Eine große Frau ist von uns gegangen. Gideon Levy schrieb in Haaretz: Eine Gewissens-Emigrantin. Man kann freilich auch sagen: Ein Gewissens-Flüchtling.
Ihr Tod stellt einen großen Verlust für den Kampf des Palästinensischen Volkes und auch vieler Juden für Gerechtigkeit, Menschenrechte und Selbstbestimmung dar. Sie und ihr 2015 verstorbener Ehemann Mieciu standen nach ihrer Immigration oder Flucht von Israel nach Deutschland für das andere, das bessere Israel, das sich gegen Kolonialismus, Kriege, Landraub, Folter, Apartheid sowie unzählige Menschen- und Völkerrechtsverletzungen wendet.
Felicias Leben und Wirken wurde sowohl in Israel als auch in Deutschland massiv angefeindet, weil sie die Palästinenser in ihrem Kampf für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung unterstützt hat. Man könnte glauben, dass Erich Fried sein Gedicht ZUR ZEIT DER VERLEUMDER für Felicia Langer geschrieben hat:
Sie nennen mich
Verräter an meinem Volk
Sie nennen mich
Jüdischer Antisemit
Weil ich spreche von dem
Was sie tun in Israels Namen
Gegen Palästinenser
Gegen Araber anderer Länder
Und auch gegen Juden
Die totgeschwiegen werden
Später einmal
Werden Juden die übrigbleiben
Wenn dieser Wahnsinn vorbei ist
Zu suchen beginnen
Nach Spuren von Juden
Die nicht mittaten
Sondern warnten
So haben Deutsche gezeigt
Nach dem Untergang Hitlers
Auf Deutsche die tags zuvor
Noch verfolgt wurden oder getötet
Die sollten nun Zeugen sein
Dass Deutsche auch anders waren
Ob dann ein Wort
Noch nachlebt
Von meiner Warnung?
Wichtiger aber:
Ob dann in Palästina
Noch Juden leben
Entronnener jener Vernichtung
Die sie selbst herbeiführen halfen
Durch ihr Unrecht
Zu meiner Zeit
Und ich füge hinzu: Auch zu unserer Zeit.
Felicia war die erste, die es gewagt hat, sich vor israelischen Gerichten für palästinensische Widerstandskämpfer, die die Israelis „Terroristen“ nennen, einzusetzen. Sie hatte einige Erfolge zu verzeichnen, aber vor den israelischen Militärgerichten, die im Prinzip Scheingerichte waren und immer noch sind und für die Weltöffentlichkeit eine „Gerichtsbarkeit“ vortäuschen sollen, blieb ihr der „Erfolg“ versagt. Eigentlich eine Auszeichnung für jeden ehrenwerten Anwalt. Auch konnte sie nie etwas mit der rassistisch-zionistischen Ideologie anfangen, die in Israel und von Zionisten in Deutschland so verehrt und mit allen Mitteln – auch antidemokratischen – verteidigt wird.
Der zionistischen Bewegung gelang es, die Weltöffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie die Interessen aller Juden in der ganzen Welt vertritt. Wie man weiß, ist die Wahrheit aber das erste Opfer in ideologischen Kämpfen.
Obwohl Juden in der Regel Debatten und Polemik lieben, weigern sie sich, das Thema Zionismus zu diskutieren. Heute verteidigen immer noch viele Juden mit Leidenschaft den Staat Israel und seine Politik und sind nicht bereit, in irgendeinen Diskurs über diesen Staat und sein Verhältnis zum jüdischen Volk einzutreten. Deshalb wurde Felicia in Israel von Juden so abgelehnt und diffamiert. Ihre Vorwürfe, dass der Zionismus eine der Formen des Kolonialismus und des Rassismus sei, wurden unter Verweis auf den eigenen Kampf gegen den Kolonialismus, gegen die Briten, von den Zionisten zurückgewiesen.
