Wokes Deutschland

Der Begriff „woke“ ist bereits eingedeutscht. Das Adjektiv dekliniert sich auf deutsche Art. Aber was „woke“ genau beinhaltet, ist von der deutschen Autorenschaft noch nicht beschrieben worden, obwohl in den halbstaatlichen Funktionen der bundesdeutschen Rundfunk- und Fernsehbetriebe „für (demokratische) Volksaufklärung und Propaganda“ lauter Leute sitzen, die die AfD verbieten und überall Antisemitismus riechen wollen. Was sie verkünden, sind „woke“ Trend-Ansichten. Was also ist „woke“. Auf Deutsch findet man hierzu nichts, so „woke“ ist das Land bereits. Beim ZVAB erscheinen nur Titel, die die Speisezubereitung im WOK beschreiben:

Wok von Oetker: (2000) | medimops (zvab.com)

Die bei Google angebotene Literatur ist englisch-sprachig.

Woke Capitalism – Google Books

Woke Capitalism: How Corporate Morality is Sabotaging Democracy
books.google.de › books

Glücklicherweise veröffentlicht die französisch-sprachige Tribune Juive einen Artikel von Pierre-André Taguieff aus dessen

Vorwort zu Nadia Geerts‘ Buch „Woke? La Tyrannie victimaire“ (Brüssel, Éditions F deville, 2024, S. 5-11), zwar auch nur im französischsprachigen Google, aber man kann doch über Nadja Geerts erfahren:

Nadia Geerts (* 7. Dezember 1969)) ist eine belgische säkulare Aktivistin und Autorin. Sie schloss 1991 ihr Studium der Philosophie an der Université libre de Bruxelles ab. Sie war Präsidentin des Cercle républicain von dessen Gründung im Jahr 2000 bis Januar 2010 und Initiatorin des Netzwerks zur Förderung eines säkularen Staates (R.A.P.P.E.L.) Seit 2009 ist sie Assistenzprofessorin für Philosophie und Ethik an der Universität Brüssel-Brabant.

Nachdem sie 2021 ihre Betroffenheit über den Mord an Samuel Paty zum Ausdruck gebracht und ihre Positionen zugunsten der Neutralität in der Schulpflicht bekräftigt hatte, wurde sie in den sozialen Netzwerken Opfer einer Verleumdungskampagne. Im Januar 2021 forderten das Zentrum für Säkulare Aktion, das Säkulare Jüdische Gemeindezentrum und das Collectif Laicité Yalla ein unerschütterliches Engagement der Politiker gegen die Einschüchterung von Verteidigern des Säkularismus. Seit November 2020 schreibt sie eine Kolumne in der französischen Wochenzeitung Marianne mit dem Titel „L’oeil de Marianneke“. Im April 2021 trat sie dem Team der Sendung Les Visiteurs du soir des belgischen Fernsehsenders LN24 bei.

Nun zu ihrem neuesten Buch, das Taguieff in der „tribune juive“ bespricht:

Wokismus, verpackte Dummheit oder kaschierter Wahnsinn?

Bilder aus der tribune juive; ich gebe den gesamten Buchbesprechungstext wieder, einfach weil auf Deutsch zu wenig Material vorhanden ist, sich über den Begriff „woke“ zu informieren. Dies ist aber nötig, um das queere deutsch-jüdische Verhältnis zu verstehen.

Taguieff schreibt:

„….Das Buch von Nadia Geerts ist eine notwendige Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Woke“. Sie wirft ihren Blick auf die Konformismen und den ideologischen Snobismus der Zeit. In den USA bezieht sich der Begriff „woke“ auf eine „erwachte“ Haltung gegenüber den Ungerechtigkeiten, Ungleichheiten und Diskriminierungen, deren Opfer „Minderheiten“ (ethnisch, sexuell, religiös usw.) sein sollen, aber auch auf die „Privilegien“, die bestimmte Kategorien von Menschen (Männer) genießen sollen (weiß, heterosexuell, nicht behindert usw.). Das Merriam-Webster-Wörterbuch definiert es positiv als:

„Achten Sie aktiv auf wichtige Fakten oder Probleme, Rassenfragen und soziale Gleichheit.“

Ein „woke“ Aktivist, der sogenannte linke oder „progressive“, definiert sich über ein Bewusstsein für die verschiedenen „systemimmanenten rassistischen, sexistischen und klassenbezogenen Unterdrückungen“. Die Praxis der permanenten Wachsamkeit impliziert eine Zensur. Es geht darum, schlechte Subjekte durch Whistleblowing, Belästigung und Einschüchterung zum Schweigen zu bringen, was auf eine Normalisierung der Berufsverbote ideologischer Abweichler hinausläuft.

