Latenter Antisemitismus

Der Begriff „Antisemitismus“ kam im 19. Jahrhundert auf. Die Namen seiner leidenschaftlichen Verfechter, Marr, Stapel und Kittel sind vergessen. Sie haben sich überlebt wie sich die Fragen, die sie bewegten, erledigt haben. Ein anderer Antisemit, Wolf Mayer-Christian beklagte schon 1944, dass der junge deutsche Offizier mit dem Thema „Jude“ nicht mehr anzufangen wüssten. Der klassische Antisemitismus hatte kein Jahrhundert bestanden. Leon Polikakow schrieb die „Geschichte der Juden“ in eine Geschichte des Antisemitismus um. Wenn man alles als antisemitisch bezeichnet, was dem jüdischen Weltbild widerspricht, wird es immer Antisemitismus geben müssen. In der WELT schreibt jemand, „die Juden seien ihrer Zeit weit voraus gewesen“ und Alain Posener bläst zum Angriff auf afrikanische Autoren wie Ould Slahi, die Israel hassen würden (Welt v. 9.2.22).  Slahi bezeichne die Palästinenser als Eingeborene, wobei auch die Judebn Eingeborene seien, denn Palästina sei seit tausenden von Jahren auch ihr Land. Der Unsinn ist kaum noch zu überbieten. Selbst wenn man die jüdischen Sabras als Eingeborene betrachten will, siedeln sie seit gut 150 Jahren auf Land der Philister, während der „eingeborene“ König Saul auf der Westbank herrschte, die heute  (noch) arabisch bewohnt ist.

Man holt „Antisemitismus“ von ganz weit her und lässt ihn weitaus streifen. Man schafft ihm eine lange Tradition und wahrscheinlich auch eine Zukunft. Er wird heute auf die Schriften Martin Luthers aus dem 16. Jahrhundert (Schemhamphoras und Toledot Jeschu) bezogen. Aber welcher Christ regt sich heute über die jüdischen Narrative auf, Jesus Vater sei der Söldner Panteras gewesen? Morton Smith (in: Jesus, der Magier) schreibt es heute auch. Panteras soll die Jungfrau Maria auch noch während deren Regelblutung geschwängert haben. Das ist jüdische Ausschmückung. Seit Oswald Kolle weiß heute der Frömmste, daß das biologisch gar nicht ginge. Es kann also nur der Hl. Geist gewesen sein.

Durch die absurden Behauptungen, die leicht als Lügen oder Unsinn ersichtlich sind, erlangt der Antisemitismus europaweit eine Renaissance. Durch eine lange und diffuse Definition einer Holocaust-Memory Organisation, die solche Gremien wie der deutsche Bundestag übernehmen, erhält eine Ansicht so was wie paralegale Gesetzeskraft. Jede Institution, die dem Zeitgeist huldigt, ernennt „Antisemitismusbeauftrage“, von denen der des Bundes (Felix Klein) sogar den Unwillen breiter jüdischer Kreise erregte. Die von ihm vertretene BRD in Sachen Antisemitismus konnte als Großkunde juristischer Literatur den Beckverlag nötigen, den BGB-Kommentar Palandt und die Gesetzessammlung Schönfelder umzubenennen.  Die Jüdische Allgemeine legt kräftig nach. Sie identifiziert den schnöden Begriff Antisemitismus mit dem des „Judenhasses“. Hasst den jemand, der Juden für kollektive Neurotiker (Sigmund Freud) hält, die Juden? Hasst ein Arzt die Kranken? Die Bandbreite von Ablehnung bis Hass ist unendlich breit. „Judenhass“ muss man folglich nicht als Passivum, sondern als Aktivum verstehen: die Juden hassen ihre Feindbilder, sie selbst werden von Antisemiten nicht notwendig gehasst. Trotzdem wenden jüdische Institutionen den Vorwurf als passiv Betroffene an: Sprachlich und sinngemäß sind solche Vorwürfe absurd. Jeremy Corbyn wurde auf dem Papier zum Antisemiten, weil er nicht entschieden gegen antisemitische (?) Tendenzen in der Labourparty auftrat. Der Antisemitismusbeauftragte Michael Blume gehört zu den „schlimmsten“ Antisemiten des Jahres 2022, allerdings als Vertreter eines „selektiven Antisemitismus“. Der Verleger Abraham Melzer, ehemals IDF-Sanitärer, avancierte für Charlotte Knobloch zum „berüchtigten“ Antisemiten, weil er für Menschenrechte der Palästinenser eintritt. Aber allen ist gemeinsam, dass sie Juden nicht hassen können, weil sie selbst (voll-) jüdisch sind. Isaac Deutscher (in: der nicht-jüdische Jude) definierte diese Denunziationen als absurd. Denn vor dem ersten Weltkrieg waren die meisten Juden des Ostens gegen den Zionismus. Gegen ihn sind immer noch die glaubensstarken Satmarer Chassidim. Aber „Antisemiten“ sind diese trotzdem nicht. An der Gleichsetzung von Antisemitismus, Judenhass und Israelkritik beißt sich die (jüdische) Katze in den Schwanz. Sind die 4 erwähnten Personen jetzt Antisemiten oder nicht?