Felicia hat aber nicht aufgegeben. Sie hat immer wieder moralisch argumentiert und wurde deswegen von manchen belächelt. Heute liegt die große Gefahr für Israel nicht unbedingt in einer äußeren militärischen Bedrohung, sondern in den geistigen, moralischen und politischen Brüchen in der israelischen Gesellschaft. Eine Entwicklung, die Felicia vorausgesagt hat. Man hat sie aber nicht ernst genommen.
Sie sah sich schließlich gezwungen, 1990 ihr Büro in Jerusalem zu schließen, weil sie nicht mehr das Feigenblatt für die israelische Besatzung sein wollte, die mit dem Hinweis auf Felicia der Welt vorgaukelte, in Israel herrschten Recht und Gerechtigkeit. Sie verließ Israel, weil sie erkannte, dass sie den Opfern nicht helfen konnte, zumindest nicht in Jerusalem. Sie wollte aber der Welt vor allem zeigen, dass die Vorstellung einer humanen Besatzung Augenwischerei ist.
Felicias Einsatz für Gerechtigkeit und Menschenrechte wurde mehrfach ausgezeichnet. Neben dem Alternativen Nobelpreis wurde ihr das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler verliehen. Die daraufhin losgetretene Diffamierungs- und Verleumdungskampagne der zionistischen und pseudojüdischen Israelfans gehört zu den übelsten, die diese Lobby jemals in Deutschland geführt hat. Die damals angewandten Erpressungsmethoden gehören heute noch zum Standardrepertoire im politischen Meinungskampf. Erst vor wenigen Tagen hat diese zionistische Lobby mit einem Schreiben des israelischen Konsulats in München versucht, hier in dieser Stadt Tübingen einen Vortrag von Ilan Pappe an der Universität zu verhindern, und es ist dem mutigen Uni-Rektor zu verdanken, dass er dem Druck nicht nachgab und auf der Freiheit der akademischen Institutionen in diesem Land bestand.
Sie war eine Frau mit Gewissen, ja, eine Heldin. Aber sie und die wenigen an ihrer Seite wurden in Israel niemals anerkannt und respektiert. Im Gegenteil, in Israel und in der jüdischen Welt, besonders in Deutschland, war sie ein Symbol für den sog. jüdischen Antisemitismus oder Selbsthass.
Felicia Langer war vielleicht die einzige Rechtsanwältin auf der ganzen Welt, die stolz sein konnte auf die Prozesse, die sie vor den israelischen Militärgerichten verloren hat, verloren freilich gegen ein brutales Unterdrückungsregime, welches Juden in Palästina errichtet haben. Sie kämpfte wie eine Löwin, wie eine Mutter um ihre Kinder, und sie hielt sich an die Mahnung des Propheten Jesaja, dass Israel ein Licht für die Völker sein solle. Am Ende verzweifelte sie an der Tatsache, dass die Israelis dieses Motto tagtäglich mit ihren Militärstiefeln in den Dreck treten.
Wo ist denn Josef Schuster vom Zentralrat der Juden, der dieser großen Jüdin hier seine Ehre und die Ehre aller Juden erweisen sollte?
Felicia wird uns fehlen und sie hat nicht einmal ein kleines Hoffnungszeichen für einen Frieden mit ins Grab nehmen können. Dennoch dürfen wir die Hoffnung nicht verlieren. Soeben hat Navarra, die Region in Nord-Spanien beschlossen, die BDS-Kampagne zu unterstützen und alle Parteien im Parlament haben diesen Beschluss unterstützt, bis auf die rechts-populistische ACOM, die pro-Israel ist. Es ist aber fast überall auf der Welt so, dass rechte und rechtsradikale, mitunter gar antisemitische Parteien Israel unterstützen. Trotzdem wird die BDS-Kampagne immer stärker, und Israel muss immer mehr Aufwand und Geld in die Bekämpfung dieser gewaltlosen Widerstandsbewegung investieren, die sich ausdrücklich gegen jeden Antisemitismus ausspricht.