Der „Wokismus“ ist eine Kultur der Opferrolle, die sowohl den intellektuellen Terrorismus der stalinistischen Ära als auch die angelsächsische „politische Korrektheit“ der 1990er und 2000er Jahre abgelöst hat. Wachsam oder „woke“ zu sein, bedeutet aus „woke“ Sicht, eine „gesunde Paranoia“ zu demonstrieren. William Gier und Price Cobb haben 1968 in ihrem Buch die „schwarze Wut“ das Misstrauen charakterisiert, das Afroamerikaner in allen Umgebungen empfinden, in denen sie sich stigmatisiert fühlen. In der „woke“ Sprache sind „Mikroaggressionen“ Wörter, die wahrscheinlich als verletzend oder beleidigend empfunden werden können, weil sie rassistisch, sexistisch, LGBTQIA+-feindlich, fett-phob, glottophob, islamophob usw. sind. Wie Bradley Campbell und Jason Manning in The Rise of Victimhood Culture (2018) gezeigt haben, bezieht sich der Begriff „Mikroaggression“ auf gewöhnliche oder alltägliche Gewalt, die nicht wahrnehmbar ist, weil sie „systemisch“ sei. Euin nicht geringer Teil gehört in die Welt der „woke“ Fantasien. In der Welt der Opferrolle wächst die Zahl der Opfer von „Mikroaggressierten“ weiter, während sich gleichzeitig die Zahl der professionellen Aktivisten in Institutionen und Unternehmen zu ihrer Rettung formiert, um auf dieser Welle Profit zu machen.
Wokismus ist eine zeitgenössische Form raffinierter und prätentiöser Dummheit, die sich durch ihren paranoiden und reinigenden Lexikzentrismus auszeichnet. Ihre Vertreter bemühen sich, täglich linguistische Mikrorevolutionen durchzuführen, die darin bestehen, Wörter zu eliminieren und zu ersetzen, um die Sprache zu reinigen. Auf diese Weise wollen Ökofeministinnen unsere kostbare „Ehe“ verteidigen. Sie wollen nicht länger das verfluchte „Erbe“ übernehmen, das sinnbildlich für die patriarchale Kultur steht. Fast könnte man meinen, dass es sich beim Wokismus um einen bösen Traum handelt. Dies ist nicht der Fall. In diesen Aktivistenkreisen ist Humor nicht präsent, Lachen an sich wird als Beleidigung angesehen. Ernsthaftigkeit ist das Gebot der Stunde. Wie kannst du es wagen, zu lachen, wenn du „LGBTQIA+“ (und mehr) hörst? Die Welt der „Erwachten“, ist bevölkert von potentiell Beleidigten, egal wie imaginär die beleidigte Person auch sein mag. Der neo-antirassistische „Erwachte“ kämpft auf eine neue Weise: Er bereitet keine Revolution vor, um eine Utopie zu erreichen, er klagt an, denunziert, ruft zum Ausschluss, ja sogar zum sozialen und kulturellen Tod der Schuldigen auf. Der Woke agiert als Symptomatologe, Inquisitor und Läuterer in einer Gesellschaft, die er als von wenigen Oppositionen strukturiert wahrnimmt. Seine frenetische Praxis der Dekonstruktion führt ihn zu einem verallgemeinerten Relativismus, der die Unterscheidung zwischen Fakt und Fiktion sowie zwischen Wahrheit und Lüge aufbricht. Das ist eines der Axiome des identitätsbasierten Neo-Anti-Rassismus, des Pseudo-Anti-Rassismus, der sich im Gepäck der Wokeness ausbreitet.

Die Beurteilung für Woke schwankt zwischen verhüllter Dummheit und verstecktem Wahnsinn.

Das, was man Urteilsmangel oder Urteilsunvermögen nennt, entsteht zwischen diesen beiden Polen: konformistische (oder snobistische) Dummheit und Geistesstörungen, bei denen paranoide Tendenzen vorherrschen, die sich in einem Gefühl der Verfolgung ausdrücken. Das Subjekt, das sich verfolgt fühlt, übersetzt sein Delirium politisch, indem es die Ungerechtigkeit anprangert, die ihm widerfährt. Er kann sich so als Opfer des „Systems“ oder bösartiger Gruppen darstellen, die als „rassistisch“, „faschistisch“, „rechtsextrem“, „islamophob“, „sexistisch“, „transphob“ usw. bekannt sind. Zu den Zielen der Ankläger gehören die „Säkularisten“, die von den woken Demagogen als „reaktionär“, „rassistisch“ oder „islamophob“ definiert werden. Eine anerkannte Opferidentität, die etwas einen Studenten einer „Minderheit“ zuordnet, ist heute sowohl im medialen Raum als auch im akademischen Bereich von Vorteil. Das erklärt weitgehend die Vernarrtheit in die Ideologie der Opferrolle sowie ihre Instrumentalisierung. Dekonstruktion ist der Weg, der durch die Auslöschung der Spuren einer verfluchten Vergangenheit zur Erlösung führt. Es ist ein parareligiöser Charakter des „Wokismus“, den John McWorther in seinem 2021 veröffentlichten Buch „Woke Racism: How a New Religion Has Betrayed Black America“ fein analysiert hat. Jean-François Braunstein wiederum hat in The Woke Religion (2022) die verschiedenen Aspekte dieser intoleranten und freiheitsgefährdenden Neo-Religiosität rigoros untersucht.

Nadia Geerts zeigt überzeugend, dass der Wokismus, eine identitäre und relativistische Ideologie, eine Bedrohung für die Rationalität, die Gleichheit (die er zugunsten der Identität verzerrt) und die Meinungsfreiheit darstellt.

