Für wen oder für was kämpft Israel?

Für wen oder für was kämpft Israel?

Aus der Tribüne Jüive

Nach dem Pogrom vom 7. Oktober 2023, nach all den Hunderte nvon Raketen iranischer Produktion auf Israel, nach fortgesetzten Terrorakten, beschloss sich ISRAEL, diejenigen anzugreifen, die seine Einwohner am friedlichen Leben hindern. Nördlich vom Zentrum Israels, schlugen Raketen ein und bedrohten schon das Herz des Landes. Welche Dauerzustände soll ein Land  ertragen? Welcher Staat würde, ohne einen Schuss zu erwidern, hinnehmen, dass sein Gebiet der Bedrohung permanenten Beschusses ausgesetzt bleibt? Welche Menschen könnten es akzeptieren, unter einer solchen Bedrohung zu leben, ohne zu verlangen, dass der Staat reagiert?

Der oberste Führer der Islamischen Republik Iran hat es offen ausgesprochen, dass Israels Tage gezählt sind. Worauf bezieht er sich, wenn er eine solche Prophezeiung formuliert? Auf eine Atombombe, die der Iran auf Tel Aviv abwerfen will? Die Mullahs machen aus solchen Plänen keinen Hehl. In der apokalyptischen Vision der Welt, die im Iran besonders virulent ist, spielt es keine Rolle, welchen Preis man selbst zahlen muss. Ihr Anliegen ist es nicht, irgendein Palästina zu befreien. Ihr politischer Orgasmus folgt der der Zerstörung des jüdischen Staates, so wie es die „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ für Adolf Hitler war. Ist dieser Vergleich an den Haaren herbeigezogen?

Israel nimmt die Fläche von drei französischen Departements ein. Es wären nur drei Bomben nötig, um den Staat der Juden tödlich zu treffen. Was könnte Israels Maßnahme sein, wenn sich diese Bedrohung deutlicher abzeichnet? Vielleicht rafft sich die Welt auf und warnt den Iran vor einer symmetrischen Katastrophe. Vielleicht lässt  der Westen sich das Heft aus der Hand nehmen und das Schlimmste wird zu einer möglichen Hypothese. Alternativ ergreift Israel die Initiative, um das apokalyptische Szenario zu verhindern. Hätten die Demokratien den Mut gehabt, Hitler 1938 zu stoppen, wäre der Menschheit viel Schrecken erspart geblieben. Vergeblich sucht man heute nach „Churchills“, die zu Klarheit und Mut für eine unpopuläre Entscheidung fähig sind. In der Zwischenzeit predigen unsere Führer diffuse „ gerechte Maßnahmen“, um auf die Massaker vom 7. Oktober zu reagieren. Anstatt Israel für die Rache an den französischen Soldaten zu danken, die 1983 im Libanon von der „Partei Gottes“ ermordet wurden, wagte es französische Präsident in seiner jüngsten Unterstützungserklärung für das libanesische Volk nicht einmal, die Hisbollah zu verurteilen.

Bereits in den Jahren 2006 und 2014 hatten empörte gute Geister die unverhältnismäßige israelische Reaktion anlässlich einer früheren Offensive angeprangert, die damals als Antwort auf eine frühere terroristische Aggression gedacht war. Diese Empörten spielten das Vorgehen der Hamas unter dem Vorwand herunter, dass ihre selbstgebauten Waffen der Überlegenheit der israelischen Armee gegenüberstünden. Dieses Vergleich zielte darauf ab, den Aggressor zum Opfer zu machen, als ob die iranischen Raketen, die an die Hamas geliefert wurden, jenen Waffen entsprächen, die mannche Armen in ihrer Verzweiflung erfinden. Dieser Vergleich mit der militärischen Technik wurde von den arabischen Staaten, und dann von den palästinensischen Gruppen sechzig Jahre lang unermüdlich wiederholt.

Israel hat sich 2005 vollständig aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Seitdem ist dieses Gebiet frei, Die Blockade, der es unterworfen ist, wäre längst beendet worden, wenn der Wunsch nach Frieden ehrlich umgesetzt worden wäre. Stattdessen verwandelte sich das Gebiet in  eine Terrorbasis. Die Räumung Gazas, die von Ariel Sharon einseitig vorgenommen wurde, erwies sich als Fehler, weil er den Palästinensern keinerlei Verantwortung für die Zukunft auferlegte. Was haben die Palästinenser mit diesem Streifen gemacht, das von jeder jüdischen Präsenz befreit wurde? Haben sie sich entschieden, einen Stadtstaat aufzubauen? Nach einem blutigen Putsch gegen die Palästinensische Autonomiebehörde von Mahmoud Abbas im Juni 2007 machte die Hamas ihre Charta zur Matrix ihres Projekts. Das hinderte Philosophen wie Stéphane Hessel und andere große Seelen nicht, anlässlich von Besuchen anno 2010 viel Reizvolles in Gaza zu entdecken. Jeder kann jetzt an dieserart Fabeln seine eigenen Träume überprüfen.

Es gab durchaus einen Zeitabschnitt, etwa bis Ende der 1980er Jahre, in der die palästinensische nationalistische Bewegung behauptete, für die Gründung einer Heimstatt zu kämpfen. Mit dem Oslo-Abkommen hatte die Skizze eines Kompromissfriedens die Hoffnungen all jener genährt, denen die Aussicht auf zwei Staaten zweier Völker als mögliche Lösung dieses hundert- oder tausendjährigen Krieges erschien,. Man muss dazu seinen Glauben in der Bibel suchen. Worte des Friedens wurden auf Englisch gesprochen, während man auf Arabisch von Heiligem Krieg sprach, um die arabische Kasbah zu entflammen, die so leicht in zornige Begeisterung ausbricht. Im Westen haben die arabischen Revolutionen für all die ideologisch einäugigen Menschen das pawlowsche Signal reaktiviert, das uns in Illusionen schwelgen lässt: Von Tunis bis Kairo zeichnete sich zum zigsten Mal eine strahlende Zukunft ab, ohne sehen zu wollen, dass sich unter dem Kopfsteinpflaster die Scharia abzeichnete und nicht der Strand. Das Ende Gaddafis brachte keine Demokratie, sondern ein Schlaglicht auf ein Konzept, das man in Vergessenheit geraten glaubte: Es waren die alten Stämme, die zum Tanz aufspielten.

Nachdem der Westen verlernt hat, die arabische Welt und die aus dem Islam geborene Welt zu durchschauen, weil er nicht berücksichtigen will, was die Ethnologie über ihre Konstanten aussagt, erlebt die dominante Doxa ein ziemlich schmerzhaftes Erwachen. Ihre ideologischen Illusionen tragen dazu bei, viele Fiktionen zu befeuern. Eigentlich sollte man informierten Islamologen unterstellen dürfen, dass sie diese Schizophrenie der politischen Vorstellungent des Islam kennen, zwischen der muslimischen Sphäre einerseits, in der Frieden und Harmonie der Scharia herrschen, weil sie hauptsächlich von Muslimen bevölkert wird, und der Sphäre des Kampfes. In dieser Sphäre gilt es zu erobern, weil sie von den Ungläubigen, von Kreuzfahrern und von Juden verschmutzt wird. Das heißt, Europa und Palästina vom Jordan bis zum Meer seien dreckig. Nicht sehen zu wollen, dass der Hass auf Juden in der Lesart der Hamas oder der Hisbollah eine Matrix ist, ist ein erheblicher Fehler in der Einschätzung der  Ideologie dieser Gruppen. Der Hass ist das Zentrum des islamistischen Denkens und besonders seiner organisatorischen Epigonen. Der Nationalsozialismus ohne rassistischen Antisemitismus wäre nur ein Faschismus unter vielen gewesen. All die verschiedenen Erwartungen an die Strategie dieses Islam sind bereits durchdiskutiert worden: Die Takia rät, maskiert voranzugehen, um die Realität des eigenen Projekts zu verbergen. Arafat war ein Virtuose dieser Praxis: er sprach die Worte des Friedens auf Englisch und predigte den Dschihad auf Arabisch. Seit dreißig Jahren praktiziert die Hamas einen Wechsel von Waffenstillständen und Aggressionen: die Hudna rät zu dieser Taktik des Krieges, die es ihr ermöglicht, sich wieder zu bewaffnen, indem sie Frieden vortäuscht.

Die Ideologie der Hamas, ihr Programm, das vollständig in ihrer Charta niedergeschrieben ist, hat nur ein Ziel: die Vernichtung Israels und die Ermordung der Juden. Die Hamas ist keine Widerstandsorganisation, sondern der bewaffnete Arm der globalen islamistischen Offensive, bei der Israel an vorderster Front steht. Er zielt nicht auf die Errichtung eines Staates für das arabische Volk Palästinas ab, sondern auf die Rückeroberung eines Raumes durch den Islam, für den er sich als legitimen Eigentümer göttlichen Rechts ansieht. Solange die Europäer diese Kategorien nicht in das Raster integrieren, das die Muslimbruderschaft in die psychischen Kategorien des muslimischen Raums und des arabischen Raums eingeschleust hat, werden sie nicht verstehen, was wirklich auf dem Spiel steht. Sie werden Palästina weiterhin als die Ursache einer verzweifelten Dritten Welt sehen, in der es als die Spitze eines Speers angesehen werden sollten, der auf den ganzen Westen gerichtet ist.

Das arabische Unglück ist real, das palästinensische Unglück ist real, aber wer ist seit mehr als sechzig Jahren dafür verantwortlich? Die Konstante im arabischen Diskurs, die seine Rachegelüst motiviert, hat ihre Wurzeln in dieser vielbeschworenen Demütigung, deren Opfer die Araber sein sollen. Aber von wem und wovon sind sie die Opfer, wenn nicht in erster Linie von dem, was die Islamischen den Arabern angetan haben. Was war passiert, damit Saddam Hussein, Baschar al-Assad oder Bouteflika die Nachfolge von Emir Abdel Khader, Nasser, Bourguiba oder Mohamed V. antreten konnten? Wenn es Gründe gibt, gedemütigt zu werden, müssen wir dann nicht in dem suchen, was die arabische Welt mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer glorreichen Vergangenheit gemacht hat? Wer hat heute wen in Syrien getötet? Wer hat wen in Algerien während des blutigen Jahrzehnts der späten 80er Jahre umgebracht? Wer entführt wen im Norden Nigerias? Was haben diese ölbeladenen Länder mit ihrem Vermögen gemacht? Haben sie zur Entwicklung ihrer Gesellschaften, ihrer Bildung beigetragen? Wer hat wen im Iran-Irak-Konflikt getötet, in Kuwait, im Sudan, im Libanon? Die Liste der arabisch-arabischen oder islamisch-islamischen Massaker ist zu lang, um eine Bestandsaufnahme zu erstellen. Indem sie den Grund für ihre psychische Eingenommenheit auf Israel projizieren, vermeiden die Araber oder diejenigen, die sich als Islamisten bezeichnen, jede kritische Arbeit an ihrer eigenen Geschichte, und die Muslime vermeiden jede Reflexion darüber, was der Islam unter islamistischer Herrschaft wird.

