Salam Alaikuim, meine Damen und Herren, und als Mitglied der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost, möchte ich es auch auf Hebräisch sagen: Shalom Aleichem.
Ich kann Ihren Schmerz um den Verlust der Heimat nachfühlen und auch ich empfinde die Pressekampagne gegen den Kongress beschämend. Ich bin nirgend Hetze und Aggressivität begegnet, habe nur fröhliche und glückliche Gesichter gesehen und bin mehr denn je der Meinung, dass die Berliner Presse sich bei ihnen entschuldigen muss. Sie wird es aber voraussichtlich nicht machen. Ich will es zumindest für den jüdischen Teil der Presse machen.
Ich möchte mich bei der Palästinensischen Gemeinschaft in Deutschland entschuldigen für die rassistischen Ausfälle des Zentralrats der Juden in Deutschland, und die beleidigenden und diffamierenden Worte eines, wie die Zeitung „der Freitag“ geschrieben hat, „dahergelaufenen Rechtsanwalts“, der übrigens Anwalt des einschlägig bekannten Henryk M. Broder ist. Hier übertrifft aber der Anwalt seinen Mandanten an Gehässigkeit, Rassismus, und die Jüdische Allgemeine und ihr Herausgeber Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, „entblöden sich nicht“, schreibt „der Freitag“ weiter, „übelste Hetze zu drucken“. Der Vorsitzende des Keren Hayessod Deutschland, eine aggressive rassistische, zionistische Organisation, der Berliner Rechtsanwalt Nathan Gelbart wirft angesichts des vermeintlichen Judenhasses der Organisatoren die Frage auf, „welchen Wert die Erinnerungsmoral in Deutschland hat, wenn mitten in Berlin Antisemiten und Mördern eine Plattform geboten wird.“
Es ist kein Jahr her, da hat der Zentralrat „Juden-Hass“ bei pro-palästinensischen Demonstrationen verurteilt. Islamophobie leistet sich der Zentralrat aber ohne sich zu schämen. Da ich davon ausgehen muss, dass sich Herr Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland nicht entschuldigen wird, möchte ich mich hier öffentlich für die rassistischen Ausfälle seiner Jüdischen Allgemeinen Zeitung entschuldigen.
Der Zentralrat der Juden hat unlängst von den Moslems in diesem Land gefordert, dass sie sich bei den Juden entschuldigen, weil es auf manchen Demonstrationen zu „judenfeindlichen“ Parolen gekommen ist. Die Parolen waren aber nicht „judenfeindlich“, sondern schlimmstenfalls anti-israelisch, anti-zionistisch und ein Ausdruck der Wut, des Zorns und Verzweiflung angesichts des Massenmordes an ihren Freunden und Verwandten in Gaza. Vergessen wir nicht, dass es insgesamt mehr als 2100 Tote und mehrere Tausend Verletzte gegeben hat und zigtausend Obdachlose, weil tausende von Häuser zerstört worden sind. Eine durchaus verständliche Reaktion, für die sich keiner entschuldigen muss.
Für die rassistischen Reaktionen in der Redaktion der Jüdischen Zeitung, die vom Zentral offensichtlich gedeckt werden und für die demnach kein anderer als der Zentralratsvorsitzende Schuster verantwortlich ist, müsste sich der Zentralrat sehr wohl, sehr dringend und in vollem Umfang entschuldigen, und die Entschuldigung auf der ersten Seite zu drucken. Der Zentralrat wird es aber nicht tun, weil er zu schwach und feige ist und versucht, seine Hände in Unschuld zu waschen, wie die Führung der Nazis sich auch niemals für Ausfälle des „Völkischen Beobachters“ entschuldigt hat.
Der Zentralrat hat auch geschwiegen, als im März dieses Jahres ein jüdischer Journalist in der Süddeutschen Zeitung zu einem Rundumschlag gegen alle Moslems in der ganzen Welt ausgeholt hat, als er schrieb: „Eine Psychotherapie für 1,5 Milliarden Moslems wäre ideal.“ Mag sein, dass sich der Zentralrat damals nicht unbedingt entschuldigen musste, das hätte die Süddeutsche Zeitung machen müssen, aber es hätte dem Zentralrat der Juden, der ja so gern für alle Juden spricht, gut angestanden, wenn er sich von solchen Äußerungen distanziert hätte.