Von dieser Art Wahnsinn ist unsere Gesellschaft in Deutschland seit langem und schwer infiziert. Eine Heilung dieser chronischen Erkrankung, wenn sie überhaupt möglich ist, wäre wohl sehr langdauernd und kompliziert. Eine erste Anamnese lässt den Beginn mit der Niederlage nach dem Ersten Weltkrieg erkennen, gegen die sich der Volkskörper dank körpereigener Abwehrstoffe noch heftig aufbäumte. Das führte allerdings zu einem neuen Krieg mit dem völligen militärischen Zusammenbruch, und zur politischen Niederwerfung Deutschlands durch die USA. Wie immer man diese Niederlage auffasst, so war es doch eine Niederlage gegen die USA, die ganz anders zu siegen pflegen als europäische Mächte.

Warum hätte es dem besiegten Deutschland besser ergehen sollen als den besiegten amerikanischen Südstaaten nach dem Civil War? Auch diese durchlebten eine lange Rehabilitationzeit, bis sie wieder als Unionsstaaten ihre eigenen Gouverneure wählen durften.

Die sich der deutschen Niederlage anschließende „Entnazifizierung“, eine kollektive Gehirnwäsche der zu 92 % loyal zum NS-Regime gestandenen Deutschen (Prozentzahl von Hildegard Hamm-Brücher) pflanzte ein neues Wert- und Unrechtsbewusstsein ein, das es den Leuten in Deutschland sogar (moralisch) verbietet, den durchaus verbrecherischen Bombenkrieg gegen die deutsche Zivilbevölkerung zu kritisieren. Die Zerstörung von Lübeck, Dresden und Rothenburg ob der Tauber wurden als „gerechte“ Strafen hingenommen.

Weil gleichzeitig die Kolonialsysteme der Siegermächte zusammenbrachen, und weil die gefürchteten Kommunisten in Europa Fortschritte machten, erschienen die USA nicht einmal als Sieger, sondern als Retter. Unter deren Schirm entwickelte sich die deutsche Wirtschaft, die in den UDSA auf Kredit einkaufen konnte (Marshallplan). Die Deutschen bauten sogar wieder eine Armee auf, die aber ohne amerikanische Waffen keinen autonomen Operationen durchführen kann. Ihr Kampfwert entspricht vielleicht dem der ehemaligen südvietnamesischen Armee; ohne Wehrpflicht und ohne Rekrutierung einer Art „Fremdenlegion“ beschränkt sich die Bedeutung der Bundeswehr auf eine Testarmee für die deutsche Waffenindustrie, krass gesagt.

Damit nicht genug, bis in unsere Tage hinein begann eine woke-konforme Justiz, uralte Menschen vor Jugendkammern (!) anzuklagen und abzuurteilen, die während der Nazi-Zeit einflusslose und höchst untergeordnete Funktionen als Sekretärinnen und Wachleute in Konzentrationslagern wahrgenommen hatten. Veretidigung in diesen Prozessen? Eine Farce. Björn Dumont (in: Gewebe oder Flickenteppich) beschreibt, dass sich über die Jahre 1933 bis 1945 bis heute

„kein wissenschaftlicher Diskurs über die Ansichten dieser Zeit entwickeln konnte“.

„Mein Kampf“ (z.B.) ist einfach tabu, schon der Besitz alter juristischer Kommentare von Dres. Freisler, Thierack oder Gürtner gilt als Bereithalten verbotenen Propagandamaterials. Die Folge ist, dass sich die Rechtsprechung durchaus diktatorisch entwickeln kann, ohne dass der Normaljurist dies anhand alter Kommentare zu erkennen imstande ist. Genauso aussichtslos dürfte eine Verteidigung vor der Strafkammer gegen volksverhetzende Vorwürfe sein, auch wenn man eigentlich „nichts“ gemacht oder gesagt hatte. So lächerlich die Konspirationen des Prinzen Heinrich XIII v. Reuss erscheinen, genauso lächerlich ist der exzessive Aufwand, um dessen Staatsstreichversuch niederzuschlagen. Das Getue um die Verteidigung der Demokratie ist aus zweierlei Gründen bedauerlich: einmal, weil die „Nazi-Literatur die Abwegigkeit der nationalistischen Ideen am besten selbst offenbart. Gerade. „Mein Kampf“, der so gut wie keine originellen politischen Ideen vorbringt, repliziert lediglich die diffusen Vorstellungen der deutschen Massen propagandistisch. Seine antisemitischen Vorstellungen reichen bis in die Lutherzeit zurück. Weil auch Luthers Schriften unterdrückt und verwahrt bleiben, erhalten sich die dort formulierten Vorstellungen subkutan. Solange man Hitlers Buch zugeklappt hält, proliferiert sich der Antisemitismus, ohne dass man ihn fassen könnte.

