Kann sich der Springerverlag keine gescheiteren Märchenerzähler mehr leisten?

Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“

Bertolt Brecht

Michael Wolffsohn, der emeritierte Bundeswehr-Professor, hat wieder zugeschlagen. Diesmal nicht bei der ARD, sondern bei der Zeitung mit den vier Buchstaben. Aber trotz des bekanntlich tiefen Niveaus dieser Zeitung, ist es dem „Hochschullehrer des Jahres 2017“ (sic!) gelungen, das Niveau zu unterlaufen. Was mich freilich am meisten erschreckte, war nicht die primitive Hetze gegen Palästinenser, die wir bei ihm schon gewohnt sind, sondern der schreckliche Gebrauch der deutschen Sprache, der selbst die einfachste Sprache der Bildzeitung als reines, literarisches Hochdeutsch erscheinen lässt.

Der Beitrag ist nicht mehr und nicht weniger als eine zynische, selbstgerechte und üble Hetze, in der er Palästinenser gleichsetzt mit Islamisten und sie für den „weltweit angewandten Terror“ in Haft nimmt. „Die Methoden der Palästinenser sind…zu Terror-„Modellen“ schlechthin geworden“. Als ob die Welt bei den Palästinensern „Terror“ lernen müsste. Im Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern waren die Juden, die späteren Israelis, die ersten Terroristen und so wurden Menachem Begin und Itzchak Shamir und sämtliche Mitglieder des „Irgun“ von den Engländern auch bezeichnet. 

Das deckt sich aber auch mit der Behauptung, die Wolffsohn erhebt, dass wir Europäer und ganz besonders wir Deutsche jetzt bei den Palästinensern lernen, was Antisemitismus ist. Vergessen die Jahrhunderte des deutschen und europäischen Judenhass.

In seinem Buch „Der Widerstand des Judentums gegen den Zionismus“ schreibt Jakov Rabkin, ein Professor für Geschichte aus der Universität in Monteral, Canada, der sich in der Geschichte des Judentums offenkundig besser auskennt, als Professor Wolffsohn: „Gleichzeitig sagen unabhängige Quellen (Stillmann, 1979), die sich auf Erinnerungen und Dokumenten stützen, dass es gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Juden und Araber in allen Ländern des Mittelmeer Raumes gab, einschließlich dem Heiligen Land, und beschuldigt die Zionisten direkt an der Entstehung anti-jüdischer Unruhen beteiligt gewesen zu sein – sowohl durch die Aggression in Eretz Israel, wie auch durch versteckte Provokationen in einigen arabischen Staaten. Sie werden beschuldigt verantwortlich gewesen zu sein für Gewalttaten, die sich gegen Juden wandten in den Jahren nach der Gründung des Staates Israel im Irak, Marokko, Ägypten und anderen arabischen Staaten“. Mehr dazu in meinem neuen Buch „Mit Feuer und Blut – Ein anderer Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt“.

Viel zu viele Menschen gehen davon aus, dass Michael Wolffsohn ein Kenner des Nahost-Konflikts ist und über jüdische Geschichte Bescheid wisse. Dem scheint nicht so zu sein. Und wenn ist sein Halbwissen vom Zionismus so verblendet, dass er Unwahrheiten verbreitet.
Mit innerlicher Genugtuung bringt er die Palästinenser und die Islamisten in einem Satz zusammen und behauptet dies sei nur „scheinbar eine schräge Behauptung“. Nein, die Behauptung ist nicht scheinbar schräg, sie ist zynisch und verletzend.

Er beklagt sich über den Widerstand der Palästinenser gegen eine grausame und völkerrechtswidrige Besatzung und wirft den Palästinensern „Messerangriffe“ auf Gruppen von „Juden in Israel“ vor. Gruppen von Juden in Israel sind Israelis und die Palästinenser wehren sich nicht gegen Juden, sondern gegen die demütigende, grausame Besatzung.

Ihr Widerstand hat nichts, aber auch gar nichts mit Antisemitismus zu tun, sondern richtet sich gegen israelische Besatzungssoldaten und gegen jeden Israeli, der nicht nur unberechtigt in ihrem Land weilt, sondern täglich mehr Land raubt, sie  unterdrückt, und das tun alle Israelis. Allein sie haben ihre Regierung gewählt.

