Eine Antwort an den iosraelischen Freund

Lieber Freund,

in Deiner Antwort steckt ein wenig die übliche Antwort der Israelis seit Jahrzehnten. Sie sagen „ein brera“, es gibt keine Wahl. Dabei müsstest Du, als inzwischen westeuropäisch sozialisierter Israeli wissen, dass es eine Wahl gibt. Natürlich ist diese Wahl für Israelis schwierig, die seit so vielen Jahren gehirngewaschen werden mit der rassistischen Ideologie, dass die Palästinenser, bzw. die Araber wie Tiere sind. Israels Verteidigungsminister hat es vor wenigen Tagen in aller Öffentlichkeit gesagt. Die Hamas sind wie Tiere. Die Nazis haben über die Juden auch ähnliches gesagt. Die Juden sind wie Ratten. Auch die Nazis wollten die Juden restlos vernichten und es ist ihnen nicht gelungen. Genauso wenig wird es den Israelis gelingen die Palästinenser zu vernichten, denn sie führen ihren Krieg nicht nur gegen die Hamas, sondern gegen alle Araber. Das hat schon vor Jahren Rabin gesagt: Wir können die syrische, die jordanische und die ägyptische Armee besiegen, aber wir können nicht die Palästinenser vernichten.

Du bist auch in Israel aufgewachsen, wie ich. Wir beide wissen doch wie man in Israel über Araber bzw. Palästinenser denkt. Für die meisten Israelis sind sie doch keine gleichberechtigten Menschen. In diesem Glauben werden doch Israelis schon vom Kindergarten anerzogen und doktriniert. Danach gibt es für sie eben keine Alternative als die Palästinenser so zu behandeln, wie sie es tun. Man kann aber nicht ein ganzes Volk Jahre und Jahrzehnte unterdrücken ´, missachten, berauben und vergewaltigen. Natürlich darf Israel, wie man es heutzutage aus allen Ecken hört, sich verteidigen, aber dann dürfen sich doch die Palästinenser auch verteidigen. Selbst wenn sie Tiere sind. Tiere beißen, wenn man sie schlecht behandelt. Und natürlich war diese Aktion der Hamas bestialisch und unmenschlich. Aber ist denn das, was die Israelis machen humaner? Für das Abwerfen einer 1000 Kilo Bomber auf ein Wohngebiet in Gaza hat der israelische Pilot einen Orden bekommen. Ist das weniger bestialisch? Die Hamas hat keine Flugzeuge, keine Panzer, keine Kanonen. Die Hamas hat nur ihre Krieger, die, wie man es gesehen hat, bereit sind zu sterben, weil man sie nicht leben lässt. Und sie handeln wie unser biblischer Held Samson, der auch Selbstmord begangen hat, aber im Tod so viele Feinde mit sich nehmen wollte, wie möglich.

Du fragst, welche Alternative Israel hat. Meine Antwort ist: Die Palästinenser wie Menschen zu behandeln. Ihnen nicht das anzutun, was alle Israelis nicht wollen, dass man es ihnen antut. Sie in Freiheit leben lassen. Die Menschen in Gaza sind doch die vertriebenen Palästinenser aus Ashkelon und Jaffa. Sie leben nun seit drei Generation im größten Gefängnis der Welt. Und das nur weil sie Palästinenser sind und weil Israel die Macht hat das zu tun, was es schon seit Jahrzehnten den Palästinensern antut.

Wir beide, die wir in der israelischen Armee gedient haben, wissen es doch. Wir wissen es nicht vom Hörensagen. Wir wissen es, weil wir es mit eigenen Augen gesehen haben. Keiner von uns würde so leben wollen, wie die Palästinenser leben müssen. Wieso wundern wir uns, zumal wo Netanjahu vor wenigen Tagen in der UNO eine Karte der Region gezeigt hat, auf der Palästina nicht gezeigt wurde. Wie oft sollen die Palästinenser sich noch demütigen, beleidigen und dafür, dass sie frei sein wollen, verhaften und für Jahrzehnte einsperren lassen.

Du fragst welche Alternative? Mit Palästinensern auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Sie nicht wie in Oslo betrügen. Dafür sorgen, dass Rabbiner und Gerichte in Israel nicht verkünden, dass jüdisches Blut wertvoller ist als arabisches Blut. Blut ist Blut und auch Palästinenser bluten, wenn man sie sticht. Auch sie leiden, wenn sie Hunger haben oder wenn man ihre Kinder verhaftet oder sogar tötet.

Ich bin in Israel im Glauben erzogen worden, dass arabische Mütter nicht um ihre Kinder weinen, wie jüdische Mütter. Da muss man anfangen und solche üble und rassistische Propaganda verbieten bzw. endlich in Kindergärten und Schulen, natürlich auf beiden Seiten, anfangen den Kindern Toleranz und Gerechtigkeit beizubringen.

Ich weiß, das sind nur Worte. Ich bin aber sicher, dass die meisten Menschen in Israel und in Palästina das auch wollen. Also muss man als erstes die kriminellen Politiker in die Wüste schicken, die die Menschen aufhetzen, manipulieren und gehirnwaschen.

In Europa herrschte auch Jahrhunderte lang eine ähnliche Situation zwischen den Deutschen und dem Erzfeind Frankreich. Aber auch in Kriegszeiten haben die Deutschen gewusst, dass sie es mit einer Kulturnation zu tun haben und umgekehrt auch. Das ist leider im Nahost-Konflikt nicht der Fall. Die Israelis halten die Palästinenser für Ratten, Tiere, Ungeziefer und verachten sie, und die Palästinenser sehen in den Israelis nur die Soldaten, ihre Unterdrücker.

Die Alternative ist damit aufzuhören und solche Hetze auf beiden Seiten zu verbieten. Aber…da Israel die stärkere Seite ist, muss Israel mit Beispiel voran gehen.

Und insofern war deine Antwort auf Gideon Levys Beitrag nicht passend, denn er hat mit jeder Zeile, jedem Wort recht.

Aber die Schuld liegt nicht nur bei den Israelis. Wir beide leben in Deutschland und müssen immer wieder unsere Regierung ermahnen, dass man nicht eine Zwei-Staaten-Lösung propagieren kann und den „zweiten Staat“ nicht anerkennen will. Zwei Staaten heißt zwei Staaten. Es kann und darf nicht sein, dass man nur Mitleid mit den „Juden“ hat. Wir Juden brauchen kein Mitleid und im Konflikt geht es nicht um Juden, sondern um Israelis. Ich sehe und höre von keiner Seite Mitleid mit den Palästinensern, die es an erster Stelle nötig haben. Die Völker und vor allem die Politiker der Welt müssen endlich aufhören blind auf einem Auge zu sein. Die Palästinenser verdienen es auch anerkannt, geachtet, respektiert und gerecht behandelt zu werden. Sie sind keine Antisemiten und nicht einmal alle Antizionisten. Jordanien und Ägypten und auch viele andere Araber haben sich inzwischen mit Israel versöhnt und anerkannt. Es ist endlich an die Zeit auch Palästina anzuerkennen und gleichberechtigt zu behandeln. Sie sind nicht besser aber auch nicht schlechter als alle anderen.

Antisemitismus

Kurzmitteilung

Niemand weiß genau, was das ist. Die offiziell in Deutschland etablierten Juden verstehen ihn synonym für „Judenhass“; aber wer hasst schon „die Juden“. Aus jüdischen Häusern sind viel zu viele bedeutende Persönlichkeiten hervorgegangen, als dass man Juden pauschal hassen könnte: angefangen bei Baruch Spinoza bis hin zu Otto Kernberg, der dieses Jahr seinen 90. Geburtstag feiert, könnte man ein neues „jüdisches Lexikon“ kompilieren. Problem? Viele dieser Persönlichkeiten werden von den maßgeblichen „Amtsjuden“ nicht nur abgelehnt, sondern gar gehasst: Bruno Bettelheim, Alfred Kantorowicz, die nicht auf der Linie der jüdischen Innung liegen. Das ergibt einen gänzlich neuen „Antisemitismus“: die Verehrung des  heterodoxen Juden und seine Jünger. Wir sind wieder beim Modell „Jesus“ angekommen. Wer Juden schätzt, die dem Amtsjudentum der politischen Neo-Rabbiner entfremdet sind, muss das „Kreuzige-ihn-Gebrüll“ aus den Reihen des Amtsjudentums ertragen können.

Das wäre alles nicht so schlimm, wenn Deutschland nicht von einem US-frommen Regierungssystem beherrscht und von einer Art Landpflegern regiert werden würde. Die „kreuzigen“, wenn sie das Gebrüll hören. Und unter die Brüllopfer fallen auch die bei uns lebenden Menschen orientalischer Eltern, die Sympathien für orientalische Organisationen zeigen, die israelfeindlich sind. Aktuell ist es solchen gelungen, (angeblich ganz) Israel in Schockzustand zu versetzen, indem sie Raketen in so großer Zahl auf (das immer friedlich menschenfreundliche) Israel abzuschießen, dass dessen „Eiserner Dom“ überfordert war. Leider wird verkannt, dass israelische Gegenschläge immer nur Antworten auf (z.B.) arabische Aggressionen sind, aber, so muss man leider einräumen, schlägt „Israel“ stets massiver zurück als es getroffen wurde, und so ist die nächste bewaffnete Provokation programmiert. Bedauerlicherweise zeigt man im Westen nur die Bilder geköpfter israelischer Babys, aber nie deren durch israelische Bomben zerrissenen arabischen Kinderkörper , auch wenn deren Eltern ebenso schockiert sind. Denn die Verbreitung solcher Bilder wäre wieder „antisemitisch“. Das tut man also nicht, aber wir versuchen es mal:.

Quelle: Reuters.com: https://www.reuters.com/pictures/israeli-air-strikes-hit-gaza-palestinians-flee-2023-10-14/

Auch das beengt unsere Informationsfreiheit nicht wirklich. Denn die Welt ist voll solcher Gräuel. In Myanmar, in Bergkarabach, in Grosny, in vielen Gebieten der Ukraine, in Afrika überhaupt, wahrscheinlich auch in Süd- und Mittelamerika geht es grausam zu. Warum empören uns daher die Bilder aus Israel? Vielleicht, weil dort die Hälfte aller Juden existiert, während die andere Hälfte in den USA lebt. Und dort haben diese viel Einfluss, auch wenn sie zum großen Teil von den Israelis gar nicht mehr als richtige Juden akzeptiert werden (Carlo Strenger sah das US-Judentum halachisch auf 13% seines heutigen Bestandes dahinschmelzen). Diese „Eisschmelze“ führt aber dazu, dass das Judentum in den USA als Schmelzwasser ansteigt mit der Folge, dass sich viele teiljüdische Amerikaner nur durch strikte Parteinahme für Israel als „Auch-Juden“ beweisen können. Das ist natürlich höchstparadox, aber bleibt im Rahmen irrationaler Logik. Vielleicht kann man den Begriff „Wasserjuden“ verwenden in Ableitung zum Begriff „Wasserpolacken“, der vor dem Krieg in Schlesien aus „Volkspolen“ loyale deutsche Staatsbürger machte. Die unhalachischen (Doch-)Juden können folglich zuz Amerikas Nah-Ost-Politik viel beitragen, letztlich auch, weil den nicht-jüdischen Amerikaner das gelobte Land in Nah-Ost weniger interessiert. Der Amerikaner lebt ja im wirklich gelobten Land.

Hier beginnt nun das Problem in Deutschland. Israel ist nahe, so dass bei uns Türken und Araber leben, die oft eine offene Familienrechnung mit Israel haben. Deutschland ist von den USA 1945 gänzlich unterworfen worden; seine Regierung braucht das stete Wohlwollen dieses Siegers. Es kann sich nicht leisten, irgendetwas „antijüdisches“ vorzubringen. Derzeit verlangt Israel die Räumung des nördlichen Teils von Gaza, was die Flucht von 1,2 Millionen Menschen, darunter rein statistisch 600.000 Frauen verlangt.  Objektiv nach den statischen Regeln von Felix Theilhaber und Emile Durckheim werden es nur 300.000 Frauen sein, weil wegen des Kinderreichtums der Araber die Hälfte der zu vertreibenden Menschen unmündige Kinder sein dürften. 24 Stunden gab man ihnen Zeit, verlängerte aber in jüdischer Menschlichkeit diese Frist. Im Vergleich zur praktizierten Vertreibung der Deutschen aus Pommern und Schlesien bleibt diese Frist allerdings unmenschlich kurz. Die Israelis haben aber keine Zeit: Sie haben 300.000 Reservisten einberufen zu ihren 160.000 Soldaten „der Linie“, was sich das kleine Land nicht lange leisten kann. Durch die Mobilisierung sollen andere Länder abgehalten werden, in den Konflikt einzugreifen. Israel kann sich aber auch nicht leisten, den Norden Gazas samt seiner Zivilbevölkerung platt zu machen. Israel ist mühsam daran, mit den arabischen Königreichen und Emiraten freundliche Beziehungen anzuknüpfen, was es unopportun werden lässt, krasse Kriegsverbrechen an Arabern zu begehen.  Nach einem alten Wehrmachtslied, dass es „Panzer und Flieger nie allein schaffen… ohne deinen Einsatz nie.. Deutsche Infanterie“, müssen auch die Israelis die Infanterie einsetzen, wenn sie in Gaza Ordnung schaffen wollen. Sie können sie aber auch nicht wirklich einsetzen, weil diese im Häuserkampf größere Verluste erleiden dürfte, die so viel jüdische Opfer kosten könnten wie die, die man rächen will.  Eine Million Menschen kann man praktisch auch nicht vertreiben, ohne unter ihnen Opfer zu provozieren. Wie viele Deutsche kamen 1945 auf der „Flucht“ um? Wie viele Frauen verloren auf der Flucht ihre kleinen Kinder? Jedenfalls gibt es für die verlangte Umsiedlung keine logistische Assistenz von Seiten Israels. Das ganze Vorhaben ähnelt insoweit eher der „Umsiedlung“ der Armenier von 1915, die damals die Türken nicht im Grenzgebiet zu Russland hatten belassen wollen. Es gibt nicht wenige Historiker, die diese „Umsiedlung“ der Armenier in Wüstengebiete als Völkermord werten. Steht Israel an der Schwelle zum Völkermord? Schaut fast so aus.

Es wäre wohl das Vernünftigste, die Racheaktion abzublasen. Aber ist das möglich, nachdem EU und bis auf einen Mitgliedsstaat alle europäischen Länder für eine israelische Gewaltpolitik „Grünes Licht“ gegeben haben? Das macht die Sache zu einem inländischen Problem. Die Araber bei uns würden gut daran tun, gegen die kriminelle Unterstützung der deutschen Regierung zu protestieren statt Exzesse der Hamas zu bejubenln; bislang ist der potentielle Völkermord der Israelis noch Theorie, aber die kriminelle Anstiftung und Beihilfe dazu seitens der deutschen Regierung ist bereits vollendet. Jeder „Evakuierungsflug“ der Bundeswehr signalisiert das Einverständnis, in Gaza tabula rasa zu machen. Während man den Israelis teils Notwehr, teils Verlust der Einsichtsfähigkeit wegen Hysterie, sowie andere schuldmindernde Umstände zubilligen kann, fehlen solche bei der deutschen Regierung. Die müssen wissen, was sie tun, wenn sie sich bedingungslos an die Seite einer verrückt gewordenen israelischen Regierung stellen, die vielleicht gar nicht die Opfer der Hamas-Aggression, sondern die Bloßstellung ihres politischen Unvermögens rächen will.

15.10.2023 von Lobenstein

 

 

 

Wacht endlich auf!

Golda Meir hat einmal gesagt, dass sie den Arabern nie verzeihen wird, dass sie „uns Israelis zwingen sie zu töten“. Das war der Höhepunkt an Heuchelei und Zynismus. Keiner wird oder ist gezwungen zu töten. Die Palästinenser wollen die Israelis lediglich zwingen sie in Würde und Freiheit leben zu lassen. Natürlich haben die Israelis, wie jedes andere Volk auf der Welt, das Recht sich zu verteidigen. Aber die Betonung liegt auf „jedes andere Volk“ und deshalb haben auch die Palästinenser das Recht sich zu verteidigen. Und wenn wir auf den Konflikt in Gaza schauen, dann haben doch die Menschen in Gaza das Recht so leben zu wollen, wie die Menschen 50 Kilometer nördlich, nämlich in Tel Aviv. Auch sie wollen frei sein, unabhängig sein und nicht von den Gnaden bzw. Launen der israelischen Besatzung abhängig sein. Seit nunmehr zwei Generationen leben dort die Menschen wie in einem Freiluftgefängnis. Sie dürfen nicht raus und keiner darf rein, natürlich bis auf seltene Ausnahmen. Journalisten dürfen rein, um über das Elend der dort lebenden bzw. vegetierenden Menschen zu berichten. Die Palästinenser in Gaza und in der Westbank wollen aber kein Mitleid. Sie wollen die Anerkennung ihrer Rechte, die Respektierung dieser Rechte: Als freie Menschen zu leben.

Jetzt werden die Palästinenser sagen, dass sie den Israelis nie verzeihen werden, dass sie die Hamas gezwungen hat ein solches Blutbad durchzuführen. Es kann für eine solche Tat keine Entschuldigung geben, aber man kann verstehen, warum und wieso es dazu gekommen ist, ohne es zu rechtfertigen und schon gar nicht es gut zu finden, zumal es jetzt am meisten den Menschen in Gaza schaden wird.

In Europa und besonders in Deutschland schauen wir auf den Konflikt mit europäischen Augen und christlicher Logik. Die Menschen im Orient, und Israel ist nun mal ein Teil des Orients, ticken aber anders. Dort gilt noch die biblische Formel: Auge um Auge, Zahn um Zahn, wobei die Israelis diese im Grunde humane Aufforderung pervertiert haben, indem sie in ihren Vergeltungsschlägen, die man als pure Rache auslegen darf, zehn Augen für ein Auge verlangten und zehn Zähne für ein Zahn.

Seit Jahren wird der Konflikt von israelischer Seite eingefroren und Netanjahu sagte immer wird, dass er nicht interessiert sei den Konflikt zu lösen. Es reichte ihm den Konflikt zu verwalten. Die Quittung für diese arrogante und leichtsinnige Politik hat er am 7. Oktober 2023 bekommen. Nur wenige Tage zuvor, im September, stand er vor der UN-Generalversammlung und zeigte den anwesenden Führern der Welt eine Karte der Region auf dem Palästina ausradiert war. Das war eine perfide und unnötige Provokation. Und wenn gleichzeitig geprahlt wird, dass man dabei sei mit Saudi-Arabien Frieden und militärische Kooperation zu vereinbaren, dann soll man sich nicht wundern, wenn auf arabischer und auch iranischer Seite das Blut kocht, der gesunde Menschenverstand unter Druck gerät und sie vor Angst, Hass und Enttäuschung explodieren. Aus demselben Grund kämpfen die Ukrainer gegen Russland, weil Putin ihnen ihr Existenzrecht verweigert und sie lieber heute als morgen vernichten und ausradieren möchte. Die Ukrainer werden von der westlichen Welt unterstützt. Gaza aber von niemanden. Die Menschen dort müssen zusehen und ertragen wie andere arabische Staaten, sozusagen ihre Brüder, mit Israel kooperieren. Und jetzt auch noch Saudi-Arabien, der bisher größte Unterstützer der palästinensischen Sache. Das brachte endgültig das Blut zum Überkochen und die Vernunft zum Schweigen.  Sie handelten aus blinder Wut und Verzweiflung und sie handelten falsch, aber was wäre richtig? Der Wille der Nationalisten siegt über das Recht der Vernunft. Statt Frieden mit ihren Nachbarn zu schließen, wählen die Palästinenser und die Israelis den Weg des Krieges und beschuldigen sich gegenseitig als Terroristen. So ist es schon seit Jahren und das Szenario wiederholt sich ständig. Die Palästinenser veranstalten einen Terrorakt und die Israelis antworten mit Gewalt. Und wenn die Gewalt nicht reicht, dann eben noch mehr Gewalt. Für Gespräche ist kein Platz. Israel behauptet, dass es sich verteidigt, aber dasselbe behaupten auch die Palästinenser.

Der Krieg der palästinensischen Hamas wird zum Krieg aller Palästinenser und der Krieg der rechten israelischen Nationalisten wird zum Krieg aller Israelis und macht sie alle radikaler. Die nicht sahen, was kommen wird nach der Wahl einer rechtsradikalen Regierung in Israel, wollten es nicht sehen. Und wer sich jetzt über die Tragödie der Israelis beschwert, verkennt die Ursachen. Natürlich sind wieder „Unschuldige“ ermordet worden. Aber auch auf palästinensischer Seite werden seit Jahren „Unschuldige“ ermordet und nicht wie es in israelischer Sprache heißt, getötet. Die Israelis haben Netanjahu geglaubt, dass man Millionen von Menschen in einem Freilustgefängnis „verwalten“ kann. Sie wie „menschliche Tiere“ behandeln, ohne vor Gericht gestellt zu werden, töten kann, weil, wie es ein israelischer Richter einmal gesagt hat: „Jüdisches Blut ist wertvoller als arabisches Blut“. Das ein durchgeknallter Richter sowas sagt ist schlimm genug. Viel schlimmer ist aber die Tatsache, dass er es sagen konnte ohne Konsequenzen zu fürchten. Das ist purer Rassismus und die israelische Gesellschaft ist leider durchdrungen von solcher Ideologie.

Schuldig sind alle, auch wir in Europa und Deutschland, die zugesehen haben wie das palästinensische Volk leidet und nichts getan haben. Schuldig sind deutsche Minister, die öffentlich sagen, dass sie über die humanitäre Unterstützung der Palästinenser mit ihren Kollegen in Israel sprechen müssen. Schuldig ist eine naive und unfähige Regierung in Berlin, die seit Jahren davon redet, dass sie eine Zweistaaten-Lösung befürwortet, aber nur einen Staat anerkennt und den anderen ignoriert. Schuldig ist eine Politik, die die Israelis als jüdische Opfer betrachtet und nicht als israelische Täter. Die Juden, zumindest in Frankreich, England und besonders in den USA fangen an sich von Israel wegen seiner faschistischen und völkerrechtswidrigen Politik zu distanzieren. Nur die Nicht-Juden sind noch nicht dazu bereit. Es sieht fast so aus, als ob die christliche Welt ihren jahrhundertelangen Antisemitismus jetzt auf die Palästinenser übertragen haben. Was nützen denn die Reden von Freiheit, Gleichheit und Unabhängigkeit für alle Menschen, wenn die Palästinenser immer wieder ausgeklammert werden. Gehören sie nicht auch zu dem menschlichen Spezi? Natürlich gibt es bei den Palästinensern Kräfte, die nicht an Frieden interessiert sind. Aber solche Kräfte gibt es auch in Israel. Diese Kräfte müssen auf beiden Seiten eliminiert werden. Vielleicht sollte man es einmal mit anderen Mitteln gegen die Hamas versuchen? Wenn aber jahraus, jahrein immer nur von der „radikal islamistischen Hamas“ die Rede ist, dann bekommt die Hamas keine Chance ihre Politik zu ändern. Radikal ist auch die israelische Regierungspolitik, zumal mit der jetzigen rechten und rassistischen Regierung.

Man redet jetzt davon, dass man die Hamas bzw. den palästinensischen Terror ein für allemal beseitigen will und muss. Man will sich nicht daran erinnern, dass es nicht immer so war und die Beziehung zwischen Juden und Araber nicht immer von Hass erfüllt war. Es waren auch Araber in Ägypten und Palästina, die geflüchteten Juden, aus dem barbarisch-christlichen Spanien, aufgenommen haben. Es waren auch Palästinenser, die geflüchtete Juden aus dem zaristischen Russland und aus Polen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts aufgenommen und friedlich behandelt haben. Und es lebten seit Jahrhunderten Juden in Palästina in guter Nachbarschaft mit ihren palästinensischen Nachbarn. Der Hass zwischen beiden Ethnien begann erst mit der Verbreitung des Zionismus, als die Palästinenser begannen zu verstehen, dass die Juden in ihrem Land und auf ihrem Grund und Boden einen eigenen, jüdischen Staat gründen wollen und dass die Konsequenz daraus ihre eigene Vertreibung sein wird. Und tatsächlich ist es so gekommen.