Zum Zweiten enthält der Gedankengang Hitlers gewaltige Denkfehler. Er meint (S, 129), alle großen Volksführer hätten es verstanden, die Feinde eines Volkes als nur einen Feind darzustellen, und verwirft konsequent den wilhelminischen Slogan von „viel Feind, viel Ehr“. Er hatte aber als Reichskanzler die gleichen Feinde zum Kriegsgegner wie Kaiser Wilhelm mit dem Unterschied, dass er seinen Krieg bis zum absoluten Ende führen konnte. Hitler hatte also die englische, französische und russische Staatsführung auf ihre jüdischen Mitglieder reduziert. Indem er aber „den Juden“ zum Generalfeind erklärte, hat er nicht nur auf das jüdische Potential Deutschlands von einer Million patriotischer Mitbürger verzichtet, sondern gerade die Leute vertrieben, die wie Rudolf Peierl seine Atombombe hätten bauen können. Möglicherweise hatte Hitler nicht voraussehen können, welche bizarren Geister er mit seinem Propagandatrick mobilisierte. Hat man Wilhelm Heinrich Riehl (Die bürgerliche Gesellschaft) gelesen, der kritisiert, dass mehr Akademiker produziert werden als das Land benötigt, dann ließe sich die Einführung des Antisemitismus in die Beamtengesetze als die große Chance „verdorbener Lehrer, Juristen und anderer Akademiker erklären, die sich trotz eigener Überflüssigkeit noch auf Stellen der jüdischen Funktionäre in Justiz, Verwaltung und Presse hieven konnten.

Der eigentliche antisemitische Irrsinn ist aber nie wirklich aufgearbeitet worden. Wie in Folge der „Entnazifizierung“ damit umgegangen wurde, illustriert der Fall Golo Manns, der während der Nazi-Zeit Deutschland verlassen hatte und dessen Vater Thomas Mann sogar ausgebürgert worden war. Wikipedia berichtet:

„…. Die Berufung Golo Manns an die WiSo-Fakultät der Universität Frankfurt macht deutlich, wie sehr wissenschaftliche Differenzen die Beziehungen verschärften. Horkheimer verhinderte die Berufung gemeinsam mit dem AJC (American Jewish Committee). Golo Mann, war das dritte Kind von Thomas Mann. Die beiden Familien Mann und Horkheimer lernten sich in der Zeit ihres Exils in den USA kennen. Thomas Mann war ein starker Gegner des Nationalsozialismus. Er engagierte sich während seiner Zeit im Exil stark für jüdische und christliche Flüchtlinge. Golo Mann studierte Philosophie und Geschichte. Er promovierte in Philosophie. Während seines Exils nahm er mehrere Gastprofessuren an, trat dann aber der US- Armee bei. Auch nach der Rückkehr nach Deutschland hielten die Familien Horkheimer und Mann weiterhin losen Kontakt. Wie kam es, trotz der Freundschaft dazu, dass Horkheimer die Berufung Golo Manns an die Universität Frankfurt im Jahr 1963 verhinderte?
Grund für die Auseinandersetzungen war ein Vortrag Manns über seine Antisemitismus Analysen vor dem Rhein-Ruhr-Klub aus dem Jahr 1960. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden das IFS und der AJC verstärkt auf Mann aufmerksam. Als es dann um die Berufung Manns an die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät ging, hielt Horkheimer nochmals Rücksprache mit dem AJC. Man kam zu der Ansicht, dass „Manns Essay Schaden anrichten könne, weil es der alten nazistischen Propaganda über den Einfluss der Juden in Deutschland bedeutende Zugeständnisse mache“ . Mann wurde ein heimlicher Antisemitismus unterstellt und Horkheimer verhinderte seine Berufung durch einen Anruf beim hessischen Kultusminister.

Hier stellt sich die Frage, aufgrund welcher Tatsachen Golo Mann ein heimlicher Antisemitismus unterstellt wurde. Dies führt vermutlich auf die verschiedenen Forschungsansätze Manns und des IFS zurück. Horkheimer und Adorno betrachteten den Antisemitismus als eine Krankheit der Gesellschaft. Nach dieser Deutung ist es unmöglich, dass die Opfer irgendeine Schuld treffen kann. Golo Mann hinterfragt in seinen Antisemitismusanalysen die historische Wahrheit hinter den antisemitischen Klischees. Diese Frage steht der These Horkheimers absolut entgegen. Allein Manns Forschungsfrage identifiziere ihn schon mit dem Antisemitismus. Nach der These Horkheimers und Adornos ist eine solche Fragestellung Manns nur möglich, wenn er bereits selber mit Antisemitismus infiziert sei.

Zum mangelhaften Geschichtsbewusstsein passt auch eine Notiz in der WELT vom 15.1.24:

Jetzt fordert die SPD „Aufstand der Anständigen“ gegen die AfD

Als „die Anständigen“ und die „anständig gebliebenen“ hatte Heinrich Himmler seine Totenkopf-SS-Führer in seiner Posener Rede gelobt

Die Aufarbeitung der Nazi-Zeit wird nach wie vor durch die Generalverteufelung aller Nazis ersetzt. Faschismus und Nationalsozialismus sind zu Synonymen geworden. Diese Methode ist natürlich nur eine Unter-den Teppich-Kehrerei, die nicht ewig hält. Ein Teppich tritt sich ab. München ist (z.B.) eine Stadt, die ihrem Gauleiter Adolf Wagner viel verdankt. Man sieht dessen Bauten, aber weiß nichts von den Gedanken dahinter. Die „Nazis“ favorisierten einen Heimatstil, der heute noch anheimelt und gefällt. Das „braune“ deutsche Enfamilienhaus mit dem großen Blumenfenster (der sich heute zum Wintergarten ausdehnt), ist eine Geschmacksentwicklung der Nazi-Zeit.