Wie man weiß, ist Recht und Gerechtigkeit nicht immer dasselbe. Die Sache der Gerechtigkeit war aber ein zentrales Thema im Leben von Felicia. Sie hat sehr genau zwischen den ewigen humanistischen Werten des Judentums und den Werten des aggressiven Zionismus zu unterscheiden gewusst. Sie hat immer betont, dass es im Grunde keinen Konflikt zwischen Juden und Arabern gibt.
An ihrem Lebensabend sagte ihr Enkel zu ihr, dass die Palästinenser am Ende siegen und einen eigenen Staat bekommen werden. „Du wirst es nicht mehr sehen, aber ich werde es erleben.“
Dazu kann ich nur sagen: „Hoffentlich“.
Die israelische Propaganda will uns einreden, dass Israel die Juden beschützt. Das glaube ich allerdings nicht, und Felicia hat es auch nicht geglaubt. Im Gegenteil, Israel gefährdet mit seiner Politik die Juden auf der ganzen Welt.
Der Zionismus entblößt sich heute vor dem jüdischen Volk, vor der ganzen Menschheit, als ein gescheitertes Unternehmen. Die Gründer des Zionismus behaupteten, dass sie in der Lage seien, die Leiden der Juden zu beenden, dass Israel ein sicherer Zufluchtsort für alle Juden sein würde. Heute zeigt sich, dass der Zionismus nicht einmal in der Lage ist, auch nur die Juden zu schützen, die schon im Heiligen Land Zuflucht gefunden haben. In einem solch kleinen Staat ist der Dienst in der Armee länger, die Kriege häufiger, die Zahl der getöteten Soldaten höher und die körperliche und seelische Last für alle drückender als in jedem anderen westlichen Staat. Was wird nach dem nächsten Krieg passieren, der möglicherweise nicht nur Israel, sondern die ganze Welt bedroht?
Felicia war kompromisslos und radikal, und dafür bin ich ihr dankbar. Als die Oslo-Verträge bekannt wurden, rief mich Felicia an und fragte mich, was ich davon hielte. In meiner Naivität habe ich mich über die Ergebnisse von Oslo gefreut. Felicia war entsetzt und enttäuscht und meinte, dass ich sehr bald merken werde, dass man die Palästinenser wieder über den Tisch gezogen habe. Und in der Tat, ich habe es sehr bald bemerkt.
Zum Abschluss möchte ich aber nicht versäumen, Bertold Brecht zu zitieren, der folgende Worte gesagt hat, bei denen er Felicia Langer im Sinn gehabt haben könnte:
Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.
Diese sind unentbehrlich.
Im Gegensatz zu vielen israelischen Intellektuellen und Linken, die von den deutschen Medien hoch gefeiert werden, war Felicia Langer immer radikal ehrlich. Sie hat die israelischen Politiker nicht geschont und sich selbst auch nicht. Sie war immer hundert Prozent bei der Sache. Nie ein wenig schwanger. Nie unehrlich. Nie verlogen. Niemals bereit, in Fragen von Recht und Gerechtigkeit Kompromisse zu machen.
Im Kampf für Frieden, Menschlichkeit und Toleranz wird Felicia Langer ein leuchtendes Vorbild bleiben.
Für sie war Unrecht immer Unrecht. Das ist auch das Vermächtnis von Felicia Langer.
Ich verspreche dir, Felicia, dass ich in deinem Geiste weitermachen werde: Bis zum letzten Atemzug.
Liebe Freundin, Weggefährtin und Vorbild: Ruhe in Frieden.
Und last not least möchte ich hinzufügen: Liebe Felicia, da hast Glück gehabt, dass du in Tübingen gelebt und gestorben bist. Hier ist der Bürgermeister Boris Palmer zu deinem Begräbnis gekommen und hat eine kurze Rede gehalten, um dir die letzte Ehre zu erweisen. In Frankfurt wäre der jüdische Oberbürgermeister Feldmann niemals gekommen und sein christlicher Stellvertreter Uwe Becker erst recht nicht, und in München wäre Oberbürgermeister Reiter auch niemals zu deinem Begräbnis gekommen, weil Charlotte Knobloch es wahrscheinlich verboten hätte. Sei deshalb froh, dass du in Tübingen gelebt und gestorben bist.