Mit einigen bewundernswerten Ausnahmen tost der arabisch-muslimische Raum in dieser Enge. Wir träumen vor diesem Film (der auf YouTube zu sehen ist), der Oberst Nasser zeigt, wie er sich über die Muslimbruderschaft und ihr Projekt, ägyptische Frauen zu verschleiern, lustig macht. Der Saal lacht und applaudiert seinem Raïs, aber wir können heute nur rückblickend die Blödheit Israels in den 70er Jahren beklagen, als es die Islamisten begünstigte, um gegen die PLO zu kämpfen. Es war die Zeit des Kalten Krieges, und Nasser und die PLO standen auf der falschen Seite. Der Zusammenbruch der säkularen (islamo-progressiven) Versuche der verschiedenen Baath-Stäbe wich 1979 der Macht der Islamischen Revolution im Iran. Der Zusammenbruch des Kommunismus hat nicht nur endgültig das Ende der Ost-West-Konfrontation signalisiert, sondern auch den Zusammenprall zweier Zivilisationsprojekte, die von Huntington vorausgesehen wurde: das der Islamisten, den dritten großen Totalitarismus des 21. Jahrhunderts, und das einer liberalen Welt.

„Wir lieben den Tod so sehr, wie die Amerikaner das Leben lieben“, sagten die Dschihadisten vom 11. September 2001.

Können wir irgendetwas mit einer Welt verhandeln, die die menschliche Bombe zur heroischen Figur ihrer Soldaten gemacht hat? Können wir mit demjenigen verhandeln, der die Hasserziehung zum Elixier seines Bildungssystems gemacht hat? Können wir mit demjenigen einen Frieden aushandeln, der die Negation des Existenzrechts des anderen zur Seele seines Projekts gemacht hat? Wir sehen diesen tödlichen Gedanken jetzt in Frankreich und in Europa am Werk. Es ist dieser Islam, der ebenso mörderisch wie selbstmörderisch ist, der in London, Madrid, New York, Paris und Brüssel zugeschlagen hat. In seinem Namen wurden französische Lehrer ermordet, weil sie es gewagt hatten, eine Reflexion vorzuschlagen. In seinem Namen wurden die Journalisten von „Charlie Hebdo“ massakriert. Er ist es, der eine Front in den Norden Malis, in den Norden Nigerias, in den Tschad und in den Sudan zieht. In Ägypten sind es die koptischen Christen, die abgelehnt werden, im Libanon, im Irak sind es die Christen, die zerstückelt werden, und auf jeden Fall sind es die Frauen, die die ersten Opfer der neuen Kalifen sind. Müssen wir uns blind stellen, um uns dieser globalen Bedrohung nicht bewusst zu werden?

Mit unglaublichem Mut rebellieren einige Intellektuelle aus der arabisch-muslimischen Welt gegen dieses Schicksal. Da sie begriffen, dass die schlimmste Zukunft und die schlimmste, die noch kommen wird, in diesem Trend liegt, beschlossen sie, es zu sagen und zu verurteilen. Der Imam von Drancy, Hassen Chalghoumi, reiste mit einer weiteren Delegation muslimischer Geistlicher nach Israel, um diese Zwangsjacke zu zerreißen. Er zeigt das Gesicht eines anderen Islams, das der Aufklärung. Er ist nicht der Einzige. Bereits im Mai 2011 hatte Boualem Sansal auf Einladung der Internationalen Schriftstellermesse Israel besucht. Brüderlich startete der Autor von „Das deutsche Dorf“ mit David Grossman einen Appell zu Frieden und Dialog. Seit langem prangern Fethi Benslama, Kamel Daoud, Malek Chebel, Abdenour Bidar, Abdelwahab Medeb die psychische Gärung der arabischen Gefangenschaft an, die die Rache für eine fiktive Demütigung zu ihrer Daseinsberechtigung macht. Sie bieten eine erleuchtete Lesart der Spiritualität des Islam an. Weit davon entfernt, Araber und Muslime zu befreien, verurteilt der Islamismus von Hamas und Hisbollah sie zum Rückschritt.

Wenn man sich nicht bewusst ist, was für den aktuellen Konflikt auf dem Spiel steht, verschließt man zum x-ten Mal die Augen vor dem, was diese Konfrontation wirklich ist. Aus kurzfristigem Interesse hat der Westen Katar zu seinem privilegierten Verbündeten gemacht, indem er so tut, als sähe er nicht, dass seine Petrodollars dazu verwendet werden, die französischen Vorstädte ebenso zu kaufen wie Waffen für die zukünftigen Märtyrer Allahs. Die französische Diplomatie würde viel Klarheit gewinnen, wenn sie verstehen würde, dass der Emir von Katar auch unser bester Feind oder unser schlimmster Freund ist. Die Amerikaner haben den gleichen Fehler mit Saudi-Arabien gemacht und setzen ihn fort. Es ist noch nicht zu spät, die Augen zu öffnen.

Dieser Konflikt ist nicht nur eine ferne Konfrontation, er ist nicht nur ein weiterer Krieg, auf den wir in Frankreich oder in Europa Elemente unserer eigenen Vorstellungskraft und verschütteten Geschichte projizieren. Er ist auch ein Enthüller, eine Enthüllung. Es sind andere Rechnungen, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher geopolitischer Analysen oder selektiver Empörung beglichen werden. Mehr als dreihunderttausend Tote in Syrien bewegen sich kaum, sie interessieren niemanden im Bereich des rechten Denkens. In unseren Breitengraden bildet der Maulkorb unter der Fassade der Mode und das Lügen im Gewand der Wahrheit die Paradigmen der vierten Gewalt. Es ist eine Konstante in der Genese des totalitären Denkens, unter emanzipatorischen Masken eine Realität zu verbergen, die gar nicht realistisch ist. Dieser Mechanismus ist bekannt, er ist eine Konstante in der Art und Weise, wie wir den israelisch-palästinensischen Konflikt betrachten, der jetzt israelisch-islamistisch geworden ist. Nur Israels Maßnahmen erregen Aufmerksamkeit, und nur die monströsen angeblichen Verbrechen, die ihm zugeschrieben werden, fordern das Gewissen heraus. Seit den 2000er Jahren war die Nazifizierung Israels der sicherste Weg für alle „Empörten“, die Vergangenheit Europas aufzuwischen, und für die Araber, den islamistischen Gulag als Paradies für alle auszugeben.

In der gegenwärtigen Konfrontation findet Israel zu seinem legitimsten Recht. Es kämpft gegen seinen Angreifer. Es kämpft darum, sein Territorium und seine Bevölkerung zu verteidigen. Es macht sich das nicht einfach. Durch die Konfrontation mit der fortgeschrittenen Figur des Islamismus, der die Bevölkerung von Gaza als menschlichen Schutzschild benutzt, befreit Israel sie gleichzeitig von einer terroristischen Sekte, die sie als Geisel genommen hat. Das Unglück, das ihr auferlegt wurde, ist nicht die Tat Israels, sondern die Folge des Würgegriffs der Hamas auf diese Bevölkerung. Die Installation von Raketenrampen neben einer Schule oder einem Krankenhaus ist keine heroische Tarnung, sondern eine schreckliche Strategie des Todes. Man muss kein großer Experte sein, um das zu verstehen und um zu verstehen, dass es neben dem, was im Nahen Osten auf dem Spiel steht, wahrscheinlich unsere Zukunft hier ist, die auf dem Spiel steht. Für wen kämpft Israel? Er kämpft für sich selbst, er kämpft aber auch für uns. Was Israel bedroht, bedroht den ganzen Westen.

© Jacques Tarnero

Von einem 7. Oktober bis zum nächsten.

Aus der Tribüne Jüive

Fast auf den Tag genau, fast ein Jahr nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 fällt eine massive Salve iranischer Raketen – Gott sei Dank ohne allzu großen Erfolg – auf Israel, während ein Terroranschlag 7 Zivilisten in Tel Aviv und an der libanesischen Grenze tötet, läuft die Offensive der IDF gegen die Hisbollah an. Ein düsterer Jahrestag für den düstersten Tag des Grauens, den die Juden seit der Shoah erlitten haben.

„Shluss mit dem Krieg“ verkünden viele, die nicht erkennen oder sehen wollen, dass hinter dem israelisch-palästinensischen Konflikt von Anfang an der Iran steht, der die Hamas und Israel im Gazastreifen gegeneinander aufgebracht hat. Denn ohne den beharrlichen Hass der Mullahs und der Pasdarans hätte die palästinensische Organisation niemals die Mittel gehabt, ihr tödliches Werk über die Jahre hinweg in den Tiefen der Tunnel zu verrichten.

Der für die Offensive gewählte Zeitpunkt war der Zeitpunkt, an dem die Abraham-Abkommen unterzeichnet werden sollten – Vereinbarungen, die den Iran isoliert hätten. Die Al-Aqsa-Sturmflut hatte eine verheerende Wirkung auf diese Vereinbarungen, die sie im Lärm des Krieges vorerst in Vergessenheit geraten ließ.

Mit dem inzwischen offenen Eintritt des Iran in die Konfliktszene manifestiert sich hinter dem Geschrei eines „vom Fluss bis zum Meer befreiten Palästinas“ etwas, das vergessen werden wollte.

Werden die Ereignisse von uns Westlern jetzt durch plötzliche Anfälle von Amnesie und Blindheit vernebelt? Soll unsere Sicht auf das Kommende auf das Angenehme reduziert werden?