Der Widerstand der Palästinenser hat deshalb nichts mit Antisemitismus zu tun. Tatsache ist, dass Israel heute die Sprache der Nazis benutzt, wenn Israels Generalstabschef Yoav Galant verkündet, dass er Gaza kein Strom, kein Wasser und keine Lebensmittel liefern wird und die Menschen in Gaza als „menschliche Tiere“ bezeichnet. So begann auch die Judenverfolgung in Deutschland und so begann sie überall und immer: Bei der Verfolgung durch die Inquisition in Spanien oder bei den Pogromen in der Ukraine und Russland.

Israel will Rache, aber Rache ist das Gegenteil von Gerechtigkeit. Die Politik und die Medien in Europa haben Verständnis für Israel, weil sie auf den Konflikt ausschließlich aus der Perspektive der Israelis schauen. Und sie alle sind blind und taub, wenn sie solche Äußerungen über die Palästinenser vernehmen, die den Äußerungen der Nazis über die Juden gleichen. Es ist auch nicht zu verkennen, dass mit ihrer bedingungslosen Unterstützung Israels, die christliche Welt das „wiedergutmachen“ will, was sie mehr als tausend Jahre mit dem Antisemitismus falsch gemacht hat und natürlich mit dem grausamen deutschen Holocaust, der mehr als sechs Millionen Juden ermordete.

Wenn man die Hamas bzw. den sogenannten palästinensischen Terror, der in Wahrheit nicht Terror, sondern Widerstand ist, ein für allemal beseitigen will, dann nicht, wenn mit Gewalt geantwortet wird, denn Gewalt führt immer zu mehr Gewalt und mehr Gewalt führt zu noch mehr Gewalt und das Rad dreht sich ohne Ende. Nur ehrliche und faire Verhandlungen auf Augenhöhe werden zu einem nachhaltigen Frieden führen. Die Palästinenser wollen auch nur so frei leben wie wir. Und deshalb müssen wir Europäer nicht nur mit Israel solidarisch sein, sondern auch mit den Palästinensern, die heute die Juden der Juden sind. Wir müssen nicht nur Druck auf Palästina ausüben, wenn unsere Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit laut verkündet, dass sie mit Israel beraten will, wie die Unterstützung Israels aussehen darf. Es fragt auch niemand Putin wie man die Ukraine unterstützen soll. Wie lange will die Welt noch zuschauen? Sollen zwei Millionen Menschen in Gaza verhungern und verdursten, wie es Netanjahu plant? Wird die Welt das zulassen? Wird Deutschland dann immer noch hinter Israel stehen? Die Lippenbekenntnisse der Politiker sind unerträglich und zynisch. Wie heuchlerisch sind sie alle? Israel fordert die Menschen Gaza zu verlassen. Aber wohin? Hat denn niemand Mitleid mit den Kindern in Gaza? Zählen nur die israelischen, die jüdischen Kinder? Natürlich soll man Empathie und Mitleid mit Israel haben und ganz besonders mit den mehr als hundert Geiseln. Aber ist es nicht an vorderster Stelle die Aufgabe der israelischen Regierung sich, um ihre Bürger zu sorgen und zu kümmern? Wenn für die israelische Regierung Rache wichtiger ist als die Rettung seiner Bürger, dann ist es an die Bürger Israels darauf zu reagieren und sich an ihrer Regierung zu rächen und sie in die Wüste zu schicken, obwohl es keine Garantie gibt, dass eine neue Regierung realistischer sein wird. Mit dieser Regierung ist Israel jedenfalls auf dem Weg in eine Theokratie zu werden, wie der Iran. Theokratien sind auch nur Diktaturen. Im Vatikan hat der Papst das Sagen und im Iran sind es die Ayatolen. In Israel wären es dann die orthodoxen Rabbiner, die schon heute ihren Gläubigen sagen welche Partei sie wählen soll.

Israel ist keine Demokratie und schon gar nicht eine europäische Demokratie. Es ist absurd und Unsinn, wenn unsere Politiker sagen, dass uns mit Israel gleiche Werte verbinden. Schlimm wäre es, wenn unsere Werte von Demokratie und Menschenrechte, denen der Israelis gleichen würden. Dann würden alle Israelis, die in den letzten Jahren nach Deutschland geflohen sind als erste Deutschland wieder verlassen, denn sie kennen die israelische Demokratie, wo ein geschiedener Mann keine geschiedene Frau heiraten darf, weil er angeblich aus dem biblischen Stamm der Kohanim, der Priester stammt. Schon seit der Gründung des Staates Israel bestimmen die religiösen Parteien über Sein und Nichtsein des Staates. Ihre Gläubigen dienen nicht in der Armee und leben parasitär auf Kosten der säkularen Wähler. Und sie bestimmen inzwischen über das israelische Schulsystem. In ihren Schulen werden keine naturwissenschaftlichen Fächer gelehrt und auch keine Sprachen, Musik oder Sport. Israel ist dem Mullah Regime im Iran bald ähnlicher als den demokratischen Staaten in Europa. Und wenn bald der letzte säkulare Wähler Israel verlassen wird, wird man auch in Israel mit Rabbiner verhandeln müssen, die die Politik bestimmen.

Vielleicht ist der letzte Angriff der Hamas, so brutal und scheußlich er auch war, ein Weckruf für die liberale, säkulare Gesellschaft in Israel: Wacht endlich auf.

Abraham Melzer, 12.10.2023

Der Monotheismus

Die meisten, die Juden sowieso, auch die agnostischen,  glauben, dass „die Juden“ mit ihrem monotheistischen Glauben an Jehova der Welt einen ewigen Gefallen getan hätten. Die westliche Welt habe quasi unaufgeklärt im Götzendienst und im Götterglauben gelebt. Dass der Monotheismus ein geistiger Fortschritt sei, weil man sich der Vielzahl olympischer und germanischer Gottheiten entledigte, glauben die meisten Völker noch heute. Diese Einschätzung ist absurd. Die gebildete Welt glaubte an keine Götter, auch nicht an einen Einzigen. Die griechische Intelligenz des klassischen Altertums war zum großen Teil religiös indifferent (Karl Beloch). Baruch Spinoza (um 1650) und andere glitten zu Beginn der Neuzeit in eine Art pantheistischen „Deismus“ ab. Ohne den Unglauben hätten die Alten Griechen nie die Naturgewalten hinterfragen können.

Auch der Monotheismus kann in unserer Zeit nur als Mythos verstanden werden. Wenn sich ein Alexander der Große als Sohn des Ammon verstand und mit den Zoroastriern des von ihm besiegten Persiens liebäugelte, um eine Reichsreligion zu schmieden, kann er selbst überhaupt keine esoterische Ader gehabt haben. Die Ptolemäer in Ägypten konstruierten den Glauben an Serapis. Religion ist nicht nur Opium für das Volk, sondern zugleich die Grundlage einer autoritären Staatsverfassung. In Israel kann man das ganz aktuell beobachten. Manche sprechen von „Faschismus“, aber Faschismus ist ganz etwas anderes. Die national-religiösen Kräfte streben die Errichtung einer Theokratie an, die konkrte Heilige Schriften zur Staatsgrundlage machen. So wenig wie das Genf Calvins oder das Zürich von Zwingli „faschistisch“ war, wird dieses theokratische Israel faschistisch sein. Es wird viel schlimmer: man wird eher richtig finster mittelalterlich.

Was macht den jüdischen Monotheismus zum Danaergeschenk für die Welt?

Nach dem klassischen (griechischen) Mythos wussten die Menschen, dass man die Unsterblichen wegen deren Macht über die Naturgewalten nicht provozieren dürfe, aber auch, dass und wie man diesen Gewalten aus dem Weg gehen könne. Der klassische Mensch überlebte die Revolution der olympischen Götter gegen die Titanen des Götterhimmels dank eigener Intelligenz und Schläue; der klassische Mensch verstand sich als eine Kreatur des Titanensohns Prometheus. Er wusste, dass die Titanen von den Olympiern in den Tartarus gestürzt worden waren, sein Beschützer Prometheus an den Kaukasus geschmiedet und dessen Bruder das Himmelsgewölbe am Atlas abstützen musste. Ihnen, den Meschen,  hatten die neuen Götter das gleiche Schicksal bestimmt. Die Sage von Odysseus beschreibt, wie der Held dem Zorn des Poseidon entging, und dass dessen Mut zuletzt die Götter bewog, ihn heimkehren zu lassen. Auf Gnade oder Erlösung rechnete der klassische Mensch nicht. Manche Gemeinschaften errichteten prachtvolle Tempel zu Ehren bestimmter Götter, die diese davon abhalten sollten, ihre Gewalten gegen sie und simultan gegen den ihnen geweihten Tempel toben zu lassen. In dieser Logik liegt auch der Keim an einen Erlösungsglauben, der die Zeit Europas 1.500 Jahre verfinsterte (395-1792).

Vielleicht war der semitische Mythos ursprünglich einmal ähnlich: in der objektiven Logik der Genesiserzählung erscheint es unwahrscheinlich, dass ein allwissender Gott in einem närrischen Anfall den Homo Sapiens geschaffen habe, der seine Schöpfung im Laufe der Jahrhunderte zerstört. Nicht Jehova, sondern der Engel Chamael hätte eher ein kleines Ebenbild Gottes geschaffen und diesem ein Leben eingehaucht. Das wäre ein Grund gewesen, weswegen er als „Luzifer“ in den semitischen Tartarus gestürzt worden wäre. Später erbarmte sich Jehova des einsamen Adams und schuf aus dessen Rippe ein Weibchen. Hätte dieser Gott selbst den Menschen geschaffen, hätte er wahrscheinlich das weibliche Wesen wie bei allen anderen Lebewesen zur gleichen Zeit gemacht. Wie es auch immer in der Vor- Urzeit gelaufen sein mag: Für uns Epigonen kommt es darauf an, welches Verhältnis zu Göttern und höheren Wesen der Mythos tradiert.

Die Freiheit von einer Gnade des höchsten Sultans (Gottes) einerseits und die Opposition zur Despotie solcher All- und Übermächtiger andererseits hat der antiken westlichen Welt die Demokratie in Athen, die Wehrhaftigkeit Spartas und das römische Recht entstehen lassen. Die Bibel weiß nichts von Demokratie. Das kleine Athen siegte bei Salamis, das Heer der Griechen bei Plataiai über die monotheistischen Perser (479 vor), als die Juden längst Untertanen der Perser waren. Als die Makedonier 333 „vor“ bei Issos siegten und auf dem Weg nach Ägypten en passant die jüdische Tempeltheokratie unter ihre Herrschaft nahmen, waren die Juden dort gar nicht reif für den Hellenismus (Heinrich Graetz). Sie lebten geistig noch in der grauen Vorzeit ihres Sagenkönigs Saul. Alle ihre späteren Versuche, die Zeit anzuhalten und unter den Makkabäern, Bar Kochba und anderen Verirrten einen jüdischen Staat zu errichten, kosteten entsetzlichen Tribut. Als Jude kann man nicht einmal auf Bar Kochba stolz sein, auch wenn ihm Rabbi Akiba den Segen erteilte. Er war ein Schwindler. Luther nennt Akiba einen „alten Gauch“ Aber um sich Eliser Ben Abuja anzuschließen, waren die Juden nicht reif..

Erst die Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Römischen Reichs war die Voraussetzung, dass sich die Kaiser vom Prinzeps zum Dominus haben aufschwingen können. In der Ausgestaltung seines Christentums in der Fassung des „Symbolon“ von Nikäa (325 nach) übernahm Kaiser Konstantin den Monotheismus nach der Formel

„ein Gott, ein Reich, ein Kaiser“.

Der Monotheismus war für die westliche Zivilisation kein Gewinn. Er führte direkt in das Mittelalter hinein. In seiner Paradoxie wird der monotheistische Glaube von der Curaille als Grundlage der Moral verkauft, obwohl einerseits die Heilige Schrift von Unmoral nur so trieft und, wie es sich heute zeigt, selbst Bischöfe dem sexuellen Missbrauch ihrer Schützlinge frönten. Bei den Juden ist es im Prinzip nicht anders. Ultraorthodoxe glauben sogar, dass Moses die Israeliten trockenen Fußes durch das echte Rote Meer geführt habe, während modernere Bibelexegeten denken, das „Rote Meer“ der Bibel sei nur einer der Bitterseen. Es gibt folglich eine immense Bandbreite der Verblödung, die der Bibelglaube bewirkt. So wenig, wie man Ilias und Odyssee wörtlich nehmen darf, auch wenn es Troja tatsächlich gegeben hatte, so muss man auch die Bücher Mosis als Sagensammlung sehen. Wenn man glaubt,  Abraham und seine Leute hätte das Alter von 900 Jahren erreicht, der möge die Zahl durch 12 teilen. Er kommt auf die Dauer eines gewöhnlichen Menschenlebens zurück. Den Jungsteinzeitmenschen waren offenbar die Zeitabschnitte für das ganze nicht fassbar, sondern nur die erkennbaren „Monde“. Wenn jedoch ihre Epigonen alles noch so unbeholfen real sehen wollen, wie in der Stein- und Bronzezeit gesehen hat, dann gibt das schon zu denken.

Jedenfalls begünstigte das Mittelalter der westlichen Welt auch das Judentum, das in seinem traditionellen Monotheismus von den Rabbinern in der Diaspora zusammengehalten werden konnte. Der Glaube an „ihren“ Gott ließ sie als Nation überleben, wenngleich nicht ohne hohe Einbußen: Nach den Pogromen in Spanien (1391) bekehrten sich 200.000 Juden zum Christentum (Haim Beinart); das Judentum, das im Römischen Reich 8% der Bevölkerung ausmachte, ging auf einen Anteil von 0,3% zurück. Die meisten Juden schlossen sich wie in Spanien  – nolens volens –   dem intellektuellen Fortschritt des Westens an. Arthur Ruppin zählt noch 1930 eine Liste von damals aktuell bedeutenden jüdischen Persönlichkeiten auf (in: Soziologie der Juden). Nach Felix Theilhaber haben diese und ihre Familien meist das Schicksal des „Untergangs des deutschen Judentums“ geteilt, nichts wegen des Holocausts, sondern durch „Assimilation. Im Gegensatz zu diesen großen Persönlichkeiten existieren am anderen Ende der Bandbreite jüdischen Lebens mittelalterliche Verhältnisse. Abergläubischsten Ultra-Orthodoxen beachten nicht nur einen koscheren Speisezettel, sondern dürfen sich aus koscheren Lebensmitteln auch nur auf einen koscheren Herd ein koscheres Süppchen kochen. Derzeit schwelt ein Streit um jüdische Feriengäste in Davos, zu dem Simon Bollag in der Neuen Zürcher Zeitung Stellung nimmt; die Zeitung:

„Bollag ist ein Zürcher Großhändler für koschere Schokolade und Käse und kennt den Ferienort Davos – und weiß, wie das orthodoxe Milieu funktioniert. Er selbst gehört ihm an. Bollag sagt: «Stellen Sie alle Fragen, auch die ganz heißen! Wenn man das nicht macht, bleiben Vorurteile bestehen.»

Der Unterschied zwischen Bollag und den gewöhnlichen Orthodoxen ist ein schlechter Judenwitz; der gewöhnliche Orthodoxe macht den Herd des gemieteten Appartements koscher, indem er ihn, ohne Verständnis für fremdes Eigentum und für Technik, voll aufdreht und damit kaputt machen kann. Bollag, mit ein wenig Sinn für fremdes Eigentum und Technik,  dreht die einzelnen Platten sukzessive voll auf, und der Herd wird dadurch auch koscher. Die Pointe des Witzes  liegt darin, dass Bollag  – halbvernünftig –  weiß, wie man Aberglaubens unter modernen Bedingungen praktizieren kann. Entscheidend aber bleibt, Bollag wie seine orthodoxe Schokoladenkundschaft glauben an die unsinnige Notwendigkeit eines koscheren Herdes als Grundlage koscherer Speisen.

Das orthodoxe Judentum steckt also noch im konstantinisch eingeleiteten Mittelalter. Seine Rabbiner hatten sogar die Corona-Pandemie negiert und einige waren tapfer an Corona gestorben. „Bei uns“ verteufelte man die gleichen Negierer und Nicht-Impfer als Staatsfeinde und als Gestrige. Der Staat Israel ließ exzessiv impfen. In der Diaspora entschied sich die Vertretung der Juden, sich der Kampagne der Regierungen (Israels und der BRD) anzuschließen und die Impfkampagne gnadenlos zu unterstützen. Die Sängerin Nena wurde in der Jüdischen Allgemeinen als „Geistesfunzel“ verunglimpft. Inzwischen kommt die NZZ darauf, dass diese Hetzkampagne doch überzogen war; sie führt aus:

«Staatsfeinde», «Schweinehunde», «Bekloppte»– vor zwei Jahren überboten sich Qualitätsmedien mit Tiraden gegen Maßnahmenkritiker und Impfskeptiker. Journalisten   – und speziell solche der Jüdischen Allgemeinen –   sind schnell mit Rufen nach «Aufarbeitung» zur Stelle, wenn es um die Verfehlungen von anderen geht. Mit den eigenen Entgleisungen während der Corona-Krise wollen sie sich kaum beschäftigen. Karl Lauterbach, begleitet von Kameras, hat wieder sein Adidas-T-Shirt hochgekrempelt und sich eine Spritze in den Oberarm führen lassen. …. Diese Szene dürfte bei manchen Zuschauern unangenehme Erinnerungen geweckt haben. Etwa an Polizisten, die Rentner von Parkbänken verjagten, an Angehörige, die im Spital nicht besucht werden durften, oder an vergangene Impfkampagnen – als sich Politiker und Journalisten mit verbalen Ausfällen gegen Ungeimpfte und Forderungen nach Einschränkungen und Bestrafungen überboten. Hier die Bildungswilligen, dort die Bekloppten. Die Schlagzeilen, die auf Krisen-Höhepunkten produziert worden sind, wirken heute wie Relikte aus einer anderen Zeit. Man fragt sich, wie sich ein Teil der Medienbranche derart verrennen konnte. Nachzulesen sind sie im Buch «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen» von Marcus Klöckner und Jens Wernicke. Karl Lauterbach, damals noch nicht Gesundheitsminister, schrieb im August 2021 auf Twitter: «Eine Minderheit der Gesellschaft [will] eine nebenwirkungsfreie Impfung nicht, obwohl sie gratis ist und ihr Leben und das vieler anderer retten kann.» Das war, wie heute bekannt ist, eine gewagte Behauptung. Denn die Corona-Impfung ist weder frei von Nebenwirkungen, noch kann sie Geimpfte sicher davon abhalten, andere anzustecken. Sie bietet allenfalls Schutz vor schweren Krankheitsverläufen. Auf der Basis dieser Irrtümer wurde eine Kampagne lanciert, die in der jüngeren Geschichte wohl beispiellos ist. Politiker wie der deutsche alt Bundespräsident Joachim Gauck teilten die Bevölkerung in «Bildungswillige» und «Bekloppte» ein, Komiker wie Peach Weber forderten Ungeimpfte auf, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen. «Sie sind Schweinehunde», titelte die linke «TAZ Tageszeitung» am 15. November 2021 und meinte damit alle Impfgegner. Im Text ist von «Staatsfeinden», die Rede, «die in voller Absicht an unseliges deutsches demokratiefeindliches Denken und Handeln anknüpfen». Die ehemals liberale «Zeit» identifizierte Maßnahmenskeptiker einige Tage später als «zweite Seuche», sie könnten mit Virusvarianten verglichen werden, die mutierten und gefährlicher würden. «Dank euch droht der nächste Winter im Lockdown». «Das Virus heißt Staatsfeindlichkeit», schloss der «Zeit»-Autor, nun brauche es «Ansagen» und entschiedenes Handeln der Politik. In der Schweiz glaubte der «Sonntags-Blick» zu wissen, dass Impfgegner «mit dem Virus gemeinsame Sache» machen, und das Portal «Watson» forderte den damaligen [Schweizer] Bundespräsidenten, den «lieben Herrn Parmelin», dazu auf, die «Impf-Kasper» endlich zu isolieren. «Spaltet die Gesellschaft!», forderte auch der österreichische «Standard», während sich der Wiener «Falter» in eine Schimpfkaskade über «Corona-Leugner, Schwurbler, Impffeiglinge, Spritzenscheue, Wissenschaftshasser und medizinische Besserwisser» hineinsteigerte. Diese Spritzenscheuen, so lautete der aggressiv-larmoyante Tenor über alle Landesgrenzen hinweg, seien allein verantwortlich dafür, falls es neue Einschränkungen gebe. «Wenn ein Lockdown kommt, dann seid ihr daran schuld», schrieb eine Autorin von T-Online Ende November, «und meine Kinder hocken drin.» Die ARD-«Tagesschau» eröffnete ihren Kommentar am 19. November mit einer Grußbotschaft: «Na, herzlichen Dank an alle Ungeimpften. Dank euch droht der nächste Winter im Lockdown. »Eigentlich, so sinnierte die ZDF-Satirikerin Sarah Bosetti wenig später, seien Ungeimpfte wie ein Blinddarm – «weit rechts unten» angesiedelt, für das «Überleben des Gesamtkomplexes» nicht essenziell. ….. Wenige haben es bisher gewagt, die Rolle der Medien kritisch zu beleuchten. Die dänische Boulevardzeitung «Ekstra Bladet» räumte schon Anfang 2022 ein, gescheitert zu sein. Man habe Experten, Politikern und Behörden vertraut, die «uns ständig vor dem schlafenden Corona-Monster unter unseren Betten warnten». Auch der «Spiegel» zeigt sich in jüngster Zeit selbstkritisch, nachdem sein Kolumnist Nikolaus Blome 2020 noch «ausdrücklich» gesellschaftliche Nachteile für alle Nichtgeimpften gefordert hatte – mit dem Satz «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen». Im März 2023 dagegen schrieb das Magazin, inzwischen wisse man ja, «dass viele Pandemiemaßnahmen unsinnig, überzogen, rechtswidrig waren». Das sei kein Ruhmesblatt, auch nicht «für uns Medien»: «Ich fürchte, der Diktator in uns war ziemlich stark.» Diese autoritäre Neigung offenbarten Journalisten schon zu Beginn der Pandemie. Am 6. Mai 2020 etwa trat der damalige ARD-Chefredaktor Rainald Becker mit Anzug, Krawatte und strengem Blick vor die «Tagesthemen»-Kamera, um Angela Merkel zu loben und vor einem «Lockerungswettlauf» zu warnen. Alles, so erklärte er den Zuschauern, werde sich in Zukunft grundlegend ändern müssen, der Lebensstil, die Wirtschaft, das Konsumverhalten. Das hätten auch Madonna, Robert De Niro und zweihundert andere Künstler und Wissenschaftler in einem Aufruf festgehalten. «All diesen Spinnern und Corona-Kritikern sei gesagt: Es wird keine Normalität mehr geben wie vorher.»

Hierzu muss man aber wissen, dass die deutsche Justiz ungeniert ihre Terrorurteile aus der Coranazeit genauso im Raum stehen lässt. Wie es Bertold Brecht geweissagt hatte, war der Schoß, aus dem die NS-Diktatur gekrochen war, fruchtbar noch geblieben. Und die Pandemie gebar unter scheinbar unpolitischen Notwendigkeiten die Lust zur diktatorischen Macht, zur Hetze auf Andersdenkende und für Predigten zu Strafmaßnahmen. So völlig daneben lagen die Leute mit dem gelben Judenstern nicht, die „ungeimpft“ dazusetzen. Vielleicht nicht in voller Absicht, aber doch instinktiv „knüpften deutsche Richter und Dienststellen an unseliges deutsches demokratiefeindliches Denken und Handeln an“ (NZZ). Und diesen instinktiven „Nazis“, ihren Befürchtungen und Meinungen Geltung zu verschaffen, schloss sich die Jüdische Allgemeine instinktlos an.