Eine Leuchte für die Menschenrechte ist leider erloschen.RIP
Mein Beileid an die Familie von Felicia Langer.Sie war ein wunderbarer Mensch und wird in unseren Herzen weider leben.
Danke, liebe Felicia Langer für deinen Kampf, deine Bücher, deine Vorträge , deinen unermüdlichen Einsatz und dein Leben, du Unentbehrliche!
Lieber Abi, danke für deinen würdigen Nachruf und für deine Arbeit und deinen Kampf für eine gerechtere Welt für alle Menschen; eben auch für die Palistenenser, deren Schicksal meist totgeschwiegen wird.
Mein herzliches Beileid an die Hinterbliebenen der aufrechten Kämpferin für Gerechtigkeit und Wahrheit Felicia Langer.
Möge sie für immer in Gottes Frieden ruhen und uns mit ihrer unermüdlichen Tatkraft inspirieren.
Ein bewegender Nachruf von Abi Melzer auf die wunderbare Felicia Langer!
Diese unermüdliche Kämpferin für Gerechtigkeit wird uns SEHR fehlen.
Meine tiefe Anteilnahme gilt ihrer Familie.
Dank an Felicia Langer für den Mut, das freie Wort hochzuhalten!
„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, bevor es zu spät ist.“ (Widerstandsgruppe Weiße Rose)
1991 wußte ich von Felicia und lud sie, als Vors. der Ges. zur Humanitären Unterstützungt der Palästinenser e.V., nach Köln ein, um einen Vortrag zu halten. Seitdem blieb ich ihr sehr verbunden. Ich lud sie dann öfter ein, hatten viele gemeinsame Aktionen und trafen uns immer wieder auf vielen Veranstaltungen. Auch den lieben Mieciu und den Sohn lernte ich kennen und schätzen gelernt, die Felicia stets zur Seite standen und unterstützt haben. Felicia, eine beispiellose und unermüdliche Kämpferin für Recht und Gerechtigket. Ich danke dir liebe Felicia. Du wirst uns allen sehr fehlen.
Meine tiefste Anteilnahme an die Hinterbliebenen.
Lieber Herr Melzer, an Sie geht mein Dank für die ehrlichen Worte zum Tode Felicia Langers. Sie hinterlassen eine Wahrheit, die ich mit Ihnen Teile: Felicia Langer war eine hellsichtige Kämpferin, eine entschlossene und gerechte Streiterin für die Menschenrechte und eine kluge, freundliche Frau, die mir ein Vorbild war. Als ihr der Alternative Nobelpreis zugesprochen wurde, war ich zufrieden und glücklich.
Ich habe Sie für Vorträge an der DHBW Stuttgart und an der Volkshochschule Stuttgart gewinnen können. Ein privater Besuch bei ihr und Ihrem Ehemann Mieciu hat mich sehr bewegt. Ihr Mann Mieciu war ein wunderbarer Mensch.
Ihr Tod hinterlässt eine Lücke. Ein Vorbild ist dahin gegangen.
Vielen Dank an Felicia,
eine wahrlich große Frau. Sie ist ein wahres Vorbild, nicht aufzugeben, um für die Rechte der PalästinenserInnen einzutreten.
Schön, dass ich Sie kennenlernen durfte, darüber bin ich sehr froh für all das, was Felicia bewirkt hat.
Das gilt natürlich auch für alle anderen AktivistInnen und UnterstützerInnen.
Leider fällt mir der Spruch, den ich schon mal gehört habe, nicht genau ein; er ging ungefär so.
„Wir wollen nicht trauern, dass Sie von uns gegangen ist, sondern und freuen, dass wir Sie so lange gehabt haben.“
Aber trauern tue ich natürlich trotzdem.
Mit Lieben Grüßen an alle Angehörigen, Freunde und Freundinnen und UnterstützerInnen und Bekannte.