Ein besonderes Missverständnis beruht in der unterschiedlichen Aufnahme des Holocausts im Bewusstsein der Juden und einer Sicht, die objektiv wäre. „Die Deutschen“ übernehmen dabei dank der kollektiven Gehirnwäsche die Sicht der Juden als eigene, wodurch das eigentliche Problem, der Irrsinn des Antisemitismus verkannt wird. Das ist allerdings erklärungsbedürftig:

1.

Eine wissenschaftliche Analyse würde verschiedene, voneinander unabhängige Phasen des Holocausts erkennen. Indem man die Deutschen pauschal und unterschiedslos zu „Tätern“ aller Judenmorde macht, lässt man den Antisemitismus unberührt im Raume stehen, der nach 80 Jahren noch nicht erschlossen wird.

Es fehlt eine Analyse,

a.) wer,
b.) welche Institution unf
c.) für welche Partie des Holocausts

verantwortlich zeichnete. Eine solche Analyse würde als „die Opfer verhöhnend“ abgewürgt werden können, was zwar alle Deutschen in einen Topf wirft, aber ihre psychologische Behandlung unmöglich macht. Natürlich haben alle Deutschen von den Judenverfolgungen im Reich gewusst. Sie haben sie auch gebilligt. Aber was in Russland mit den Juden veranstaltet wurde, ist nicht allgemein bekannt geworden. Es ist nämlich ein elementarer Unterschied, ob „der Deutsche“ billigt, dass Juden diskriminiert werden, oder ob er deren Ermordung in Babi Jar applaudiert.

Wenn man den Holocaust als ein einheitliches Ganzes darstellt, dann wehren sich die ersten Deutschen durchaus zu recht, von den Verbrechen von Babi Jar nichts gewusst haben zu können. Hier beginnt das pathologische Missverständnis. Vom jüdischen Standpunkt aus beginnt der Holocaust mit der Machtergreifung vom 30.1.33, und steigert sich bis zu den systematischen Morden von Auschwitz. Junge Menschen merken dann, dass hier widerlegbare Narrative verkündet werden und formen für ihr Weltbild eine gegenteilige These, die auch flasch sein dürfte (z.B. Aiwanger-Brüder). Hermann Greive (in: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland) weist darauf hin, dass auch der SS vor Kriegsbeginn die Vertreibung der Juden als ausreichend erschienen war. Wenn man das Massenmorden als Wesensmerkmal des Holocausts sieht, dann hatte dieses erst 1941 begonnen haben können. Wenn allerdings jeder Antisemitismus als Keim für einen Massenmord an Juden gesehen wird, dann wäre dieser lange vor Adolf Hitler gesetzt gewesen, vermutlich schon mit der Hep-Hep-Bewegung. Und aktuell glauben wahrscheinlich die Israelis, die HAMAS habe den Holocaust von damals fortsetzen wollen.

Stellen wir testweise den jüdischen Standpunkt einmal zurück zugunsten einer neuen Anamnese, um einen Heilungsplan für die Deutschen von ihrer schweren psychischen Erkrankung zu skizzieren:

Schon Nahum Goldman (in: Mein Leben als deutscher Jude) meint, die Juden seien nicht nur Opfer gewesen. Damit meint er natürlich nicht, dass sie an „Babi Jar“ eine Mitschuld trügen, weiß aber, dass es schon 1792 und 1808 in Frankreich große Probleme von jüdischer Seite gab, das Bürgerrecht erhalten zu können. In der Revolution von 1848 gab es Pogrome gegen die Juden im Odenwald. Das Verhältnis gewisser Juden zur Bevölkerung einzelner Landschaften war also nicht unbelastet. Das meint Nahum Goldman; aber dies konnte alles 1933 keine Bedeutung mehr gehabt haben. Wenn sich trotzdem ein abstrakter Judenhass „ohne Juden“ hat erhalten können, dann kann dies nur seinen Grund in einer fehlerhaften Behandlung der alten Symptome liegen. Diese wurde konserviert und brechen immer wieder unerwartet hervor:

Heute wird an den Massakern im Gaza-Streifen (seien sie Kriegsverbrechen oder nicht, Massaker sind sie allemal) festgestellt, dass ein jüdischer Staat durchaus willens ist, die Vernichtung unschuldiger Zivilisten, darunter mehr als 20% kleine Kinder in Kauf zu nehmen. Sogar die Haaretz wundert sich über die Kaltherzigkeit der Israelis. Das passt mit dem Bild vom ewig guten und unschuldigen Juden nicht mehr zusammen. Die „Jüdische Allgemeine“ reduziert inzwischen das jüdische Gutmenschentum auf die Theorie eines „Verteidigungskriegs“ gegen die Phantasie eines Ausrottungskampfes der HAMAS gegen die Juden. Auch das erscheint unglaubwürdig. Wie soll eine Hamas auf der Basis von 2 Millionen Arabern in Gaza sieben Millionen Israelis ausrotten können? Die arabische, türkische und südafrikanische Empörung ist eine naheliegende Reaktion, das Entsetzen von Deutschen entspricht dem Erwachen aus einem Stupor. Dieser wird sodann – wegen seiner Falschbehandlung – durch eine neue Paranoia ersetzt. Die einen Deutschen billigen Israels Kriegsführung (wie Volker Beck, Frankfurt), die anderen werden zu Antisemiten. Das neue Paranoia, Israelbeistand oder Antisemitismus neuer Art, verhärtet die „Unfähigkeit zu trauern“, die das Psychologen-Ehepaar Mitschlich so erklärte, dass wegen der Verbrechen ihrer Kriegsführung „die Deutschen“ ihre vollständige Niederlage nicht betrauern konnten, was aber in der allgemeinen Oberflächlichkeit so ins mechanische Bewusstsein geraten ist, dass sie glauben, die Deutschen seien ein gefühlloses Volk. Gefühllosigkeit wird wieder dem Antisemiten sublimiert. Eine Folge: Die ersten Deutschen verteidigen sich gegen den Vorwurf, unter Hitler hätten ihre Großeltern Unrecht getan.