Was ich sagen will: „(je)der Jude“ denkt besser selbständig, als sich auf Hirten zu verlassen und Herdentrieben zu folgen. Die meisten Menschen jüdischen Glaubens hatten sich wieder brav an den Impfstellen eingefunden. Denken ist und bleibt Glücksache.

04.03.2023 von Lobenstein

Geschichte ereignet sich meist zweimal, einmal als Tragödie, das zweite Mal als Farce.

Langsam fühle ich meinem Vater nach, wie er in den 30er Jahren in Berlin jeden Tag erleben musste, dass bisherige Freunde sich bis zur Unkenntlichkeit veränderten; oder zeigten sie vielmehr ihr wahres Gesicht als Nazis? Wer heutzutage immer noch Putin versteht, dürfte 1933 auch Hitler verstanden haben. Wer der Meinung ist, dass die Nato Russland bedroht habe, hätte auch 1939 geglaubt, dass Polen Deutschland angreifen werde. Wer heute dagegen ist, dass man der Ukraine Waffen liefert, hätte sich auch empört, dass während des ganzen Zweiten Weltkrieges die USA an die UdSSR Waffen lieferte. Wer heute blind angesichts der Kriegsverbrechen Russlands ist, der wäre auch blind gewesen gegenüber den Kriegsverbrechen der Nazis. Wer Putins Krieg als „Spezialoperation“ betrachtet, der hätte die Ermordung der Juden auch nur als „Endlösung“ bezeichnet. Wer jetzt immer noch nicht wahrhnehmen will, dass Putin in der Ukraine einen Genozid veranstaltet, der nimmt auch an, dass Selenskyj ein Nazi und die Ukrainer Mitglieder der Waffen-SS seien. Oskar Lafontaine und seine Frau Sahra Wagenknecht sind beide schlimme Komplizen von Putins Kriegsverbrechen. Sie „verstehen Putin“, und sie sprechen seine Sprache besser als mancher andere. Gregor Gysi zieht es vor, Ukrainer sterben zu lassen, als ihnen Waffen zu liefern, weil „überall Deutschland an Kriegen verdiene, was genau das sei, was ich, Gysi,  nicht möchte.“ In dieser Logik fordert Gysi in einer Rede vor dem Bundestag, dass die „Nato doch erklären sollte, dass sie jetzt keine einzige Waffe mehr an die Ukraine liefere, wenn die russische Führung einem Waffenstillstand zustimme.“ Zurecht macht da Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann einen Zwischenruf: „Wie naiv sind Sie eigentlich?“ Und Gysi bekommt Beifall von Abgeordneten der AfD.

Ich erlebe in diesen Tagen ähnliches wie mein Vater damals. Freunde und Bekannte, für die ich früher meine Hand ins Feuer gelegt hätte, dass sie liberal seien und auf der Seite der Menschenrechte stünden, erweisen sich plötzlich als „Putinversteher“. Sie veröffentlichen Aussagen wie diese: „Die ukrainische Seite hat keinerlei Hemmungen, Kriegsgefangene massiv zu foltern und auch zu töten. Etwa ein Drittel der russischen Kriegsgefangenen, die die unmittelbare Gefangennahme überlebten, werden in ukrainischen Gefängnissen von den Sadisten des ukrainischen Geheimdienstes SBU zu Tode gefoltert… Auch wird ihnen ausreichend Nahrung und Wasser verweigert…“

Ich weiß nicht, woher sie solche Tatsachen erfahren haben wollen. Sie können solche Behauptungen nur direkt vom russischen Propagandaministerium erhalten. Ich frage mich und staune, wie die vielen liberalen Linken mutiert sind, die plötzlich so viel Verständnis für einen brutalen und grausamen Krieg haben. Liegt es an der Person des Kriegsherrn, Putin , der in Wirklichkeit keinen Krieg führt, sondern zynischen und rücksichtslosen Terror gegen Zivilisten „spezialoperiert“. Der Terror gegen Kinder und alte Menschen, gegen Frauen und Mütter, Säuglinge und Kranke ist tatsächlich eine „Spezialoperation“ und kein klassischer Krieg. Ein klassischer Krieg ist für Putin längst verloren. Indem er im Stil der „Nazis“ die Ukraine als Staat vernichtet und die Ukraine als Gebiet vor einem Zugriff der „faschistischen Imperialisten aus dem Westen“ retten will, macht er „Lebensraumpolitik“ nach Art der Nazis. Wir leben in einem historischen Zeitabschnitt, in der keiner von uns abseitsstehen darf. Entweder stellen wir uns dem gegenwärtigen russischen Regime entgegen, oder wir werden zum Kollaborateur desselben. Wir dürfen nicht tolerieren, dass die Macht der Gewalt über das Recht regiert. Wir müssen die imperialistische Politik des Kremls thematisieren und bekämpfen, denn diese richtet sich letztlich auch gegen uns. Wir dürfen nicht mehr die russische Propaganda nachplappern und zu Putins Sprachrohren werden. Es gibt eine Vorgeschichte zu diesem Krieg – sicher. Aber der Westen trägt keine Mitverantwortung an diesem Krieg. Die Wahl „der Schritt zur Politik mit anderen Mitteln“ (Clausewitz)  war allein Putins Entscheidung. Es handelt sich auch nicht um eine harmlose „Spezialoperation“ sondern um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Viele sehen das anders, aber der „Freitag“ (z.B.) hat für Beiträge von Autoren mit einer putinistischen Haltung keinen Platz mehr. Ulrich Heyden, dem diese Zeilen galten, der immer noch in Moskau sitzt und die Rolle von Putins Pudel spielt, antwortete darauf: „Nach meinem Eindruck lachen die Russen über diese Verurteilung von deutscher Seite.“ Inzwischen ist ihnen aber das Lachen vergangen. Ich habe nichts dagegen, wenn diese naiven und wohl von Russland gelenkten „Putin Versteher“ die USA kritisieren. Ich habe es selbst oft getan und tue es immer noch. Aber ich kritisiere die amerikanische Politik, z.B. ihre Nahost-Politik in Bezug auf Palästina und Israel, aber nicht die Amerikaner bzw. das amerikanische System schlechthin.

Eine Bilanz von Putins nunmehr zwanzigjähriger Herrschaft offenbart einige interessante Umstände. Das Bruttosozialprodukt der Weltmacht Russland liegt auf dem Niveau Spaniens. Die Einnahmen aus den riesigen Öl- und Gasressourcen des Landes sind vor allem in die Rüstung geflossen – davon ein Anteil, die gemeinsten Mafiabosse vor Neid erbleichen ließe –   ist in die Taschen der Oligarchen geflossen, die ihre Privilegien mit Kadavergehorsam gegenüber dem Mann im Kreml bezahlen. Wenn sie Putins Plänen, wie etwa im Fall der «Spezialoperation» in der Ukraine, im Wege stehen, passieren ihnen plötzlich unerklärliche Dinge: sie rutschen auf einer Treppe aus und brechen sich das Genick; sie verlieren beim Rauchen am Fenster das Gleichgewicht und fallen in die Tiefe; sie stürzen aus ihrer Jacht ins Meer, und können immer nur noch tot geborgen werden. Das ist schon seit Jahren die Art Putins, seine Gegner zu beseitigen. Trotzdem schreiben linke Verschwörungstheoretiker von einem „totalen Krieg gegen Moskau“, der von „ukrainischen Nazis“, geführt werde. Sie drücken es sogar poetisch aus: „Niemand kann den Fetisch des Untergangs eindrucksvoller zelebrieren als die politischen Nachkommen derer, die einst an der Seite von Himmlers ´Rassenkriegern` die Schwarze Sonne anbeteten.“ Die Ukrainer standen aber nicht „an der Seite Himmlers“. Sie kämpfen wie die Russen und starben auch wie sie.

Deutsche beschuldigen die Angegriffenen, die Angreifer zu sein. Deutsche, deren Eltern ihre Freiheit denjenigen verdankten, die für sie gestorben waren. Und jetzt beleidigen und diskreditieren sie diese Toten als „Rassekrieger an der Seite Himmlers“ gestanden zu haben. Die Kiewer Regierung, die heute ihr Land verteidigt, soll nach dieser Interpretation schuld sein an der Eskalation des Krieges. Demnach müsste auch Stalin daran schuld gewesen sein, dass Hitler Russland angegriffen hatte. Man kann nur noch staunen, dass es Menschen gibt, die solche Gedanken spinnen können, und solche, die an diesen Unsinn glauben. Ich kann verstehen warum Deutsche, deren Väter von amerikanischen Soldaten getötet wurden, die Amerikaner ablehnen. Ich kann aber nicht verstehen, wie Deutsche, deren Eltern von Russen unterdrückt und ausgebeutet wurden, für Russland mehr Empathie empfinden als für Amerika. Dabei geht es in diesem Konflikt nicht um Russland oder Amerika, und auch nicht um Russen oder Amerikaner, sondern im Grundsatz um einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen eine zivile Bevölkerung, der die komplette Infrastruktur ihres Landes zerstört wird. Damit wird nur die Bevölkerung sinnlos terrorisiert. Die Bevölkerung leidet und wird noch Jahrzehnte lang leiden müssen. Der Wiederaufbau der Ukraine wird Billionen Euro kosten, aber auch die Wiederherstellung Russland wird nicht billig sein und sich über Jahrzehnte hinziehen. Es tut weh zuzusehen, wie Ressourcen vernichtet werden, wo wir doch auf der Welt so viel andere Probleme haben, die dringend gelöst und in Angriff genommen werden müssen.

Ich wundere mich nur, warum so viele die Rolle Russlands bzw. Putins dabei nicht sehen wollen, und dass sie stattdessen immer auf die USA blicken und dort das Böse suchen. Natürlich ist der amerikanische Imperialismus widerlich und kritikwürdig. Aber haben wir denn nicht alle auch immer wieder amerikanische Kriegsverbrechen in Vietnam, Irak, Libyen und sonst wo kritisiert? Warum sehen diese naiven Linken neben den Anhängern der AfD nicht den russischen Imperialismus, der nicht weniger brutal und nicht minder gefährlich ist? Warum sehen sie nicht, dass man eine angeblich schlechte Demokratie nicht mit einem autokratischen Staat bekämpfen kann? Warum sehen sie nicht, dass Putin vielfach mörderischer und brutaler ist als der schlimmste amerikanische Präsident? In allen Schriften dieser „Putinversteher“ habe ich nicht ein einziges Mal von Butscha oder Mariupol gelesen. Nicht ein einziges Mal von zerstörten Theatern mit hunderten von zivilen Opfern, von bombardierten Supermärkten und zigtausender Privathäuser. Nicht von der kompletten Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur, davon, dass Menschen hungern, frieren und sinnlos sterben, und auch nichts von der Entführung tausender ukrainischer Kinder nach Russland, wo ihnen ihre Identität gestohlen wird. Stattdessen lese ich immer wieder von der Infamie der Nato, die angeblich Russland existenziell bedroht hat. Das war aber eine krankhafte Einbildung Putins und seiner Getreuen.

Worin besteht das Lebensmodell, das Putin der «Dekadenz» des Westens entgegenstellt? Welche neuen Vorteile, welche neuen Freiheiten, welche neuen Freuden können sich die in Propagandalügen gefangenen Russen von einem Sieg Putins in der Ukraine versprechen? Und welches Schicksal stünde den Georgiern, den Bürgern der Moldau und anderer «abtrünniger» Provinzen bevor, wenn Putin den sie umfassenden Traum vom «Großen Russland» realisieren könnte? Mit welchen Mitteln und mit welchen Arbeitskräften würde er die zertrümmerten Städte der Ukraine wieder aufbauen und einen Schaden gutmachen, der bis dato auf 500 Milliarden Dollar beziffert wird?

In den USA haben wir es mit einer Demokratie zu tun, die, wenn sie auch unvollkommen ist und Fehler macht, immer noch eine Demokratie bleibt, die sich alle vier Jahre erneuern und korrigieren kann. In Russland herrscht Putin schon zwanzig Jahre und wird bis an sein Lebensende herrschen, wenn er nicht gewaltsam beseitigt wird. Und Putin setzt auch eine Politik fort, die unzählige Vorgänger auch schon geführt haben. Er selbst beruft sich auf keinen geringeren als Peter dem Großen, Zar von Russland von Gottes Gnaden. Auch dieser regierte nicht aufgrund von Wahlen, sondern mit Gewalt. In den USA wird der Präsident durch den Kongress kontrolliert und vor nicht allzu langer Zeit musste Präsident Nixon gehen, weil der Kongress ihn gefeuert hatte. In Russland wird Putin von niemanden kontrolliert und er kann tun und lassen, was er will.

Bei uns im Westen, besonders in Deutschland, werden unzählige Petitionen veröffentlicht, die unsere Regierung auffordert Verhandlungen aufzunehmen. Abgesehen davon, dass unsere Regierung keine Verhandlungen aufnehmen kann, stellt sich die Frage mit wem. Wer will sich noch an Putins langen Tisch setzen und von Putin gedemütigt und lächerlich gemacht werden? Und wie naiv muss man denn sein, um auf die Straße zu gehen und „Frieden schaffen ohne Waffen“ zu skandieren. Frieden kann man nicht ohne Waffen schaffen. Für Frieden muss man kämpfen und wenn es sein muss und nicht anders geht auch mit Leopard 2 Panzern. Verhandeln kann man erst nach einem Krieg, wenn eine Partei gesiegt hat, oder beide Parteien vom Krieg erschöpft sind. So war es nach dem Ersten Weltkrieg und so war es nach dem 30jährigen Krieg.

Und bei alle dem, vergessen diese naiven Friedensstifter, dass die Ukraine den Krieg nicht begonnen hat, und dass sie auch kein russisches Territorium besetzt hält. Die Ukraine kämpft um nicht mehr und nicht weniger als um ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Vor allem unabhängig sein von Russland. Und das sollten wir, ja müssen wir unterstützen.

Natürlich muss man die USA kritisieren, wenn sie Kriegsverbrechen verübt, aber warum artet eine solche Kritik bei Leuten wie Oskar Lafontaine und bei anderen in abgrundtiefen Hass und böser Verleumdung aus? Hat denn die Generation von Lafontaine nicht ihre Freiheit und Unabhängigkeit den idealistischen US-Soldaten zu verdanken, die unsere Freiheit mit ihrem Leben bezahlten? Und nicht nur die Menschen in Deutschland, sondern in ganz Westeuropa schulden diesen Dank. Die Menschen in Osteuropa hatten Pech. Sie wurden von Stalins Russland befreit, besetzt und regiert. Sie hatten kein russisches Äquivalent zum Marshallplan. Sie bekamen keine Carepakete aus den USA. Im Gegenteil, die Russen haben alles geraubt und nach Russland verfrachtet, was von Wert erschein. Über eine Million Amerikaner haben ihr Leben geopfert, um Europa vor dem Gift des Nazismus und vor dem italienischen Faschismus zu befreien. Diesen Toten verdanken wir und unsere Kinder und Kindeskinder die Tatsache, dass wir frei in einer liberalen Demokratie aufwachsen und uns entfalten konnten.

Woher kommt jetzt dieser unkontrollierte Hass auf die Amerikaner und die unverständliche Zuneigung und Empathie für Russland, wo doch Russland die Menschen in Ostdeutschland und in ganz Osteuropa nicht besonders zart und freundlich behandelt hatte. Für die Menschen in Ostdeutschland gab es kaum einen Unterschied zum nationalsozialistischen Regime. Die Russen haben die Menschen kaum anders behandelt, als die Nazis, außer, dass man in den russischen Gulags noch eine, wenn auch geringe Chance hatte, zu überleben. Die Russen haben ihre Häftlinge nicht vergast oder brutal ermordet, sondern eher durch Arbeit ausgebeutet. Stalin hatte keine Tötungsfabriken, keine Gaskammern und Verbrennungsöfen. Im Gulag starben die Menschen zwar auch wie die Eintagsfliegen, aber nicht durch Gas, sondern bei der Arbeit. Trotzdem war Russland nicht Nazideutschland. Bei den Nazis reichte, es Jude zu sein. Bei Stalin musste man schon einen Grund für Verhaftung und Deportation nach Sibirien bieten, auch wenn dieser noch so absurd war. Darin hat sich wohl in Russland unter Putin nicht viel geändert. Als mein Vater im Gulag einen Mithäftling fragte, warum er in den Gulag kam, erhielt er zur Antwort: „Weil ich zwei Hemden hatte.“ Das zeigt, wie absurd alles war. Die Verurteilung von Nawalny heute war nicht viel anders. Nawalny wurde verurteilt, weil er zwei Hosen hatte.

Russland und die USA sind zwei Supermächte, die zusammen mit China heute den Lauf der Welt bestimmen. In ihren imperialistischen Bestrebungen unterscheiden sie sich nicht voneinander. Sie folgen ihren eigenen Ambitionen, unterstützen brutale, autokratische   Regime je nach ihrem Interesse und haben keine Skrupel dabei. Sie reden von Freiheit und meinen immer nur ihren eigenen Vorteil. Die Freiheit der anderen interessiert sie wenig. Das goldene Kalb dieser Supermächte sind Kapital und Einkommen. Und wir können sehen, wie Geld die Welt regiert. Die Chinesen haben daraus eine Religion gemacht. Die Russen haben den Reichtum ihres Landes unter einer kleinen Clique von Oligarchen verteilt, die Putin beherrschte, und die ihn zum allerreichsten Mann der Welt machte, dafür, dass er sie das Land ausbeuten lässt. Und in den USA, wo der Kapitalismus zuhause ist, ist jeder Milliardär seines Glückes Schmied. Das Volk ist überall mehr oder weniger arm und lässt sich, wie wir jetzt in Russland sehen, von den Regierungen bzw. Diktatoren in den Krieg schicken, während die Milliardäre in den USA, die Milliardäre in China und die Oligarchen in Russland noch mehr Geld verdienen, wenn man überhaupt von „verdienen“ reden kann.

Bei den russischen Oligarchen kann man sicherlich nicht von „verdienen“ reden. Sie verdienen ihr Geld durch Ausbeutung von Bodenschätzen, die eigentlich dem Volk gehören und Putin verdient mit daran. Insofern ist Krieg nicht ein „endloser Kampf zwischen Gut und Böse“, wie Wolfgang Streeck schreibt, sondern eine endlose Ausbeutung der Erde durch skrupellose Schurken (oder bösartige Narzissten, wie es Otto Kernberg ausdrückt). Es zeigt die menschliche Schwäche, immer dann Stärke zu zeigen und andere Länder zu erobern, wenn man selbst schwach ist. So beginnt die Geschichte mit der Eroberung Kanaans durch die Israeliten und wird vielleicht enden mit dem Versuch der Eroberung der Ukraine durch Putin. Es ging bei allen Eroberern, Josua, Alexander, Cäsar, Karl der Große, Wallenstein, Friedrich der Große, Napoleon, Hitler und jetzt Putin, darum, mehr Land von anderen zu besitzen und mehr Bodenschätze anderer Leute auszubeuten. Um Gut oder Böse ging es nie. Gut war immer der Sieger. Der Besiegte war immer der Böse.

Die Zeitenwende, von der jetzt so viel die Rede ist, besteht darin, dass Putin, „der korrupte Führer eines korrupten Landes“, ein Völker mordender Wahnsinniger wurde. Und Streeck meint, dass er es ohne Anlass geworden ist, dass es eine „pathologische Wende“ war. Ich bin aber überzeugt, dass Streeck sich hier irrt. Putin hatte einen Grund, aber dass dieser mitnichten die Nato war. Es liegen uns keine Beweise vor, dass die Nato geplant hatte Russland anzugreifen. Putin hatte keine Angst vor der Nato, sondern vor der Ukraine. Er hat auch keine Angst davor, dass die Ukraine Russland militärisch angreift, sondern vielmehr davor, dass der Virus der Demokratie, der in der Ukraine zu einer Epidemie wurde, zu einer Pandemie wird, und dass Russland wie von einem Tsunami überschwemmt wird. Putin hatte Angst davor, dass die Demokratie seine eigene Bevölkerung anfällt und dass sie ihn überrollt. Das ist die einfache und überzeugende Wahrheit. Es mag dies glauben wer will und ablehnen wer will.

Putin hat dabei die Ukraine unterschätzt, und die Kampfkraft seiner korrupten Armee überschätzt. Er glaubte, die Ukraine in drei, vier Tagen überrennen, und seine Lakaien in Kiew einzusetzen zu können, bevor die übrige Welt kapiert, was da vor sich geht. Das hat aber nicht funktioniert. Danach hat er den zweiten Fehler gemacht, den Krieg, den er begonnen hat, nicht sofort zu beenden. Wenn er das getan hätte, dann hätte er noch sein Gesicht wahren können. Aber Putin ist nicht der Mann, der eine dumme und totgeborene Operation sieglos beendet. Er lässt weiter seine Soldaten in den Tod marschieren. Hunderttausende russische Soldaten sind gefallen oder verwundet worden. Wofür? Für Putins Ruhm? Am Ende wird es doch Putins Schande sein.

Viele unserer naiven Linken und inzwischen auch der Rechten glauben, dass es für die Ukraine ein Traum bleiben wird, Russland zu besiegen. Wolfgang Streeck geniert sich nicht einmal vom „Endsieg über Russland“ zu schreiben. An einem „Endsieg“ haben die Nazis wegen der vielen Niederlagen glauben müssen. Die Ukrainer träumen nicht von Endsieg, sondern nur von der Vertreibung der russischen Invasoren aus ihrem Land. Nicht mehr und nicht weniger. Und man sollte das auch den Ukrainern überlassen, freilich nicht ohne ihnen zu helfen mit Panzer und Munition. Die Debatte bei uns, besonders in Deutschland, über Kriegsziele und Konfliktlösung ist oft peinlich und überflüssig. Es gibt keine gerechten Kriege. Auch der Krieg der Ukrainer, so sehr er gerecht ist, ist ein notwendiges Übel, denn es geht um Freiheit und Unabhängigkeit, und insofern würden die Ukrainer auch kämpfen, wenn deutsche Linke und Rechte sagen würden, dass der Krieg der Ukrainer ungerecht sei. Die Ukrainer kämpfen nicht um Gerechtigkeit, sondern um ihre Unabhängigkeit und ihre Freiheit. Die Ukrainer müssen sich verteidigen und wir müssen sie unterstützen. Waffen sind dazu da andere zu überfallen aber auch Freiheit und Demokratie zu verteidigen.

Besonders in der Kritik linker Idioten stehen die Grünen, die speziell durch ihre Außenministerin Annalena Baerbock sich stark für die Ukraine einsetzen. Die Linke unterstützt Putin. Warum eigentlich? Sie werfen Baerbock vor, dass sie das von Trump aufgekündigte Atomwaffen-Abkommen zwischen dem Iran und dem Westen nicht erneuen will. Zurecht. Wie kann man nach den Erfahrungen mit Putin sehenden Auges zulassen, dass die reaktionären, mittelalterlichen Mullahs in Teheran Atombomben bauen? Diese greisen Führer, die die Frauen im Lande unterdrücken, sind alles andere als zuverlässig und vertrauenswürdig. Und deshalb ist es auch billig und dumm, den Grünen vorzuwerfen, dass nicht ihre Kinder auf den Schlachtfeldern getötet und verstümmelt werden. Gut, dass Streeck uns daran erinnert, dass die Ukrainer auf den Schlachtfeldern getötet und verstümmelt werden. Deshalb müssen wir noch mehr Panzer und noch mehr Munition liefern. Denn es ist billige russische Propaganda, zu behaupten, dass „die ukrainische Regierung und die USA gegen einen Waffenstillstand sind“. Natürlich sind die USA und besonders die Regierung in Kiew, auf die es letzten Endes ankommt, einverstanden, aber erst wenn Putin seine Armee aus dem souveränen Gebiet der Ukraine zurückgezogen hat. Vorher wäre ein Waffenstillstand ein strategischer und politischer Fehler. Streeck meint, dass der Krieg beendet werden sollte, bevor die Wünsche der ukrainischen Regierung in Erfüllung gegangen sind.