Im vergangenen Jahr gab es einen weiteren Moment harter Amnesie, der die Mehrheit der Juden in der Diaspora in einen Zustand schmerzender Hilflosigkeit versetzt: Es ist das fast augenblickliche Vergessen der Gräuel, die am 7. Oktober begangen wurden, zugunsten eines Mitgefühl für die Opfer der israelischen Militärreaktion auf Gaza.

Wir wissen, wie entscheidend dieser Moment für die Konstruktion eines feindlichen Bildes ist. Israelis und Juden der Diaspora werdm sowohl an Universitäten als auch auf den vielen internationalen Bühnen als zionistische Nazis vorgestellt, die  einen Völkermord fortsetzten, der einer Endlösung am palästinensischen Volk entsprach. In vehementen Karikaturen, die durch arabisch-muslimische Judenphobie begünstigt wurden, ist der Stunt der Nazi-Juden nicht neu, aber er hat sicherlich noch nie so wirksam eingeschlagen. Ich werde darauf zurückkommen.

Von der Amnesie bis zur Verwirrung von allem mit allem ist nur ein kurzer Schritt. Den zu tun kann sich in dem asymmetrischen Krieg, den die Krieger des Islam gegen den Westen führen, als sehr effektiv erweisen. So können wir in „Die Bewältigung der Barbarei“, dem radikalsten Brevier des Dschihadismus, diesen prägnanten Text lesen, den zu ignorieren ein Fehler wäre:

„Wir müssen alle Bewegungen, alle Massen, alle Parteien in den Kampf einbeziehen und alle auf den Punkt bringen.“

Ist diese „verdrehte Welt“ nicht diejenige, in der es islamistische Terroristen mit planetarischem Ziel geschafft hatten, uns aufzurütteln? Mit »wir« meine ich all jene, die seit dem »gesegneten Doppelüberfall« vom 11. September 2001 wiederholte und erstaunliche traumatische Erschütterungen erlitten haben, die ihnen in Taten und Bildern von denen zugefügt wurden, die sie durch Terror besiegen wollten.

In welchem mentalen Raum leben wir heute im Westen, um so schnell von den Anfängen eines Mitgefühls zum Vergessen zu wechseln, während sich ein Gefühl des Hasses über diejenigen, die getröstet werden müssten, wie ein gigantisches Feuer ausbreitet. Die Gesichter von Geiseln, die unter unsäglichen Bedingungen gefangen gehalten werden, werden wie Fahndungsbilder von Verbrechern zerrissen? Eine Welt, in der solche psychopathischen Verstümmelungen vorkommen, offenbart sich als eine Welt ohne Bezugspunkte zur Realität, in der die Spuren verschwimmen, in der der Feind vorgibt, ein Freund zu sein, in der der Hass, den wir auf uns selbst haben, mit der Wut derer konvergiert, die uns vernichten wollen.

Wer wird noch in der Lage sein, uns in unseren eigenen Augen wieder lesbar zu machen? Wer hilft uns, die heilsame Distanz einzunehmen, die uns allein von der zwanghaften Faszination für Schreckensbilder lösen kann?

Ich wartete ungeduldig auf das Erscheinen eines Buches von Gilles Kepel, der mit  Mut, Strenge und mit der Breite seines Wissens über die arabisch-muslimische Welt geschrieben hat. Ich werde in „Der Aufruhr der Welt“ mit dem Untertitel „Nach dem 7. Oktober“ eine erschöpfende Analyse der vielfältigen Auswirkungen finden, die durch den „Explosionseffekt“ des 7. Oktober sowie durch die israelische Reaktion verursacht wurden. Unter diesen Folgen taucht ein Narrativ auf – so Gilles Kepel -, das von den Medien der ganzen Welt reichlich genährt wird. Es ist das Narrativ, in dem „Israels Schuld durch die unverhältnismäßig große Zahl palästinensischer Opfer und die Macht seiner Armee bewiesen werden soll. F16 und Merkava gegen mit Matratzen beladene Karren, auf denen verängstigte Kinder saßen; das sind die Bilder, das ist die strukturierte normative Erzählung, die die Herzen und Köpfe der euro-amerikanischen Jugend eroberte und die einen ethischen Riss innerhalb des Westens von gestern verursachte, der als der Norden von heute neu codiert wird.“

Wo aber bleibt die Bösartigkeit antisemitischer Worte und Taten in einer solchen Analyse, die im Laufe des Jahres stetig zugenommen hat, die Einschüchterung, die Schläge, die Gruppenvergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens in Courbevoie im vergangenen Juni durch drei gleichaltrige Kinder, die sie eine schmutzige Jüdin nannten?

Ich kann mich nicht dazu durchringen, mich mit einer so knappen Analyse des fast universellen Hasses zufrieden zu geben, den ich in diesem Jahr von allen Seiten mit gesteigerter Intensität gegen „einen imaginären Juden“ zusammenkommen sah, von dem wir nicht wissen, ob er Israeli, Israelit oder Zionist ist, in dem aber alle Züge zu finden sind, die der Antisemitismus, sowohl der europäische als auch der arabisch-muslimische, in gleicher Weise bewahrt hat: vampirische Grausamkeit, rituelle Kinderopfer, ungezügelte Gier, hinterhältiges Streben nach regionaler und globaler Herrschaft… Was ist der Unterschied zwischen den antisemitischen Karikaturen des Nazi-Stürmers und dem Bild der libanesischen Presse aus dem Jahr 2001? Aber was macht das Datum aus? Wenn ich etwas tiefer schaue, bin ich mir sicher, dass ich heute das gleiche Bild und mit Sicherheit die gleichen Reden finden kann. Denn der Antisemitismus ignoriert die Zeit und wiederholt das gleiche albtraumhafte Antiphon zu jeder Zeit und an allen Orten.

Warum ist es am Ende unmöglich, mit einem Antisemiten zu streiten? Die Antwort scheint mir angesichts des vergangenen Jahres und seiner hasserfüllten antijüdischen Turbulenzen naheliegend: Der Antisemitismus ist eine Produktion des Unbewussten, und das Unbewusste ist kein Momnentum des Dialogs, sondern eine Fabrik von Träumen – guten oder schlechten – oder neurotischen Symptomen, die unter dem Druck der Verdrängung arbeitet, ohne Rücksicht auf Zeit und Realität nach der doppelten Logik von Verdrängung und Verdichtung. wie Freud uns einst gelehrt hat.

Gestatten Sie mir diese Erwähnung, denn ich sehe nicht, wie man sonst den wahnhaften und bedrohlichen Irrealismus verstehen könnte, der – um nur ein Beispiel zu nennen – Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft dazu bringt, ein Loblied auf eine Intifada zu singen, die, wenn sie triumphiert, als erstes Ziel hätte, sie von den Dächern der Gebäude zu stürzen.

Wenn wir sehen, wie sowohl an den Universitäten als auch auf der internationalen Bühne Israelis des Völkermords beschuldigt werden, während  der Begriff eigentlich von einem jüdischen Juristen geprägt wurde, um die Schrecken der nationalsozialistischen Vernichtung zu beschreiben. Der „Judeo-Nazi“, eine selbstgefällige Entdeckung hasserfüllter Rachsucht, bleibt das reinste Beispiel für einen Verdrängungsprozess im freudschen Sinne. Er kann nur durch einen Gedanken hervorgebracht werden, der selbst von der Lust zum Mord angetrieben wird. Das Gleiche gilt für die wiederholten Versuche derselben Leute, im Bild Israels und in all seinen Aspekten (wiederum im freudschen Sinne) das zu verdichten, was die intersektionalistische Idiotie des Wokismus, die sich in der gleichen reduktiven Schadenfreude mit den islamo-fundamentalistischen Aufgeklärten und den dunklen Eiferern des globalen Südens verbindet, als das Absolute des Bösen definiert: nämlich das dominante imperialistische und neokoloniale weiße männliche Patriarchat, Was, wie man zugeben wird, für ein so kleines Land etwas viel wäre.

All dies könnte als lächerlich bei Seite geschoben werden, wenn es uns nicht am 7. Oktober und während des ganzen Jahres so heftig vor Augen geführt hätte, wozu der kollektive antisemitische Massenwahn führen kann, der die imaginären Gelüste des Todestriebs erzeugt. Was wir in diesem Jahr gesehen haben und was wir noch nicht zu Ende betrachten konnten, ist die Verbindung zweier Hassgefühle, die miteinander verflochten sind: der Hass auf den Westen, wie der Islam  ihn seit dem 11. September 2001 in die Praxis umsetzt, und der Hass, den der Westen durch die dubiosen Avatare der Woke-Selbstgeißelung gegen sich selbst hegt.

Was haben wir Juden, mit oder ohne Glauben, Israelis oder über die ganze Welt verstreut, dem bösen Wind entgegenzusetzen, den eine beunruhigende globale Neurose gegen uns wehen lässt? Gewiss, die Fluten von hasserfülltem Unsinn, die uns in diesem Jahr an der „Science-Po“ oder an der Columbia überwältigt haben – ganz zu schweigen von den vielen NNarrengerichten der mélenchonistischen Wut – lassen uns ratlos zurück. Aber sie fielen kaum ins Gewicht, wenn wir sie gegen die Erschütterungen abwägen, die die Israelis hinnehmen müssen, die die Geiselnahme zu dem Pogrom hinzugefügt haben, während die Raketen der Stellvertreter ununterbrochen von allen Seiten heranfliegen.

Trotz der Spaltungen, der Spannungen, der innenpolitischen Krisen, trotz der Toten im Kampf, der unerbittlichen Härte des Krieges hält sie etwas zusammen, das meine Bewunderung erzwingt, soweit ich auch von ihnen entfernt sein mag. Was auf dem Spiel steht, ist eine Fähigkeit, um die wir Westler die Israelis beneiden könnten, weil wir sie verloren haben, verstört von der Furcht, unsere köstlichen und bequemen Vorteile verschwinden zu sehen: Es ist die Fähigkeit, ein Volk zu werden, in dem Sinne, dass man seinen Schwerpunkt in sich selbst hat, was auch immer die Prüfungen abverlöangt haben.

