Sinn und Zweck solcher Kampagnen, und was kommt darin zum Ausdruck? Es muss hier kurz rekapituliert werden, welche Bedeutung der seit den frühen 90er-Jahren in allen politischen Debatten omnipräsente Antisemitismusvorwurf sogenannter „Antideutscher“ gegen antiimperialistische, antimilitaristische und kommunistische Positionen, Organisationen und Einzelpersonen hat. Keine andere Auseinandersetzung in der BRD-Linken hatte derart destruktive Konsequenzen.17 Die Benennung des strukturellen und machtpolitischen Zusammenhangs zwischen Kapitalismus, Faschismus und Krieg, Erbe der historischen AntifaschistInnen, wie er im Schwur von Buchenwald zum Ausdruck kommt, wird von Kräften aus dem Spektrum der „Antideutschen“/ „Antinationalen“ geleugnet, lächerlich gemacht, als „stalinistisch“ verleumdet oder als „Antisemitismus“ geächtet. Die Erkenntnis in den marxistischen Faschismustheorien von Max Horkheimer bis Kurt Gossweiler, Reinhard Kühnl, Reinhard Opitz, Domenico Losurdo und vielen anderen, dass Faschismus im Kern immer eine terroristische Herrschaftsform der bürgerlichen Gesellschaft ist und folglich erst mit ihr endgültig verschwinden wird, wird Stück für Stück demontiert und ersetzt durch eine vor allem von den Vordenkern des Neoliberalismus geprägte Definition des Faschismus als „das Andere der westlichen Zivilisation“, sogar der „Herrschaft der Subalternen“.18 Zentraler sozialer und politischer Inhalt − und nicht „nur“ wirkungsmächtigste ideologische Konsens- und Mobilisierungsstrategie des Nazifaschismus − sei der Antisemitismus gewesen, ist eine weit verbreitete Ansicht im Lager der „Antideutschen“/ „Antinationalen“. Damit wird eine Ideologie als Basis und Kern des Faschismus angenommen.19 Diese Vorstellung bricht mit historisch-materialistischer Historiographie und reproduziert bürgerlich-idealistische Faschismus-Analysen. Antisemitismus sei nicht bloß Hass auf Jüdinnen und Juden, sondern setze sich, unabhängig von der Präsenz jüdischer Menschen, in jeder Form „personalisierter“, also „verkürzter“, also „strukturell antisemitischer“ Kritik am Kapitalismus fort, nicht zuletzt in sozialen Bewegungen und Kämpfen aller Art gegen die Auswüchse der herrschenden Produktionsweise. Kapitalismus sei keine Klassenherrschaft, die nur mit bewusstem und organisiertem Klassenkampf zu überwinden sei, sondern allmächtige und allgegenwärtige Systemtotalität, der sich niemand entziehen könne, und der Donald Trump und der Hartz IV-Empfänger gleichermaßen unterworfen seien. Das als „Kommunismus“ bezeichnete nebulös-utopische Jenseits bleibt in den kruden Theorien der „Antideutschen“/„Antinationalen“ regelmäßig eine komplette Leerstelle und ist erst recht kein Ziel revolutionärer politischer Strategie und Praxis.

Kontinuierlich denunzieren „antideutsche“/„antinationale“ Kräfte nahezu jede revolutionäre Position als „tendenziell antisemitisch“ und rücken diese in die Nähe des volksgemeinschaftlichen Faschismus. „Volk“ ist für das Gros der „Antideutschen“/ „Antinationalen“ nur völkisch denkbar: der plebejische Volksbegriff wird regelmäßig reaktionär gewendet und mit dem ethnisch verengtem identifiziert – ein letztlich rassistisches Verfahren.

Antizionismus = Antisemitismus?

Für die „Antideutschen“/„Antinationalen“ ist, entsprechend ihrem bürgerlichen Faschismusbegriff, die Existenz des Staates Israel das entscheidende Ergebnis des Sieges der Anti-Hitler-Koalition über den Nazifaschismus. Dabei wird Israel fälschlicherweise als „antifaschistisch“ und Schutzraum für alle Jüdinnen und Juden deklariert und völlig unterschlagen, dass dieser Staat seit 1948 ein wesentlicher Faktor der weltweiten Niederschlagung und Schwächung antiimperialistischer Bewegungen war (z.B. war Israel einer der engsten Verbündeten des Apartheid-Regimes in Südafrika und diverser Militärdiktaturen in Südamerika). Der deutsche Nazifaschismus, von „Antideutschen“/„Antinationalen“ meist mit dem faschistischen Propagandabegriff „Nationalsozialismus“ bezeichnet, wird in aller Regel als einzige faschistische Gefahr verstanden und – auf ihre inkonsequente Weise − bekämpft, während alle anderen Erscheinungsformen des Faschismus, vor allem der prowestliche, aktuell z.B. in der Ukraine, von ihnen ignoriert oder verharmlost werden.