Es mag sein, dass manche Deutsche, wenn sie sich vor eine ähnliche Wahl wie die Ukrainer gestellt sähen, einen Unterwerfungsfrieden dem Andauern des Krieges vorzögen. In den fünfziger Jahren und während der Nachrüstungsdebatte wurde bei den Linken in Deutschland das Motto «Lieber rot als tot» populär. Aber unter dem Eindruck von Putins provoziertem Terrorkrieg hat die pauschale pazifistische Lehre von «Nie wieder Krieg» ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit eingebüßt. Inzwischen erkennt eine Mehrheit der Deutschen das Recht der Ukrainer an, Widerstand zu leisten und für die Freiheit zu kämpfen. Schließlich ist bei diesem Kampf auch unsere Freiheit mitgemeint.

Bei vielen der linken Verschwörungstheoretiker ist das Bild von der Welt und besonders vom Ukraine-Konflikt auf den Kopf gestellt. Für sie ist nicht der Mörder, sondern der Ermordete Schuld. Nicht der Faschist Putin ist der Aggressor, sondern der Jude Selenskyj. Das ist für alle anderen schwer zu begreifen, aber die vor Selbstgerechtigkeit und russischer Propaganda aufgeblasenen „Putinversteher“ nehmen darauf keine Rücksicht und erwarten, dass wir ihnen folgen. Linke deutsche Intellektuelle schwafeln über „Lehren aus deutscher Kriegserfahrung“. So heißt es sogar in der Jüdischen Allgemeinen. Die Talkshows in Deutschland berichten pausenlos darüber. Und die Jüdische Allgemeine sagt dazu: „Die Erfahrung aus der deutschen Geschichte heißt, dass der übermächtig scheinende Täter auch mithilfe derer, die scheinbar nur zum Sterben verdammt sind, besiegt werden kann.“ Sich als Opfer ermächtigen zu dürfen, dem Angriffskrieg entgegenzutreten, ist die Lehre aus der deutschen Geschichte. Die Ukrainer kämpfen um Menschenwürde und Freiheit, und es ist deshalb unsere Aufgabe sie darbei zu unterstützen.

Geschichte ereignet sich immer zweimal, konstatierte Karl Marx. Das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Wir erleben heute das zweite Mal, die Wiederholung des deutschen Überfalls auf Russland, das „Unternehmen Barbarossa“ in entgegengesetzter Richtung. Nicht vom Westen nach Osten, sondern von Osten nach Westen. Und die Angreifer sind die ehemaligen Opfer, die jetzt zu Tätern geworden sind. Die Farce besteht darin, dass sie dieselben Fehler machen wie ehemals die Nazis. Sie haben ihre Gegner unterschätzt, und ihre eigene Stärke maßlos überschätzt. Aus einer „Spezialoperation“ ist ein regelrechter Krieg geworden, der bald zwei Jahre andauert und hunderttausende Tote forderte und die totale Zerstörung vieler Städte und Dörfer.

Nur für die Ukraine hat sich nichts geändert. So wie damals die Uklrainer die Freiheit der Sowjetunion gegen die Nazi-Aggression verteidigt haben, so verteidigen sie heute die Freiheit des Westens, zumindest der Westeuropäer, vor der russischen Aggression. Der ehemalige ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov hat seine westlichen Kollegen davor gewarnt, dass Verhandlungen mit Moskau keinen Frieden bringen werden. In einem Artikel für The Guardian erklärt er, dass Wladimir Putin entschlossen ist, die Ukraine vollständig zu zerstören und ihre Bürger in die Russische Föderation zu „assimilieren“. Russland fordert nämlich die Anerkennung der besetzten Gebiete der Ukraine als sein eigenes Territorium im Austausch für das Ende des Krieges.

Er zieht Parallelen zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs, und er vergleicht die Forderungen nach territorialen Zugeständnissen der Ukraine mit den Forderungen der Nazis von 1938, dass die Tschechoslowakei das Sudetenland an das nationalsozialistische Deutschland abtreten sollte.

Moskau habe nie Interesse an einer friedlichen Kooperation mit dem Westen gehabt, solche auch nicht angedeutet, und hat alle Angebote der Zusammenarbeit zurückgewiesen. Dem Westen und besonders Deutschland kann man vorwerfen, dass sie viel zu spät das wahre Gesicht des Kremls erkannt haben. Spätestens nach der Annexion der Krim 2014 hätte man die Absichten Putins erkennen müssen. Bei Hitler war es auch zuerst der Anschluss seiner Heimat Österreich an das Reich, und später des Sudetenlandes. Spätestens dann konnte man die erschreckenden Parallelen der Politik Putins zu jener Hitlers feststellen.

In Deutschland wehrt sich aber eine einflussreiche Gruppe von linken Intellektuellen, Journalisten, prominente Autoren und sogenannte „Putinversteher“ gegen einen solchen Vergleich und überhaupt gegen den Vorwurf Putin hätte den Krieg gewollt und begonnen. Deren Argument ist, dass die USA und die Nato den Krieg provoziert hat und hauptsächlich daran schuld sei. Timothy Snyder, einer der einflussreichsten Russland-Kenner, fragte: „Warum fällt es Deutschland so schwer, von einem faschistischen Russland zu sprechen?“ Warum liest man in der deutschen Presse permanent, dass man Putin nicht reizen sollte und darf. Etwa weil er über Nuklearwaffen verfügt? Über diese Waffen hatte Russland auch verfügt, als es aus Afghanistan flüchten musste.

Bei vielen Linken ist es aber weniger die Sympathie für Russland als Erbe der Sowjetunion, als vielmehr die Antipathie, um nicht zu sagen der Hass gegenüber Amerika als den Staat, der am Vietnam-Krieg schuldig ist. Es ist wohl das Vietnam-Trauma, dass noch bei vielen linken Intellektuellen wie ein Virus steckt und das Denken und Fühlen vergiftet. Wir gingen damals alle auf die Straßen. Wir haben aber nicht gegen die USA oder die Amerikaner protestiert, sondern gegen den völkerrechtswidrigen Krieg, gegen das Abwerfen von Napalmbomben und die totale Zerstörung der Infrastruktur, so wie die Russen es heute in der Ukraine machen. Nur sehe ich leider keine linken Demonstranten, die dagegen protestieren. Ich sehe linke, naive und gehirngewaschene Demonstranten, die dumme und peinliche Parolen für Russland und gegen die Ukraine skandieren und Angst haben Putin zu reizen, weil er Nuklearwaffen hat. Und die berühmt-berüchtigte Publizistin Gabriele Krone-Schmalz lobt Russland, weil es dort im Gegensatz zu den USA keine Todesstrafe gäbe. Das ist wahrlich richtig, aber sie vergisst bei dieser Gelegenheit zu erwähnen, dass Putin keine Todesstrafe benötigt, weil er seine Gegner auch ohne Todesstrafe tötet: Durch Vergiftung, Gasanschläge oder ganz einfache Ermordung (wie im Berliner Tiergarten).

Und Publizisten wie Michael Lüders beschäftigen sich mit der Frage, ob Moral über alles steht, und fragen ihre Leser, warum sich Werte und nationale Interessen selten vertragen. Er plädiert für den puren Machiavellismus und fordert unsere Regierung auf, Putin nachzugeben, ihn nicht unnötig zu reizen und Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen. Er nennt die gegenwärtige Politik Heuchelei und lobt Orban, der nur die Interessen seines engen Landes im Auge hat. Ich frage mich freilich, wo wir alle heute stünden, und ob ein Michael Lüders seine gesellschaftskritischen Bücher schreiben könnte, wenn 1941 die Amerikaner beschlossen hätten: Amerika first. Wie sähe die Welt heute aus, wenn Roosevelt sich geweigert hätte, Europa zu helfen, wenn er die Briten und vor allem auch Russland nicht mit Waffen, Munition und Kleidung bis zu Nahrungsmittel unterstützt hätte. Und so wie man damals nicht zulassen konnte, dass Hitler den Krieg gewinnt, so dürfen wir heute nicht zulassen, dass Putin die Ukraine besiegt. Und es reicht nicht die russische Armee aus der Ukraine zu vertreiben. Die russische Armee muss bedingungslos kapitulieren, so wie seinerzeit die Wehrmacht. Putin muss vor einem Kriegsverbrecher-Tribunal gestellt werden und alle, die ihn unterstützt haben wie Lukaschenko ebenso.

Ich bin immer noch der Meinung, dass Moral über alles steht, auch über der Politik. Eine unmoralische Politik ist niemals nachhaltig und ist früher oder später zum Schweitern verurteilt. So erging es Hitler, Stalin, Ceausescu und anderen totalitären Regimen. Ich halte mich da an Winston Churchill, der gesagt hat: Demokratie ist schlecht, aber wir haben nichts Besseres. Es ist halt noch schlechter, wenn Imperien von Einzelpersonen regiert werden. Wir sehen es heute mehr als deutlich an Russland. Putin kann sich grämen und ärgern und er mag vor Wut schäumen, aber die amerikanische Demokratie, so viele Fehler sie auch hat, ist halt für die Menschen in Amerika besser. Sie leben freier, dürfen sagen, was sie wollen und lesen was sie begehren, und das ist schon die halbe Miete. Und es mögen manche Besserwisser das als „Arroganz des Westens“ bezeichnen, aber die Betrachtung Russland durch eine rosa-rote Brille, wie es zum Beispiel Gabriele Krone-Schmalz tut, ist naiv und dümmlich. „Wo bleibt die Dankbarkeit gegenüber Moskau für die deutsche Vereinigung?“, fragt sie. Es bedarf da keine Dankbarkeit. Die Beziehungen zwischen Staaten bestehen nicht aus Liebe und Freundschaft, sondern aus knallharten Interessen. Moskau hat uns damals keinen Gefallen getan, sondern im eigenen Interesse gehandelt. Es war 1989 nicht mehr in der Lage sein Imperium zu halten; deswegen entließ es Deutschland gegen viel Geld aus der gefährlichen Umarmung. Andere Staaten entließ es auch, allerdings für etwas weniger Geld.

Es ist gut und richtig, wenn sich Menschen an die amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam und anderswo erinnern, aber dann sollten sie sich auch der russischen Kriegsverbrechen erinnern, die andere nicht vergessen haben und nicht vergessen können.

Abraham Melzer, 23.09.2023

Geschichte ereignet sich meist zweimal, einmal als Tragödie, das zweite Mal als Farce.

Abraham Melzer, 23.09.2023

Langsam fühle ich meinem Vater nach, wie er in den 30er Jahren in Berlin jeden Tag erleben musste, dass bisherige Freunde sich bis zur Unkenntlichkeit veränderten; oder zeigten sie vielmehr ihr wahres Gesicht als Nazis? Wer heutzutage immer noch Putin versteht, dürfte 1933 auch Hitler verstanden haben. Wer der Meinung ist, dass die Nato Russland bedroht habe, hätte auch 1939 geglaubt, dass Polen Deutschland angreifen werde. Wer heute dagegen ist, dass man der Ukraine Waffen liefert, hätte sich auch empört, dass während des ganzen Zweiten Weltkrieges die USA an die UdSSR Waffen lieferte. Wer heute blind angesichts der Kriegsverbrechen Russlands ist, der wäre auch blind gewesen gegenüber den Kriegsverbrechen der Nazis. Wer Putins Krieg als „Spezialoperation“ betrachtet, der hätte die Ermordung der Juden auch nur als „Endlösung“ bezeichnet. Wer jetzt immer noch nicht wahrhnehmen will, dass Putin in der Ukraine einen Genozid veranstaltet, der nimmt auch an, dass Selenskyj ein Nazi und die Ukrainer Mitglieder der Waffen-SS seien. Oskar Lafontaine und seine Frau Sahra Wagenknecht sind beide schlimme Komplizen von Putins Kriegsverbrechen. Sie „verstehen Putin“, und sie sprechen seine Sprache besser als mancher andere. Gregor Gysi zieht es vor, Ukrainer sterben zu lassen, als ihnen Waffen zu liefern, weil „überall Deutschland an Kriegen verdiene, was genau das sei, was ich, Gysi,  nicht möchte.“ In dieser Logik fordert Gysi in einer Rede vor dem Bundestag, dass die „Nato doch erklären sollte, dass sie jetzt keine einzige Waffe mehr an die Ukraine liefere, wenn die russische Führung einem Waffenstillstand zustimme.“ Zurecht macht da Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann einen Zwischenruf: „Wie naiv sind Sie eigentlich?“ Und Gysi bekommt Beifall von Abgeordneten der AfD.

Ich erlebe in diesen Tagen ähnliches wie mein Vater damals. Freunde und Bekannte, für die ich früher meine Hand ins Feuer gelegt hätte, dass sie liberal seien und auf der Seite der Menschenrechte stünden, erweisen sich plötzlich als „Putinversteher“. Sie veröffentlichen Aussagen wie diese: „Die ukrainische Seite hat keinerlei Hemmungen, Kriegsgefangene massiv zu foltern und auch zu töten. Etwa ein Drittel der russischen Kriegsgefangenen, die die unmittelbare Gefangennahme überlebten, werden in ukrainischen Gefängnissen von den Sadisten des ukrainischen Geheimdienstes SBU zu Tode gefoltert… Auch wird ihnen ausreichend Nahrung und Wasser verweigert…“

Ich weiß nicht, woher sie solche Tatsachen erfahren haben wollen. Sie können solche Behauptungen nur direkt vom russischen Propagandaministerium erhalten. Ich frage mich und staune, wie die vielen liberalen Linken mutiert sind, die plötzlich so viel Verständnis für einen brutalen und grausamen Krieg haben. Liegt es an der Person des Kriegsherrn, Putin , der in Wirklichkeit keinen Krieg führt, sondern zynischen und rücksichtslosen Terror gegen Zivilisten „spezialoperiert“. Der Terror gegen Kinder und alte Menschen, gegen Frauen und Mütter, Säuglinge und Kranke ist tatsächlich eine „Spezialoperation“ und kein klassischer Krieg. Ein klassischer Krieg ist für Putin längst verloren. Indem er im Stil der „Nazis“ die Ukraine als Staat vernichtet und die Ukraine als Gebiet vor einem Zugriff der „faschistischen Imperialisten aus dem Westen“ retten will, macht er „Lebensraumpolitik“ nach Art der Nazis. Wir leben in einem historischen Zeitabschnitt, in der keiner von uns abseitsstehen darf. Entweder stellen wir uns dem gegenwärtigen russischen Regime entgegen, oder wir werden zum Kollaborateur desselben. Wir dürfen nicht tolerieren, dass die Macht der Gewalt über das Recht regiert. Wir müssen die imperialistische Politik des Kremls thematisieren und bekämpfen, denn diese richtet sich letztlich auch gegen uns. Wir dürfen nicht mehr die russische Propaganda nachplappern und zu Putins Sprachrohren werden. Es gibt eine Vorgeschichte zu diesem Krieg – sicher. Aber der Westen trägt keine Mitverantwortung an diesem Krieg. Die Wahl „der Schritt zur Politik mit anderen Mitteln“ (Clausewitz)  war allein Putins Entscheidung. Es handelt sich auch nicht um eine harmlose „Spezialoperation“ sondern um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Viele sehen das anders, aber der „Freitag“ (z.B.) hat für Beiträge von Autoren mit einer putinistischen Haltung keinen Platz mehr. Ulrich Heyden, dem diese Zeilen galten, der immer noch in Moskau sitzt und die Rolle von Putins Pudel spielt, antwortete darauf: „Nach meinem Eindruck lachen die Russen über diese Verurteilung von deutscher Seite.“ Inzwischen ist ihnen aber das Lachen vergangen. Ich habe nichts dagegen, wenn diese naiven und wohl von Russland gelenkten „Putin Versteher“ die USA kritisieren. Ich habe es selbst oft getan und tue es immer noch. Aber ich kritisiere die amerikanische Politik, z.B. ihre Nahost-Politik in Bezug auf Palästina und Israel, aber nicht die Amerikaner bzw. das amerikanische System schlechthin.

Eine Bilanz von Putins nunmehr zwanzigjähriger Herrschaft offenbart einige interessante Umstände. Das Bruttosozialprodukt der Weltmacht Russland liegt auf dem Niveau Spaniens. Die Einnahmen aus den riesigen Öl- und Gasressourcen des Landes sind vor allem in die Rüstung geflossen – davon ein Anteil, die gemeinsten Mafiabosse vor Neid erbleichen ließe –   ist in die Taschen der Oligarchen geflossen, die ihre Privilegien mit Kadavergehorsam gegenüber dem Mann im Kreml bezahlen. Wenn sie Putins Plänen, wie etwa im Fall der «Spezialoperation» in der Ukraine, im Wege stehen, passieren ihnen plötzlich unerklärliche Dinge: sie rutschen auf einer Treppe aus und brechen sich das Genick; sie verlieren beim Rauchen am Fenster das Gleichgewicht und fallen in die Tiefe; sie stürzen aus ihrer Jacht ins Meer, und können immer nur noch tot geborgen werden. Das ist schon seit Jahren die Art Putins, seine Gegner zu beseitigen. Trotzdem schreiben linke Verschwörungstheoretiker von einem „totalen Krieg gegen Moskau“, der von „ukrainischen Nazis“, geführt werde. Sie drücken es sogar poetisch aus: „Niemand kann den Fetisch des Untergangs eindrucksvoller zelebrieren als die politischen Nachkommen derer, die einst an der Seite von Himmlers ´Rassenkriegern` die Schwarze Sonne anbeteten.“ Die Ukrainer standen aber nicht „an der Seite Himmlers“. Sie kämpfen wie die Russen und starben auch wie sie.

Deutsche beschuldigen die Angegriffenen, die Angreifer zu sein. Deutsche, deren Eltern ihre Freiheit denjenigen verdankten, die für sie gestorben waren. Und jetzt beleidigen und diskreditieren sie diese Toten als „Rassekrieger an der Seite Himmlers“ gestanden zu haben. Die Kiewer Regierung, die heute ihr Land verteidigt, soll nach dieser Interpretation schuld sein an der Eskalation des Krieges. Demnach müsste auch Stalin daran schuld gewesen sein, dass Hitler Russland angegriffen hatte. Man kann nur noch staunen, dass es Menschen gibt, die solche Gedanken spinnen können, und solche, die an diesen Unsinn glauben. Ich kann verstehen warum Deutsche, deren Väter von amerikanischen Soldaten getötet wurden, die Amerikaner ablehnen. Ich kann aber nicht verstehen, wie Deutsche, deren Eltern von Russen unterdrückt und ausgebeutet wurden, für Russland mehr Empathie empfinden als für Amerika. Dabei geht es in diesem Konflikt nicht um Russland oder Amerika, und auch nicht um Russen oder Amerikaner, sondern im Grundsatz um einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen eine zivile Bevölkerung, der die komplette Infrastruktur ihres Landes zerstört wird. Damit wird nur die Bevölkerung sinnlos terrorisiert. Die Bevölkerung leidet und wird noch Jahrzehnte lang leiden müssen. Der Wiederaufbau der Ukraine wird Billionen Euro kosten, aber auch die Wiederherstellung Russland wird nicht billig sein und sich über Jahrzehnte hinziehen. Es tut weh zuzusehen, wie Ressourcen vernichtet werden, wo wir doch auf der Welt so viel andere Probleme haben, die dringend gelöst und in Angriff genommen werden müssen.

Ich wundere mich nur, warum so viele die Rolle Russlands bzw. Putins dabei nicht sehen wollen, und dass sie stattdessen immer auf die USA blicken und dort das Böse suchen. Natürlich ist der amerikanische Imperialismus widerlich und kritikwürdig. Aber haben wir denn nicht alle auch immer wieder amerikanische Kriegsverbrechen in Vietnam, Irak, Libyen und sonst wo kritisiert? Warum sehen diese naiven Linken neben den Anhängern der AfD nicht den russischen Imperialismus, der nicht weniger brutal und nicht minder gefährlich ist? Warum sehen sie nicht, dass man eine angeblich schlechte Demokratie nicht mit einem autokratischen Staat bekämpfen kann? Warum sehen sie nicht, dass Putin vielfach mörderischer und brutaler ist als der schlimmste amerikanische Präsident? In allen Schriften dieser „Putinversteher“ habe ich nicht ein einziges Mal von Butscha oder Mariupol gelesen. Nicht ein einziges Mal von zerstörten Theatern mit hunderten von zivilen Opfern, von bombardierten Supermärkten und zigtausender Privathäuser. Nicht von der kompletten Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur, davon, dass Menschen hungern, frieren und sinnlos sterben, und auch nichts von der Entführung tausender ukrainischer Kinder nach Russland, wo ihnen ihre Identität gestohlen wird. Stattdessen lese ich immer wieder von der Infamie der Nato, die angeblich Russland existenziell bedroht hat. Das war aber eine krankhafte Einbildung Putins und seiner Getreuen.

Worin besteht das Lebensmodell, das Putin der «Dekadenz» des Westens entgegenstellt? Welche neuen Vorteile, welche neuen Freiheiten, welche neuen Freuden können sich die in Propagandalügen gefangenen Russen von einem Sieg Putins in der Ukraine versprechen? Und welches Schicksal stünde den Georgiern, den Bürgern der Moldau und anderer «abtrünniger» Provinzen bevor, wenn Putin den sie umfassenden Traum vom «Großen Russland» realisieren könnte? Mit welchen Mitteln und mit welchen Arbeitskräften würde er die zertrümmerten Städte der Ukraine wieder aufbauen und einen Schaden gutmachen, der bis dato auf 500 Milliarden Dollar beziffert wird?

In den USA haben wir es mit einer Demokratie zu tun, die, wenn sie auch unvollkommen ist und Fehler macht, immer noch eine Demokratie bleibt, die sich alle vier Jahre erneuern und korrigieren kann. In Russland herrscht Putin schon zwanzig Jahre und wird bis an sein Lebensende herrschen, wenn er nicht gewaltsam beseitigt wird. Und Putin setzt auch eine Politik fort, die unzählige Vorgänger auch schon geführt haben. Er selbst beruft sich auf keinen geringeren als Peter dem Großen, Zar von Russland von Gottes Gnaden. Auch dieser regierte nicht aufgrund von Wahlen, sondern mit Gewalt. In den USA wird der Präsident durch den Kongress kontrolliert und vor nicht allzu langer Zeit musste Präsident Nixon gehen, weil der Kongress ihn gefeuert hatte. In Russland wird Putin von niemanden kontrolliert und er kann tun und lassen, was er will.

Bei uns im Westen, besonders in Deutschland, werden unzählige Petitionen veröffentlicht, die unsere Regierung auffordert Verhandlungen aufzunehmen. Abgesehen davon, dass unsere Regierung keine Verhandlungen aufnehmen kann, stellt sich die Frage mit wem. Wer will sich noch an Putins langen Tisch setzen und von Putin gedemütigt und lächerlich gemacht werden? Und wie naiv muss man denn sein, um auf die Straße zu gehen und „Frieden schaffen ohne Waffen“ zu skandieren. Frieden kann man nicht ohne Waffen schaffen. Für Frieden muss man kämpfen und wenn es sein muss und nicht anders geht auch mit Leopard 2 Panzern. Verhandeln kann man erst nach einem Krieg, wenn eine Partei gesiegt hat, oder beide Parteien vom Krieg erschöpft sind. So war es nach dem Ersten Weltkrieg und so war es nach dem 30jährigen Krieg.

Und bei alle dem, vergessen diese naiven Friedensstifter, dass die Ukraine den Krieg nicht begonnen hat, und dass sie auch kein russisches Territorium besetzt hält. Die Ukraine kämpft um nicht mehr und nicht weniger als um ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Vor allem unabhängig sein von Russland. Und das sollten wir, ja müssen wir unterstützen.

Natürlich muss man die USA kritisieren, wenn sie Kriegsverbrechen verübt, aber warum artet eine solche Kritik bei Leuten wie Oskar Lafontaine und bei anderen in abgrundtiefen Hass und böser Verleumdung aus? Hat denn die Generation von Lafontaine nicht ihre Freiheit und Unabhängigkeit den idealistischen US-Soldaten zu verdanken, die unsere Freiheit mit ihrem Leben bezahlten? Und nicht nur die Menschen in Deutschland, sondern in ganz Westeuropa schulden diesen Dank. Die Menschen in Osteuropa hatten Pech. Sie wurden von Stalins Russland befreit, besetzt und regiert. Sie hatten kein russisches Äquivalent zum Marshallplan. Sie bekamen keine Carepakete aus den USA. Im Gegenteil, die Russen haben alles geraubt und nach Russland verfrachtet, was von Wert erschein. Über eine Million Amerikaner haben ihr Leben geopfert, um Europa vor dem Gift des Nazismus und vor dem italienischen Faschismus zu befreien. Diesen Toten verdanken wir und unsere Kinder und Kindeskinder die Tatsache, dass wir frei in einer liberalen Demokratie aufwachsen und uns entfalten konnten.