Ich empfehle da das Buch von Dr. Ofer Grosbard – ISRAEL AUF DER COUCH – Zur Psychologie des Nahostkonflikts. Der israelische Psychotherapeut empfiehlt da eine Psychotherapie für alle Israelis und der scheint mir kompetenter zu sein, als ein hergelaufener Journalist, auch wenn dieser Jude ist und womöglich auch noch Israeli. Und als das noch nicht gereicht hat und weil der Schreiber unter allen Umständen vermeiden wollte, nicht verstanden zu werden, fügt er noch hinzu: „Wenn der Islam zu Deutschland gehört und wenn zu Deutschland diese Geschichte gehört (welche!), dieses besondere Verhältnis (er meint wohl den Holocaust?), dann liebe deutsche Muslime, kommt her, lasst uns streiten, dass es kracht, ihr gehört hierher, aber euer wütender, selbstgerechter Antisemitismus nicht.“ Meint Gil Bachrach, der selbstgerechte jüdische Journalist und Fernsehproduzent, dass alle vier Millionen Muslime, die in Deutschland leben, Antisemiten sind?
Nein, sie sind vielleicht Antizionisten, aber das zu sein haben sie jedes Recht und jede Berechtigung, denn man kann wirklich nicht behaupten, dass die Israelis die Muslime lieben. Und es gibt inzwischen immer mehr jüdische Antizionisten. Ich bin zum Beispiel einer von ihnen.
Und die Jüdische Zeitung, und man darf auch sagen der Zentralrat der Juden, belassen es nicht dabei. Sie verunglimpfen noch die hier lebenden Muslime als Antisemiten, Terroristen und Mörder. Ich möchte mich dafür bei allen Muslimen in diesem Land entschuldigen. Ich bin Jude und bin nicht stolz darauf, aber ich schäme mich dessen nicht. Schämen tue ich mich für einen Zentralrat, der nicht müde wird zu behaupten, er spreche in meinem Namen, obwohl ich und viele meiner Freunde von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost oft genug gesagt haben: Nicht in unserem Namen. Weder der Zentralrat noch Israels Regierung spricht in unserem Namen. Wir schämen uns für beide, für deren Rassismus, Chauvinismus, Selbstgerechtigkeit und Selbstmitleid, dass alle Welt antisemitisch sei, dabei zeigen sie doch der ganzen Welt fortwährend den Stinkefinger und sagen: Ihr habt uns nichts zu sagen. Mit sich selbst haben die Israelis „Selbstmitleid“ bis zum geht nicht mehr, aber kein Mitleid mit ihren Opfern.
Wir aber, von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden, wir haben euch viel zu sagen: verlasst endlich diesen Irrweg. Werdet wieder Menschen. Werdet wieder Juden wie Rabbi Hillel, der den jüdischen kategorischen Imperativ zweitausend Jahre vor Immanuel Kant schon geprägt hat: Was du nicht willst, dass man es dir antut, das tue auch keinem anderen an. Das ist das Wesen des Judentums, wie es der letzte große Rabbiner des deutschen Judentums, Rabbiner Dr. Leo Baeck, in seinem Buch gleichen Namens geschrieben hat.
Kehrt um, Schuster und Netanjahu, besinnt euch endlich der jüdischen Lehre der Propheten Jesaja und Jeremias und aller anderen. In Jeremias 6-14,15 kann man nachlesen:
Frieden, Frieden und es gibt keinen Frieden.
Schämen müssten sie sich,
weil sie Gräuel verüben.
Doch sie schämen sich nicht,
Scham ist ihnen unbekannt.
Man könnte vermuten, Jeremias kannte den Zentralrat, die israelische Regierung und Nathan Gelbart.
Ich möchte mich in aller Demut und Wahrhaftigkeit bei den muslimischen Menschen entschuldigen, die durch das Presseorgan des Zentralrats der Juden in Deutschland in ihrer Würde beleidigt, diffamiert und verletzt worden sind. Für die anderen Zeitungen, die diese Hetze verbreitert haben, sollen sich deren Herausgeber, Chefredakteure und Inhaber entschuldigen, vor allem Fride Springer, wenn sie ein Gewissen hat.
Und last not least: Die Jüdische Allgemeine Zeitung fragt wie rechts Deutschland ist und bedauert den Brandanschlag in Tröglitz ganz besonders, und dass „die Täter unbekannt sind, man sucht sie immer noch.“ Dabei sitzen doch die Täter nebenan, in der Redaktion der jüdischen Zeitung und wenn nicht dort, dann im Büro des Präsidenten des Zentralrats. Wer schreibt bzw. schreiben lässt: Die Besucher des Palästinenser-kongress seien „Terroristen und Mörder“, ist ein Schreibtischtäter und mitschuldig an der Brandstiftung, auch wenn er ein dahergelaufener jüdischer Anwalt ist, der den Rabauken und Brandstifter Henryk M. Broder verteidigt. Offensichtlich hat er bei seinem Mandanten gelernt, wie man Menschen und Menschengruppen beleidigt. Schuster kann nicht rufen „haltet den Dieb“, wenn er sich hinter diesem jüdischen Anwalt versteckt.