Nach Isaak Deutscher könnte man auch von nichtzionistischen Juden sprechen. Aber dieser Sicht könnten auch Menschenrechtler folgen und die Unterstützung für Israel unterminieren. Daher bleibt alles Antisemitismus, was den israelischen Interessen zuwiderläuft. Und in dieser politischen Verknüpfung bleibt in Deutschland „Antisemitismus“ jede Parteinahme für palästinensische Organisationen. Die BDS sei „zutiefst antisemitisch“. Das funktioniert, weil, wie Wolf Mayer-Christian 1944 schrieb, sich im Grunde niemand mehr für Juden interessiert. Das Desinteresse ist wahrscheinlich auch antisemitisch.

Eine ähnlich verzwackte Situation ergibt sich zum Begriff „antisemitische Straftaten“. Eine solche begeht man, wenn man ein Hakenkreuz auf einen jüdischen Grabstein sprüht. In der Polizeipraxis wird aber auch das Sprühen eines Hakenkreuzes auf eine profane Kellerwand als „antisemitisch“ gewertet. Ernst Kantorowicz trug als Freikorpskämpfer das Hakenkreuz am Stahlhelm, ohne Antisemit zu sein. Das Hakenkreuz in der Breite seiner Symbolkraft wird auf eine antisemitische Bedeutung reduziert. Die deutschen Behörden werten inzwischen jede Rune, die je von einem Verband zur Nazizeit verwendet wurde, als NS-Symbol.

Offiziell wird erklärt, „Antisemitismus werde nicht geduldet“. Das geht so weit, dass die Jüdische Allgemeine gegen den Namenspatron einer Bogenhauser Kirche, Johannes Capistrano stänkert, der Ende des 15. Jahrhunderts im Kampf gegen die Türken, die 1529 noch bis Wien vordrangen, im Kampf fiel. Ähnlich wird gegen die Berliner Pacelli-Alle gestichelt, weil Papst Pius XII nicht genug für die Juden getan habe. Komischerweise muss man Proteste gegen die Münchner von Kahr-Straße vermissen. Kahr hatte schon 1923 die Ostjuden aus Bayern ausweisen lassen. Selektiver Antisemitismus? Bismarck, dem noch mehr Straßen gewidmet sind, strotzte von Gehässigkeiten gegen die Juden (Ernest Hamburger), aber an sein Denkmal wagt sich dann doch wieder keiner ran. Und wenn man die Spur aufnimmt: Bernd Witte (in: Moses und Homer) kann allen deutschen Geistesgrößen den Vorwurf des Antisemitismus machen: Kant, Schiller, Schelling, selbst Goethe, Richard Wagner sowieso, alle waren Antisemiten. Der Freigeist Voltaire war es auch, und Gilad Atzmon schwärmt von Otto Weininger, dessen Antisemitismus (in: Geschlecht und Charakter) jeden Defensor Judaeorum zu Selbstzweifeln bringen müsste.