Woher kommt jetzt dieser unkontrollierte Hass auf die Amerikaner und die unverständliche Zuneigung und Empathie für Russland, wo doch Russland die Menschen in Ostdeutschland und in ganz Osteuropa nicht besonders zart und freundlich behandelt hatte. Für die Menschen in Ostdeutschland gab es kaum einen Unterschied zum nationalsozialistischen Regime. Die Russen haben die Menschen kaum anders behandelt, als die Nazis, außer, dass man in den russischen Gulags noch eine, wenn auch geringe Chance hatte, zu überleben. Die Russen haben ihre Häftlinge nicht vergast oder brutal ermordet, sondern eher durch Arbeit ausgebeutet. Stalin hatte keine Tötungsfabriken, keine Gaskammern und Verbrennungsöfen. Im Gulag starben die Menschen zwar auch wie die Eintagsfliegen, aber nicht durch Gas, sondern bei der Arbeit. Trotzdem war Russland nicht Nazideutschland. Bei den Nazis reichte, es Jude zu sein. Bei Stalin musste man schon einen Grund für Verhaftung und Deportation nach Sibirien bieten, auch wenn dieser noch so absurd war. Darin hat sich wohl in Russland unter Putin nicht viel geändert. Als mein Vater im Gulag einen Mithäftling fragte, warum er in den Gulag kam, erhielt er zur Antwort: „Weil ich zwei Hemden hatte.“ Das zeigt, wie absurd alles war. Die Verurteilung von Nawalny heute war nicht viel anders. Nawalny wurde verurteilt, weil er zwei Hosen hatte.

Russland und die USA sind zwei Supermächte, die zusammen mit China heute den Lauf der Welt bestimmen. In ihren imperialistischen Bestrebungen unterscheiden sie sich nicht voneinander. Sie folgen ihren eigenen Ambitionen, unterstützen brutale, autokratische   Regime je nach ihrem Interesse und haben keine Skrupel dabei. Sie reden von Freiheit und meinen immer nur ihren eigenen Vorteil. Die Freiheit der anderen interessiert sie wenig. Das goldene Kalb dieser Supermächte sind Kapital und Einkommen. Und wir können sehen, wie Geld die Welt regiert. Die Chinesen haben daraus eine Religion gemacht. Die Russen haben den Reichtum ihres Landes unter einer kleinen Clique von Oligarchen verteilt, die Putin beherrschte, und die ihn zum allerreichsten Mann der Welt machte, dafür, dass er sie das Land ausbeuten lässt. Und in den USA, wo der Kapitalismus zuhause ist, ist jeder Milliardär seines Glückes Schmied. Das Volk ist überall mehr oder weniger arm und lässt sich, wie wir jetzt in Russland sehen, von den Regierungen bzw. Diktatoren in den Krieg schicken, während die Milliardäre in den USA, die Milliardäre in China und die Oligarchen in Russland noch mehr Geld verdienen, wenn man überhaupt von „verdienen“ reden kann.

Bei den russischen Oligarchen kann man sicherlich nicht von „verdienen“ reden. Sie verdienen ihr Geld durch Ausbeutung von Bodenschätzen, die eigentlich dem Volk gehören und Putin verdient mit daran. Insofern ist Krieg nicht ein „endloser Kampf zwischen Gut und Böse“, wie Wolfgang Streeck schreibt, sondern eine endlose Ausbeutung der Erde durch skrupellose Schurken (oder bösartige Narzissten, wie es Otto Kernberg ausdrückt). Es zeigt die menschliche Schwäche, immer dann Stärke zu zeigen und andere Länder zu erobern, wenn man selbst schwach ist. So beginnt die Geschichte mit der Eroberung Kanaans durch die Israeliten und wird vielleicht enden mit dem Versuch der Eroberung der Ukraine durch Putin. Es ging bei allen Eroberern, Josua, Alexander, Cäsar, Karl der Große, Wallenstein, Friedrich der Große, Napoleon, Hitler und jetzt Putin, darum, mehr Land von anderen zu besitzen und mehr Bodenschätze anderer Leute auszubeuten. Um Gut oder Böse ging es nie. Gut war immer der Sieger. Der Besiegte war immer der Böse.

Die Zeitenwende, von der jetzt so viel die Rede ist, besteht darin, dass Putin, „der korrupte Führer eines korrupten Landes“, ein Völker mordender Wahnsinniger wurde. Und Streeck meint, dass er es ohne Anlass geworden ist, dass es eine „pathologische Wende“ war. Ich bin aber überzeugt, dass Streeck sich hier irrt. Putin hatte einen Grund, aber dass dieser mitnichten die Nato war. Es liegen uns keine Beweise vor, dass die Nato geplant hatte Russland anzugreifen. Putin hatte keine Angst vor der Nato, sondern vor der Ukraine. Er hat auch keine Angst davor, dass die Ukraine Russland militärisch angreift, sondern vielmehr davor, dass der Virus der Demokratie, der in der Ukraine zu einer Epidemie wurde, zu einer Pandemie wird, und dass Russland wie von einem Tsunami überschwemmt wird. Putin hatte Angst davor, dass die Demokratie seine eigene Bevölkerung anfällt und dass sie ihn überrollt. Das ist die einfache und überzeugende Wahrheit. Es mag dies glauben wer will und ablehnen wer will.

Putin hat dabei die Ukraine unterschätzt, und die Kampfkraft seiner korrupten Armee überschätzt. Er glaubte, die Ukraine in drei, vier Tagen überrennen, und seine Lakaien in Kiew einzusetzen zu können, bevor die übrige Welt kapiert, was da vor sich geht. Das hat aber nicht funktioniert. Danach hat er den zweiten Fehler gemacht, den Krieg, den er begonnen hat, nicht sofort zu beenden. Wenn er das getan hätte, dann hätte er noch sein Gesicht wahren können. Aber Putin ist nicht der Mann, der eine dumme und totgeborene Operation sieglos beendet. Er lässt weiter seine Soldaten in den Tod marschieren. Hunderttausende russische Soldaten sind gefallen oder verwundet worden. Wofür? Für Putins Ruhm? Am Ende wird es doch Putins Schande sein.

Viele unserer naiven Linken und inzwischen auch der Rechten glauben, dass es für die Ukraine ein Traum bleiben wird, Russland zu besiegen. Wolfgang Streeck geniert sich nicht einmal vom „Endsieg über Russland“ zu schreiben. An einem „Endsieg“ haben die Nazis wegen der vielen Niederlagen glauben müssen. Die Ukrainer träumen nicht von Endsieg, sondern nur von der Vertreibung der russischen Invasoren aus ihrem Land. Nicht mehr und nicht weniger. Und man sollte das auch den Ukrainern überlassen, freilich nicht ohne ihnen zu helfen mit Panzer und Munition. Die Debatte bei uns, besonders in Deutschland, über Kriegsziele und Konfliktlösung ist oft peinlich und überflüssig. Es gibt keine gerechten Kriege. Auch der Krieg der Ukrainer, so sehr er gerecht ist, ist ein notwendiges Übel, denn es geht um Freiheit und Unabhängigkeit, und insofern würden die Ukrainer auch kämpfen, wenn deutsche Linke und Rechte sagen würden, dass der Krieg der Ukrainer ungerecht sei. Die Ukrainer kämpfen nicht um Gerechtigkeit, sondern um ihre Unabhängigkeit und ihre Freiheit. Die Ukrainer müssen sich verteidigen und wir müssen sie unterstützen. Waffen sind dazu da andere zu überfallen aber auch Freiheit und Demokratie zu verteidigen.

Besonders in der Kritik linker Idioten stehen die Grünen, die speziell durch ihre Außenministerin Annalena Baerbock sich stark für die Ukraine einsetzen. Die Linke unterstützt Putin. Warum eigentlich? Sie werfen Baerbock vor, dass sie das von Trump aufgekündigte Atomwaffen-Abkommen zwischen dem Iran und dem Westen nicht erneuen will. Zurecht. Wie kann man nach den Erfahrungen mit Putin sehenden Auges zulassen, dass die reaktionären, mittelalterlichen Mullahs in Teheran Atombomben bauen? Diese greisen Führer, die die Frauen im Lande unterdrücken, sind alles andere als zuverlässig und vertrauenswürdig. Und deshalb ist es auch billig und dumm, den Grünen vorzuwerfen, dass nicht ihre Kinder auf den Schlachtfeldern getötet und verstümmelt werden. Gut, dass Streeck uns daran erinnert, dass die Ukrainer auf den Schlachtfeldern getötet und verstümmelt werden. Deshalb müssen wir noch mehr Panzer und noch mehr Munition liefern. Denn es ist billige russische Propaganda, zu behaupten, dass „die ukrainische Regierung und die USA gegen einen Waffenstillstand sind“. Natürlich sind die USA und besonders die Regierung in Kiew, auf die es letzten Endes ankommt, einverstanden, aber erst wenn Putin seine Armee aus dem souveränen Gebiet der Ukraine zurückgezogen hat. Vorher wäre ein Waffenstillstand ein strategischer und politischer Fehler. Streeck meint, dass der Krieg beendet werden sollte, bevor die Wünsche der ukrainischen Regierung in Erfüllung gegangen sind.

Es mag sein, dass manche Deutsche, wenn sie sich vor eine ähnliche Wahl wie die Ukrainer gestellt sähen, einen Unterwerfungsfrieden dem Andauern des Krieges vorzögen. In den fünfziger Jahren und während der Nachrüstungsdebatte wurde bei den Linken in Deutschland das Motto «Lieber rot als tot» populär. Aber unter dem Eindruck von Putins provoziertem Terrorkrieg hat die pauschale pazifistische Lehre von «Nie wieder Krieg» ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit eingebüßt. Inzwischen erkennt eine Mehrheit der Deutschen das Recht der Ukrainer an, Widerstand zu leisten und für die Freiheit zu kämpfen. Schließlich ist bei diesem Kampf auch unsere Freiheit mitgemeint.

Bei vielen der linken Verschwörungstheoretiker ist das Bild von der Welt und besonders vom Ukraine-Konflikt auf den Kopf gestellt. Für sie ist nicht der Mörder, sondern der Ermordete Schuld. Nicht der Faschist Putin ist der Aggressor, sondern der Jude Selenskyj. Das ist für alle anderen schwer zu begreifen, aber die vor Selbstgerechtigkeit und russischer Propaganda aufgeblasenen „Putinversteher“ nehmen darauf keine Rücksicht und erwarten, dass wir ihnen folgen. Linke deutsche Intellektuelle schwafeln über „Lehren aus deutscher Kriegserfahrung“. So heißt es sogar in der Jüdischen Allgemeinen. Die Talkshows in Deutschland berichten pausenlos darüber. Und die Jüdische Allgemeine sagt dazu: „Die Erfahrung aus der deutschen Geschichte heißt, dass der übermächtig scheinende Täter auch mithilfe derer, die scheinbar nur zum Sterben verdammt sind, besiegt werden kann.“ Sich als Opfer ermächtigen zu dürfen, dem Angriffskrieg entgegenzutreten, ist die Lehre aus der deutschen Geschichte. Die Ukrainer kämpfen um Menschenwürde und Freiheit, und es ist deshalb unsere Aufgabe sie darbei zu unterstützen.

Geschichte ereignet sich immer zweimal, konstatierte Karl Marx. Das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. Wir erleben heute das zweite Mal, die Wiederholung des deutschen Überfalls auf Russland, das „Unternehmen Barbarossa“ in entgegengesetzter Richtung. Nicht vom Westen nach Osten, sondern von Osten nach Westen. Und die Angreifer sind die ehemaligen Opfer, die jetzt zu Tätern geworden sind. Die Farce besteht darin, dass sie dieselben Fehler machen wie ehemals die Nazis. Sie haben ihre Gegner unterschätzt, und ihre eigene Stärke maßlos überschätzt. Aus einer „Spezialoperation“ ist ein regelrechter Krieg geworden, der bald zwei Jahre andauert und hunderttausende Tote forderte und die totale Zerstörung vieler Städte und Dörfer.

Nur für die Ukraine hat sich nichts geändert. So wie damals die Uklrainer die Freiheit der Sowjetunion gegen die Nazi-Aggression verteidigt haben, so verteidigen sie heute die Freiheit des Westens, zumindest der Westeuropäer, vor der russischen Aggression. Der ehemalige ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov hat seine westlichen Kollegen davor gewarnt, dass Verhandlungen mit Moskau keinen Frieden bringen werden. In einem Artikel für The Guardian erklärt er, dass Wladimir Putin entschlossen ist, die Ukraine vollständig zu zerstören und ihre Bürger in die Russische Föderation zu „assimilieren“. Russland fordert nämlich die Anerkennung der besetzten Gebiete der Ukraine als sein eigenes Territorium im Austausch für das Ende des Krieges.

Er zieht Parallelen zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs, und er vergleicht die Forderungen nach territorialen Zugeständnissen der Ukraine mit den Forderungen der Nazis von 1938, dass die Tschechoslowakei das Sudetenland an das nationalsozialistische Deutschland abtreten sollte.

Moskau habe nie Interesse an einer friedlichen Kooperation mit dem Westen gehabt, solche auch nicht angedeutet, und hat alle Angebote der Zusammenarbeit zurückgewiesen. Dem Westen und besonders Deutschland kann man vorwerfen, dass sie viel zu spät das wahre Gesicht des Kremls erkannt haben. Spätestens nach der Annexion der Krim 2014 hätte man die Absichten Putins erkennen müssen. Bei Hitler war es auch zuerst der Anschluss seiner Heimat Österreich an das Reich, und später des Sudetenlandes. Spätestens dann konnte man die erschreckenden Parallelen der Politik Putins zu jener Hitlers feststellen.

In Deutschland wehrt sich aber eine einflussreiche Gruppe von linken Intellektuellen, Journalisten, prominente Autoren und sogenannte „Putinversteher“ gegen einen solchen Vergleich und überhaupt gegen den Vorwurf Putin hätte den Krieg gewollt und begonnen. Deren Argument ist, dass die USA und die Nato den Krieg provoziert hat und hauptsächlich daran schuld sei. Timothy Snyder, einer der einflussreichsten Russland-Kenner, fragte: „Warum fällt es Deutschland so schwer, von einem faschistischen Russland zu sprechen?“ Warum liest man in der deutschen Presse permanent, dass man Putin nicht reizen sollte und darf. Etwa weil er über Nuklearwaffen verfügt? Über diese Waffen hatte Russland auch verfügt, als es aus Afghanistan flüchten musste.

Bei vielen Linken ist es aber weniger die Sympathie für Russland als Erbe der Sowjetunion, als vielmehr die Antipathie, um nicht zu sagen der Hass gegenüber Amerika als den Staat, der am Vietnam-Krieg schuldig ist. Es ist wohl das Vietnam-Trauma, dass noch bei vielen linken Intellektuellen wie ein Virus steckt und das Denken und Fühlen vergiftet. Wir gingen damals alle auf die Straßen. Wir haben aber nicht gegen die USA oder die Amerikaner protestiert, sondern gegen den völkerrechtswidrigen Krieg, gegen das Abwerfen von Napalmbomben und die totale Zerstörung der Infrastruktur, so wie die Russen es heute in der Ukraine machen. Nur sehe ich leider keine linken Demonstranten, die dagegen protestieren. Ich sehe linke, naive und gehirngewaschene Demonstranten, die dumme und peinliche Parolen für Russland und gegen die Ukraine skandieren und Angst haben Putin zu reizen, weil er Nuklearwaffen hat. Und die berühmt-berüchtigte Publizistin Gabriele Krone-Schmalz lobt Russland, weil es dort im Gegensatz zu den USA keine Todesstrafe gäbe. Das ist wahrlich richtig, aber sie vergisst bei dieser Gelegenheit zu erwähnen, dass Putin keine Todesstrafe benötigt, weil er seine Gegner auch ohne Todesstrafe tötet: Durch Vergiftung, Gasanschläge oder ganz einfache Ermordung (wie im Berliner Tiergarten).

Und Publizisten wie Michael Lüders beschäftigen sich mit der Frage, ob Moral über alles steht, und fragen ihre Leser, warum sich Werte und nationale Interessen selten vertragen. Er plädiert für den puren Machiavellismus und fordert unsere Regierung auf, Putin nachzugeben, ihn nicht unnötig zu reizen und Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen. Er nennt die gegenwärtige Politik Heuchelei und lobt Orban, der nur die Interessen seines engen Landes im Auge hat. Ich frage mich freilich, wo wir alle heute stünden, und ob ein Michael Lüders seine gesellschaftskritischen Bücher schreiben könnte, wenn 1941 die Amerikaner beschlossen hätten: Amerika first. Wie sähe die Welt heute aus, wenn Roosevelt sich geweigert hätte, Europa zu helfen, wenn er die Briten und vor allem auch Russland nicht mit Waffen, Munition und Kleidung bis zu Nahrungsmittel unterstützt hätte. Und so wie man damals nicht zulassen konnte, dass Hitler den Krieg gewinnt, so dürfen wir heute nicht zulassen, dass Putin die Ukraine besiegt. Und es reicht nicht die russische Armee aus der Ukraine zu vertreiben. Die russische Armee muss bedingungslos kapitulieren, so wie seinerzeit die Wehrmacht. Putin muss vor einem Kriegsverbrecher-Tribunal gestellt werden und alle, die ihn unterstützt haben wie Lukaschenko ebenso.

Ich bin immer noch der Meinung, dass Moral über alles steht, auch über der Politik. Eine unmoralische Politik ist niemals nachhaltig und ist früher oder später zum Schweitern verurteilt. So erging es Hitler, Stalin, Ceausescu und anderen totalitären Regimen. Ich halte mich da an Winston Churchill, der gesagt hat: Demokratie ist schlecht, aber wir haben nichts Besseres. Es ist halt noch schlechter, wenn Imperien von Einzelpersonen regiert werden. Wir sehen es heute mehr als deutlich an Russland. Putin kann sich grämen und ärgern und er mag vor Wut schäumen, aber die amerikanische Demokratie, so viele Fehler sie auch hat, ist halt für die Menschen in Amerika besser. Sie leben freier, dürfen sagen, was sie wollen und lesen was sie begehren, und das ist schon die halbe Miete. Und es mögen manche Besserwisser das als „Arroganz des Westens“ bezeichnen, aber die Betrachtung Russland durch eine rosa-rote Brille, wie es zum Beispiel Gabriele Krone-Schmalz tut, ist naiv und dümmlich. „Wo bleibt die Dankbarkeit gegenüber Moskau für die deutsche Vereinigung?“, fragt sie. Es bedarf da keine Dankbarkeit. Die Beziehungen zwischen Staaten bestehen nicht aus Liebe und Freundschaft, sondern aus knallharten Interessen. Moskau hat uns damals keinen Gefallen getan, sondern im eigenen Interesse gehandelt. Es war 1989 nicht mehr in der Lage sein Imperium zu halten; deswegen entließ es Deutschland gegen viel Geld aus der gefährlichen Umarmung. Andere Staaten entließ es auch, allerdings für etwas weniger Geld.

Es ist gut und richtig, wenn sich Menschen an die amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam und anderswo erinnern, aber dann sollten sie sich auch der russischen Kriegsverbrechen erinnern, die andere nicht vergessen haben und nicht vergessen können.

Schuld und Scham, warum?

Krieg, meint sein Theoretiker Carl v. Clausewitz, sei über die erste Schlacht hinaus nicht mehr planbar. Die Kräfte entwickeln eine nicht abschätzbare Dynamik. Man kann ihn vielleicht im Laborformat mit einem Bankraub vergleichen: die Räuber wissen nicht im Voraus, wie das Personal und zufällig anwesende Kunden sich verhalten werden. In der Bank löst sich Alarm aus, die Angestellten leisten verhalten Widerstand; zuletzt endet der Bereicherungsversuch mit Geiselnahmen und Toten. Natürlich sind die Bankräuber „schuld“. Was kann das schon heißen, wenn es Tote gegeben hat. Ebenso fragt man sich, ob die Eskalation durch polizeitaktische Fehler verursacht wurde. Die Polizei trägt dann eine Verantwortung für die Toten mit, aber „Schuld“? Heiner Meulemann (in: Soziologie von Anfang an) beschreibt die relationalen Strukturen, die auch außerhalb gewollter Situationen entstehen, sobald Menschen miteinander in Beziehung treten. Schuld ist ein religiöser Begriff, einerseits diffus, andererseits linear, weil trotz eines Verhältnisses des Menschen zur Gottheit ein soziologisches Verhältnis negiert wird. Im Recht und in der Soziologie ist also der Schuldbegriff deplatziert ist. Religiös gesehen soll sich Schuld sogar vererben. Abgeleitet wird diese Vorstellung aus einem religiösen Mythos, der Mensch sei nach dem Ebenbild des ihn schöpfenden Gottes geschaffen worden, so dass er diesem ein gottgefälliges Leben schulde. Jede Abweichung von diesem Kanon wird zur „Schuld“. Anders als das jüdisch semitische Gottesbild ließen die Griechen den Menschen ein Geschöpf des Prometheus sein, dessen Göttergeschlecht von den olympischen Göttern gestürzt wurde. Der klassische Mensch schuldete den herrschenden Göttern nichts, außer den Respekt vor ihren Gewalten. Der ursprüngliche freie Mensch der klassischen Antike ließ sich also durch Übernahme des Monotheismus in eine Pflicht nehmen, aus deren Unterdrückung er sich langsam löst.

Guckt man in das vom klassischen römischen Recht her entwickelte BGB, entdeckt man den terminus technicus der „Schuldverhältnisse“. Diese werden durch Vertrag begründet oder durch einseitige Verletzung absoluter Rechte Dritter, etwa des Eigentums, erzeugt: Schadensersatzanspruch. In ähnlicher Logik kam im alten Germanien ein Mörder frei, wenn er der geschädigten Sippe ein Wergeld entrichtet hatte. Dennoch war mit dem Wergeld nicht alles abgegolten. Die Griechen studierten das Problem an Orestes. Er hatte den Mord an seinem Vater gerächt und dessen untreues Weib samt deren Liebhaber erschlagen. Das war insoweit in Ordnung, nur war das untreue Weib auch Orestes Mutter. . Die Erinnyen verfolgten ihn wegen des unlöslichen Widerspruchs der Pflichten. Die Erfüllung der Pflicht A bedeutet simultan die Verletzung der Pflicht B.

Diesen Widerspruch auf einen Krieg oder Bankraub übertragen, ergeben sich dieselben unlösbaren Widersprüchlichkeiten. Auf einseitiges Recht oder isoliertes Unrecht kommt es nicht mehr an. „Schuld“ tragen alle Beteiligten. Die Polizei könnte eine überfallene Bank belagern, bis die Räuber ausgehungert aufgeben. Problem sind die Geiseln, die man lebend befreien muss, weil man deren Rettung verpflichtet ist. Sieht man in der Totalszenerie eines Bankraubs nur die Befreiung der Geiseln als Polizeiaufgabe, dann gehen tote Geiseln auf das moralische Konto der Polizei. Sie hat etwas falsch gemacht. Sie will nämlich simultan die Räuber fassen; sonst könnte die Polizei alle Bedingungen erfüllen und die Räuber mit Beute und Fluchtauto ziehen lassen. Irgendwann wird sie die Räuber schon fassen. Diesem Widerspruch zwischen Geiselrettung und Rechtsbruchbekämpfung entwächst die orestische Schuld der Polizei.