Man muss es nicht unterstützen oder fördern, aber verstehen sollte man es: die Palästinenser können sich nicht mit Flugzeugen und Panzer wehren, weil sie keine haben. Aber ein Küchenmesser hat jeder. Wer will es ihnen übel nehmen, dass sie sich gegen diese nicht endende Besatzung wehren, ein Recht, dass ihnen auch das Völkerrecht gewährt.

Naiv, um nicht zu sagen dümmlich, fragt Wolffsohn: „Was hatte ihm Israel angetan?“ und gibt gleich die Antwort: „Nichts.“ Er behauptet: „Ganz offensichtlich haben diese Terrororgien mit Israel eigentlich weniger als nichts zu tun“. Was bitte schön, Herr Professor, ist weniger als nichts? Wolffsohn bleibt uns hier die Antwort schuldig, aber weniger als

Nichts ist genau das, was Wolffsohn macht: Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuld. Nach dieser Kurzgeschichte des jüdischen Schriftstellers Franz Werfel verläuft der Nahost-Konflikt. Nicht die Israelis, die Palästinenser sind schuld, schuld weil sie da sind, schuld weil sie immer noch da sind, obwohl man ihnen schon seit mehr als 70 Jahren nahelegt das Land zu verlassen. Und wenn sie vor zionistischer Gewalt fliehen, dann kann man das Land kolonisieren und behaupten, sie sind freiwillig geflohen. Professor Wolffsohn möge mir ein Beispiel aus der Geschichte nennen, wo ein Volk „freiwillig“ sein Land verlassen und geflohen ist.

Das Lesen des Pamphlets von Professor Wolffsohn fällt schwer, weil er kein umständliches Deutsch schreibt, sondern schlicht und einfach ein schlechtes Deutsch, das man nicht einmal den Bildzeitung Lesern anbieten sollte. „Was hatten am 19. Dezember 2016 auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche von einem Tunesier Ermordeten (außer einem zufällig anwesenden Ehepaar) mit Israel gemein?“, fragt Wolffsohn und wieder hat er die kurze Antwort parat: „Nichts.“ Was hilft dem Leser die Information von einem zufällig anwesenden Ehepaar, wenn er nicht gleichzeitig schreibt, dass es ein israelisches Ehepaar war? Andere nicht israelische Ehepaare hat es dort wohl genug gegeben.

Und was haben sie alle mit Israel zu tun? Nichts, es sei denn, dass ihre Bundeskanzlerin sie alle in Haft  genommen hatte, als sie behauptet hat, dass Israels Sicherheit deutsche Staatsräson ist. Damit hat Merkel den Nahostkonflikt nach Deutschland getragen. Denn ein Palästinenser, der das hört und jede Hoffnung verliert, dass Deutschland sich auch bald seiner Verantwortung gegenüber den Palästinensern stellen wird, hat, wenn er sich nicht selber aufgeben will, keine andere Wahl, als „Terrorist“ zu werden. Heute sind die Palästinenser „die Juden der Juden“, wie es der Palästinenser Usama Abu-Gosh in seinem so betitelten Buch meint.

Ehud Barak, Israels ehemaliger Ministerpräsident und höchst dekorierter israelischer Soldat, hat im israelischen Fernsehen wortwörtlich gesagt: „Wäre ich Palästinenser, dann wäre ich sicherlich auch Widerstandkämpfer geworden“. Und dabei gebrauchte er zum ersten Mal die richtigen Worte: Widerstandskämpfer! Denn die Terroristen des Einen, sind immer die Widerstandskämpfer des anderen.

Ben Gurion sagte: „„Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich niemals ein Abkommen mit Israel unterzeichnen. Es ist normal; wir haben ihnen das Land weggenommen. Es stimmt zwar: Gott hat es uns versprochen. Aber wieso sollte sie das interessieren? Unser Gott ist nicht der Ihrige. Da gab es den Antisemitismus, die Nazis, Hitler, Auschwitz. Aber war das ihre Schuld? Sie sahen nur eines: wir sind gekommen und haben ihr Land gestohlen. Warum sollen sie das akzeptieren?“