Kritik am Zionismus und der Politik des Staates Israel ist, laut VertreterInnen dieser Position, stets in der Gefahr, eigentlich nur „antisemitische Ressentiments“ zum Ausdruck zu bringen. Damit ist jede Solidarität mit dem Befreiungskampf der seit bald 70 Jahren unterdrückten PalästinenserInnen − selbst in seiner pazifistisch-zivilgesellschaftlichen Form − nicht nur verpönt, sondern wird auch systematisch kriminalisiert.

Bedenkenlos hat sich die große Mehrheit der „Antideutschen“/„Antinationalen“ der Agenda der Neokonservativen angenähert, sie sich sogar in nicht wenigen Punkten zu eigen gemacht und nicht gezögert, ihre rechten Ideologeme in eine linke, bisweilen sogar marxistische Sprache zu verpacken, während sie sie sich gleichzeitig auf die Seite der Profiteure von Imperialismus, Krieg und Besatzung geschlagen haben – und zwar entlang ethnischer, oftmals religiös, also vormodern gezogener Demarkationslinien. Ein Kernstück ihrer Ideologie ist die Ethnisierung und Kulturalisierung sozialer Konflikte. Ihr besonderer Hass galt und gilt darum auch dem Islam, der aus ihren Reihen nicht selten als „Islamfaschismus“ stigmatisiert wird – mit einem Begriff, den sie in den vergangenen Jahren lauthals, heute, in Zeiten von „Flüchtlingskrise“, AfD- und PEGIDA-Rassismus, meist vermeiden oder nur noch taktisch gegen den „Islamischen Staat“ oder andere militante Islamisten in Stellung bringen.

BAK Shalom und AfD-Versteher Broder

Dass Ditfurth als Urgestein dieses Spektrums keinerlei Probleme mit „Antideutschen“ hat, zeigt ihr freundschaftliches Verhältnis zu Ums Ganze! und TOP B3RLIN, der neoliberalen Hip-Hop-Band Antilopen Gang20, der „antideutschen“ Politikerin Katharina König (DIE LINKE), Neocon-Bloggern wie Alexander Nabert, der „antideutschen“ Wochenzeitung Jungle World usw. Ditfurth referiert auf Einladung der Neocon-Lobby-Crew der Linksjugend [‘solid], BAK Shalom21. Die Allianz mit den Fußtruppen des rechten Flügels der LINKEN ist nicht neu. Als der Bundeskongress der Linksjugend im April 2015 auf Betreiben von Mitgliedern und Sympathisanten des BAK Shalom und anderer bürgerlicher Rechter in der Partei eine Antisemitismusdefinition verabschiedete, die nahezu jegliche antizionistische, zionismus- und israelkritische Position als „Antisemitismus“ diskreditiert22, spendete Jutta Ditfurth öffentlich Applaus: „Die Linksjugend hat jetzt endlich was Sinnvolles zu Antisemitismus beschlossen. Da müssen sie wohl ganz NRW ausschließen“, zitierte Alexander Nabert eine Aussage, die Ditfurth während einer Veranstaltung mit Jungle-World-Mitherausgeber Ivo Bozic u.a. gegen „Putin-Versteher“ im Rahmen des „Was wirklich zählt“-Kongresses der taz zu Besten gegeben haben soll.23

Vor dem Hintergrund dieser seit vielen Jahren stabilen Verortung Jutta Ditfurths im „antideutschen“ Milieu überrascht das Zusammenwirken dieser „radikalen Linken“ mit einem Hardcore-Neocon weniger. Hier wächst zusammen, was zusammen gehört.

Wenn „antinationale“ Linke mit neokonservativen Rechten wie Benjamin Weinthal Kampagnen gegen internationale Linke initiieren, wie jetzt gegen BDS und F.O.R Palestine geschehen, dann ist das ein weiterer Baustein für die Neocon-Querfront, die seit den 90er-Jahren stetig wächst (von israelischen Regierungsvertretern, Anhängern der Siedlerbewegung, Mitarbeitern US-amerikanischer Neocon-Thinktanks, rechten Publizisten, darunter AfD- und PEGIDA-Versteher wie Henryk M. Broder, Repräsentanten der Islamhasser-Bewegung bis zur Partei Bibeltreuer Christen – sie alle waren „Antideutschen“/„Antinationalen“ recht, wenn es darum ging, Antiimperialisten und andere antikapitalistische Linke zu bekämpfen).