Gestehen wir den Juden zu, daß sie die Kunst erfunden haben, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Pascal verstand dies, als er in den „Pensées“ schrieb:

Ich sehe zunächst, dass es ein Volk ist, das ausschließlich aus Brüdern besteht, und anstatt dass alle anderen aus der Versammlung einer Unendlichkeit von Familien gebildet sind, ist diese, obwohl sie so seltsam zahlreich ist, alle von einem Mann gekommen; und da sie so alle ein Fleisch und Glieder voneinander sind, bilden sie einen mächtigen Staat einer Familie. Das ist einzigartig.“

Das ist in der Tat einzigartig, und ich bin bereit – so ungläubig ich auch bin – dafür zu beten, dass es so bleibe.

© Thomas Stern

 

Zum Krieg Israels mit dem Iran:

Aus der Tribüne Jüive:

 

Senator Claude Malhuret, Vorsitzender der Fraktion der Unabhängigen, hat sich  im Senat offen über Lucie Castets (linke Prätendentin als französische Ministerpräsidentin von Melenchons Gnaden) lustig gemacht:

„Ich hatte letzte Nacht einen schrecklichen Albtraum, Herr Premierminister. Ich war heute hier, auf diesem Podium, und vor mir standen Lucie Castets“ als Premierministerin,  Sandrine Rousseau als Ministerin für Finanzen, Sophia Chikirou als Justizministerin, Sébastien Delogu als Minister für Erinnerung und Veteranenangelegenheiten und Louis Boyard  als Minister für nachhaltige Entwicklung und Cannabis, und zuletzt Jean-Luc  Mélenchon selbst als Minister für auswärtige Angelegenheiten und Freundschaft mit Russland, der Hisbollah und der Bolivarischen Allianz“.

Wer kennt in Deutschland die aufgezählten Persönlichkeiten oder wenigstens Malhuret? Wikipedia notiert:

Claude Malhuret (* 8. März 1950 in Straßburg) ist ein französischer Arzt und Politiker.  Er ist seit 2014 Mitglied des französischen Senats. Der ehemalige Vorsitzende der französischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen war von 1989 bis 2017 Bürgermeister von Vichy und von 1989 bis 1993 Mitglied des Europäischen Parlaments. Malhuret wuchs als Sohn eines Hautarztes und einer Apothekerin in Vichy auf. Nach seinem Medizindoktorat an der Sorbonne in Paris arbeitete er als Arzt im Praktikum (interne des hôpitaux) in einem Krankenhaus. Seinen Wehrdienst leistete er 1973–74 im Rahmen eines französischen Entwicklungshilfeprojekts als leitender Arzt an zwei Krankenhäusern in Marokko. 1975 war er als Epidemiologe für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Indien tätig, wo er an der Isolierung und Behandlung der letzten Pockenfälle in Asien mitwirkte.[1]

1976 und 1977 koordinierte er die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen in den kambodschanischen, laotischen und vietnamesischen Flüchtlingslagern in Thailand. Gegen den Widerstand eines Mitbegründers der Organisation, Bernard Kouchner, wurde Malhuret 1978 zum Vorsitzenden der französischen Sektion von Ärzten ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) gewählt. Kouchner verließ MSF daraufhin…. Malhuret war ein Vertreter der 1968er-Studentenbewegung, distanzierte sich aber angesichts des Genozids der Roten Khmer in Kambodscha und den Massakern des Derg in Äthiopien von linken Ideologien

So ganz absurd ist der Albtraum nicht. Denn die israelische Realitätspolitik im Orient ist mit den Vorstellungen  der Europäer vom Frieden nicht vereinbar. In Deutschland zeigte eine BSW-Friedensdemonstration vom 3.10.24, dass viele ganz anders denken, als amtlich vorgesehen wird. Der Gegensatz von Politik und Realität könnte für Israel kritisch werden. Hier die israelischen Positionen der Gegner von MP Netanjahu („Bibi“), der oft als Kriegstreiber beschimoft wird:

Naftali Benner führte aus:

„Es ist an der Zeit, dass Israel das iranische Atomprogramm vernichtet“. Gemäß  dem ehemaligen Premierminister hat Israel gute Gründe dazu. Es hat die Mittel:  Jetzt, wo die Hisbollah und die Hamas gelähmt sind, steht der Iran nackt da.“

Leidenschaftlich forderte der ehemalige Premierminister Naftali Bennett Israel auf, „jetzt“ gegen das iranische Atomprogramm vorzugehen, und sagte, die Islamische Republik habe mit ihrem großen Raketenangriff einen fatalen Fehler gemacht. Israel hat jetzt die größte Chance seit 50 Jahren, das Gesicht des Nahen Ostens zu verändern“, schrieb Bennett auf Englisch im sozialen Netzwerk X. „Wir müssen *jetzt* handeln, um das iranische Atomprogramm und seine zentralen Energieanlagen zu zerstören und dieses terroristische Regime schwer zu lähmen. Wir müssen die schreckliche Bedrohung für die Zukunft unserer Kinder beseitigen“, fuhr er fort und behauptete, dass ein Angriff auf den Iran „dem iranischen Volk die Möglichkeit geben könnte, sich zu erheben und das Regime zu erschüttern, das seine Frauen und Mädchen tyrannisiert. Wir haben die Legitimation dafür. Wir haben die besseren Waffen. Es gibt Augenblicke, in denen die Geschichte an unsere Tür klopft, und wir müssen sie öffnen“, schloss er. „Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen.“

Damit steht Naftali Bennet nicht allein:

Yaïr Lapid

Oppositionsführer Yair Lapid hat eine „entschlossene“ Antwort auf den Angriff mit ballistischen Raketen aus dem Iran gefordert.

„Es gibt eine Sache, die unseren Feinden klar sein sollte: Israel wird siegen“, sagte er in einer Erklärung.

„Mit unseren militärischen Fähigkeiten, dank unserer Verteidigungsindustrie, mit der Unterstützung unserer Verbündeten und vor allem aufgrund der Stärke unseres unglaublichen Volkes wissen wir, dass wir gewinnen werden, selbst wenn die Kosten hoch sind.“

Teheran, fügte der ehemalige Ministerpräsident hinzu, „wird einen erheblichen und hohen Preis für den Angriff zahlen. Teheran weiß, dass Israel kommen wird. Die Antwort muss hart sein und eine unmissverständliche Botschaft an die Achse des Terrorismus in Syrien, im Irak, im Jemen, im Libanon, im Gazastreifen und im Iran selbst senden. » Lapid forderte auch eine regionale Strategie, um einen Wandel in der Region herbeizuführen.

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Danny Danon

Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Danny Danon, sagte in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat, dass der iranische Raketenangriff auf Israel „zeigt, dass die Charmeoffensive des Iran und seines neuen Präsidenten eine Fata Morgana ist, und dass die Entscheidungsfindung im Iran beim Obersten Führer und den Revolutionsgarden liegt“.

Er beschuldigte den Iran, Israel „mit einem Feuerring von sieben Fronten“ zerstören zu wollen, und forderte den Sicherheitsrat auf, das Land zu verurteilen und das Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), den bewaffneten Arm des Iran, als Terrororganisation einzustufen.

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Es geht also weiter so. Benjamin Netanjahu kann auch der Opposition trauen, misstrauisch muss er nur gegenüber den Europäern sein.

von Lobenstein

Der talentierte Felix Ripley-Klein

© imago/IPON/imago

Aus dem Tagesspiegel kann man dessen jüngsten Erkenntnisse erfahren:

„Ich, Antisemitismusbeauftragter Felix Klein, finde es nachvollziehbar, dass Israel gegen Feinde vorgeht, die es vernichten wollen. Israel versucht, Terroristen zu töten. Einen Genozidvorwurf wegen des Gazakriegs halte ich für absur,  und getötete Zivilisten im Libanon [halte ich] für Opfer der Hisbollah….“

Aha. „Nachvollziehbar“. Die Logik der Israelis ist also plausibel und „in dubio pro reo“ zu akzeptieren. Das ist ein bisschen mager, wenn man Empathie erwartet hätte.

Kleins Statement ist aber auch in einer Weise dümmlich, so dass er objektiv die westliche bzw. israelische Position sabotiert. William Hirsch (in: Religion und Civilisation) hatte seinerzeit nachgewiesen, dass man durch Übertreibung einer Sache diese lächerlich machen könne. Dass Klein in dieser Art und Weise   – psychologisch erkennt man hier in ihm einen „passiven Unfaller“ –    jüdische Anliegen unterminiert, erkennt man auch an seiner sonstigen „Antisemitismusbekämpfung“. Es hatte schon einen offenen Brief jüdischer Kreise gegeben, diesen Psycho abzuberufen. Angela Merkel, Pinchas Goldschmidt und Josef Schuster halten ihm die Stange.

Hätte er so viel drauf, wie man es von einem deutschen Diplomaten erwarten müsste, dann würde er die Opfer israelischer Angriffe nicht als Opfer der vordergründig für deren Freiheit kämpfenden Hamas, Hizbullah oder der Huthis definieren. Israel steht nicht im Krieg gegen diese Gruppen, sondern im Krieg mit dem Iran. Die Gruppen sind nur dessen „verlorene Haufen“, wie man es in der frühen Nauzeit kannte. Der Iran nutzt die Schwäche der atavistischen Königreiche und die wackeligen Throne arabischer Diktatoren aus, die ihrerseits auf amerikanisches Wohlwollen angewiesen sind, und die sich daher Israel gegenüber in Zurückhaltung üben müssen. Der Iran hat die historische Gelegenheit,  sich zum Befreier Vorderasiens zu machen, und simultan der schiitischen Fraktion des Islam zum Sieg zu verhelfen. Die toten Zivilisten in Gaza und in Beiruth sind also Opfer des Iran, mit dem die Deutschen traditionell zusammenarbeiten.

Dass Israel mit den arabischen Palästinensern nicht auf eine zivilisiert e Weise zurechtkommt, braucht hier nicht zu diskutiert werden. Israel will ein jüdischer Staat sein, und hatte deswegen die Gazaner nicht als israelische Staatsbürger in seinen Staatsverband aufgenommen. Alles, was Israel Zangwill vor 100 Jahren vorausgesehen hatte, wird nun in der Realität virulent. Allerdings läuft es anders, als Zangwill um 1900 gedacht hatte. Nun glauben die Mullahs, dass sie die ideologischen Zwangslagen für sich nutzen können, verkennen aber, dass sie selbst ein atavistisches System verkörpern, das keine modernen Menschen überzeugt. Das wiederum bedeutet, dass sich die Kampfhandlungen ziellos und endlos erstrecken können.