So ist es auch mit dem Krieg; hat man ihn einmal aufgenommen, kommt es zu moralischen Komplikationen. Solange etwa die Ukraine auf dem eigenen Territorium gegen den russischen Aggressor kämpft, wird man ihr kaum „Schuld“ vorwerfen können. Aber unsere Gedanken kreisen nach wie vor um den Zweiten Weltkrieg. Polen wurde von Deutschland überfallen und verteidigte sich. England und Frankreich erklärten Deutschland den Krieg wegen des Angriffs auf Polen; im weiteren Kriegsverlauf verbündeten sich England und Russland, das mit Deutschland zusammen Polen angegriffen hatte. Und zuletzt nahmen sie hin, dass zur Gänze Polen dem russischen Joch unterworfen blieben. So gesehen hätte man auch auf die Kriegserklärungen verzichten können. Der Krieg endete auch ganz anders als er begonnen wurde. Angeblich sollen die Deutschen versucht haben, kurz nach Kriegsbeginn einen Kompromissfrieden auszuhandeln. Aber England wollte nicht mehr verhandeln. Endlich hatte es einen Kriegsgrund, der auch sein Commonwealth verpflichtete, Hilfe zu leisten. Wegen des Anschlusses Österreichs hätte England die Australier und Kanadier kaum überzeugen können, Truppen zu entsenden.

Man kann es daher auch so sehen, dass ein Krieg gegen Deutschland schon 1933von England gewollt war, nur hatte es bis zum Angriff auf Polen und bis zum Pakt mit der Sowjetunion keinen Grund gegeben, der unbeteiligten Völkern als akzeptabel erschienen wäre. „Rheinlandbesetzung“, Anschluss Österreichs und Angliederung des Sudentenlandes waren keine materiellen Rechtsverletzungen, sondern nur förmliche. Die Sieger von 1918 hätten die Grenzkorrekturen und die Aufnahme Österreichs in das Reich schon 1919 zulassen müssen. Der Zweite Weltkrieg hätte also nicht stattfinden müssen; die britische Regierung hat, um Deutschland niederzuschlagen, ihr Weltreich verspielt. Der Suezkanal ist weg, Pakistan, Indien und Ägypten sind frei, der Rest ist heute amerikanisch orientiert. Der deutsche Führer hatte sich vielleicht nicht vorstellen können, dass er Krieg gegen ein zum Selbstmord bereites Land führen werde.

Schon 1914 führte die britische Regierung den Krieg gegen Deutschland im Sinne eines totalen Krieges auch gegen die Zivilbevölkerung. 1915 litt Deutschland unter Hunger (Kohlrübenwinter); schon 1941 begannen die Briten deutsche Städte anzugreifen. Der erste große Angriff richtete sich auf das historische Lübeck, das keinerlei militärische Bedeutung hatte. Sie bombardierten die Möhnetalsperre in der Spekulation, dass die Wassermassen die Zivilbevölkerung des Ruhrgebietes ersäufe. 1.200 Zivilisten ertranken. Man muss sich nur die Bilder von deutschen Innenstädten anzusehen, um zu erkennen, wie verbrecherisch der Krieg gegen Deutschland geführt wurde. Dass der Krieg verloren gehen werde, war angeblich Hitler schon klar, als der Angriff auf die Sowjetunion nicht zügig genug voranschritt. Ende 1944 sagten sich viele Deutsche, dass der Krieg nicht verloren gehen dürfe. Das Kriegsende werde das Ende Deutschlands sein. Wäre das Regime nicht selbst „bankräuberisch“ auf Gewalt programmiert gewesen, hätte es diplomatisch geschickt nach dem Waffenstillstand mit Frankreich die Kapitulation anbieten sollen; oder im Oktober 1941. So aber kam es zum „finis Germaniae“, dessen Verhinderungsversuche obiter auch die Katastrophe des Judentums bedeutete. Angesichts eines „Aus für Deutschland“ kam es den Deutschen auch nicht mehr darauf an, anderen analoge Katastrophen zuzumuten. Und an der Katastrophe der „anderen“ hatten die Sieger ihren Anteil. Ihr starrer Blick auf den militärischen Sieg ignorierte das Unglück, das die den Deutschen unterworfenen und ausgelieferten Bevölkerungen erwartete.

Am deutlichsten zeigt dies die Endphase um den Kampf in den Niederlanden::

Den Briten war es 1944 nicht gelungen, die Niederlande zu befreien. Folglich stand deren Bevölkerung eine Hungerkatastrophe bevor. Dass die Deutschen erst an ihre eigenen Mägen denken würde, lag in der Logik des Krieges. Es war also abzusehen, dass gegen Ende des Winters die Reserven erschöpft und die holländische Bevölkerung nichts mehr zu essen haben werde. Der niederländischen Exilregierung gelang es, mit den Deutschen Versorgungsflüge für ihre Bevölkerung zu vereinbaren. „Rosinenbomber“ flogen auf einer vorgegebenen Route zum Rhein und folgten dem Strom abwärts, um dann nach Abwurf der Lebensmittel über die Nordsee den deutschen Machtbereich wieder zu verlassen. Die Hungerkatastrophe wurde für die Niederlande vermieden.

Für die anderen geknechteten Gruppen in Deutschland, allen voran für die in Lager inhaftierte Bevölkerung gab es keine Advokaten, die deren Pflichtverteidigung übernahmen. Die Leichen von verhungerten Gefangenen, die amerikanische Bulldozer 1945 propagandagerecht in Massengräber schoben, sind deren eigene Opfer. Sie SS hatte nämlich ihre Leichen immer fein säuberlich eingeäschert. Das war in der absoluten Endphase der „Todesmärsche“ nicht mehr möglich. Diese Toten kann man wie tote Geiseln beim Bankraub der Polizei den Siegermächten anlasten. Natürlich bleiben die Geiselnehmer verantwortlich, aber der Tod der Geiseln geht nicht mehr auf deren Konto allein.

Diese Überlegungen werden in Bezug auf den Holocaust unterdrückt. Sie sind quasi verboten und tabuisiert. Es hätte auch für die Juden vieles anders ausgehen können, wenn man von Siegerseite her die Einwanderung von Juden nach Palästina nicht auf Personen mit einem Kapital von 1.000 GBP beschränkt hätte. Ursprünglich dachte auch die SS nicht an Massenmorde (Hermann Greive). Wahrscheinlich wäre heute das ganze Jordantal jüdisch besiedelt, heute ist die Lebensader des Landes ein Grenzfluss. Vor der Reichskristallnacht 1938 lebten noch 50.000 Juden mit polnischen Pässen in Deutschland, die das Reichsgebiet ganz unkompliziert seit der Machtergreifung der Nazis während der vergangenen 5 Jahren hätten verlassen können. Willy Cohn (in: „..kein Recht, nirgends“) war sogar 1937 mit Familie in Palästina und musste mangels Entgegenkommens mit den dortigen Behörden nach Deutschland zurückkehren. Die westliche Politik scheint von kolonialen und imperialistischen Interessen geprägt gewesen zu sein, aber keinen Sinn für eine gerechte Ordnung in Europa gehabt zu haben. Leute wie Wladimir Ze´ev Jabotinsky haben diesen Widerspruch erkannt und die Katastrophe so kommen sehen, wie es kam, weil es letztlich so kommen musste.

Denn eines war klar: einen zweiten Versailler Vertrag werde es für Deutschland nicht mehr geben. Diesmal ging es ums Ganze, um Sein oder Nicht-Sein für alle Betroffenen. Die linkslastige Lösung des Widerspruchs kann heute nicht mehr überzeugen.

18.09.2023 von Lobenstein

Orthodoxe Kostümjuden und orthodoxe Coûtumes

Generell gilt bei Juden, und so auch galt es ähnlich bei den „Nazis“, dass man Jude durch Geburt sei. Die einen verlangen eine jüdische Mutter, die allerdings in Zeiten der Haskala auch Kinder von Nicht-Juden empfing (Arthur Ruppin in: Soziologie der Juden), und die anderen, die so genannten „Nazis“ mussten prüfen, ob die jüdische Großmutter des anderen nicht doch schon nur Halbjüdin war. Erst drei „volljüdische“ Großelternteile machten ein Individuum zum Juden. Die Mutter des Anton Graf Arco, der 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner erschoss, „weil er Jude war“, war eine geborene Freiin von Oppenheim, aus „jehudäischem Adel“ (Philipp Stauff), allerdings Halbjüdin. Ihre Mutter war eine Protestantin. Graf Anton Arco fehlte also schon die halachisch notwendige Mutter. Diese lebte bis 1957 auf den Gütern von Valley.

Die Amerikaner verurteilten den Generalfeldmarschall Erhard Milch, Halbjude, für seine Kriegsverbrechen.  Das zeigt, dass die Grenzen zwischen Juden und Nicht-Juden durchaus fließend sind, und dass sie vom Individuum selbst gezogen werden können. Juden im Sinne der Halacha   treten aus der Religionsgemeinschaft aus oder gar nicht erst in sie ein: von den 250.000 Juden, die laut Charlotte Knobloch nach 1990 in Deutschland zuwanderten, sind heute nur noch 90.000 bei der jüdischen „Kirche“ immatrikuliert. Vor 1990 soll es in der Bundesrepublik 30.000 Juden gegeben haben. Also sind von zusammen 280.000 Juden nur ein Drittel willentlich Juden, die anderen sind konfessionslos. Sie sind Menschen wie Du und ich. „Rassejuden“ hätten die „Nazis“ gesagt. Aber wen interessiert heute die Abstammung? Selbst der Begriff „Rasse“ soll gesetzlich gecancelt werden. Es gibt in Europa gar keine reinen Rassen. Auch die Juden sind eine Mischrasse (Arthur Ruppin), lediglich die rassische Mischung ist in Europa regional verschieden. Arthur Ruppin spricht daher von „Typen“. Wer vom Typus wie Angela Merkel aussieht, hat mit Sicherheit keine bayerischen oder Schweizer Großeltern. Heute sollen 40% der Deutschen Eltern mit Migrationshintergrund haben. Mit dem nordischen Ideal ist es ersichtlich vorbei, aber auch mit der „Verantwortung“ für Auschwitz, wegen der die Deutschen wieder als reinrassige Gesellschaft vergattert werden.

Im Widerspruch zur realen Entwicklung gucken die jüdischen Oberen nach wie vor auf die Abstammung; Walter Homolka betitelte sein Büchlein „Nicht durch Geburt allein“ und beschreibt, wie man Jude werden könne. Nur: warum sollte man das werden wollen? Es müssen sehr spezielle Umstände vorliegen, einen solchen Schritt zu unternehmen. Schon Baruch Spinoza sah schon 1650 im Judentum im Wesentlichen nur einen Aberglauben; die Mitgliedschaft bei einer jüdischen Gemeinschaft schützte damals vor dem Zwang, sich dem christlichen Glauben zu unterwerfen. Auch wenn man vor der Revolution schon gar nichts glaubte, musste man die Rituale der Kirche mitspielen. Sigmund Freud spricht von kollektiven Zwangsneurosen. Yosef Kaplan (in: Jüdische Lebenswelten) beklagt, dass die (sefardischen) Juden in Amsterdam, Bordeaux, London und Hamburg zwar ihre Rituale feierlich vollzogen, aber gleichzeitig die Verbindung zu ihren marranischen Verwandten in Spanien aufrecht erhielten. Die Juden in Bordeaux feierten ihre Hochzeiten in christlichen Kirchen als „Neuchristen“, denn die Juden waren in 14. Jahrhundert aus Frankreich ausgewiesen worden. Der berühmte britische Premier Benjamin d´Israeli war getauft. Heute sollen 50% der Christen aus den Kirchen ausgetreten sein, aber wie hoch der Prozentsatz ist von Leuten, deren Vorfahren noch Christen waren, die also nie Christen geworden sind, weiß man nicht. Von den kirchlichen 50% sagt man, seien 80% nur deshalb Kirchenmitglieder, um zuletzt ein christliches Begräbnis zu erhalten. David Farbstein, der sich für eine großzügige Aufnahme von Ehefrauen in die jüdische Gemeinschaft ausspricht, redet von „Friedhofsjuden“. Der Glaube an einen Schöpfergott ist erloschen, es geht nur mehr um „sefardische“ Feierlichkeit bei den großen Ereignissen des menschlichen Lebens: Initialritus, Hochzeit und Beerdigung. In Deutschland nennt man die christliche Mehrheit „Taufscheinkatholiken,  bei den Juden heißt es „Drei-Tage-Juden“.

Umso weniger versteht man das para-rassistische Geschrei, das ein Maxim Biller gegen „Vaterjuden“ wie Max Czollek erhebt oder, das Geheule, das jetzt Fabian Wolf als Kostümjuden diffamiert. Wer hat ein Interesse daran, die beiden, wie Jesus die Wechsler aus dem Tempel, aus den Synagogen zu verscheuchen? Dr. Josef Schuster spricht von „Halacha“, hält aber selbst gar keine Sklaven mehr, die er in einem Sabbatjahr entlassen könnte; auch in seiner Eigenschaft als Arzt operiert es nicht mehr, wie es im 8. Jahrhundert in Soria und Pumbedita gelehrt wurde.  Warum spielt er das Versteckspiel der deutschen Regierung mit, die „richtige“ Juden nach den Regeln der Nürnberger Gesetze als Feigenblätter braucht. Denn im Prinzip ist der deutsche Staat von heute doch nur die erschlichene Fortsetzung des Dritten Reichs, von dem man sich nur durch ein schlappes Militär und durch demonstrative Judenfreundlichkeit unterscheiden kann. Das BKA, die Justiz, die Landesverwaltungen mit den arisierenden Finanzämtern funktionierten nahtlos nach der Niederlage weiter. Der Bundespräsident Theodor Heuss setzte sich für die Begnadigung des Massenmörders SS-Standartenführers Dr. Martin Sandbergers ein, und Leute wie Hans Filbinger oder die NS-Führungsoffiziere Helmut Schmidt und Franz Josef Strauß avancierten in höchste Staatstellen. Geopfert wurden Leute wie der Konstanzer Arbeiter Willi Hermann im Rang eines Referenten bei der Deutschen Arbeitsfront (Gewerkschaft), der als gescheiterter Pädagoge bei der Partei als Scharführer, und im Krieg als Unteroffizier fungierte. Als „eingefleischten Nazi“ (Südkurier), der im Grunde gar nichts gemacht hatte, wurde er posthum gebrandmarkt. Seine Fastnachtlieder wurden nicht mehr gesungen. Es waren zu viele, die nach diesen wie zu KdF-Zeiten geschunkelt haben. Das kann das spießige Deutschland nicht brauchen, weswegen es auch peinlich wird, wenn sich einige Feigenblätter als deutsche Kastanienblätter und als Pappellaub erweisen. In Amerika hätten sich die jüdischen Gemeinschaften gefreut, einen Fabian Wolf bei sich aufnehmen zu können. Ein Jewish Outreach Programm stellt auch eine jüdische Erziehung ab.

Fabian Wolf (z.B.) brachte als Jude seine Artikel auch in der Jüdischen Allgemeinen unter, die TAZ und die „Zeit“ veröffentlichten ganze Artikelreihen. Insoweit hatte Fabian Wolf einen Grund, „den Juden zu machen“ (Stil Hendryk Broder). Das Problem auf amtsjüdischer Seite liegt im Glauben an den Messias, der immer noch kommen soll. Der Glaube geht bei manchen so weit, dass sie den „jüdischen Staat“ Israel ablehnen (Satmarer Chassidim), den erst der Messias wieder errichten darf. Die (Ultra-)orthodoxen Gemeinschaften beachten in dieser Logik auch die unsinnigsten, unnützen und abstoßenden Gebote peinlich genau, wobei ihre Zahl selbst für ein Unternehmen wie Coca-Cola zählt. Das Getränk wird nach Beratung mit den halachischen Rabbinern koscher hergestellt, aber nicht pascha-koscher. In der Osterzeit darf der Zucker für das Gebräu nicht aus einer Hülsenfrucht gewonnen werden; Hülsenfrüchte sind zu Pascha nicht erlaubt. Und so braut Coca-Cola das Gesöff zu Pascha aus anderem Zucker zusammen und deckelt die Flaschen Gelb statt Rot ab. Der fromme Jude kann also zu Ostern Gelbdeckelcola trinken.

Wenn also die Orthodoxen für ein Weltunternehmen wie Coca Cola zählen, müssen in dieser Logik die Orthodoxen auch für die weniger religiösen Juden und für die Bundesregierung in Deutschland, und sogar für Israel eine Bedeutung besonderer Art haben. Denn die „Juden als Menschen wie Du und ich“ lehnen sich nahtlos an die Orthodoxen an, um sich zu legitimieren. Auch wenn der normale Jude zu Pasche das koschere Alltagscola mit roten Deckel trinkt, muss er dem Orthodoxen sekundieren, dass dieser sein gelbdeckeliges erhält. Sie sind die lebenden Fetische des Judentums. In Israel bezahlt man ihnen ein Grundeinkommen, obwohl sie nur die Heiligen Schriften studieren. Ihre tierquälerischen Schlachtmethoden (das Tier muss bei Bewusstsein ausbluten)  werden verteidigt. Die obszöne Beschneidung der Buben (Hans Pet6er Duerr in: Obszönität und Gewalt) darf gar nicht in Frage gestellt werden. Dabei ist die Beschneidung, die nichts anderes als eine symbolische Kastration als Zeichen der totalen Unterwerfung unter den Gott Israels. Die Jüdische Allgemeine spricht vom religiösen Recht der Eltern, das das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes übersteige. Der Denkfehler liegt dort, das von den „Kindern“ die meisten das Judentum verlassen, allerdings ohne Vorhaut.

Natürlich heiraten die Orthodoxen bei enger Partnerwahl und bilden in ihrer Mischrasse doch wieder einen jüdischen Typus heraus (Arthur Ruppin, a.a.O.), so dass der Messias „die Seinen“ dereinst wirklich erkennen können müsste. Warum überlässt man es dann nicht dem Messias die Entscheidung, ob er Max Czollek, Fabian Wolf oder Marc Zuckerberg (er hat eine chinesisch-stämmige Frau geehelicht und mit ihr zwei Töchter) in die neue Welt mitnimmt oder nicht?

Wir haben Glaubensfreiheit und niemand hat das Recht zu prüfen, ob der Gläubige wirklich glaubt oder ob er nur heuchelt. Eigentlich kann man sich nicht vorstellen, dass ein Dr. Josef Ratzinger zum 25. Priesterjubiläum noch wirklich glaubt, dass Jesus ganzer Gott und ganzer Mensch und Sohn des einzigen Gottes gewesen sei. Ratzinger hatte das intellektuelle Niveau von Baruch Spinoza, Sigmund Freud und Edmund Husserl, die solches Zeug nicht geglaubt haben. Selbst geistig weniger hochstehende Leute wie William Hirsch (in: Religion und Civilisation) glaubten nichts dergleichen. Schon Eliezer Ben Abuja hielt „den gantz jüdisch Glaub“ (Antonio Margeritha) für Unsinn. Offensichtlich gehört eine gewisse „Armut im Geiste“ dazu, all diese Dinge vom kommenden Messias oder schon da gewesenem Messias zu glauben, um für simple Lebensmittel doppelte und dreifache Preise zu zahlen, um auf Hasenbraten und Frutti di Mare zu verzichten und dem Schulchan Aruch zu entnehmen, wie man als Jude zu kacken hat. Und hier beginnt der Zivilisationsbruch, den die NZZ am 1.9.2023 erfasst: der verzweifelte Kampf der Schweizer Israelitischen Gesellschaft (SIG), auf die Orthodoxen Juden mäßigend einzuwirken, die in Davos und zwei anderen Orten in rauhen Scharen bevorzugt Ferien machen; sie treffen dort auf Glaubensgenossen aus anderen Ländern, womöglich um die Gattenwahl ihres Nachwuchses auf etwas breitere Basis stellen zu können.

Inzwischen wollen die Davoser Gastronome sie loswerden. Diese Leute sind schlichtweg sozial unverträglich; das waren sie historisch gesehen schon immer. Zur Erinnerung: Als man im Zusammenhang mit der Französischen Revolution auch den Juden des Elsass oder der Bistümer das Bürgerrecht zubilligen wollte, wäre dies fast an dem Bekenntnis, eine geschlossene Gesellschaft sein zu wollen, gescheitert. Weil die alt-französischen Juden versichern konnten, dass der sefardische Jude sehr wohl eine Französin heiraten dürfe, ohne jüdischerseits diskriminiert zu werden, wurde das Bürgerrecht für alle Juden gerettet. Aber tatsächlich sind die Orthodoxen eine geschlossene Gesellschaft und nicht integrierbar: Nun wäre dies nicht so schlimm, wenn diese sih als „autonome Gruppe“ (Adam Tooze) in die Gesellschaft einfügen könnten; aber selbst das ist nicht der Fall. Die Davoser sind es leid, dass die Orthodoxen selbst auf engen Gebirgspfaden nicht ausweichen, dass sie das Schwimmbad nutzen, ohne vorher zu duschen, sich beschweren, wenn früher Platz genommen habende Gäste zuerst bedient werden und dass sie ihre von den Kindern vollgeklackten Windeln im Wald einfach wegwerfen. Eine lokale Zeitung schreibt sogar, dass diese Leute auch keine Hemmung hätten, sich auf dem Balkon ihrer Notdurft zu entledigen (sicher nach der Vorschrift des Schulchan Aruch). Schlimm genug, aber noch schlimmer ist, dass sie es dabei belassen, weil die Kacke ja unrein ist. Wie lächerlich erscheint die Empörung über ein vor 35 verfasstes Flugblatt eines der Aiwanger-Brüder, wenn man sich vorstellen kann, dass die Davoser ihren lästigen Gästen auch Freiflugscheine zum Jordan gönnen könnten. Natürlich sind es nur einzelne, die sich völlig fehlverhalten; aber die Mehrheit dieser Leute lebt in ihrer Welt, grüßt nicht, ignoriert die Menschen der Umwelt, so dass man sich fragt, was diese Herrschaften nach Davos zieht. Wahrscheinlich sehr vorteilhafte Preise während des Sommers, denn Davos ist ein Skiparadies.

Interessant ist auch zu lesen, dass sofort Dritte den kritisierten Orthodoxen zur Seite springen; diese selbst antworten nicht. Sie nehmen auch die Leute von SIG nicht ernst. So führt ein Sekundant an, „die Schweizer“ kämen busweise zur Klagemauer angereist und behinderten die Gläubigen; aber das wäre wohl das Geschäft der Kotel-Organisatoren, die Busse anderswie parken zu lassen. Man fragt sich, warum sich sofort eine Meute bildet, die die unerträgliche Minderheit hyperreligiöser Juden in Schutz nimmt.