Antisemitismus-Vorwurf als Waffe

Ditfurths in linkem Duktus vorgetragene „Kritik“, die sich als Denunziation erwiesen hat, wird von einem Rechten gedeckt, der, ihrer Ansicht nach, nicht kritisiert werden darf, weil er Angehöriger der jüdischen Glaubensgemeinschaft ist. Seine vermeintliche Autorität, die Ditfurth für ihre Hass-Propaganda gegen die 1. Mai-Demo in Berlin in Stellung bringt, besteht, wie ihre aggressive Reaktion auf jede Kritik an ihrem Vorgehen indiziert, einzig und allein darin, dass Weinthal Jude ist. So gut wie jede von seinen rechten Positionen abweichende Meinung, so Ditfurths Logik, sei nur eines: „antisemitisch“. Mit dieser Haltung fällt Ditfurth hinter den früheren „antinationalen“ Konsens zurück, dem gemäß es immerhin noch Tabu war, Jüdinnen und Juden qua ihres Judentums in innerlinken Debatten als „Argument“ zu instrumentalisieren24.

Ditfurth bedient sich ähnlicher Methoden wie die PEGIDA-Bewegung, deren Anhänger auf ihren Demonstrationen neben deutsch-nationalistischen Symbolen auch immer wieder Israelfahnen mit sich führen oder, wie in Frankfurt geschehen, rechtsradikale Israelis auf ihren Kundgebungen sprechen lassen: sie wähnen sich damit als politisch unangreifbar. Israel (als engster Verbündeter der NATO) und Deutschland bilden im westlich-imperialistischen Machtblock eine Front – gegenwärtig u.a. gegen den gemeinsamen „islamischen Feind“ im Innern und im Äußeren.

Antizionismus und emanzipative Israelkritik grundsätzlich als „Antisemitismus“ zu stigmatisieren – das ist die Position von Netanyahu, der BRD-Regierung, von BILD, Weinthal & Co − und längst auch von Jutta Ditfurth. Dass sie damit auch jüdisch-israelische und arabisch-palästinensische Linke, die in Israel und den besetzten Gebieten heftiger Repression ausgesetzt sind (das gilt vor allem für die weitgehend entrechteten PalästinenserInnen), in den Dreck zieht, ist Ditfurth völlig egal. Ihr Imperativ lautet: Gegen jüdische und arabische Linke agitieren – mit israelischen und US-amerikanischen Rechten paktieren! Sie, einst schärfste Kritikerin von Joschka Fischers perfider bellizistischer Doktrin − von deutschem Boden müssten nicht trotz, sondern wegen Auschwitz neue Kriege ausgehen −, missbraucht den Antisemitismus-Vorwurf als Waffe für ihre Diffamierungsoffensiven gegen antiimperialistische Linke. AfD, CDU, Verfassungsschutz und Polizei danken es ihr.25

Ziel: Ächtung der internationalistischen Linken

Sollte es auch nur zu irgendwelchen, auch noch so moderaten Gegenreaktionen kommen, werden Ditfurth und ihre Entourage vermutlich das tun, was in ihren Kreisen längst zur Alltagsroutine ihrer „Politik“ geworden ist und was die Kinder und Enkel der deutschen Tätergeneration seit jeher am besten können: Antisemitismusvorwürfe instrumentalisieren (und damit Antisemitismus relativieren), sich larmoyant als „Opfer“ von angeblich „antisemitischen Übergriffen“ inszenieren, antiimperialistische und internationalistische Linke dämonisieren und im Namen „der Juden“ und vernebelt mit linker Rhetorik einmal wieder die alte Parole der Reaktion ausgeben: „Kapitalistische Zivilisation vs. Kommunistische Barbarei!“ Ditfurths Agieren hat, wie das ihrer Verbündeter, das Ergebnis, dass antiimperialistische Linke mehr und mehr geächtet werden. Offenbar ist es das Ziel von Ditfurth & Co, so viele Organisationen der internationalistischen Linken wie möglich zu verunsichern, auf ihre Seite zu ziehen und revolutionäre Bündnisse zu spalten.