Das erkennt ein Felix Klein nicht und belehrt die Öffentlichkeit ebenso anachronistisch. In Haaretz hätte er lesen können:

„Wohin steuert Israel, wenn der einzige Horizont, den seine Führer anbieten, Krieg ist?“

 Es steuert, wie gerade gesagt, nirgends hin. Mangels Ideen ist der Krieg zwar der Vater aller Dinge, aber es fehlt ein Weib, das er befruchten könnte. Haaretz führt weiter aus:

„Der Staat Israel befindet sich mitten in einem schwierigen Abschnitt seiner Geschichte, in der er von einem Mann geführt wird, dessen einziges Versprechen, das er seinem Volk gegeben hat und halten kann, darin bestand, dank seiner Waffen zu überleben. In einer Kabinettssitzung erwähnte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die 101 Geiseln nur nebenbei, zumal er sie in den Tunneln der Hamas im Gazastreifen ihrem Schicksal überlässt. … Unter seiner Führung macht Israel Riesenschritte in Richtung eines Krieges in der gesamten Region, während sich die Welt immer wieder fragt: Was will Israel? Wohin geht seine Reise?…“ 

Kurze Kommentierung: Es gibt kein Ziel, „der Weg ist das Ziel“, wie es so dümmlich heißt. Es gibt auch keine Alternative zu Netanjahu. Haaretz:

„Ayman Safadi, der jordanische Außenminister, hat die gefühlte Ratlosigkeit in einer Rede eingefangen, die sich weltweit viral verbreitet hat, aber von Israel völlig ignoriert wurde. Auf einer Pressekonferenz im Anschluss auf eine gemeinsame Feier arabischer Vertreter sprach Safadi  Dinge an, die alle Israelis hätten hören müssen. Nun können sie diese lesen:
„Der israelische Ministerpräsident kam heute hierher und sagte, dass Israel von Staaten umgeben sei, die es zerstören wollen. Wir sind hier – Mitglieder des muslimisch-arabischen Komitees, das von 57 arabischen und muslimischen Ländern mandatiert wird – und ich kann Ihnen ganz unmissverständlich versichern, dass wir alle bereit sind, die Sicherheit Israels zu garantieren, wenn Israel…. (!)

die Besatzung beendet und

die Entstehung eines palästinensischen Staates zuließe.“

So weit Safadi. Haaretz meint dazu, dass sie, die Zeitung nicht in Abrede stelle wolle,  dass die Hamas nicht versucht habe, Israel auf die Knie zu zwingen, dass die Hisbollah kein erbitterter und grausamer Feind Israels wäre, oder, dass der Iran nicht das Schlimmste für Israel wolle, aber Safadi hat uns an eine unbestreitbare Wahrheit erinnert: Während seiner langen Jahre der Herrschaft von Netanjahu hat Israel keinen Finger gerührt, um zu einem Ausgleich mit den Palästinensern zu kommen. Das Gegenteil ist der Fall.
Haben sie eine andere Parole als ‚Ich werde weiterhin in den Krieg ziehen und werde diesen und jenen töten‘?“ Fragen Sie irgendeinen israelischen Beamten, was ihr Plan für einen künftigen Frieden sein könne, Sie werden keine Antwort bekommen, weil sie alle nur an den einzigen Schritt im Kopf haben:–„wir werden Gaza zerstören, das Westjordanland in Brand setzen, den Libanon aufmischen“. Für das Danach haben sie keine Ideen mehr.

Wir hätten einen Plan, wir haben nur keinen Partner für den Frieden in Israel.
Am Vorabend von Rosch Haschana 5785, in dem die einzige Perspektive, die Israels Führer anbieten, der Krieg bleibt, können wir nur hoffen, dass wir im kommenden Jahr mit einem tiefgreifenden Führungswechsel und einer neuen Vision für das Land gesegnet sein werden. Möge die Zeit und seine Schwierigkeiten bald vorbei sein.

Unser Problem in Deutschland ist natürlich nicht Netanjahu, sondern die deutsche Regierung, deren Israel- und Antisemitismusbeauftragte nichts verstanden haben. Wenn nämlich Israel im Krieg mit dem Iran steht, dann ist es töricht, dem Iran die Araber in die Arme zu treiben. Dass aber auch die deutschen Staatsanwaltschaften und Felix Klein als „Diplomat“ als nützliche Idioten des Irans, ist absolut unnötig. Warum sollen freigebige Clans nicht Bonbons verteilen dürfen, oder hübsche Palästinenserinnen nicht das Lied „from the river“ singen. Heute sind Israel und Palästina, bezogen auf den politischen Machtbereich, ziemlich identisch, und ein wenig Freiheit täte auch dem jüdischen Bevölkerungsanteil ganz gut.

Israel braucht dringend eine westliche Verfassung und eine Befreiung von seinen religiösen Zwangsvorstellungen.

von Lobenstein

Zur Relation des Antisemitismus

Henry Ford (in: Der internationale Jude) hatte seinerzeit gemeint, dass es sehr reiche wie auch bitterarme Juden gäbe, was ihm als Rätsel dieses Volkes erschien. Nun gibt es aber auch sehr reiche Amerikaner wie bitterarme. Üer Frankreichs Arme wurden Romane (z. B. les miserables) geschrieben, während der Stil von Frankreichs Reichen in ganz Europa nachgeahmt wurde. Auch zu Russlands Magnaten und Oligarchen, wo die Armut und das Elend der Massen zur Revolution führte, ersceint nichts ungewöhnlich. Warum soll es also nicht arme Juden neben reichen geben? Was kann daran rätselhaft sein?

Nahum Sokolow (in Geschichte des Zionismus) druckt einen offenen Brief der reichen Juden Claude Montefiori und David Alexander ab, die sich kritisch über die Bildung eines jüdischen Gemeinwesens in Palästina äußerten; Sokolow findet genug Antworten in der gesamten britischen Presse, die die Bedenken Montefioris und Alexanders verwerfen, wenn nicht gar zerreißen: die Autoren hätten es sich in England „behaglich“ eingerichtet, aber den Blick auf die russischen und rumänischen Rassegenossen verloren. So vernünftig das Schreiben Montefioris und Alexanders auch klingt, es stieß auf keinerlei Verständnis, je ist gilt als Dokument der Verständnislosigkeit für die Judenfrage.

Wenn man dieses liest, übersieht man leicht, dass es in sehr vielen Ländern viele Juden gibt, denen es „behaglich“ (Sokolow) geht. Schon nach der Vertreibung (1492) fanden die „reicheren“ Juden Spaniens in den Generalstaaten ihren Platz; die ärmeren kamen nur bis Marokko. Andere, offenbar mit Vermögen, etablierten sich schon in Bordeaux, obwohl Juden sich im vorrevolutionären Frankreich nicht hätten niederlassen dürfen (Ausnahme waren die „deutschen“ Provinzen). Auch Hamburg bemühte sich, dass Juden besserer (portugiesischer) Kreise sich in der Hansestadt niederließen. Als die Hamburger die Juden wieder vertreiben wollten, meinten die hanseatischen Handelsherren, dann könne man auch sie gleich mitvertreiben. Ohne die jüdischen Kollegen liefe kein Handel über Hamburg.

Friedrich II. von Preußen erließ 1750 eine Judenverordnung (vgl. Hans Moshe Graupe in: Die Entstehung des modernen Judentums), die die Juden in Klassen einteilte: Die Vermögeden waren den adligen Untertanen gleichgestellt, konnten Grund und Boden erwerben und sich frei niederlassen. So „behaglich“ wird es für die Juden in England auch gewesen sein. Hermann Messerschmidt (in: Das Reich im Nationalsozialistischen Weltbild, 1943) meint, in der englischen Gesellschaft werde „der Jude“ einfach als Mitglied der Schicht wahrgenommen, zu der sein Vermögen ihn addiere.

Zurück zu Henry Fords Frage: Wo liegt nun das Rätsel?

Die „reichen Juden“ erwarben ihren Reichtum nicht durch Ausbeutung (nach der Diktion von Karl Marx) der armen Juden, sondern der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Bekannt ist das schon für damalige Verhältnisse das skandalöse System des Herzogs Karl Alexander von Württemberg, der einerseits seine Untertanen zwang, Salz über den Bedarf hinaus zu kaufen, der dieses Salz aber auch noch „streckte“ und ihm eine mindere Qualität gab (Vgl. Karl Biedermann in: Deutschland im 18. Jahrhundert). Sein Finanzminister, der berühmte „Jud Süß“  wurde nach dem unerwarteten Tod des Herzogs gehenkt, was den Kaiser zu der Bemerkung veranlasste, ausnahmsweise büße ein Jude für einen christlichen Schurken. In Bayern wurden die Hofjuden reich, weil Bayerns König im Rahmen seines Ländererwerbs die napoleonischen Kriegsrüstungen massiv unterstützen musste. Gleichzeitig wurden die armen Juden unterdrückt und ausgebeutet, aber nicht von Juden, sondern von einer christlichen Obrigkeit. Der berühmte Anselm Rothschild machte seine Geschäfte mit dem Herzog von Kur-Hessen, der sein Geld für die Vermietung seiner Untertanen als Soldaten für England verdient hatte. „Reich“ wurden Juden nicht auf Kosten ärmerer jüdischer Volksschichten. Zumindest ist solches weder Heinrich Graetz noch Simon Dubnov bekannt geworden.

Die ärmeren Juden erhielten für ihre Wohlfahrt Spenden ihrer vermögenderen Glaubensgenossen. Reiche Juden sind folglich den ärmeren nur als Wohltäter geläufig. Das führte dazu, dass innerhalb des jüdischen Volks kein Klassenkampf entstehen, ja nicht einmal der theoretische Klassengegensatz sich hatte entwickeln können. Der Klassenfeind war für die ärmeren der sie unterdrückende Nicht-Jude, der reiche Jude war das Hassobjekt der unterdrückten nicht-jüdischen Massen. Adolf Hitler dürfte des Rätsels Lösung erkannt haben und den Klassenhass der deutschen Arbeitermassen zum Zweck der Herstellung der nationalen Einheit speziell auf die reichen Juden gelenkt haben. Von armen Juden findet sich im NS-Liederschatz keine Spur.