Wer mit Orthodoxen nichts zu tun bekommen will, gehe diesen aus dem Weg, und, wenn er Gastronom sein sollte und diese Herrschaften nicht bewirten möchte, aber schlecht ein Schild „orthodoxe Juden unerwünscht“ anbringen kann, weise darauf hin, dass er alles mit Schweinefett zubereite, zumindest aber das Fleisch mit einem Schuss Milch gare. Das wäre das Schlimmste für einen orthodoxen Juden, von denen die Frömmsten nicht nur zwei Garnituren Kochgeschirr für Milch und für Fleisch besitzen, sondern sogar zwei getrennt Küchen haben. Es ist also kein Problem, sich diese Muschpoke vom Hals zu halten, als Nicht-Jude. Als Jude ist das vielleicht schwieriger, weil man eine Trennungslinie zwischen nicht mehr erträglichen Orthodoxen und noch verträglichen Konservativen ziehen will, die man bedienen möchte. In Israel selbst haben die Araber leichtes Spiel. In Jaffa gibt es gute arabische Restaurants, die am Sabbat agnostische Juden (Henri Coston) bedienen. Sie sind gut besucht. Aber wie funktioniert die Trennung der Konservativen von den Orthodoxen in der Diaspora? Die einen Juden verstehen nur Russisch, die anderen sind so bekannt, dass sie in München keine Pizza Marinara bestellen können, ohne einen Skandal auszulösen. Genau hier hätte der Zentralrat eine Aufgabe: er müsste die Trennungslinien zwischen dem allgemeinen Judentum, der westlich-jüdischen Zivilisation und den „Friedhofsjuden“ einerseits ziehen gegen die Religiösen (kollektiven Neurotiker und Abergläubischen). Es sind ja nicht nur die „Kostüm-Juden mit dunklem Gehrock und schwarzen Hut, sondern auch noch solche, die wochentags mit Kippa rumlaufen und sich wundern, wenn sie von Arabern verprügelt werden. Was machen die Antisemitismusbeauftragten und politischen Figuren? Sie jaulen los, dass es unmöglich sei, dass sich Juden in Berlin nicht frei bewegen könnten. Sie können es aber problemlos als Juden der westlichen Zivilisation und als Menschen wie Du und ich. Vor jeder Synagoge steht Polizei, da kann man auch einen Pileolus aufsetzen. Aber was soll die Demonstration des religiösen Glaubens im weltlichen Berlin? Rennen da orthodoxe Popen im Ornat herum? Der Jude mit Kippa ist selbst schuld, wenn er auf der Sonnenallee oder am Hermannplatz in Berlin verprügelt wird; die Justiz müsste ihm unterstellen, er suche eine Opfer- und Märtyrerrolle, weil „die Deutschen“ von „ganz Oben“ ihm sofort sekundieren und Mitleid bezeugen. Er provoziert jedoch seine Gefährdung. Der Zentralrat hätte die Aufgabe, das zivilisierte Judentum zu vertreten, nicht die Religiösen; wir, aber auch „unsere Juden“ (Henrich v. Treitschke) sind inzwischen in einer gewissen „Neuzeit“ angekommen, die sich am amerikanischen Wesen orientieren sollte. Selbst die Kirchen existieren nicht mehr auf der Arbeit von Mönchen und Nonnen, sondern auf der der Laien. Deswegen versteht man umso weniger, wie die weltliche, auf Israel verschworene Judenschaft in Deutschland sich vor die Orthodoxen stellen kann, die nur Risches machen. Haben die im Zentralrat noch nicht mitbekommen, dass auch Israel ein Judenproblem hat mit diesen Leuten hat? Lesen die nicht „Im Namen der Thora) vom Melzerverlag, dass ihre Parteinahme für Israel im Widerspruch zum religiösen Antizionismus der Frommen steht? Schluss mit den Freifahrtscheinen und den Narreteien für das orthodoxe Kostümjudentums. Auch das deutsche Judentum muss wieder eine den Westen konstituierende Gemeinschaft werden, wenn Israel die nächsten Kriege überstehen soll.

13.09.2023 von Lobenstein

 

„Von den Juden und den Lügen …… bzw. den Leugnungen einer Ursula Haverbeck“

Über erstere schrieb 1543 Martin Luther. Der Begründer des systematischen Antisemitismus ist unangefochten das Vorbild für die Hälfte der deutschen Christen.

Über die Lügen von Ursula Haverbeck plausibeln deutsche Richter allerhand Dinge zusammen. Natürlich lügen Juden auch nur gelegentlich wie andere Menschen. Sie lassen sich dank ihres ausufernden Schrifttums nur leichter beim Lügen erwischen. Außerdem wurde 1543 das Wort „Lüge“ anders verstanden als es in unseren Tagen verstanden wird. Damals galt als Lüge, was mit der Dogmatik des christlichen Zwangsglaubens im Widerspruch stand. Heute würde man „leugnen“ sagen. Aber mittelalterlich bleibt es dennoch. Wer behauptet, die Amerikaner seien nie auf dem Mond gewesen, sondern hätten alles in Hollywood gefaked, gilt schon als Verschwörungstheoretiker. Ähnliche Geschichten gibt es zum World Trade Center. Auch wenn heute der christliche Glaube nicht glaubwürdig ist, so gilt er dennoch als systemrelevant. Luthers 1543 gedruckten Schriften sind trotz seiner Systemrelevanz nur mehr als peinliche Bücher in zweite Reihe ins Bücherregal zu stellen. Aber es können auch aktuellere peinliche Bücher neben Luthers Elaboraten stehen: Etwa das von Gilead Atzmon („Der wandernde Wer“), das von Jakob Brafmann (Das Buch vom Kahal), H. G. Adlers Theresienstadt, Shlomo Sand (z. B. Warum ich aufhörte, Jude zu sein) und zur Abrundung sogar die Bände von Arthur Ruppins Soziologie der Juden. Vielleicht hat man noch ein Abonnement von Haaretz, wo ein israelischer General die Besatzungspolitik in Judäa mit der NS-Politik parallel setzt. Das wäre z. B in Deutschland schon eine Freiheitsstrafe wert (Verfahren gegen Klaus Eikmeier in Hannover). Ein türkisch-stämmiger Immobilienmakler in Franken wurde wegen solcher Vergleiche verurteilt. Die Jüdische Allgemeine veröffentlichte Mitte August 2023 einen Briefwechsel jüdischer Persönlichkeiten mit Ronalds Lauder, wo es heißt:

Man dürfe nicht vergessen, dass Netanjahu wegen Bestechung, Betrug und Untreue vor Gericht stehe, dass er Israel in eine Autokratie verwandeln wolle und dass er einer Regierung von »verurteilten Terroristen und Kriminellen« vorstehe. … Seine extremistische Koalition versucht ihre maximalistischen Pläne zu verwirklichen, indem sie Israels Regime einseitig nach ihren intoleranten, spalterischen Vorstellungen verändert, die in Hunderten von Gesetzesvorlagen sowie in Koalitionsvereinbarungen niedergelegt sind.«

Diese Veröffentlichung wird keine strafrechtlichen Konsequenzen haben? Warum also wird ein Nicht-Jude bestraft, wenn er die Dinge ähnlich vorträgt? Der Nicht-Jude hetzt gegen die jüdische Regierung, während der Jude sich nur über sie aufregt. Zwischen einem Slawo- oder Germano-Deutschem besteht rechtlich eben doch ein Unterschied zu einem Semito-Deutschen.

Hier liegt ein unlösbares Problem; „die Deutschen“ haben in den Jahren ihres Krieges 6 Millionen Juden ermordet, dazu mindestens 3 Millionen russische Gefangene verhungern lassen und ebenso viele Polen zu Tode geschunden, Kriegs- und Kampfhandlungen unberücksichtigt. Spricht man von „den Deutschen“ oder der deutschen Führung in diesem Zusammenhang, kann man durchaus das Wort „morden“ verwenden. Sagt man aber, Herr N. sei im KZ „ermordet“ worden, so kann dies auch so verstanden werden, als sei er von einem Mithäftling oder von einem SS-Mann irregulär getötet worden. Der durchschnittliche Deutsche erkennt diese Feinheiten nicht und verarbeitet sie gedanklich unrichtig. Die Vermengung der Denkebenen (Paul Watzlawick) in der „Aufarbeitung“ der Ereignisse produziert logische Widersprüche und schafft eine Skepsis, wo sie unangebracht ist.

Die auf solche Weise erzeugte geistige Klumpenbildung zu Auschwitz führt auch dazu, dass Staaten von Nebenkriegsschauplätzen, die genauso unter der deutschen Leitkultur des Krieges litten, kaum Beachtung finden. Hinter Büschen und Bäumen im Berliner Tiergarten wird der ermordeten Roma und Sinti gedacht, die Rudolf Höß genauso umbringen ließ „wie die Juden“ (vgl. dessen Memoiren). Das scheint gewollt zu sein. Deswegen legen die deutschen Gerichte und Behörden ein Auge darauf, dass über das Thema nicht groß diskutiert wird. Man bedauert so lautstark die Grausamkeiten gegen Juden, so dass etwa die Griechen nicht mehr gehört werden können.

Die einzig richtige Konsequenz des Krieges wäre nämlich gewesen, Deutschland als Staat aufzulösen. Ein um Altbayern vergrößertes Österreich könnte wirklich neutral sein. Acht weitere souveräne deutsche Staaten hätten schon 1919 den Frieden in Europa sichern können. Genau diese Überlegungen wollen deutsche Stellen verhindern. Sie mythisieren die Geschichte in dem Sinn, als sei der Vorsatz zu all den Verbrechen allein auf dem Mist einer Clique von „Nazis“ und von Adolf Hitlers gewachsen. Dass noch 1944 92% der Deutschen loyal zum Nazi-Regime standen (Hildegard Hamm- Brücher) und die „Nazi“-Partei 1945 das 10 Millionste Mitglied einschrieb (12% der Bevölkerung), fällt unter den Tisch. Die Verfassung von Baden-Württemberg von 1953 lässt keinen Satz aus, den sie nicht „christlich“ garnieren konnte; soe heißt es:

Artikel 12

(1) Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen.

(2) Verantwortliche Träger der Erziehung sind in ihren Bereichen die Eltern, der Staat, die Religionsgemeinschaften, die Gemeinden und die in ihren Bünden gegliederte Jugend.

Fast klingt es, als müssten auch „die Juden“ christliche Nächstenliebe üben, dabei hat schon Hillel diese vorformuliert, welche nach Auffassung von William Hirsch (in: Religion und Civilisation) durch Jesus ins Lächerliche gezogen wurde (Hinhalten der anderen Wange—). Ungeachtet dessen eigneten sich „die Juden“ im Ländle zur Demonstration des Willens zur Wiedergutmachung, die man anderen Opfern leicht verweigern kann, weil kein Amerikaner hinguckt.

„Unsere“ jüdische Diaspora kommt mit diesen Widersprüchen nicht zurecht. Es lebt sich bequem in Deutschland. Dieses wirtschaftlich entwickelte Land ist stets zahlungsfähig und kreditwürdig, selbst zur Nazi-Zeit. Noch 1938 lebten 50.000 Juden mit polnischen Pässen im nationalsozialistischen Staat, aus dem staatsangehörige Juden mühsam ihre Auswanderung organisierten. Die polnischen Juden hätten einfach abreisen können.

Aus der ganzen Welt treffen heute Asylanten ein. Aber keine dieser Ethnien hat eine Bedeutung für Deutschland wie die Juden, klein und fein. Die jüdische Ethnie, die sich durch Abwanderung der Überlebenden nach Israel und in die USA sehr ausdünnte, ist aus politischen Gründen mit Ersatzjuden frisch inszeniert worden (Barbara Steiner). Christliche Alttestamentler konvertieren zum Judentum und werden gleich zu Rabbinern befördert (Walter Homolka). Auch Frau Steiner schimpft über Proselyten, die aus parapolitischen Gründen zum Judentum übertreten. Natürlich sind diese konservativ-halachisch programmiert. Das inszenierte Judentum kann nur echt wirken, wenn es orthodox unangreifbar und halachisch rüttelfest ist. Während die amerikanische Diaspora versucht, das sich auflösende Judentum nach frischen Kriterien zu organisieren (Carlo Strenger), begrenzte die Bundesregierung die jüdische Zuwanderung aus der Sowjetunion auf Personen, die halachisch als Juden gelten. Sie klammerte sich an historische Regeln, die nicht einmal zuverlässig mit den israelischen Vorschriften kongruent sind. Obwohl das israelische Gesetz (z. B.) zur „Rückkehr“ nach Israel auch jüdische Mischlinge willkommen heißt, sieht man die Dinge in der deutschen Szene anders. Wer in der Sowjetunion als Jude galt, konnte von der inszenierten Judenheit der Bundesrepublik als „Vaterjude“, „Segler unter falscher Flagge“ (Dr. Josef Schuster über Max Czollek) oder gar als „Kostümjude“ (jüngste Wortschöpfung) niedergemacht werden. In Israel wäre er willkommen. Es ist schon sehr eigenartig, dass im Land von 7 Millionen Juden und auch in den „Staaten“, wo weitere 5 Millionen Juden zuhause sind, ein freies jüdisches Leben möglich ist, aber ausgerechnet in Deutschland eine Show unter der Regie deutscher Gründlichkeit veranstaltet wird. In Deutschland werden Probleme ausdiskutiert, die in Frankreich gar nicht keimen könnten. Was stimmt da nicht?

Noch einiges: In Deutschland wimmelt es auf den politischen Ebenen von „Antisemitismusbeauftragten“, aber es fehlen die Antisemiten. Zu „Antisemiten“ werden einfach die Gegner Israels erklärt und deren Inszenierungen als antisemitische Veranstaltungen verboten. Die meisten „Antisemiten“ sind pöbelnde Kawallmacher. Deswegen befassen sich die „Beauftragten“ lieber mit geschichtlichen Gestalten „mit antisemitischem Bezug“, die noch auf Straßenschildern namentlich erscheinen.  Sie lassen etwa Straßennamen ändern, die an längst vergessene Leute erinnern, bzw. nicht mehr erinnern können. Welcher Bürger weiß noch, wer Tauentzien war? Aber die Straße seines Namens soll die umsatzstärkste Einkaufsmeile Europas sein. Ist das eine große Ehre für den friderizianische General? Besonders lächerlich ist es mit deutschen Allerweltsnamen wie Wagner oder Maier, die zahllose Zeitgenossen tragen. Müllerstraße in Berlin? Ist nicht etwa Gestapo-Müller von der Wannseekonferenz der Namenspatron? Auf diese Weise wird der Zombie der Judenfrage aus vergangener Zeit erhalten.

Alex Bein lehnt daher den Begriff „Antisemitismus“ für die Judenfeindlichkeit für Zeiten vor 1879 und nach 1945 generell ab; insoweit wären die heutigen Antisemitismusbeauftragten schon dem Namen nach depassé(s). Andere behaupten, es gäbe immer schon Antisemitismus, seitdem es Juden gäbe. Aber die alten Römer (z.B.) waren nie „antisemitisch“; zwar schlugen sie die jüdischen Aufstände in Palästina nieder und ergriffen strikte Maßnahmen zur Befriedung der Provinz, aber die Juden als solche galten ihnen als eine wertvolle Klammer für den Zusammenhalt des weitgestreckten Imperiums (ebenso Aron Israel Brimann).  Es gibt also schon in der Antike westeuropäische Juden, die zur römischen Zivilisation gehörten und orientalische jüdische Rebellen, denen das System der persischen Despotie näher am Herzen lag als der Hellenismus. Das war vor 2000 Jahren. Heute rechnet man Israel zum Westen. Man hat nur wenige Tora-Gläubige (Neturei Karta), die anti-israelisch sind. Israel erzeugte in der westlichen Welt eine Bewunderung durch den 6-Tagekrieg. „Der Jude“ siegte nicht nur über einen halbbarbarischen russophilen Gegner, sondern er gab dem Westen das Selbstvertrauen wieder, mit dem dieser seine zivilisatorischen Werte neu verteidigen wollte.

Als „Westler“ vertraut man auf Amerika und konnte kein Antisemit sein. „Die Juden“ sind als autonome Gemeinschaft für den Westen konstitutiv (Samuel Huntington). Deutschland musste sich unter seinen neuen Verhältnissen besonders judenfreundlich produzieren, um der Sympathie der Amerikaner sicher zu werden. Das ist „deutsche Staatsraison“, was eine Angelika Merkel dümmlich offenbarte. Aber auch abseits der deutschen Staatshierarchie würde man sich lächerlich vorkommen, sich als Antisemit zu bekennen und gleichzeitig die Bücher von Albert Einstein, Sigmund Freud, Bruno Bettelheim, Edmund Husserl, Georg Jellinek oder Otto Kernberg zu kennen. Es ist fast wie im Römischen Reich: die Juden sind eine Klammer für die westlichen Welt. Theoretisch müsste es genügen, die Schriften dieser jüdischen Größen weiten Kreisen bekannt zu machen, um den Rest-Antisemitismus zum Verschwinden zu bringen. Aber das ist praktisch in einer Bevölkerung, die wieder mythisch denkt (Ernst Cassirer) und nur E-Mails zu lesen versteht, kaum möglich. Hier liegt das Problem in Deutschland.

Die ersten Haarrisse im positiven Verhältnis der materialistischen Gesellschaft Deutschlands zum Judentum  – und inzident zum Westen –  sind aufgetreten. Viele verursachten die so genannten Antisemitismusbeauftragten selbst, die durch ein autoritäres Austarieren der Meinungen das Judentum in Schieflage brachten. Die Justiz in Deutschland gab ihren ekeligen Senf dazu. Eine 1928 geborene Ursula Haverbeck wurde als alte Frau gnadenlos ins Gefängnis geworfen, weil sie u. a. Auschwitz als Arbeitslager statt als Vernichtungslager beschrieben hatte. Die Menschlichkeit blieb traditionsgemäß zurück. Auch wenn eine alte Frau Unsinn redet, statuiert man an ihr ein Exempel. Sie ist auch ein Beiospiel für die so genannte „Rechtspflege“ in Deutschland. Die Verfolgung dieser alten Dame ist so typisch deutsch, dass es sich lohnt, das deutsche Wesen durch WIKIPEDIA über Frau Haverbeck kennen zu lernen:

Strafverfahren gegen Ursula Haverbeck (geboren 1928)

Im Juni 2004 wurde Haverbeck (damals 76 Jahre alt) vom Amtsgericht Bad Oeynhausen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Euro verurteilt. Sie hatte in der Hauszeitschrift (N.B.!) des Collegium Humanum den Holocaust geleugnet: der Holocaust sei ein Mythos! Verpackt in ein Zitat der russischen Zeitung Russki Westnik wurde behauptet, die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus habe nicht sechs Millionen, sondern nur ca. 500.000 betragen.

Das ist deswegen interessant, weil Frau Haverbeck ursprünglich den Holocaust als solchen nicht in Abrede gestellt hatte. Auch ein Holocaust mit nur 500.000 Opfern wäre ein Holocaust.

Ähnlich wie ein Gefängniskoller muss Frau Haverbeck durch das Verfahren einen Verfolgungskoller erlitten haben, denn die staatliche Holocaust-Inquisition ließ nicht locker:

2007

Ein weiterer Artikel Haverbecks in der „Stimme des Gewissens“ (Hauszeitung des Vereins, N.B.!) stellte sie die These auf, Adolf Hitler sei „eben nicht vom geglaubten Holocaust oder seiner angeblichen Kriegsbesessenheit zu verstehen, sondern nur von einem göttlichen Auftrag im weltgeschichtlichen Rahmen“. Dies zog ein erneutes Verfahren wegen Volksverhetzung und im Juni 2007 eine weitere Geldstrafe von 40 Tagessätzen des Landgerichts Dortmund nach sich. Daraus wurde eine Gesamtstrafe  gebildet.

2009

Im Juni 2009 wurde Haverbeck vom Amtsgericht Bad Oeynhausen für schuldig befunden, Charlotte Knobloch, damals Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, beleidigt zu haben. Haverbeck hatte geschrieben, Knobloch solle sich nicht in „innerdeutsche Angelegenheiten einmischen“, sondern „in ihr Ursprungsland nach Innerasien zurückkehren“. Ihr Brief enthielt zudem Drohungen wie „Machen Sie so weiter wie bisher, dann könnte sich ein neues Pogrom ereignen, das entsetzlich würde.“ Haverbeck wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro verurteilt.

2010

Im Oktober 2010 wurde Haverbeck vom Landgericht München I wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Warum, wird nicht mitgeteilt.]

2014

Im November 2014 reichte Haverbeck eine Anzeige gegen den Zentralrat der Juden ein. Sie warf dem Verband „Verfolgung Unschuldiger“ vor. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld prüfte trotzdem ein Verfahren gegen sie wegen falscher Verdächtigung.[4]

2015 leugnete sie in der NDR-Sendung Panorama den Holocaust und bezeichnete ihn als die „nachhaltigste Lüge der Geschichte“.[2][3] Aufgrund dieser Aussagen wurde sie vom Amtsgericht Hamburg  verurteilt. Vor dem Amtsgericht wiederholte Haverbeck ihre Aussagen und wollte „beweisen“ (sic!), dass in Auschwitz kein Mensch vergast worden sei. Das Gericht lehnte den Antrag ab und setzte die Gefängnisstrafe von zehn Monaten nicht zur Bewährung aus, weil frühere Verurteilungen Haverbeck nicht davon abgehalten hätten, die Judenvernichtung erneut zu leugnen.[12]

2016

Im Februar 2016 behauptete sie in einem Schreiben an den Detmolder Bürgermeister, das Vernichtungslager Auschwitz sei „eindeutig erkennbar“ ein Arbeitslager gewesen. Hintergrund war der in Detmold geführte Prozess gegen den früheren SS-Wachmann Reinhold Hanning. Den gegen sie angewendeten § 130 StGB nannte Haverbeck ein „Gesetz zum Schutz einer Lüge“.[13]  Haverbeck wurde zu einer Haftstrafe von acht Monaten verurteilt.[14] Am 11. Oktober 2016 wurde Haverbeck vom Amtsgericht Bad Oeynhausen erneut zu einer Haftstrafe von elf Monaten ohne Bewährung verurteilt. Gegen das Urteil legte Haverbeck Revision ein.[15]

Am 21. November 2016 verurteilte das Amtsgericht Verden Haverbeck zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung, weil sie in mehreren Beiträgen für die Zeitschrift Stimme des Reiches den Holocaust geleugnet habe.

2017

Im Februar 2017 wurde sie vom Amtsgericht Detmold wegen Volksverhetzung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu zehn Monaten Haft verurteilt. Sie hatte nach der Verurteilung im September 2016 im Gericht Schriftstücke verteilt, in denen sie erneut den Holocaust als Propagandalüge bezeichnete. Im Berufungsverfahren bestätigte das Landgericht Detmold das Urteil gegen Haverbeck und legte vierzehn Monate Haft fest.

Am 16. Oktober 2017 verurteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Haverbeck wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegenstand dieses Verfahrens waren Äußerungen Haverbecks während einer öffentlichen Veranstaltung in einer Berliner Gaststätte im Januar 2016. Sie hatte dort wiederholt behauptet, dass es den Holocaust nicht gegeben habe.

2020–2022

Im Dezember 2020 verurteilte das Amtsgericht sie wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten ohne Bewährung, da sie 2018 in einem bei YouTube publizierten Video-Interview den Holocaust geleugnet hatte.[22][23][24] Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, weil Haverbeck Rechtsmittel einlegte. Haverbeck war erst Anfang November 2020 aus dem Gefängnis in Bielefeld entlassen worden, wo sie seit Mai 2018 eine Freiheitsstrafe von insgesamt zweieinhalb Jahren verbüßt hatte.[26]

Anfang April 2022 wurde sie im Alter von 93 Jahren in einem Berufungsprozess vor dem Landgericht Berlin erneut zu einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen Holocaustleugnung verurteilt. Ein Antrag, wegen Haftunfähigkeit verschont zu werden, wurde nach Begutachtung durch einen Amtsarzt im Dezember 2022 abgelehnt. Es wurde lediglich eine ebenerdige Unterbringung ohne viele Treppenstufen empfohlen. Daraufhin wurde sie zum sofortigen Haftantritt in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne geladen. Im April 2023 befand sich Haverbeck aufgrund Streits über ihre Haftfähigkeit noch auf freiem Fuß.

Gehen wir die einzelnen Urteile einfach einmal durch: Anfänglich wird der Holocaust als „Mythos“ bezeichnet. Was ist ein Mythos? Das ist eine wahre Geschichte, die mit Zusätzen ausgeschmückt wurde. Und was ist „der Holocaust“? Es ist eine Kette von historischen Maßnahmen, die heute miteinander auf unhistorische Weise zu einer Einheit verwoben sind. So z.B. wird behauptet, auf der „Wannseekonferenz im Januar 1942 sei die Ermordung der Juden beschlossen worden“. 3 Filme sind dem Fernsehpublikum in diesem Sinn vorgeführt worden. Tatsächlich hatten die Einsatzgruppen der SS auf dem Russlandfeldzug 1941 (also vor der Konferenz) schon um die 600.000 Juden liquidiert. Jean Lopez (in: Barbarossa 1941) beschreibt, dass die Wehrmacht gar keine Truppen zur Verfügung hatte, um das rückwärtige Frontgebiet ausreichend zu sichern.  Mag ein Reinhard Heydrich die Einsätze der Schlächterkommandos geplant haben, und mögen seine Polizisten und SS-Leute die Morde praktisch ausgeführt haben, strategisch waren sie ganz offensichtlich von der Wehrmachtsführung befohlen. Man braucht sich nur zu erinnern, dass ein Oberst Georg Klein vorsorglich die Bombardierung von Schulkindern veranlasste, um seine Bundeswehrsoldaten nicht zu gefährden. So umsichtig wird auch die Generalität der Wehrmacht gedacht haben. Die Morde von 1941 gehörten zum Feldzugsplan. Um die strategische Verantwortung für die Morde kommt die Wehrmachtsführung nicht herum. Genau das will aber die deutsche Politik verschleiern, die das Axiom der „sauberen Wehrmacht“ vertritt.