Alles wurde schon einmal gesagt. Selbst Moshe Dayan sagte: (Aus Ansprachen an die Studenten des Technion in Haifa) – „Alle unsere Siedlungen sind erbaut auf den Ruinen palästinensischer Dörfer. Ja wir haben sie nicht nur ausradiert bis auf den Boden sondern auch ihre Namen aus den Geschichtsbüchern ausradiert. Sie haben also ihre triftigen Gründe für den Kampf den sie gegen uns führen. Unser Problem ist nicht wie wir sie loswerden sollen sondern wie wir mit ihnen leben können. Wenn ich selbst ein Palästinenser wäre ich wäre wahrscheinlich ein Kämpfer in Al Fatah“

Naiv, unverschämt, zynisch und widerlich wird Wolffsohn, wenn er fragt: „Was hat den Palästinensern ihr jahrzehntelanger Terror gegen Israel gebracht? Nichts politisch Positives (sic!), dafür jedoch sechshunderttausend und bald eine Million Siedler im Westjordanischen Palästina“. Ein Satz, der nicht nur die volle Ignoranz des Herren Professor zeigt, sondern auch seine vollkommene Unterwerfung der zionistisch-kolonialistischen Ideologie. Man merkt schon, dass er beim Gedanken an „bald eine Million Siedler“ fast einen Orgasmus hat und glaubt er wirklich, dass wenn es keinen palästinensischen Widerstand gegeben hätte, die Palästinenser ihr Land behalten hätten?

Ja, was hat der Widerstand gegen einen solch grausamen Besatzer, Landräuber gebracht?
Wer ist dieser Landräuber, wer betreibt ethnische Säuberung und verwandelte Israel in einen Apartheidstaat? Wer löst seine Probleme mit Waffen, Unterdrückung, Demütigung?

Die Palästinenser haben ihr Land verloren, weil sie militärisch schwächer sind als das hoch gerüstete Israel und weil die Welt sie im Stich gelassen hat und lässt. Ihre Würde wollen sie sich aber nicht von den Israelis nehmen lassen. Warum zögert Deutschland schon seit Jahren Palästina als freien, souveränen Staat anzuerkennen? Wolffsohn schreibt: „Westliche Selbstkritik und Israelkritik sind nicht selten durchaus angebracht, natürlich erlaubt und alltäglich praktiziert, aber sie lösen weder das allgemein- noch sicherheitspolitische Problem der Terrorbekämpfung“. Von alltäglich praktizierter Kritik an Israel ist mir nichts bekannt, es sei denn sie wird so gemacht, wie es einst der frühere Bundespräsident Johannes Rau vorgeschlagen hat: „Muss es denn öffentlich sein?“ Vielleicht wird Kritik an der grausamen israelischen Politik bei Wolffsohn im Badezimmer geübt, nur davon hat die Öffentlichkeit nichts.

Ja, warum lösen sie das Problem nicht, wer weigert sich, eine Lösung zu verhandeln, ihr zuzustimmen?

Was tun?

Wolffsohns Ratschläge sind den Mülleimer der Geschichte nicht wert, in den man sie reinwerfen sollte.

Es gibt nur eine Lösung, die ich schon seit Jahrzehnten propagiere: Einen fairen, gerechten Frieden mit den Palästinensern schließen und wenn Israel es nicht will, und Israel will nicht, dann muss man Israel durch Sanktionen und Boykott zwingen. Ohne Lösung des Nahost-Konflikts wird Europa nicht zur Ruhe kommen.

Eine weitere Perle der Formulierungskunst des naiven Professors: „Aus Furcht vor Terror verzichten auch Herr und Frau Jedermann oder Jederfrau auf das Benennen von Tatsachen.“ Der einzige, der hier immer wieder und schon seit Jahren auf das Benennen von Tatsachen verzichtet, ist Herr Professor Michael Wolffsohn. Und meint er nicht auch, dass auch der dümmste Bildzeitungleser verstanden hätte, dass mit „Herr und Frau Jedermann“ auch jede Frau gemeint ist?