Das bedeutet, dass man in der Diaspora bzw. in der nicht-jüdischen Gesellschaft äußerst vorsichtig mit dem Begriff „Antisemitismus“ umgehen sollte: der Antisemitismus der deutschen Arbeiter trägt Elemente der Klassengegensätze Arbeitnehmer-Arbeitgeber in sich: es geht nicht um Neid speziell gegen Juden, sondern um das generelle Gefühl, dass jemand mehr Geld habe als ihm sozial zustehe; speziell dem Juden stünde des zwei Mal nicht zu. Die Hälfte des Neides ist also Klassen-Neid. Unterdrückte Juden müssten sich analog fragen, ob sie wirklich mehr unterdrückt werden als die Bauern und Arbeiter des Landes, in dem sie wirtschaften. Die speziellen Unterdrückungsmethoden gegen sie können Analogien der allgemeinen Unterdrückungsmaßnahmen sein. Eine kritische Geschichtsbetrachtung müsste dies erkennen; die Historiker verschließen hierzu offenbar die Augen.

Wenn man weiß, wie schwer es für einen christlichen Gesellen war, in vornapoleonischer Zeit in eine Zunft als Meister aufgenommen zu werden, so relativiert sich die generelle Nichtaufnahme von Juden. Dass es ihnen trotzdem nicht wirklich elend erging, belegen schon Martin Luthers Schriften. Den Juden verblieben ganz offensichtliche Freiräume, um ihr soziales Leben zu entwickeln. An den Rabbinern, die in allen Gemeinden des deutschen Reichs und im Osten deren Führer werden konnten, lässt sich die Freiheit abschätzen, die zu nutzen gelehrten Juden möglich war.

Was bedeutet also das Fehlen eines innerjüdischen Klassenkampfes?

Entscheiden für das Verständnis von Juden und für den Blick auf die israelische Politik ist, dass in der jüdischen Volksgemeinschaft kein Klassenkampf stattfand. Der Feind, sei er objektiv nach Marxscher Lehre ein Klassenfeind oder, nach klassischer Betrachtung, ein nationaler: er ist immer der außergesellschaftliche Fremde; dieser ist, auch als Araber, ein Antisemit. Der Begriff stellt als Bindeglied die Kampfgemeinschaft von Israel und Diaspora her.

Dagegen predigt jede Opposition tauben Ohren. Sie müsste erst herauskristallisieren, was „Antisemitismus“ wirklich ist. Der eigentliche Antisemitismus ist ein zahnloser Tiger, dem der Nazis wuchsen erst durch Verbindung mit dem Rassismus Zähne. Der arabische Nationalismus wird erst Unrecht, wenn man ihn mit Antisemitismus kreuzen kann.

von Lobenstein

 

Zum Antisemitismus

In meinen verschiedenen Analysen des Antisemitismus oder vielmehr dessen, was ich antijüdische Rachsucht nenne, habe ich gezeigt, dass die Menschen um das jüdische Volk an von Anfang an es verübelt haben, dass es „etwas“ hat, das wir heute mysteriös finden, das es zum Funktionieren bringt, dass es uns gelingt, dass es immer Hoffnung gibt, egal wie verzweifelt wir sind; Kurz gesagt, etwas zu haben, das man wieder einfach einen Segen nannte.

Und da es vollständig in der Tora steht, achtet heute niemand mehr darauf, außer natürlich den aufmerksamen Geistern. Wenn der König der Philister in der Genesis im Wesentlichen zu Isaak sagt: Geh weg, du bist erfolgreicher als wir, dann geht es darum.

Danach wird es kompliziert, aber es bleibt verständlich: Wenn die Evangelien fast jedes Wort so berechnen, dass es eine Anspielung aus der hebräischen Bibel aufnimmt, so dass die neue Botschaft, die Frohe Botschaft, den Segen Abrahams mit sich zieht, sie den Juden zu entreißen und sie den Anhängern des entstehenden Christentums zu geben, dann tun die Evangelien nichts anderes, als zu versuchen, den geheimnisvollen und segensreichen Gegenstand zu nehmen, von dem sie nicht ohne Grund annehmen, daß die Juden es besitzen, von dem sie aber irrtümlich glauben, daß die Juden es als ein Gut besitzen, während es eine gewisse Disposition in der Beziehung zum Sein, d. h. zum Göttlichen ist.

Wenn der Quran sehr lange Passagen der Bibel und fast alle wichtigen Geschichten, die es gibt, aufgreift und sie dem Islam zuschreibt, wenn er die großen alten Hebräer islamisiert, wenn er sagt, dass die biblische Version der Botschaft verfälscht ist (sehr deutlich, weil er nicht Ismael, sondern Isaak vorbringt), wenn er das „Opfer“ Isaaks inszeniert, indem er ihn durch Ismael ersetzt, tut er nichts anderes, als zu versuchen, das kostbare Objekt, den Segen, an sich zu reißen und zu zeigen, dass die Juden Usurpatoren sind, indem sie behaupten, ihn zu haben. Immer ist es dieser Versuch, das Objekt der Begierde, das angeblich der andere besitzt, den Juden zu erpressen.

Aber hier stößt der Antisemitismus an seine Grenze, wenn man mit der Stirn gegen eine Wand schlägt: Weil er selbst nicht glaubt, dass diese Erpressung möglich ist; Er selbst bezweifelt, trotz all seiner Anstrengungen, dass es ihm gelungen ist, und der Beweis dafür ist gerade der Rest des Hasses, den er in sich trägt, diese Rachsucht, die ihn ausmacht; Auch wenn er in seiner Sphäre ist, zeigt er Triumph. Insofern der Antisemitismus die Usurpation des Objekts anprangert und die „Gerechtigkeit“ wiederherstellt, indem er das Objekt sich selbst zuschreibt, den Virus in sich trägt, der ihn verursacht, ist er selbst der radikale Zweifel an seiner Herangehensweise.

Und eines Tages musste ein antisemitischer Staat versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen und den Juden den Gegenstand zu entreißen, indem er ihnen das Leben nahm, einen nach dem anderen, in der Hoffnung, sie alle zu haben. Aber er scheiterte nicht nur, sondern bewies durch seinen unerschöpflichen Haß, daß er an seiner eigenen Sache zweifelte: Hätte Hitler wirklich an die arische Überlegenheit und Unterlegenheit der Juden geglaubt, so hätte er sie nicht auszurotten gebraucht. Und durch eine gerechte Rückgabe der Dinge diente sein Unternehmen der Vernichtung als Katalysator für die tausend Jahre alte jüdische Idee einer Rückkehr zum Land der Vorfahren; Der Nationalsozialismus hat den Zionismus gestärkt, ohne die Ursache dafür zu sein, da die Rückkehr nach Zion in der Bibel auf einmal ausgebreitet wird.

Spielbergs Film „Jäger des verlorenen Schatzes“ zeigt die Besessenheit der Nazis, an den Gegenstand zu gelangen, den die Juden in der Hand halten, an ihr Geheimnis, das angeblich in der verlorenen Bundeslade des Moses aufbewahrt wird: Als sie die Bundeslade finden, ist das Objekt nicht da, sondern es ist ein brennender Atem, der herauskommt und sie verzehrt.

Heute haben wir auch ein Programm der Auslöschung der Juden, das aus dem Koran stammt und vom Iran und seinen Stellvertretern gefördert wird; ein Programm, das sogar in den Statuten der Hamas vollständig geschrieben ist, die die Zwischenphase festlegen: die Juden von ihrem Land (vom Fluss bis zum Meer…) zu vertreiben, bevor das Endziel erreicht wird, nämlich ihre Vernichtung; Denn wenn die Nazis wollten, dass die Juden nicht mehr existieren, dann will der Korantext, dass sie nicht existiert haben, was eine Herausforderung an die Zeit ist, eine Herausforderung, die ich den „Zweit-Ersten Komplex“ genannt habe (eingeführt 1992 in meinen Drei Monotheismen), ein Komplex, in den alle Antisemiten verstrickt sind, nämlich: Anstatt den Beitrag des jüdischen Volkes zu nehmen und etwas daraus zu machen, sich darüber zu entrüsten, dass dieses Volk den Gegenstand monopolisiert hat; und immer, um diese Monopolisierung anzuprangern. Eine Monopolisierung, die zu bestimmten Perioden zu obszönen Maßnahmen Anlass gab: Als die Vichy-Regierung die Juden ihres Eigentums beraubte oder als die verschiedenen kleinen Herrscher in der arabisch-muslimischen Welt ihr Vermögen konfiszierten, dann taten sie nur „Gerechtigkeit“, sie reparierten die von den Juden begangenen Plünderungen und kamen nur der endgültigen Konfiszierung näher. von der endgültigen Wiedergutmachung, die den Juden ihren „göttlichen“ Zweck und damit ihr Leben entreißen würde.

Aber wie wir gesehen haben, ist diese Entwurzelung unmöglich, und deshalb wird es immer Antisemitismus geben. Denn es handelt sich nicht um ein Haben, sondern um eine gewisse Beziehung zum Sein, das so ist, wie ich es lange Zeit als die Unendlichkeit des Möglichendefiniert habe, dank derer: Was auch immer das Unmögliche sein mag, in dem du steckst, es gibt immer einen möglichen Ausweg, weil das Unendliche nie sein letztes Wort über dich gesprochen hat.

Die Frage nach dem Warum bleibt: Warum braucht es sie, so viele unterschiedliche Menschen, die sich auf dieses kleine Volk konzentrieren, um ihnen ihr Objekt zu entreißen?

Die Antwort ist sehr einfach: Jeder braucht das Objekt der Begierde; Wenn wir uns einreden können, dass diese oder jene Gruppe es besitzt, da uns der Neid bewegt, und dass es uns nicht beim Denken hilft, fixieren wir uns auf diesen Besitz, ohne die Natur dieses Gegenstandes in Frage zu stellen; Und wir gehen um diese Gruppe herum, diese kleinen Leute, empört darüber, dass sie es konfisziert haben, und werfen Steine, Beleidigungen oder Raketen, mit dieser guten kleinen Logik der Eifersucht, nach der wir, wenn wir den Gegenstand nicht haben, während sie ihn haben, es offensichtlich deshalb ist, weil sie ihn uns weggenommen haben.