Die Unmöglichkeit, die Niederlage einer verbrecherischen Kriegsführung zu bedauern, hat in Deutschland inzwischen die dritte Generation in Folge geprägt, d.h. historisch verdummt und paranoiäsiert. Der deutsche Wokismus ist derart judenbezogen, dass selbst die Grausamkeiten der Israelis gegen die arabische Bevölkerung von amtlicher und staatstreuer Seite als berechtigt verteidigt werden, was die Vertreter der aktuellen Bundesregierung ohne Unterlass bestätigen. Andere stellen sich bedingungslos auf die Seite der Palästinenser. Das Problem ist die Bedingungslosigkeit beider Seiten.

Zur deutschen Kriegsführung

Selbstverständlich war die deutsche Kriegsführung spätestens ab 1941 verbrecherisch. Die Kriegsverbrechen begannen mit dem Angriff auf die Sowjetunion, zu dessen Planung es strategisch gehörte, hinter der Front durch Einsatzgruppen russische Funktionäre in Partei und Staat und die Juden samt Frauen und Kindern zu liquidieren (Jean Lopez in: Barbarossa 1941). Für das Verbrechen, auch an den Juden, trägt die Wehrmacht die oberste Verantwortung (strategisch) während die SS das Verbrechen (nur) operativ durchführte. Für die Morde der Einsatzgruppen ist aber kein Wehrmachtsgeneral je belangt worden. Adolf Heusinger, der zum höchsten Stabe um Adolf Hitler gehörte, wurde sogar Generalinspekteur der Bundeswehr. Diesen Morden sollen mindestens 600.000 Juden zum Opfer gefallen sein. Nur. Diese Morde haben mit Antisemitismus nichts zu tun. Sie sind (entsetzliche) Kriegsverbrechen.

Nach diesen Gemetzeln begann im 2. Halbjahr 1942 die ´“Aktion Reinhard“, für die offensichtlich deutsche Volkstumspolitiker verantwortlich gezeichnet haben dürften. Die „Aktion“ diente auch der Tötung von Leuten, die das Reich nicht mehr miternähren wollte, und wahrscheinlich auch einer atavistischen Materialbeschaffung. Thomas Tobias Blatt, der den Aufstand von Sobibor überlebt hat, hat errechnet, dass der Betrieb von Sobibor etwa 20 Millionen Reichsmark gekostet haben dürfte, aber 180 Millionen Reichsmark einspielte. Hier sind wir wieder bei Adam Tooze (Ökonomie der Zerstörung), womit nicht der imaginäre Antisemitismus, sondern die Kriegswirtschaftspläne anderer Reichsstellen für die Verbrechen verantwortlich zu machen gewesen wären.

Für das sich anschließende „Programm“ Auschwitz waren offensichtlich wirtschaftliche Kreise zuständig, die die Rahmenvorgaben und wirtschaftlichen Soll-Leistungen für die Kriegswirtschaft setzten.

Hier entsteht der Widerspruch; für die Juden in aller Welt sind die 3 Phasen des Massenmordens der Gipfel des Antisemitismus, anders gesehen haben diese aber eher im „German Way of War“ ihre Grundlage.

Die Deutschen übernehmen die jüdische Sicht gerne, denn sie können damit ganz „wokely“ die Verantwortung für alle Verbrechen auf einen nicht mehr aktuellen Nationalsozialismus, auf erledigten Rassismus und auf einen unmöglichen Militarismus samt Antisemitismus schieben. Wenn aber die 3 Phasen der kriegsverbrecherischen Kriegsführung mit einem abstrakten Antisemitismus verwoben werden, dann bleibt das Erhalten, was den deutschen wirklich widerwärtig gemacht hat; seine Missgunst umgeht zwar jüdische Mitbürger von heute, macht aber vor neuen Mitbürgern nicht halt.

Hier liegt das Problem der verfälschten NS-Zeit-Aufarbeitung.

Die Verbrechen werden nicht separiert durchgearbeitet, weil deren separate Analysen keinen Juden ernsthaft interessieren. Wer liest schon die Bücher von Wolfgang Benz, wenn man weiß, wie abartig die Wehrmacht, das Generalgouvernement in Polen und die deutsche Wehrwirtschaftsführung in Polen und Russland gegen Juden vorgegangen sind?

2.

Die Tele-Soap „Holocaust – Geschichte der Familie Weiß“ hat hier eine Gedankenklammer geschaffen, die alle Maßnahmen als die einer großen antisemitischen Verschwörung erscheinen lässt. Der US-Film zur Wannseekonferenz vom Januar 1942 ist mit „conspiracy“ betitelt. Einzelne Autoren von Traktaten, die den Blick auf Widersprüche lenken wollten, wurden schnell von der Justiz verfolgt (z.B. Josef Ginsburg).