5 Gedanken zu „Jutta Ditfurth und die Neocon-Querfront

  1. Es läuft wie geschmiert, immer noch und immer wieder und leider auch mit dieser „Ikone“ Ditfurth, die mal Kliuges über die Dritte-Welt-Politk der BRD geschrieben hat, als Antiimperialismus noch zum guten Ton aller Fortgeschrittlichen gehörte. Ich kann daran erinnern: als ich mich auf meinem Blog über Broder für die DAVO-MV 2008 ausgelassen hatte, führte das Konzert Broder, Weinthal und Antideutsche mit der von ihnen informierten Israelischen Botschaft dazu, dass mich die Universität Dortmund aus ihrem Mailsystem ohne Nachfage ausschloss – ein damals unglaublicher Vorgang und noch nie dagewesen – und es war der Versuch, mich aus der Uni herauszukicken. Ich hatte reagiert auf Broders Kommentare auf Spiegel online (oder FAZ?) zum 50. Jahrestag Israels, wo er auf die Frage „Stimmt es, dass die Palästinenser 1948 aus ihren Dörfern vertrieben wurden?“ etwa geantwortet hatte: „Ja klar, aber leider nicht weit genug, die können heute noch von Ramallah aus z.B. auf ihre Dörfer schauen.“ Ähnlich konzertiert ging es zu als Felicia Langer ihren BRD-Orden bekommen sollte, wie wir auf Erhards Palästina-Portal akribisch nachweisen konnen.

    Mich macht es wütend und traurig, dass es immer wieder gelingt, die Öffentlichkeit aufzumischen und auf die unbedingte Israel-Treue einzuschwören. Ein paar Tränen hier und da, wenn es zu viele Tote auf Palästinensischer Seite gibt, das nette Statement: „wir sind für die Zweistaatenlösung“ und keine einzige substanielle Maßnahme dafür (ob die neue Kampagne von Paech, Verleger u.a. da weiterkommt, ist zu bezweifeln, denn dazu hat sich die Palästina-Bewegung ja auch noch spalten lassen in Ein- und Zwei-Staatenlösungs-Fans) – die Palästinenser werden geopfert für den zionistischen Deal mit den USA und Europa und Israels Rolle für die erneute Aufmischung des Nahen Ostens. Meine letzte Veröffentlichung (auch auf meinem Blog – ich habe alles gesagt, was ich dazu sagen kann) „Von Basel nach Jerusalem“ schafft genügend Klarheit – aber immer wieder neue Koalitionen, Anfänger in der Sache, und auch „Linke“ wie auch „Junge Welt“ übersehen es. Schade. Dennoch Weiter, machen! Viktoria

  2. Die Bewusstseinsspaltung der Antideutschen und Co. ist schon verblüffend: Sie verteidigen mit all ihrer Macht in der israelischen Politik, was sie gleichzeitig unter Deutschen geißeln. Rassismus vom feinsten unsrer KämpferInnen für Antirassismus und Antifaschismus. Wenn das mal keine böse Absicht ist, Juden zu zeigen, dass sie auch nur vom Bellizismus trunkene Rassisten sein können, wenn sie denn die Macht dazu haben. Was den Zentralrat bewegt, der sicher einen Doppelpass besitzt, sein doppeltes Spiel zu treiben, ist wohl auch mehr als nur Chuzpe.

  3. Frau Ditfurth, die schon immer die Anzeichen einer „Antifaschismus-Intoleranz“ aufwies, d.h. hinter allem und jedem „Faschisten“ sehen zu wollen, hat diese Eigenart, die man früher für Zeichen einer hohen politisch-moralischen Sensibilität ansehen konnte, nunmehr zu einer „Antisemitismus-Intoleranz“ ausgebaut. Auf den ersten Blick scheinbar wiederum eine anerkennenswerte sensible politisch/moralische Haltung und wie die frühere, die unübertreffliche Möglichkeit eine politische Position zu besetzen, die geradezu unangreifbar ist. Nun aber wird unübersehbar: die „Antisemitismus-Intoleranz“ kennt wie die frühere „Antifaschismus-Intoleranz“ keine Grenzen, kein Halten mehr: jede/jeder ist ihr nurmehr ausgesetzt, auch wenn er gestern noch der politische Freund von Frau Ditfurth war – plötzlich erkennt sie sein wahres Gesicht und wird von ihr als „Antisemit“ entlarvt und sieht sich demzufolge einem moralisch vernichtenden Vorwurf ausgesetzt, der ihn sprachlos und ohnmächtig macht. Dass sie dabei Teil eines Netzwerkes bestimmter Gruppen ist, die bis hin zum „Satiriker“ Dieter Nuhr reichen, der Linke/Die Linke pauschal als „Antisemiten“ bezeichnet (und auch einen geradezu absurd-primitiven Antiislamismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zum Besten geben darf), sollte ihr eigentlich zu denken geben, aber offensichtlich sind ihre Verbindungen zu den dahinterstehenden Interessen, wie der Artikel aufzeigt, mittlerweile zu eng geworden, um es ihr als eigentlich höchst intelligenter Frau zu ermöglichen, ihre politische Positionen selbstkritisch zu hinterfragen.

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