von Jossi Bartal
Am vergangenen Montag, nach Hunderten Führungen für Gruppen aus Deutschland und der ganzen Welt, habe ich meinen Vertrag als Tourguide im Jüdischen Museum Berlin gekündigt, um gegen die Einmischung der deutschen und der israelischen Regierung zu protestieren.
Der erzwungene Rücktritt des Museumsdirektors Peter Schäfer, einem der führenden Judaisten der Welt, als Konsequenz einer aggressiven Kampagne, machte deutlich, dass die Bundesregierung nicht mehr daran interessiert ist, die künstlerische und wissenschaftliche Autonomie des Museums zu schützen. Und ich bin nicht daran interessiert, in einer Institution zu arbeiten, die ihre Unabhängigkeit aufgibt, um vornehmlich den politischen Interessen der einen oder anderen Regierung zu dienen. >>>
Zitat: „Das Judentum als pluralistische und demokratische Weltkultur wird auch nach dem Verschwinden der rassistischen und nationalistischen Politik, die viele Institutionen der Gemeinschaft übernommen hat, fortbestehen.“ (Yossi Bartal, TAZ, 30.6.2019)
Ein Blick in die Geschichte der Menschheit genügt um zu zeigen, wie die Enkel einst Bedrohter und Bedrückter selbst zu Bedrohern und Unterdrückern wurden, wenn sie denn die Macht dazu haben. Da sind Juden auch nur Menschen – und in „allerbester“ Gemeinschaft.
Dass die hohen Ideale, wie diese Martin Buber einst verkörperte, in Wenigen weiterleben, diese gar das Handeln bestimmen, ist kein Anlass zur Hoffnung auf Besserung in einer Welt, in der selbst das Gewissen einen Preis hat, aber einer zur Freude.
Das Judentum ist noch immer, wenn auch innerhalb eines religiös und/oder weltanschaulich festgefügten Rahmens, eine pluralistisch-demokratische Weltkultur, eingegrenzt über Jahrhunderte zunächst von religiösen Narrativen, seit den 1970er Jahren ergänzt um ein weiteres zentrales weltanschauliches Narrativ, erstellt in den USA unter Federführung von Elie Wiesel.
Die Vermutung, das Judentum sei auch der Weltkultur der Aufklärung verbunden, mag stimmen. Ganz sicher jedoch nicht einer Aufklärung im Sinne von Immanuel Kant mit dem „sapere aude“ und dem „kategorischen Imperativ“. Dass diese Werte auch in Deutschland nicht sonderlich geachtet werden, bedeutet, dass auch das kein „Alleinstellungsmerkmal“ des Judentums ist.
Fundamentale Kritik, wie diese die Aufklärung im Sinne Voltaires, Kants, usw. forderte, hat zur politischen Bedeutungslosigkeit des europäischen Christentums beigetragen. Das wird Protagonisten des Judentums wie anderer religiös und/oder weltanschauliche konnotierter Gruppierungen, die nach Macht streben bzw. ihren Einfluss zu erhalten suchen, eine deutliche Warnung sein – und folgerichtig fundamentale Kritik schon in den Anfängen zu wehren suchen. Im Judentum eben mit dem nicht ganz unwirksamen Verdikt des „Antisemitismus“, mit dem die Gruppe bestens gehütet wird und „Feinde“ bestens abgewehrt werden.
Andere Gruppen haben ebenso undefinierbare und damit ebenso wirksame, in Redaktionszimmern akzeptierte Vokabeln der Kritikabwehr, also auch damit sind Protagonisten des Judentums in „bester“ Gesellschaft.