Natürlich entlastet das die SS nicht, aber der deutsche Mythos von der „sauberen Wehrmacht“ ist eine Lächerlichkeit. Er gehört auch zum Mythos des Holocausts.

Norman Finkelstein schrieb das Buch „Die Holocaustindustrie – wie das Leiden der Juden wirtschaftlich ausgebeutet wird“. Richard Schneider verfasste das Buch „Fetisch Holocaust. Die Judenvernichtung – verdrängt und vermarktet“ bei Kindler, Das macht zwar aus dem Holocaust insgesamt keinen Mythos, aber seine echte Historie ist trotzdem verzerrt. Bei den Juden geht es um die Frage nach Gott, der dies alles zugelassen haben könnte. Parallel zu den Morden an den Juden von 1941 hatte die Wehrmacht ihre 3 Millionen gemachten sowjetischen Gefangenen einfach verhungern lassen; sie hatte keinerlei Planung für deren Abtransport und für die Ernährung der Gefangenen je gehabt. Warum also sollte sie für das Leben jüdischer Besetzter mehr Sinn aufgebracht haben?

Man kann aber von einer Mystifizierung des Holocausts ausgehen, als er ad usum delphini als ein einheitliches Vorgehen mit dem Zweck, die Juden auszurotten, dargestellt wird, während er sich der Realität nach eher in drei voneinander unabhängige Phasen teilt mit der Vorphase der Verfolgung in Deutschland vor Kriegsbeginn: Barbarossa (1941), Aktion Reinhard (1942 – 1943) und zuletzt das Drama der Arbeitskräftebeschaffung für Auschwitz nach 1943. Jede dieser Phasen hat andere strategisch Verantwortliche und ihre eigene Ratio. Nur die taktischen und operativen Figuren sind weitgehend identisch. Dass die „Ausrottung der Juden“ nur ein kollateraler Effekt sein könnte und nicht der Hauptzweck, „empört“ die üblichen Aufarbeiter. Man will die Intentionen des Dramas nicht hinterfragt sehen. Das nährt die Idee des Mythos in Köpfen wie dem der alten Dame.

Warum also verfolgte man dann Frau Haverbeck wegen des Stichworts „Mythos“? Es schaut zumindest so aus, dass eine offene Diskussion der deutschen Politik unterbunden werden soll. Ein falsches Wort, und der Meinungsäußerer hat ein Verfahren wegen Volksverhetzung am Hals.

Eine strafrechtliche Verfolgung der Ursula Haverbeck wegen eines Beitrags in einer Vereinszeitschrift ist daher in sich unaufrichtig. Wo ist da die „Volksverhetzung“? Die Leute, die die „Stimme des Gewissens“ lesen, sind längst verhetzt; Haverbecks Ausführungen sind, juristisch gesehen, immer nur untaugliche Versuche einer Volksverhetzung, etwa wie es ein „Mord“ an einer Leiche wäre. Noch weniger überzeugend ist die Verurteilung wegen der Negierung einer Kriegsbesessenheit Hitlers; immerhin hatte England dem Deutschen Reich den Krieg erklärt; die Reichsregierung glaubte, wegen des Paktes mit Stalin gegen einen Krieg versichert zu sein. Dass „der Führer“ von seiner schicksalshaften Vorsehung überzeugt war, haben auch anerkannte Historiker angenommen. Auch die Verurteilung wegen „Beleidigung von Frau Knobloch“ scheint rechtsbeugend; einmal teilt Frau Knobloch selbst hart aus (sie nennt den jüdischen Israelkritiker Abraham Melzer einen „berüchtigten Antisemiten“), und zum anderen darf eine solche Frau im öffentlichen Leben nicht derart empfindlich geschützt werden, als sei sie eine heilige Ikone. Letztlich verletzt es nicht einmal deren Ehre (§ 185 StGB), wenn man sich gegen ihre „Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten“ artikuliert.

Über die Verurteilung von 2010 (München) erfährt man nichts Konkretes. Die Anzeige der Frau Haverbeck gegen den Zentralrat und die törichterweise aufgenommene Ermittlungen der Staatsanwaltschaft „wegen Verfolgung Unschuldiger durch den Zentralrat“ sind von Rechts wegen gegenstandslos, schon weil der Zentralrat kein Justizorgan im Sinne des § 340 StGB ist und keine Unschuldigen im Sinne des Gesetzes verfolgen kann. Auch wenn Frau Haverbeck

in einem Schreiben an den Detmolder Bürgermeister [behauptete], das Vernichtungslager Auschwitz sei „eindeutig erkennbar“ ein Arbeitslager gewesen“,

so ist die Klassifizierung nicht völlig falsch. Seweryna Smaglewska, Simone Veil, Ruth Klüger, Fania Goldstein (Fenelon) und Dr. Gisella Perl waren in den Baracken von Birkenau einquartiert, um in Auschwitz zu arbeiten. Rudolf Höß hat es als Kommandant von Auschwitz nicht anders beschrieben. Bis zu 30% der dorthin verbrachten Juden wurden in den Baracken zur Arbeit untergebracht. Die 70%, die man nicht für Arbeiten verwenden zu können glaubte, kamen gar nicht ins Lager hinein; sie wurden „sonderbehandelt“ und, wie in Sobibor, Majdanek und Belzek praktiziert, direkt ins Gas geführt. Ihre Leichen wurden ohne Unterlass verbrannt. So gesehen ist es nämlich auch nicht korrekt, das Vorzeige-KZ Theresienstadt als „Alters-KZ“ oder ähnlich als „Arbeitsghetto“ zu definieren. Von dort wurden genauso die nicht (mehr) verwendungsfähigen Häftlinge getötet, indem man sie nach Auschwitz in die dortigen Gaskammern weiterleitete. Auschwitz war also nicht nur ArbeitsLAGER, sondern so etwas wie eine VernichtungsANSTALT, und dazu fungierte Auschwitz auch für das „Lager“ Theresienstadt, die hübsche Stadt, die „der Führer den Juden geschenkt hatte“ (Propagandafilm).

Insoweit ist alles viel schlimmer als amtlich gelehrt wird; man könnte durchaus sagen, schon die amtliche Geschichtsschreibung rückt die Dinge in ihrem Sinn zurecht mit der Folge, dass eine Ursula Haverbeck das merkt, aber dann gar nichts mehr glaubt, was ihrer patriotischen Einstellung zu Deutschland widerspricht.

Eines darf in diesem Zusammenhang in Bezug auf Auschwitz nicht übersehen werden: Die Juden aus den Ländern der befreundeten Regime (Frankeich, Ungarn) konnten von der SS dort nicht einfach eingesammelt werden, wie es im besetzten Polen oder in Serbien praktiziert werden konnte. Der französische Jude lebte erst einmal trotz Vichy normal weiter und ging seiner Arbeit nach. Ein Josef Joannovici collaborierte sogar mit den Deutschen (verfilmt als: l´étrange Monsieur Josef). Die französischen Juden ausgeliefert zu bekommen, erforderte die Kollaboration der französischen Behörden. Diese zu erhalten war die Aufgabe des deutschen „AA“ (Auswärtigen Amtes).

In seiner bekannten Sportpalastrede vom Februar 1943 hatte Dr. Goebbels den Arbeitseinsatz aller Kräfte Europas gefordert. Diese Forderung setzte das „AA“ um. Im „AA“ wurde ersonnen, wie man von den Ländern mit befreundeten Regimen die arbeitsfähigen Juden erhalten könnte. Man musste behaupten, alle Juden in den Osten umsiedeln zu wollen. Nur die arbeitsfähigen Juden für Auschwitz (als Arbeitslager) zu erhalten, war gar nicht möglich. Wie hätte das Vichy-Regime die ihm verbleibenden arbeitsunfähigen Alten und Kinder unterhalten sollen? Nur „die Deutschen“ hatten die Moral der Brutalität, alle Juden in Empfang zu nehmen und bei der Ankunft im Osten zu selektieren. Adam Tooze (in: Ökonomie der Zerstörung) spricht von archaischen, atavistischen und anachronistischen Methoden, „alle Juden“ zur Umsiedlung in Empfang zu nehmen und bei Ankunft in Auschwitz den unerwünschten Beifang einfach umzubringen. Die SS hat als deutsche Polizeitruppe das Verbrechen ausgeführt, weil in Deutschland die Polizei ziemlich alles vollstreckt. Ein Adolf Eichmann hat den operativen Part geleistet und die Transporte organisiert. Deswegen ist es durchaus „unangemessen“, wenn ein Franz Rademacher vom „AA“ für seinen Part des Verbrechens, das er strategisch zu verantworten hat, nur 5 Jahre bekommen hat und ein Adolf Eichmann, der es auf operativer Ebene fortsetzte (Transport nach Auschwitz), gehenkt wird. In dieser Zusammenarbeit nach dem Modell von Clausewitz liegt auch der Grund der Mythisierung. Das „AA“ braucht man heute noch, auf die SS konnte man nach 1945 gut verzichten. Deswegen ist aber das deutsche „AA“ nicht weniger kriminell gewesen als die SS.

Hier liegt die ganze Widersprüchlichkeit der „Aufarbeitung“ der realen Geschichte, deren Beschönigung zugunsten deutscher Behörden und die Ungerechtigkeit gegenüber einer Frau Haverbeck, die die Spuren der limitierten Mythisierung des Bösen erkennen lässt.

Das allein zeigt, dass die Kriminalisierung der Ursula Haverbeck vor 2015 bereits den Touch der Rechtswidrigkeit in sich trägt; ab 2016 scheint sie eher durch die Verfahren radikalisiert worden zu sein und das erlittene Unrecht auf eine Vorstellung sublimiert zu haben, dass der Holocaust überhaupt eine Erfindung im freud´ schen Sinne wäre. Die folgenden hohen Haftstrafen für eine Behauptung, die „das Volk“ nicht einmal im Ansatz glauben kann, sind wegen der Untauglichkeit der Volksverhetzung eine Art inquisitionsprozessuale Ketzerverfolgung und keine kultivierte Strafrechtspflege.

Um dieses Verurteilungspotpourri richtig zu verstehen, muss man ein Interview mit einer Frau Haverbeck verurteilenden jungen Richterin lesen, das diese in einer Selbstverblendung dem Berliner Tagesspiegel gegeben hat; wäre sie ein Mann, würde man die Dame als „Schnösel“ charakterisieren. Vielleicht sollte man von Constantin Brunners (=Arje Jehuda Wertheimer) Herrschaft des Hochmuts gelesen haben, um das Wesen der deutschen Rechtspflege zu erkennen. Aber die Richterin Lisa Jani verrät es in ihrer Fehlbesetzung; Sie versteht sich im Grunde als Volkserzieherin, ähnlich wie sich Dr. Roland Freisler als politischer Soldat verstand. Und die junge Dame ist nicht irgendeine Amtsrichterin unter Hunderten: sie ist Sprecherin der Hunderte in Berlin, die gewusst haben müssen, warum sie diese Schönheit zu ihrer Repräsentantin machten

Der Tagesspiegel:

Die notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck stand 2022 vor der Richterin Lisa Jani; letztere erzählt, wie sie die 94-Jährige erlebte. Die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck musste sich wegen Volksverhetzung erneut verantworten. Haverbeck hatte behauptet, Auschwitz sei gar kein Vernichtungslager gewesen, die Schornsteine seien „zum Brotbacken“ dagewesen. Jani meinte, dass sie als Richterin zunächst überlegt habe, ob die Angeklagte aufgrund ihres Alters gar nicht mehr schuldfähig sei, oder ob sie an Demenz leiden könnte. Doch als sie zu sprechen begann, wurde schnell deutlich, dass sie geistig noch sehr wach ist und auch weiterhin jede Menge Sendungsbewusstsein hat

Anmerkung: die Zurechnungsfähigkeit hätte ein Gutachter prüfen müssen; das hohe Alter und die stets Wiederholung der selben strafbaren These sprechen dafür. Trotz Selbstbewusstseins und einer klaren Gedankenführung um ein festes konkretes Thema liegt es nahe, dass Frau Haverbeck wegen Altersstarrsinns (beginnende Alzheimer-Demenz) schuldunfähig sein könnte. Fälle von „selbstbewussten“ und auf fixe Gedankengänge bezogene Personen werden von Oswald Bumke und Eugen Bleuler in deren Lehrbüchern zur Psychiatrie beschrieben. Es ist daher sehr willkürlich, zumal Frau Haverbeck anfänglich den Holocaust nicht grundsätzlich in Abrede gestellt hatte, einen geistigen Abbau auszuschließen. Auch wenn dieser als Alterserscheinung keine Krankheit im engeren Sinne ist, umso mehr hätte der geistige Verfall es verboten, die alte Dame ins Gefängnis zu werfen. Der „Tagesspiegel fragt  – eigentlich abwegig –  nach einer Verteidigungsstrategie von Frau Haverbeck; die hatte die Frau nicht, ja sie konnte gar keine haben: die Richter erklärte in eigener geistiger Unreife, dass sich die Angeklagte

„um Kopf und Kragen geredet und dabei erneut den Holocaust geleugnet habe.“

Die Richterin:

Sie (die Angeklagte) behauptete, mit Zyklon B könne man keine Menschen umbringen; dies habe sie in einem Chemiebuch gelesen. Dadurch sei erwiesen, dass in Auschwitz keine Vergasungen stattgefunden haben könnten. Sie habe „alles“ gelesen, was es zu dem Thema gebe, aber keine Belege gefunden. …Es wurde deutlich, dass Frau Haverbeck sich zwar als Forscherin gerierte, aber eben keine ist. Dass sie unwissenschaftlich und unredlich argumentierte, dass sie die Forschungsergebnisse echter Historiker ignorierte. Die Angeklagte sprach auch oft vom Deutschen Reich – von der Bundesrepublik und deren Gesetzen dagegen nicht.

Anmerkung: nach dieser Beschreibung der Angeklagten Haverbeck wäre erst recht ein Gutachter erforderlich gewesen; wenn man ein (!) Chemiebuch (über organische oder über anorganische Chemie??) liest, kann man sich kein Urteil über die Giftigkeit eines Amalgans bilden. Es kommt bei allen Giften auf die Menge an. Von einer bitteren Mandel (Blausäure) stirbt kein Mensch, aber Blausäure war immer ein beliebtes Mittel für Giftmorde. Die „DEGESCH“, die Zyklon B entwickelt hatte, hatte in Ihren Laboren qualifizierte Chemiker; aber eine alte Frau wie Ursula Haverbeck will sich das Wissen durch ein Chemiebuch angelesen haben. Die Richterin hätte allein daraus auf eine Demenz schließen müssen. In dubio pro reo gilt auch insoweit.

In diesem Bezug ähneln sich Richterin Jani und die Angeklagte Haverbeck. Die eine weiß durch ein Lehrbuch alles über Zyklon B, die andere ist so hochmütig, psychologische Gutachter ersetzen zu können. Ganz offensichtlich wirkt die Richterin nicht als Juristin, sondern als eine Art Pädagogin, bezogen auf die anzunehmende Demenz der Angeklagten wie eine Kindergärtnerin für Erwachsene. Die Richterin führt in ihrer Verblendung weiter aus:

Ich wusste nicht, dass es so etwas in diesem Ausmaß überhaupt gibt (sic!). Ich fühlte mich gelegentlich wie in einem schlechten Film. …. An einem Verhandlungstag erschien eine Gruppe von Claqueuren, Skinheads wie aus dem Bilderbuch. Die haben angefangen zu klatschen, als die Angeklagte etwas gesagt hat. Ich habe dann klargestellt, dass solche Bekundungen im Gerichtssaal nicht toleriert werden und dass sie, sollten sie das noch einmal versuchen, ein Ordnungsgeld aufgebrummt bekommen und aus dem Saal fliegen. Nach anderthalb Stunden sind die wieder gegangen. 

Auch diese Episode spricht zugunsten der Demenz der Angeklagten; sie verteidigt sich nicht vor Gericht, sondern rechtfertigt ihre Position in Kreisen gewisser Radaubrüder. Richtig auf „Zack“ ist die Richterin nicht: denn der Applaus zu  volksverhetzenden Thesen müsste zur Strafverfolgung führen, nicht nur zu Ordnungsgeld wegen Störung des Prozessablaufs. Noch erhellender ist die Selbstreflexion der Justizdame:

Richterin zu sein ist für mich einen Zacken schöner als Staatsanwältin zu sein, weil man entscheiden kann. Und ich entscheide sehr gerne. Ich habe ein sehr gefestigtes Wertekostüm, und es ist schön, wenn man das zur Anwendung bringen darf. Für manche hört sich das vielleicht seltsam an, wenn ich sage: Entscheiden macht mir Spaß! Gesetze zu sehen und sie auch im Lichte unserer Verfassung interpretieren und anwenden zu können, das gibt mir das Gefühl, dass ich gesellschaftlich meinen Beitrag leiste.

Das sind die Aufarbeitungslügen, aus denen eine schnöselhafte Richterin ihre „Wertekostüm“ geschneidert hat. Eigene rechtliche Gedanken? Rechtswissenschaftliche Überlegungen? Fehlanzeige. Diese ersetzt das „Wertekostüm“.. Sie rezipiert, was sie angelernt bekommen hat.

In diesen Zusammenhang fallen einem noch weitere Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit durch solche Wertekostümträger ein. Die FAZ veröffentlichte einen Artikel zur aktuellen Diskussion der Cannabis-Freigabe. Analog wie dieses Thema wird der Holocaust in den Urteilen „diskutiert“ vom 16.8.23:

Die Cannabis-Debatte wird immer dümmer: Die Verteidiger des Verbots argumentieren so unredlich wie die Verfechter der Legalisierung. Und an das schädlichste aller Drogenverbote traut sich keiner ran…..Das tausendmal gefährlichere Drogenproblem hat einen anderen Namen: Es geht ums Kokain, es geht darum, dass jede Party in Mannheim oder Göttingen, die so richtig in Schwung kommt, mit dazu beiträgt, dass die Ökonomie der Drogen und die Gewalt der Drogenhändler ganze Gesellschaften in Süd- und Mittelamerika zerrütten. Und überall dort, wo die Schmuggelroute verläuft, von Brasilien über Westafrika nach Italien oder in die Niederlande, wachsen Macht und Reichtum des organisierten Verbrechens.

So geht überall, wo es eigentlich etwas auszudiskutieren gäbe.  Niemand will sich aus dem Fenster lehnen. „Die Dresdner“ werden beschimpft, weil sie der Zerstörung ihrer Stadt vom 14. Februar 1945 jährlich gedenken. Warum sollten sie das nicht dürfen? Der Bombenkrieg der Engländer und Amerikaner gegen die deutsche Zivilbevölkerung zwischen 1942 und 1945, der selbst Städtchen wie Rothenburg ob der Tauber nicht verschonte, sollte Deutschland wieder zu einem Agrarland machen. Nach heute geltendem Völkerstrafrecht waren diese Flächenbombardements Verbrechen. Der Deutsche hält es im Kopf nicht aus, dass Deutschland mit Staaten befreundet ist, die sein Land auf verbrecherische Weise besiegt haben. Also dürfen die Dresdner nicht gedenken. Das erlittene Unrecht motivierte auch die Deutschen, alle Usancen einer Zivilisation bei der Kriegsführung fallen zu lassen und eine atavistische Kampfweise zu praktizieren. Zum Krieg gehört unmittelbar die Kriegsfinanzierung, die Waffenproduktion und für ein Land wie Deutschland noch die von Ersatz-Treibstoff und Ersatz-Kautschuk (BUNA). 10 Millionen Arbeiter, die an den Fronten kämpften, mussten in der Produktion ersetzt werden durch Arbeitssklaven, wollte man nicht gleich kapitulieren. Wenn ein Simon Wiesenthal fragte, wo denn die „Alliierten“ gestanden hätten, als die Verbrechen in Auschwitz geschahen, dann kann man auf die Bombenteppiche verweisen, mit denen sie die deutsche Führung zur „Ökonomie der Zerstörung“ (Adam Tooze) und in die „steinzeitliche“ Wirtschaftsführung zurücktrieben.

Nach dem Krieg filmte man amerikanische Bulldozer, die massenweise menschliche Leichen in Gruben schoben. Wer hat diese Leute verhungern lassen? Die SS natürlich. SS und Wehrmacht hätten auch die holländische Bevölkerung so verhungern lassen, aber hier gab es eine niederländische Exilregierung; sie schaffte es, die Deutschen zu bewegen, Flugzeuge mit Nahrungsmitteln auf einer Route zum Rhein und diesen stromabwärts nach Holland fliegen zu lassen, wo sie Nahrungsmittel für die notleidende Bevölkerung abwerfen konnten. Nahrungsmittel gehen gegen Ende jedes Winters zu Neige; selbst im Frieden pflegte man die Zeit vor Ostern traditionell als Fastenzeit; unter den Bedingungen des endenden Krieges artete dieses „Fasten“ in Richtung auf eine Hungerkatastrophe aus. Und in diese Katastrohe gerieten die Gefangenen in den deutschen Lagern. Für die alleruntersten Menschen der deutschen Hierarchie in den KZ gab es keine Komitees und keine alliierten Strategen, die diese Katastrophe voraussehen wollten. Statt Rothenburg ob der Tauber zu zerstören, hätten die Die Toten der „Endphase“ gehen auch auf das Konto der triumphierenden Sieger, die sich auch durch die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse nicht haben eine Absolution erteilen lassen können.

Die Richterin Lisa Jani lügt wahrscheinlich auch. Sie behaupte, sich nicht für Beiträge im Internet zu interessieren, ist aber selbst auf allen Internetmedien vertreten; es ist damit widerlegt, dass sie das „alles nicht interessiere“. Nein? Man könnte annehmen, es interessiert sie auch ein tieferes Wissen und Recht und historische Zusammenhänge nicht. Wie die Richterin es sagte:

„Ich habe ein sehr gefestigtes Wertekostüm, und es ist schön, wenn man das zur Anwendung bringen darf“.

Und deswegen sei sie Richterin geworden. Bravo! Fehlentscheidung; sie hätte Studienrätin werden sollen, als Richterin wandelt sie auf den Spuren freislerischer Rechtsbeugung. Genau solche verkappten Inquisitoren braucht der Staat. Schon 1903 schrieb Johannes Jühling in seinem Vorwort über die Inquisition des Hl. Offiziums:

„Denkt nicht, dass die Zeiten des finsteren Mittelalters nicht wiederkehren könnten…. Bereitet den Krieg vor und ihr werdet in Frieden leben.“

So hieß es 1903; die Theorie von der Kriegsvorbereitung klingt altmodisch, ist aber noch Credo der Bundeswehr. 2020 kann man sagen: „Denkt nicht, dass die Zeiten der finsteren NS-Herrschaft nicht wiederkommen können!“ Wir kennen den Druck der Regierung auf unerwünschte Meinungen. Die Mehrheit fürchtet sich, ins Gerede zu kommen. Sie hat Angst, wie es Hans Fallada (in: Jeder stirbt für sich allein) beschreibt. Der Impfabstinenzler von 2020/21 galt gleich als „Coronaleugner“; dabei ist es ein Unterschied, ob jemand die Existenz der Krankheit bestreitet oder ob er die Impfung für nutzlos hält. So zieht es sich in alle Bereiche hin, wo heute eine heterodoxe Meinung nicht mehr hingenommen wird. Und kaum einen Juden wird genieren können, was eine ü90-jährige Frau Haverbeck über das Brotbacken in Kaminen glaubt. Aber die deutsche Killer- und Inquisitionsjustiz, die will über ein richtig kostümiertes Volk herrschen.

Verteidigt das Recht, auch dümmere Ansichten straffrei äußern zu dürfen und lernt sie zu ertragen. Es zieht ohnehin eine Borderlinegesellschaft (Otto Kernberg) herauf. Ihr erhaltet euch die eigene Freiheit zu irren.

21.08.2023 von Lobenstein