Eine Konsequenz dieser Analyse ist, dass der Jude für den Antisemiten in der Schuld steht, da er das ganze Stück genommen hat; Er ist passiv, da er alle Vermögenswerte (göttliche oder symbolische) an sich genommen hat. Und da er das, was er schuldet, nicht zurückgeben kann, ebensowenig wie es ihm entrissen werden kann, kann er ausgeplündert werden, ohne dass er protestieren muss, er kann angegriffen werden, ohne dass er antworten muss. Direkte Anwendung dieses Standpunkts: Hamas und Hisbollah können Raketen und Raketen auf ihn schicken, er darf nicht zurückschlagen; Darüber hinaus ergreifen wir alle notwendigen Maßnahmen, damit er im Falle eines Vergeltungsschlags als Krimineller bezeichnet wird. Wenn er Vergeltung übt, tötet er viele unschuldige Menschen, und wir haben uns mit genügend Zivilisten umgeben (oder besser gesagt, wir sind gegangen, um Raketen und Flugkörper in ihren Räumlichkeiten zu platzieren), so dass der jüdische Staat, wenn er zurückschlägt, ein Verbrecher sein wird, ein Täter von Massakern oder sogar Völkermord. Die jüdische Sichtweise ist natürlich das Gegenteil, das heißt: Ihr habt uns seit Jahrhunderten, Jahrtausenden angegriffen, ohne dass wir in der Lage waren, Vergeltung zu üben, heute, wo wir es können, ist es unmöglich für uns, nicht zurückzuschlagen, egal welche Inszenierung man schafft, indem man sich mit Zivilisten umgibt.

Natürlich könnten tugendhafte Dritte kommen, eingreifen und dem jüdischen Staat sagen: Wir verstehen euch, euer Volk hat genug Schläge einstecken müssen, ohne Vergeltung zu üben, aber bemüht euch, weicht von diesem Prinzip ab, nur einmal, ausnahmsweise, um eine drohende Katastrophe zu verhindern. Und der jüdische Staat kann nur antworten: Es ist unmöglich, denn wenn wir die Anstrengung unternehmen würden, die Sie verlangen, wenn wir wegen der als Geiseln genommenen Zivilisten nicht reagieren, würden die Aggressoren weiter vorstoßen und einfach in uns einfallen. Die Hisbollah würde ihren eigenen 7. Oktober machen, und das war es, was sie vorbereitete; Seine Drohnen- und Raketenangriffe wären eine einfache Vorbereitung vor der Invasion, vor unserem Verschwinden gewesen.

© Daniel Sibony

Zur Relation des Antisemitismus

Henry Ford (in: Der internationale Jude) hatte seinerzeit gemeint, dass es sehr reiche wie auch bitterarme Juden gäbe, was ihm als Rätsel dieses Volkes erschien. Nun gibt es aber auch sehr reiche Amerikaner wie bitterarme. Üer Frankreichs Arme wurden Romane (z. B. les miserables) geschrieben, während der Stil von Frankreichs Reichen in ganz Europa nachgeahmt wurde. Auch zu Russlands Magnaten und Oligarchen, wo die Armut und das Elend der Massen zur Revolution führte, ersceint nichts ungewöhnlich. Warum soll es also nicht arme Juden neben reichen geben? Was kann daran rätselhaft sein?

Nahum Sokolow (in Geschichte des Zionismus) druckt einen offenen Brief der reichen Juden Claude Montefiori und David Alexander ab, die sich kritisch über die Bildung eines jüdischen Gemeinwesens in Palästina äußerten; Sokolow findet genug Antworten in der gesamten britischen Presse, die die Bedenken Montefioris und Alexanders verwerfen, wenn nicht gar zerreißen: die Autoren hätten es sich in England „behaglich“ eingerichtet, aber den Blick auf die russischen und rumänischen Rassegenossen verloren. So vernünftig das Schreiben Montefioris und Alexanders auch klingt, es stieß auf keinerlei Verständnis, je ist gilt als Dokument der Verständnislosigkeit für die Judenfrage.

Wenn man dieses liest, übersieht man leicht, dass es in sehr vielen Ländern viele Juden gibt, denen es „behaglich“ (Sokolow) geht. Schon nach der Vertreibung (1492) fanden die „reicheren“ Juden Spaniens in den Generalstaaten ihren Platz; die ärmeren kamen nur bis Marokko. Andere, offenbar mit Vermögen, etablierten sich schon in Bordeaux, obwohl Juden sich im vorrevolutionären Frankreich nicht hätten niederlassen dürfen (Ausnahme waren die „deutschen“ Provinzen). Auch Hamburg bemühte sich, dass Juden besserer (portugiesischer) Kreise sich in der Hansestadt niederließen. Als die Hamburger die Juden wieder vertreiben wollten, meinten die hanseatischen Handelsherren, dann könne man auch sie gleich mitvertreiben. Ohne die jüdischen Kollegen liefe kein Handel über Hamburg.

Friedrich II. von Preußen erließ 1750 eine Judenverordnung (vgl. Hans Moshe Graupe in: Die Entstehung des modernen Judentums), die die Juden in Klassen einteilte: Die Vermögeden waren den adligen Untertanen gleichgestellt, konnten Grund und Boden erwerben und sich frei niederlassen. So „behaglich“ wird es für die Juden in England auch gewesen sein. Hermann Messerschmidt (in: Das Reich im Nationalsozialistischen Weltbild, 1943) meint, in der englischen Gesellschaft werde „der Jude“ einfach als Mitglied der Schicht wahrgenommen, zu der sein Vermögen ihn addiere.

Zurück zu Henry Fords Frage: Wo liegt nun das Rätsel?

Die „reichen Juden“ erwarben ihren Reichtum nicht durch Ausbeutung (nach der Diktion von Karl Marx) der armen Juden, sondern der christlichen Mehrheitsbevölkerung. Bekannt ist das schon für damalige Verhältnisse das skandalöse System des Herzogs Karl Alexander von Württemberg, der einerseits seine Untertanen zwang, Salz über den Bedarf hinaus zu kaufen, der dieses Salz aber auch noch „streckte“ und ihm eine mindere Qualität gab (Vgl. Karl Biedermann in: Deutschland im 18. Jahrhundert). Sein Finanzminister, der berühmte „Jud Süß“  wurde nach dem unerwarteten Tod des Herzogs gehenkt, was den Kaiser zu der Bemerkung veranlasste, ausnahmsweise büße ein Jude für einen christlichen Schurken. In Bayern wurden die Hofjuden reich, weil Bayerns König im Rahmen seines Ländererwerbs die napoleonischen Kriegsrüstungen massiv unterstützen musste. Gleichzeitig wurden die armen Juden unterdrückt und ausgebeutet, aber nicht von Juden, sondern von einer christlichen Obrigkeit. Der berühmte Anselm Rothschild machte seine Geschäfte mit dem Herzog von Kur-Hessen, der sein Geld für die Vermietung seiner Untertanen als Soldaten für England verdient hatte. „Reich“ wurden Juden nicht auf Kosten ärmerer jüdischer Volksschichten. Zumindest ist solches weder Heinrich Graetz noch Simon Dubnov bekannt geworden.

Die ärmeren Juden erhielten für ihre Wohlfahrt Spenden ihrer vermögenderen Glaubensgenossen. Reiche Juden sind folglich den ärmeren nur als Wohltäter geläufig. Das führte dazu, dass innerhalb des jüdischen Volks kein Klassenkampf entstehen, ja nicht einmal der theoretische Klassengegensatz sich hatte entwickeln können. Der Klassenfeind war für die ärmeren der sie unterdrückende Nicht-Jude, der reiche Jude war das Hassobjekt der unterdrückten nicht-jüdischen Massen. Adolf Hitler dürfte des Rätsels Lösung erkannt haben und den Klassenhass der deutschen Arbeitermassen zum Zweck der Herstellung der nationalen Einheit speziell auf die reichen Juden gelenkt haben. Von armen Juden findet sich im NS-Liederschatz keine Spur.

Das bedeutet, dass man in der Diaspora bzw. in der nicht-jüdischen Gesellschaft äußerst vorsichtig mit dem Begriff „Antisemitismus“ umgehen sollte: der Antisemitismus der deutschen Arbeiter trägt Elemente der Klassengegensätze Arbeitnehmer-Arbeitgeber in sich: es geht nicht um Neid speziell gegen Juden, sondern um das generelle Gefühl, dass jemand mehr Geld habe als ihm sozial zustehe; speziell dem Juden stünde des zwei Mal nicht zu. Die Hälfte des Neides ist also Klassen-Neid. Unterdrückte Juden müssten sich analog fragen, ob sie wirklich mehr unterdrückt werden als die Bauern und Arbeiter des Landes, in dem sie wirtschaften. Die speziellen Unterdrückungsmethoden gegen sie können Analogien der allgemeinen Unterdrückungsmaßnahmen sein. Eine kritische Geschichtsbetrachtung müsste dies erkennen; die Historiker verschließen hierzu offenbar die Augen.

Wenn man weiß, wie schwer es für einen christlichen Gesellen war, in vor napoleonischer Zeit in eine Zunft als Meister aufgenommen zu werden, so relativiert sich die generelle Nichtaufnahme von Juden. Dass es ihnen trotzdem nicht wirklich elend erging, belegen schon Martin Luthers Schriften. Den Juden verblieben ganz offensichtliche Freiräume, um ihr soziales Leben zu entwickeln. An den Rabbinern, die in allen Gemeinden des deutschen Reichs und im Osten deren Führer werden konnten, lässt sich die Freiheit abschätzen, die zu nutzen gelehrten Juden möglich war.

Was bedeutet also das Fehlen eines innerjüdischen Klassenkampfes?

Entscheiden für das Verständnis von Juden und für den Blick auf die israelische Politik ist, dass in der jüdischen Volksgemeinschaft kein Klassenkampf stattfand. Der Feind, sei er objektiv nach Marxscher Lehre ein Klassenfeind oder, nach klassischer Betrachtung, ein nationaler: er ist immer der außergesellschaftliche Fremde; dieser ist, auch als Araber, ein Antisemit. Der Begriff stellt als Bindeglied die Kampfgemeinschaft von Israel und Diaspora her.