Dabei steht die Tatsache, dass man bis Kriegsbeginn die Juden in Deutschland zur Ausreise nötigte und noch im Oktober 1938 die Juden polnischer Staatsangehörigkeit aus Deutschland auswies, in unlöslichem Widerspruch zur Vorstellung, „die Nazis“ hätten von Anfang an vorgehabt, die Juden auszurotten. Ganz langsam kommen Bücher auf den Markt, die von einer Ökonomie der Zerstörung (Adam Tooze) sprechen oder die die Massenmorde der Wehrmacht an 600.000 Juden (32.000 allein in Babi Jar) zuordnen. Die Wehrmacht hatte mit 85% ihrer Aktiven an der Front keine Möglichkeit, das rückwärtige Frontgebiet zu sichern. Sie „musste“ quasi die eroberten Gebiete von Polizei- und SS-Einheiten „säubern“ lassen (Jean Lopez in: Barbarossa 1941). Der deutsche „Way of War“ (Lopez) und die „Ökonomie der Zerstörung“ (Tooze) waren wohl anachronistisch, archaisch und atavistisch, aber nicht unbedingt antisemitisch.

Anderes Beispiel: Von den deutschen Volkstumspolitikern wurden nach der Wannseekonferenz die in Polen besonders leicht zu greifenden Juden in den Vernichtungslagern Sobibor, Majdanek und Belcek ermordet. Die Volkstumspolitiker brachten aber simultan neben den 3 Millionen Juden in Polen auch 5 Millionen Nationalpolen, vornehmlich der „Intelligenz“ um. Nach Stalingrad begann eine Art dritter Stufe des Mordens: Den Deutschen fehlten überall Arbeitskräfte. Sie sammelten in den besetzten Ländern Zwangsarbeiter ein, wobei ihnen wiederum der Zugriff auf das jüdische Potential am einfachsten möglich war. Für diese Maßnahmen ist die Wirtschaftsführung verantwortlich, zu der auch SIEMENS gehört, das in Auschwitz – Brobek Teile fertigen ließ (Simone Veil in: Eine Jugend im Zeichen der Shoa). Hier konnten die deutsche Diplomatie den befreundeten Regimen (wie Ungarn) generelle Umsiedlungspläne für die jüdische Bevölkerung vorlegen; bei Ankunft im Zielgebiet (Auschwitz) brachten die Deutschen alle um, die sie nicht für ihre Sklavenarbeit benötigten (ca. 75%). Auch dies hat mit „Antisemitismus“ nur sekundär zu tun. Das Motiv war die Befriedigung der Erfordernisse der deutschen Kriegswirtschaft.

Das ändert nichts daran, dass von einem jüdischen Standpunkt aus gesehen die deutsche Politik vornehmlich die Juden betroffen hat. Man kann aber auch sagen, der Begriff „Antisemitismus“ von der SS eher als falsche Münze geprägt wurde, um die Plumpheit (Tooze) der Motive für die Morde den einfachen SS-Leuten und unteren Chargen zu verschleiern. Pseudiwissenschaftliche Gründe der Rasse schienen den SS-Leuten ideologisch akzeptabel. Hätte man erklärt, man morde, weil man für die Alten, Frauen und Kinder kein Nahrung übrig habe, wären den SS-Leuten Zweifel am Endsieg gekommen. Die Führung konnte ihren Leuten nicht offenbaren, dass der Krieg ohne die Verbrechen mit dem Misserfolg von Kursk und der Kapitulation des Afrikakorps nicht mehr hätte geführt werden können.

Noch anlässlich der Wannseekonferenz Ende Januar 1942 kam die Ermordung von 900 Berliner Juden zur Sprache, die zur falschen Zeit am falschen Ort in Litauen eintrafen und in eine der (kriegsbedingten) Ausrottungsmaßnahmen gegen sowjetische Juden gerieten. So unbedeutend eine Differenzierung zwischen der Ermordung litauischer und deutscher Juden erscheint, ist es doch offensichtlich so gewesen, dass die Ausrottungsmaßnahmen von SS und Wehrmacht im Rahmen des Russlandfeldzugs als Kriegsmaßnahmen und als militärisch notwendig akzeptiert wurden, dass aber den beteiligten deutschen Zivildienststellen Morde aus antisemitischen Motiven nicht hinnehmbar erschienen, der Mord an staatsangehörigen Juden jedoch Bedenken hervorrief, zumal diesen Morden das Moment der Kriegswichtigkeit abging.. Theoretisch kamen staatsangehörige Juden in deutsche Lager, nach 1942 oft nach Theresienstadt, „das der Führer den Juden geschenkt habe“. Sogar ein solcher Propagandafilm war für die gewöhnlichen Deutschen erforderlich. Der deutsche Mensch wollte glauben, dass mit seinen früheren Nachbarn alles in gesetzmäßiger Ordnung abliefe. Von Theresienstadt aus ging es dann relativ diskret nach Auschwitz zur Tötung. Von den staatsangehörigen Juden, die 1933 etwa eine Million Juden in Deutschland darstellten, gehörten etwa 530.000 den jüdischen Religionsgemeinden an, andere waren getauft oder „durch Mischehen vom Judentum abgefallen“ (Felix Theilhaber) oder überhaupt säkular (Viktor Klemperer) eingestellt. Viktor Klemperer kam sich albern vor, zum Essen einen Hut aufsetzen zu sollen (Tagebücher). 300.000 kamen um (Golo Mann), 500.000 wanderten aus und 200.000 überlebten irgendwie, sei es als U-Boote oder im KZ. Deren spezielles Schicksal interessiert leider kaum.