Schon Erich Fried schrieb vor vielen Jahrzehnten:

„Schwierige Aufgabe

Den Mitschuldigen
ihre Mitschuld
predigen
so
daß sie überzeugt sind
ist schwer

denn sie haben immer
die einleuchtendsten Beweise
für ihre völlige
oder
(denn sie wollen
nicht selbstgerecht sein)
so gut wie völlige Unschuld

Sie kennen sich
weil sie in alles
genauestens eingeweiht sind
auch viel besser aus
als zum Beispiel der Fremde
der sich herausnimmt
zu ihnen
von Mitschuld zu sprechen

Um wirklich
so überzeugend
wie sie
seine Unschuld
beweisen zu können
muß einer schon
mitschuldig sein“

 

Schluss also mit der immer gleichen Phrasendrescherei. Und dazu gehört auch der Missbrauch von Sprichwörtern, die einfach falsch sind. Wenn die Palästinenser ihren Widerstandskämpfer eine Rente bezahlen, dann ist diese Rente nicht verwerflicher als die Rente, die Israel seinen Soldaten bezahlt, auch denen, die besonders viele Palästinenser ermordet haben.

Wer wurde und wird in Israel als Held gefeiert?

 Elor Azaria tötete (als Video festgehalten) auf offener Straße einen hilflos am Boden liegenden Abd al-Fatah al-Sharif. Selbst im Amt befindliche Politiker verteidigten ihn, er wurde als Held gefeiert.

Und wenn dieses Geld für die Palästinenser „Made in Germany und EU“ ist, dann ist doch das Geld der Israelis nicht nur „Made in Germany und EU“, sondern auch noch „Made in USA“. Und insofern wählen nicht die dümmsten Kälber ihren Metzger selber, denn Kälber haben keine Wahl, sie werden zur Schlachtbank von Menschen getrieben und so ist es mit den Palästinensern, sie haben auch keine Wahl, wo kein Merkawa-Panzer zur Verfügung steht, da muss halt ein Messer reichen.

Übrigens, hat Israel auch keine Hemmungen, von der EU und BRD geförderte Hilfsaktionen (ich erinnere nur an Solaranlagen) zu zerstören. Von dem Flughafen in Gaza wollen wir gar nicht reden.

Und wenn es den Israelis nicht passt, wofür ich Verständnis habe, dann sollen sie doch das geraubte, besetze Land Palästina verlassen, ihre Soldaten zurückziehen, die illegalen Siedlungen abbauen und endlich die Palästinenser als gleichberechtigte Nachbarn anerkennen.

Und wenn die Politik hier nicht entscheiden kann oder will, dann muss eben jeder Israeli für sich selber entscheiden, ob er auf geraubtem Land wohnen will.

Viele Israelis wollen das nicht mehr und flüchten unter anderem in die BRD. Wer auf gestohlenem Land lebt, soll sich nicht beklagen, wenn die noch nicht vertriebenen Palästinenser sich wehren.

Auch Wolffsohn, und erst Recht Wolffsohn nicht, der in Berlin lebt und das eigentlich alles weiß. Da fällt mir wieder das als Überschrift genommene Zitat von Brecht ein.

Ach, würden sie doch die Worte von Erich Fried hören:

Ein Jude an die Zionisten

Freut euch erstens, daß eure Toten so tot sind,
denn sonst könnten sie euch laut sagen, was sie von euch halten
ihr zu Mörder gewordenen Söhne der Opfer unserer Mörder
die ihr euch verbündet mit Mördern gegen eurer Mordopfer Kinder

Und freut euch, daß die Mörder unserer Eltern
die Herzen der Welt so gewöhnt haben an das Morden
daß die Herren der halben Welt heute eueren Morden und Lügen
wohlwollend zusehen können und kaum zum Schein protestieren

Und freut euch, daß euer eigener Martin Buber schon tot ist
denn der hat noch knapp vor seinem Tode gesagt
daß ihr nicht die Jünger der alten jüdischen Weisheit
nein, nur die Schüler von Hitler geworden seid

Und freut euch auch, daß es keinen Bert Brecht mehr gibt
denn was der euch gesungen hätte zu eurem Unrecht
das würde der Welt und euch noch lang in den Ohren klingen
ja, länger als eure Unrechtherrschaft noch währt

Aber freut euch rasch, denn eure Freude wird kurzlebig sein
wie die Freuden anderer Tyrannen und Mörder
und dann werden Palästinenser und Juden in Frieden zusammenleben
und werden Gott danken, daß es keinen Zionismus mehr gibt

Ein Gedanke zu „Kann sich der Springerverlag keine gescheiteren Märchenerzähler mehr leisten?

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