Das musste gesagt werden auch auf die Gefahr hin, dass man mich einen „Antisemiten“ oder „jüdischen Selbsthasser“ nennt. Diese Attribute haben sowieso schon längst ihre Bedeutung verloren. Es ist doch heute jeder Antisemit, der Israels Politik kritisiert und jeder Jude, der das auch tut, ist selbstredend ein „jüdischer Antisemit“, also ein „jüdischer Selbsthasser“.
Als die Nazis 1934 den Judenstern einführten, schrieb Robert Weltsch in seiner Jüdischen Rundschau: „Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck!“ Das musste auf gewisse „arische“ Gemüter als Provokation wirken. Ich schreibe heute: Tragt mit Stolz solche Beleidigungen von zionistischen Juden, denn sie fühlen sich provoziert, wenn Juden sich von Israel distanzieren. Seid stolz auf solche Diffamierungen, denn sie erheben euch in einen erlesenen Kreis von anständigen Persönlichkeiten wie Martin Buber, Albert Einstein, Hanna Arendt, Jeshajahu Leibowitz, Ilan Pappe, Noam Chomsky, Uri Avnery, Gideon Levy, Amira Hass, Felicia Langer, Rolf Verleger, u.v.a.m.
Und zu den muslimischen, palästinensischen Zuhörer möchte ich noch folgendes sagen: Es hat nun 100 Jahre gedauert, bis die Bundesregierung bereit war, vom Völkermord am armenischen Volk zu sprechen. In der FAZ vom 21. April 2015 konnte man lesen: „Die Spitzen der Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung haben dem Druck aus den eigenen Reihen nachgegeben und den Begriff „Völkermord“ in einem Antrag aufgenommen, der sich mit den Massakern an Armeniern vor hundert Jahren im Osmanischen Reich befasst.“
Die Nakba ist erst 70 Jahre alt und wer weiß, ob nicht bald auch schon die Bundesregierung und viele anderen Regierungen bereit sein werden, von der „ethnischen Säuberung“ von 1947/48 zu sprechen und damit dem palästinensischen Volk endlich zu seiner Würde zu verhelfen. Ilan Pappe, der israelische Historiker, der in Israel nicht lehren darf, hat es schon 2006 in seinem Buch – Die ethnische Säuberung – nachgewiesen. Es wird langsam Zeit, dass man es zur Kenntnis nimmt. Bei den Armeniern hat es genau 100 Jahre gedauert, ich hoffe, dass es bei den Palästinensern nicht so lange dauern wird.
Es ist eine Tatsache, dass die zionistische Bewegung ihr Heimatland Israel nur dank der Hilfe und Unterstützung mächtiger westlicher Staaten schaffen, gründen und erhalten konnte. Es ist jetzt an der Zeit, dass diese westlichen Staaten, und zu ihnen gehört auch Deutschland, ihr Unrecht gegenüber dem palästinensischen Volk wiedergutmachen. Ich meine nicht die Vernichtung Israels, aber die Schaffung einer Heimat für die Palästinenser.
Von Anfang an war der Zionismus abhängig, dass europäische Mächte seine kolonialen Siedlerziele finanzieren. Herzl selbst hat sich den Europäern angedient, als er schrieb: „ein jüdischer Staat wird ein Teil des Bollwerks der Europäer gegen Asien sein, ein Außenposten der Zivilisation im Gegensatz zur Barbarei.“ Die Zionisten von heute sind aber selbst „Barbaren“ geworden.
Der Zionismus hatte von Anfang an die falsche Parole: „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land.“ Palästina aber war kein Land ohne Volk. Es gab dort ein Volk und es gibt dort immer noch ein Volk, zum Ärgernis der Zionisten und solchen Pappnasen wie Henryk Broder.
Es ist endlich an der Zeit, dass die Israelis es anerkennen und dass die europäischen Völker es auch anerkennen. Eine Anerkennung durch die Europäer würde das Problem zwar nicht lösen, aber es wäre der erste Schritt in Richtung einer Lösung.
Wir dürfen nicht länger die Augen verschließen, die Ohren verstopfen und den Mund verschlossen halten. Wir haben lange genug die Rolle der drei asiatischen Affen gespielt. Es reicht.
Genau solche Menschen wie Nathan Gelbart und Henryk Broder hat der Prophet Jeremias gemeint, als er sagte:
Doch sie schämen sich nicht,
Scham ist ihnen unbekannt.
Deshalb mein Appell an sie alle: Zeigt diesen Rassisten an, erstattet Strafanzeige wegen Beleidigung, Diffamierung, Volksverhetzung und was auch immer noch dazu kommt. Tut es. Solchen Rassisten gehört das Maul gestopft. Ich habe 300 Formulare zum Unterschreiben, um sie an die Staatsanwaltschaft in Berlin zu senden, mitgebracht. Die Anzeige kann aber auch bei jeder Polizeistelle abgegeben werden.
Rede vor dem Palästina-Kongress in Berlin.