Genau hier liegt jedoch der Kern der psychischen Krankheit der Deutschen.

Das Luxemburger Abkommen klammert das Problem erneut aus. Einer pauschalen Entschädigung der vom Judentum abgefallenen „Rassejuden“ wollte weder Israel noch die Jewish Claim Conference (JCC) sich anheischig machen. Aber wo ist die Organisation, die die alt-deutschen Juden, Mischlinge und jüdisch Versippten vertritt? In „Mein Kampf“ meinte der Autor, 50.000 „hebräische Volksverderber“ hätten im Weltkrieg so unter Gas liegen sollen wie Millionen deutscher Soldaten; diese Stelle wird oft so interpretiert, als habe der Führer bereits an die Vergasung der Juden gedacht. Tatsächlich hatten sogar 100.000 deutsche „Volksverderber“ mit den „arischen“ Kameraden unter Gas gelegen. Aber es gibt kaum deutsche Juden, die sich zu diesem Thema zu Wort melden. Die Jakob Wassermänner und N– heimer und M-bergs (Theodor Fontane im Gedicht zu seinem 75. Geburtstag) sind durch Juden aus Brod, Warschau, Odessa und anderen östlichen Regionen ersetzt, soweit diese sich nicht entschließen konnten, nach 1945 nach Israel zu gehen. Charlotte Knobloch, Tochter eines bayerischen Rechtsanwalts Fritz Neuland, ist Halbjüdin im Sinne der Nürnberger Gesetze. Die alt-deutschen Juden sind viel zu assimiliert, als dass man von ihnen dien Wiederaufbau einer autonomen Gruppe erwarten könnte. Oppenheims, Hebra, Fischler v. Treuberg sind adlige Namen, die das neu-deutsche Judentum gar nicht mehr kennt.

Und genau hier liegt der Punkt des deutschen Paranoia, der die Unfähigkeit zu trauern bewahrt und den Antisemitismus modifiziert hat. Das Verbrechen des NS-Regimes bestand wohl für die weite Welt in den extremen Kriegsmaßnahmen, die Deutschen haben diese Sicht übernommen, aber

das wirklich unverzeihliche Verbrechen bestand in der Verfolgung der staatsangehörigen Juden,

die im Ersten Weltkrieg mit ihren arischen Kameraden unter Gas gelegen hatte, Das ist es, was es jedem Türk-Deutschen, neuimmigrierten Deutschen oder Deutschen mit jüdischen Vorfahren unmöglich macht, für Deutschland einzutreten. Während in Frankreich nicht nur eine Rachida Dati Ministerin wird und wo schon 1870 Adolphe Cremieux Justizminister werden konnte, gibt es in Deutschland keine säkulare Zivilisation, mit der sich der Immigrant, seine Traditionen abstreifend, identifizieren kann. Folklore, der unteren Schichten und abgehobene Spielereien von woken Grünen, die einen Özdemir zum Landwirtschaftsminister machen, der sich während der Bauernproteste versteckt, sind im Grunde nur Show. Das ist deutsche Psychopathie, einerseits so tun als ob und letztlich den alten Wahn, den christlichen Aberglauben und überkommene Traditionen erhalten und den „Neuen“ aufzuoktroyieren. Dass die neudeutschen Juden „in Deutschland“ sich hier wohlfühlen und trotzdem auf „gepackten Koffern sitzen“, ist deren Problem. Wenn aber die Wassermänner, Kissingers, Einsteins, Seligmänner. Ehrlichs und Friedmanns nicht mehr in Deutschland eine Heimat finden können, da liegt der tiefe Seelenschaden der NS-Politik. Hier setzt keine Heilung an, ganz im Gegenteil: Deutschland ist das Land des Whistleblowens, der Staatshörigkeit und der Denunziation geblieben. Die deutschen Finanzämter rufen sogar dazu auf, anzuzeigen, wenn der Nachbar ein auffällig teureres Auto fährt als man ihm zutraut. Genauso zeigten die deutschen Volksgenossen an, wenn sich beim jüdischen Nachbarn was tat. Durch die israel-gefällige Aufarbeitung einer verbrecherischen Kriegsführung, damit Israel selbst seinen „gerechten Krieg“ (Netanjahu am 14.1.24) zu Ende führen kann, wird die eigentliche Psychopathie Deutschlands nur neurotisch überlagert. Die „Verantwortung für die Existenz Israels“ erkennen auch jüdische Kreise als hohle Phrase; das Wissen zur Geschichte der Juden in Gailingen, Pfersee und Fürth bleibt dagegen unter den Teppich gekehrt. Unter dem Teppich liegt das deutsche Problem mit der deutschen WOKEheit.

von Lobenstein, 17.01.2024

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