von Eurich Lobenstein
Das sicherste Mittel, Antisemit zu werden, ist ein Abonnement der Jüdischen Allgemeinen (JA). Die theoretischen Apologeten des Judentums sind praktische Antisemitenmacher. Die JA berichtet in einer diffusen Sprache; so etwa am 08.02.2022:
Trauer um Rabbiner Henry G. Brandt
Der langjährige Vorsitzende des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit starb im Alter von 94 Jahren…..Er hinterlässt eine große Lücke. Der Zentralrat der Juden trauert…..
Das klingt sehr würdevoll, aber nur einen Augenblick lang. Denn schnell fragt man sich wie es möglich sein könne, dass ein derart alter Mensch eine Lücke hinterlassen kann? Sie hätte längst besetzt sein müssen.
Und genau so ist es: Brandt hatte sich längst in die Schweiz zurückgezogen. Er hinterlässt keine Lücke. 2004 war Brandt noch zum Vorsitzenden der nichtorthodoxen Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) gewählt worden und nahm das Amt bis 2019 wahr. Simultan berief ihn die neu verfasste strömungsübergreifende Deutsche Rabbinerkonferenz 2005 zu ihrem Gründungsvorsitzenden. Was sind das für Manöver? Die Allgemeine Rabbinerkonferenz (ARK) ist ein Gremium des Zentralrates der Juden in Deutschland, die Rabbiner und Rabbinerinnen, die sowohl in jüdischen Einheitsgemeinden als auch in liberalen jüdischen Gemeinden in Deutschland tätig sind, an einen Tisch bringt. Die Deutsche Rabbinerkonferenz (DRK) war zuvor (2004) als der Zusammenschluss aller Rabbiner gegründet, die entweder in einer dem Zentralrat der Juden in Deutschland angehörenden Gemeinde amtieren oder einem Landesverband des Zentralrats angehören. Auf www.zentralratdjuden.de wird die Deutsche Rabbinerkonferenz gar nicht mehr unter Institutionen / Rabbinerkonferenzen gelistet. Die DRK war als Dachverband der
Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland (ARK) und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) geplant. Der Vorsitz wechselte zwischen einem Vertreter der ORD und der ARK, wobei die jeweils andere Organisation den stellvertretenden Vorsitzenden stellte.
Beide Rabbinerorganisationen – ORD und ARK – haben je ein eigenes Rabbinatsgericht. Jetzt ist Natanel Teitelbaum von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz der unbestrittene „Chef des Janzen“. Lücke? Nein. Pietät: „In mortuis nil nisi bene“. Real herrscht „tabula rasa“. Man kann sagen, ein „liberales“, ein an die Moderne assimiliertes Judentum hat keinen Platz mehr in Deutschland. An der Tafel besteht auch keine „Lücke“.
Macht das was?
In gewisser Hinsicht ja; denn die Jüdische Allgemeine fährt fort mit einem Interview von Sacha Lobo zum Thema „Woker Antisemitismus“. Was das wieder bedeuten kann, ist ziemlich ungewiss. Grundsätzlich handelt es sich um einen englischen Begriff, der „wach“ oder „erwacht“, wie „Deutschland erwache“ bedeutet. „Deutschland werde woke, kauf nicht bei Juden“ hätte es zur Nazi-Zeit lauten können. Und irgendwie ringt Sascha Lobo mit diesem Geist. Die Bedeutung von „woke“ im Duden lautet „In hohem Maß politisch wach und engagiert gegen Diskriminierung“. Gleichzeitig wird der Begriff auch abwertend gebraucht, um Kritik am Vorgehen von Progressiven auszudrücken. Auf der linken Seite des politischen Spektrums wird mit „woke“ ein aggressives Vorgehen gegen wehrlose Menschen kritisiert. Von konservativen Gruppen werden Begriffe wie politische Korrektheit, Cancel Culture und Social Justice Warrior sarkastisch abgewertet. Der Arbeitsbegriff „woker Antisemitismus“ ist folglich eine Luftblase. Man könnte ihn allenfalls so übersetzen, dass es ein frisch aufblühender Antisemitismus sei, der aus Spalten der Gesellschaft hervorsprießt, wo man nicht gedacht hätte, dass er Wurzeln schlagen könne.
Nun verfällt Sascha Lobo in genau den Fehler, den schon Eva G. Reichmann (in: Flucht in den Hass) konstatierte. Die Juden sehen in Antisemitismus stets „Alten Wein in neuen Schläuchen“. „Alles schon mal dagewesen“. Aber neue Schläuche? Ja, denn inzwischen gibt es einen Staat Israel, in dessen Grenzen fast genauso viele Juden Leben wie außerhalb. Damit ist Israel faktisch ein Staat, der das Judentum repräsentiert wie das Deutsche Kaiserreich „die Deutschen“, auch wenn in dessen Grenzen auch nur jeder zweite Naturdeutsche lebte. Und das deutsche Kaiserreich war ähnlich wie Israel auch nicht wirklich Deutschland, sondern es war das preußische Deutschland, wie Israel heute das zionistische Judentum darstellt. Nicht-preußische Deutsche, wie die Schweizer, Österreicher und viele andere, selbst kaiserliche Untertanen wie die Elsässer sahen dieses Reich kritisch. Es lohnt sich Israels Rolle in der jüdischen Welt zu studieren. Dann kommt man vielleicht zu dem Ergebnis, dass Sascha Lobo als Parteigänger des jüdischen Staates so etwas wie ein „preußischer Jude“ wäre. So wie der Schweizer und Österreicher so etwas wie Deutsche anderer Ordnung waren, so wird ein Teil der Diaspora herabgesetzt, ja teilweise sogar des Antisemitismus bezichtigt.
Das ist der aktuelle Trend, der den „neuen“ Antisemitismus entstehen lässt, der genauso heranwächst, wie ab 1871 der Antigermanismus entstand (vgl. Magnus Hirschfeld in: Warum sind die Deutschen so verhasst?). Galten „die Serben“ 1914 als ein sympathisches Volk? Kaum. Aber die Welt verhalf ihnen zur Errichtung Jugoslawiens, weil sie antigermanistisch eingestellt war. Auf einer ähnlichen Welle reiten heute die Palästinenser. Das hat nichts mit „Pallywood“ zu tun, wie es Lobo meint.
Und „alter Wein“? Gewiss nicht. Wein wird jedes Jahr neu gekeltert, sonst wäre er Essig. Und Antisemitismus schmeckt nicht nach Essig. Es gibt gute Weinjahre wie schlechte und so gibt es auch entsprechende „antisemitism“. Es ist damit wie mit dem Parfüm „fascism“ von Ayelet Shaked. Es ist zwar der gleiche Duft, aber er ist trotzdem frisch.