Ergänzen kann man noch, dass schon Baruch Spinoza „den gantz jüdisch Glaub“ (Antonio Margaritha) für Aberglauben hielt. Sigmund Freud definierte das Anhängen an der jüdischen Religion als Neurose. William Hirsch (in: Religion und Civilisation) sah darin sogar paranoide Tendenzen. Den religiösen Apologeten des Judentums kann man zumindest dereistisches Denken (Eugen Bleuler in: Lehrbuch der Psychiatrie) vorhalten, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen. IAntisemitismus? In Gegenwart der Irrenärzte, bzw. trotz der Seriosität der Literatur, sich politisch derart unvernünftig zu entfalten, ist schon ein Irrsinn für sich.

Wer in Deutschland „hasst“ im traditionellen Sinn noch „die Juden“? Der Gastronom Feinstein in Berlin Schöneberg beklagte sich über einen unflätigen Pöbler vor seinem Restaurant. Solche Ereignisse sind extrem rar und die Pöbler sind marginale Erscheinungen. Aber die Sympathie für türkische Fußballkameraden motiviert Radaubrüder, sich antisemitischer Parolen zu bedienen. So gesehen hat man den Antisemitismus des Radaus reanimiert. Wer? Wie es Friedrich Holländer parodierte: die Juden. Sie verstehen nicht, dass sie hierzulande mit gesellschaftlichen Gruppen zusammenleben müssen, die sich aus Zuwanderern aus der Dritten Welt und ihren meist linken Sympathisanten gebildet hat. Diese beleidigen und attackieren Juden mit Kippa und Rabbiner, aber kollateral, oder, um mit Sigmund Freud zu sprechen, sublimiert. In der Regel motiviert sie ein innerer Hass auf Israel, das ihnen als anachronistischer Kolonialstaat erscheint. Dieser Hass ist nicht völlig unbegründet, was aktuell  die Stadt Barcelona die Städtepartnerschaft mit Tel Aviv ausgesetzt hat. Man braucht nur die israelische Zeitung Haaretz im Netz aufzurufen, um sich selbst als Jude von Israel distanzieren zu wollen, wie es Daniel Barenboim tat. Die israelische Armee geht gegen die unterworfenen Palästinenser auch unter Verletzung des Völkerstrafrechts vor, der Staat annektiert den Rest Palästinas scheibchenweise. Die Brücke nach Deutschland bilden dann die amtsjüdischen Gesellschaften, die jede Maßnahme Israels rechtfertigen. Damit machen sie selbst aus dem Antizionismus der Araber einen neuen Antisemitismus. Aber es kommt noch schlimmer: ohne einen schamhaften Anflug von Selbstkritik erreichen die jüdischen Verbände, dass Kunstwerke aus der Dritten Welt abgehängt werden müssen, weil diese „antisemitisch“ seien. Ein als Kapitalist zu interpretierender Mann mit einer Melone englischer Börsenjobber auf dem Kopf und einem Messer zwischen den Zähnen soll antisemitisch sein, weil man ihm die SS Runen auf die Melone gezeichnet hat. Sind denn englische Börsenjobber alles Juden? Das hatte nicht einmal Heinrich v. Treitschke behauptet.

Ein roter Faden bei der Bekämpfung von Antisemitismus ist nicht erkennbar, eine Logik dahinter auch nicht. Vielleicht ist für manche Juden die Nazizeit noch nicht vorbei. Wieso kommen sie dann ins „Land der Täter“? Auch dieser Begriff ist daneben. Die so genannten Täter sind längst verstorben, ü90 jährige Schreibkräfte müssen für absurde Aufarbeitungsprozesse vor Jugendkammern ihr Greisenhaupt hinhalten. Von den ü10 Millionen NSDAP-Mitgliedern 1944 lebt keiner mehr. Die Juden gesellen sich neu in das frühere „Gastland“, mischen sich unter das deutsche „Wirtsvolk“ usw. Vielleich sollte man das Vokabular insgesamt ändern. Und natürlich die diffusen Begriffe, wie Antisemit im historischen Lexikon belassen. „Marano“ zum Beispiel heißt auf Spanisch nicht „Schwein“, wie es bei Google behauptet wird . Sabri Maranan ist daher nicht antisemitisch, weil es eben nicht „zum Wohl, ihr Schweine“ bedeutet.

Die Diaspora braucht ihre Autonomie zurück.

Auto: Gastbeitrag

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