Dagegen predigt jede Opposition tauben Ohren. Sie müsste erst herauskristallisieren, was „Antisemitismus“ wirklich ist. Der eigentliche Antisemitismus ist ein zahnloser Tiger, dem der Nazis wuchsen erst durch Verbindung mit dem Rassismus Zähne. Der arabische Nationalismus wird erst Unrecht, wenn man ihn mit Antisemitismus kreuzen kann.

von Lobenstein

 

Der Gedenkabend für den 7. Oktober, organisiert von Wizo France und „Mütter der Hoffnung“

Seit November 2023 organisiert WIZO France, Schöpfer von „Mothers of Hope“ in Zusammenarbeit mit CRIF, jeden Freitag ohne Unterbrechung eine Kundgebung für die Freilassung von Geiseln. Journalisten, gewählte Vertreter, Prominente und viele Sympathisanten haben sich zusammengetan, um lautstark die Freilassung der Geiseln zu fordern, die seit dem 7. Oktober in den Gefängnissen von Gaza inhaftiert sind.

Die Präsidentin von Wizo, Nathalie Riu-Guez, wurde am Mittwoch, dem 25. September, in den Salons des Rathauses des 16. Arrondissements vom Bürgermeister Jeremy Redler und seiner Stellvertreterin Isabelle Nizard empfangen und inszenierte meisterhaft einen Gedenkabend im Vorfeld des 7. Oktobers, dem Tag, an dem Israel ein wahres Pogrom erlebte, ein Massaker von beispielloser Gewalt.

101 Menschen jeden Alters und Glaubens werden immer noch in den Tunneln und Gefängnissen der Hamas und ihrer Kumpane festgehalten.

Im Laufe des Abends erinnerte und zeigte Wizo France, was wirklich passiert war, damit der Revisionismus nicht unwidersprochen bleibt.

Céline Bardet, eine auf Kriegsverbrechen spezialisierte internationale Anwältin und Gründerin von „We Are Not Weapons of War“, hat am 7. Oktober die ersten Schlussfolgerungen der exklusiven Untersuchung der begangenen Verbrechen vorgelegt.

Monique Canto-Sperber, Philosophin, ehemalige Direktorin des ENS, entwickelte ihre Analyse.

Shaparak Saleh, Rechtsanwalt und Mitbegründer des Vereins „Azedi Frauen“, erinnerte an die Situation der iranischen Frauen.

Ariel Goldman, Präsident des FSJU und der Jewish Foundation, gab seine Analyse und die Auswirkungen des 7. Oktober auf die jüdische Gemeinschaft ab.

Der Abend endete mit einer Rede von Assaf Moran, Bevollmächtigter Minister der israelischen Botschaft.
Den ganzen Abend über wurden Ausschnitte aus Sheryl Sandbergs Film „Screams before Silence“ gezeigt.

© Sylvie Bensaid

Zu den Juden in Deutschland

Viele Juden in Deutschland sind traumatisiert, verunsichert und ängstlich. Gottseidank nicht alle. Traumatisiert und verunsichert sind in erster Linie die Mitglieder der Jüdischen Gemeinden, die vom Zentralrat der Juden gelenkt und geleitet werden. Sie sind folglich selbst für ihrer Selbstverängstigung verantwortlich; ihre Führung, die nicht müde wird zu verkünden, dass alle Juden geschlossen hinter Israel stünden, und dass alle Juden über die 1200 ermordeten Israelis und etwa 140 noch lebenden Geiseln zu trauerten, irritiert es nicht, dass sie vollkommen gleichgültig wirken gegenüber dem Tod von mehr als 40 000 palästinensischen Kindern, Frauen und Männern, alles Zivilisten. Für die gelenkten Juden sind alle Palästinenser in Gaza „Hamas-Terroristen“, auch die arabischen Schulkinder. Dabei sind diejenigen, die sie „Terroristen“ nennen, in den Augen der anderen Seite nichts minderes als Freiheitskämpfer. Die deutsche Wehrmacht definierte die russischen Partisanen und die Mitglieder der französischen Resistance  als Terroristen. Auch die jüdischen Widerstandgruppen „Etzel“,  die „Lechi“ und die „Stern-Gruppe“, die in Palästina gegen die englische Verwaltung Anschläge vornahm, galten den Briten als Terroristen.  Den Israelis dagegen gelten diese Leute heute als Freiheitskämpfer. Ob Terrorist oder Freiheitskämpfer ist also eine Frage des Standpunkt oder der Zeit.

Die Führung der Juden in der Diaspora argumentiert im Gaza-Konflikt so, als sei Israel aus heiterem Himmel mit dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 konfrontiert worden. Natürlich war dieser Überfall auf eine überflüssige Weise grausam und brutal, aber die israelische Besatzung der arabischen Teile Palästinas darf ebenso als grausam und brutal verstanden werden. Das Abwerfen von 1000-kg-Bomben auf ein feindliches Wohngebiet lässt sich kaum als eine humanitäre Tat darstellen.

Im Konflikt Israels mit den Arabern werden seit mehr als 100 Jahren unzählige Massaker von beiden Seiten verübt . Die Zahl der Opfer auf palästinensischer Seite ist um ein Vielfaches höher als die Verlustzahlen auf der israelischen. Nicht Palästinenser, sondern jüdische Terroristen waren es, die als erste Bomben auf Marktplätzen in Haifa und in Jerusalem zur Explosion brachten und zahllose Opfer „billigend in Kauf nahmen“. Über diese weinen palästinensische Mütter genauso wie jüdische um ihre getöteten Söhne und ihre ermordeten Kinder. Der Autor dieser Zeilen hatte in der Schule in Israel gelernt, dass palästinensische Mütter nicht um ihre Kinder weinten, weil ihre Tränen im Widerspruch zu den Umständen stehen, dass sie zuließen, dass die Kinder von der Hamas zum Krieg rekrutiert werden. Die pädagogischen Theoretiker überlegten niemals, dass die gleiche Argumentation auch den jüdischen Müttern vorgehalten werden könnte, die ihre Söhne und Töchter stolz in die Armee schickten.

„Nie wieder“ ist nicht erst „heute“. Nie wieder galt auch schon gestern und gilt eigentlich immer. Aber die Juden beziehen diesen Slogan allein auf sich. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder Antisemitismus. Nie wieder Hass auf Juden. „Nie wieder“ meint aber ein „Nie wieder Hass, Antipathie und Vernichtungswünsche“ zugunsten aller Menschen. „Nie wieder Krieg“ rufen gewisse Leute und wir sehen, dass die Juden im Nahen Osten wieder Krieg führen und in Europa den Gemetzeln zugestimmt wird. Deutsche Politiker fordern wieder blind und gewissenlos eine kritiklose Unterstützung Israels, obwohl alle Welt gesehen hat und weiß, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu diesen Krieg gewollt und herbeigeführt hat.

Natürlich behaupten gewisse Juden, dass sie „keine andere Wahl“ hätten. Aber die Behauptung von fehlender Wahlfreiheit und bedrückender Alternativlosigkeit ist Unsinn. Der denkende Mensch findet immer eine alternative Möglichkeit. Das Zwanghafte des Prinzips „Aug´um Auge“ lässt die Welt erblinden, sagte Mahatma Ghandi. Wenn beide Seiten behaupten, dass sie alternativlos gestellt seien, dann leiden sie beide am politischen Grünen Star.

Ich denke da an die Geschichte des Juden Jakubowski und dem polnischen Oberst, für den es immer nur eine Möglichkeit gab und die heute von Netanjahu besetzt ist. Für den Juden Jakubowski gab es immer zwei Möglichkeiten, die er von seiner Mutter lernte, wie er immer wieder sagte. Damit wollte er sagen, dass es jüdische Lehre und Tradition war und ist, über eine Alternative im Köcher zu haben. Dass die Israelis seit Jahrzehnten keine Alternative sehen zeigt, dass sie sich vom traditionellen Judentum ziemlich weit entfernt haben.

Im konkreten Konflikt geht es nicht um Ideologie; der Konflikt ist nicht rassistisch und auch nicht religiös geprägt, sondern er ist ein ganz banaler Streit um Quadratmeter. Die Juden beanspruchen Land, weil ihre Bücher erzählen, dass ihre Vorfahren dort vor 2000 Jahren gelebt hätten, und die Palästinenser beanspruchen das Land, weil dort seit 2000 Jahren alle ihre Vorfahren bis zu ihnen hinab lebten.

Juden in Deutschland stehen „wrong or right“ hinter Israel, und sind empört, wenn an Wänden von Synagogen oder Gemeindehäuser gesprüht wird „Fuck Israel“ oder „Free Palestine“. Sie haben dafür keine andere Erklärung als: Antisemitismus. Damit verfremden sie diesen Begriff von seiner ursprünglichen Bedeutung, nämlich Judenhass aus den Reihen der Mitbürger. Sie verballhornen den Antisemitismusbegriff zu einem politischen Kampfmittel im Konflikt um Israel und in der Auseinandersetzung mit den Palästinensern. Wenn die Palästinenser in dieser klassischen Auseinandersetzung agieren oder reagieren, dann gelten sie den Juden als Antisemiten. Dabei steht auf den diversen Wänden nicht „Fuck die Juden“. Und wenn die Juden sich so sehr mit Israel identifizieren, dass sie „Fuck Israel“ als Judenhass interpretieren, dann sind sie taub und blind für die Realität in Israel/Palästina und in Deutschland. Nach allem was die Israelis den Palästinensern angetan haben, haben letztere das Recht „Fuck Israel „ zu sprühen.

So einfach kann  man es sich machen. Aber damit kann man keine Probleme lösen und erst recht nicht den Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser, der offensichtlich unlösbar bleiben wird. Wenn man Menschen unterdrückt und die Freiheit raubt, sie quält, ausraubt, enteignet und brutal behandelt, dann darf sich nicht wundern, wenn diese Menschen sich irgendwann dagegen wehren, auch wenn ihre Reaktion unmenschlich und grausam ist. In diesem Konflikt wird ständig Grausamkeit mit  Grausamkeit verrechnet.

Ich habe längst den Glauben verloren, dass ich noch in meiner Lebzeit eine Lösung erlebe.

von Abraham Melzer