Mitleid mit den armen israelischen Soldaten

Antwort auf einen Essay von Wolf Biermann im Spiegel

Sehr geehrter Herr Biermann,

ich kenne Sie persönlich nicht, aber ich habe viele Ihrer Lieder, Gedichte und Essays gelesen und hatte deshalb den Eindruck, dass Sie ein idealistischer Pragmatiker sind oder ein pragmatischer Idealist. Ich habe Sie immer respektiert für ihren Kampf um Anständigkeit in der Politik, für ihren Einsatz für Schwächere und Benachteiligte und wegen Ihres Talents, politische und gesellschaftliche Heuchelei zu demaskieren und solche Zeitfiguren nackt darzustellen. Ich war nie ein Fan von Ihnen, aber Sie hatten immer meinen Respekt und Achtung. Natürlich habe ich Sie auch um Ihr Talent so gut und leicht schreiben zu können, beneidet. Deshalb bitte ich schon jetzt um Nachsicht, dass meine Sprache nicht so brillant, witzig und scharf ist, wie die Ihre. Ich hoffe dennoch, dass Sie meine Worte verstehen und mein Anliegen nicht verachten werden.

Ihr Essay in der letzten Ausgabe des Spiegels hat mich überrascht und enttäuscht. Ich habe eine solche zynische Einseitigkeit nicht erwartet, wobei mich weniger die Einseitigkeit als vielmehr der Zynismus gestört hat. Ich habe Sie offensichtlich falsch eingeschätzt, dass Sie immer die Partei der Schwachen und Verfolgten, die Partei der Opfer verteidigen. Sie haben sich jetzt auf die Seite von Ralph Giordano geschlagen, der darüber schreibt, dass in Deutschland ein Gespenst umgeht, das Gespenst des Antisemitismus, und damit nur billige und primitive Hetze betreibt. Auch Sie wollen uns jetzt Ihre Meinung aufdrängen, zu einem Konflikt, von dem Sie nicht nur den Weg zum Frieden nicht kennen, sondern von dem Sie offensichtlich auch sonst nicht viel wissen. Sie haben uns noch gefehlt in der Liste der vielen Politiker, Künstler und Autoren, die es gut meinen mit Israel, obwohl Israelis wie z. B. Uri Avnery oder Felicia Langer oder ihr Freund Amos Oz oft genug davor gewarnt haben, Israel mit besonderen Maßstäben zu messen. Die Überzeugung von der Allgegenwärtigkeit und Ewigkeit des Antisemitismus ist offensichtlich auch bei Ihnen, wie bei der ganzen zionistischen Bewegung, ein ideologischer Bestandteil ihres Denkens geworden.  Weiterlesen

Israel, a make-believe democracy

The occupation and the defense budget are the elephants in the room that no candidate, not even Livni and Herzog, will touch.

by Gideon Levy

Suddenly there is a possibility of changing the government in Israel, and the excitement is great. Indeed, the thought of a government led by Isaac Herzog and Tzipi Livni sets the imagination on fire: the end of anti-democratic legislation, a brief pause in the ongoing process of pushing aside Israeli Arabs, a breakwater to the waves of racism and ultranationalism, of persecution, incitement and division; the restoration of the High Court of Justice to its rightful place, the renewal of the peace talks, the weakening of the right-wing thugs in the Knesset, perhaps even the closure of the Holot immigrant detention center.

Something good seems to be in the air, a spirit of a different time, spreading hope. The wider world, too, will cheer and embrace the new Israel, in the event. Every proponent of democracy should rejoice at its approach.  Weiterlesen

Geschichte eines jüdischen Clowns

Am  27. Februar 1981 hat sich Henryk M. Broder mit einem Paukenschlag von seinen „linken Freunden“ durch einen ganzseitigen Artikel in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ verabschiedet. Er schrieb „meine mehr oder weniger lieben linken Freunde!“ Ob er allerdings selber je links war und ob er tatsächlich linke Freunde hatte, bleibt unklar und ist eher zweifelhaft. Sein Abschiedsbrief wird als ein Dokument des „Zorns und der Resignation“ vorgestellt und ist eher ein Dokument der Verzweiflung und Frustration. Darin wirft er allen Linken vor, sie blieben „die Kinder ihrer Eltern“ so sehr sie sich auch von ihnen distanzieren wollten. Als ob er nicht das Kind seiner Eltern sei. Erstaunlich ist auch, mit welcher Leichtigkeit er eine ganze Generation verurteilt.

Er beruft sich bei dieser gewaltigen Anklage auf zwei oder drei Fallbeispiele, die weder repräsentativ noch besonders überzeugend sind. Er wirft den Linken „Antisemitismus“ vor und benutzt schon damals dieselben Methoden wie heute. Kritik an Israel ist Antisemitismus und Zweifel an Auschwitz sowieso.

In seinem ersten Beispiel führt er eine junge, 30 Jahre alte Lehrerin vor, die wohl an derselben Gehirnwäsche litt, die sie von kommunistischen Gehirnwäschern bekam, an der heute junge zionistische Menschen leiden. Diese junge Lehrerin wagte zu behaupten, dass die KZs in erster Linie Arbeitslager waren, wo Rüstungsgüter billig hergestellt wurden und „erst gegen Ende des Krieges, als die Niederlage absehbar war, fingen die Nazis mit der Vernichtung der Juden an“. Ob das stimmt oder nur teilweise stimmt, ist doch vollkommen irrelevant. Aber aus demjenigen, der das behauptet, gleich einen Antisemiten zu machen, ist absurd und falsch. Und weiter beschuldigt Broder die junge Lehrerin, behauptet zu haben, dass „der Holocaust als zionistische Propaganda benutzt wird, um die Existenz des Staates Israel zu rechtfertigen“. Ist es etwa nicht wahr? Das behaupten heute auch viele Juden und Broder selbst hat es eine Zeitlang behauptet, als er seine These vom „Shoahbusiness“ aufstellte. Broder hat dafür sogar noch Geld bekommen, während die junge Frau von 1981 das aus purer Überzeugung sagte. Und was, wenn es falsch wäre? Dann hätte sie eine falsche Überzeugung gehabt. Und ist das gleich ein Verbrechen, dass man deshalb als Antisemitin diffamiert werden muss?   Weiterlesen

The ‚anti-terror‘ law: Israel outdoes itself, again

by Belen Fernandez

There is approximately one bright side to the current Israeli approach to the Palestinians – and it is that satirists will never want for inspiration.

Israel’s latest contribution to global absurdity is an “anti-terror” law proposed by Prime Minister Benjamin Netanyahu’s Likud party and targeting Palestinian citizens of Israel and residents of the West Bank and Jerusalem. If passed, it will criminaliseholding a Palestinian flag at demonstrations.

A host of other measures are also prescribed. According to the summary of the bill on Israel’s Ynetnews website, these include the following:

  • “Those killed during their attempt to conduct a terror attack will not receive a funeral” (their bodies will instead “be buried in an unknown location;”)
  • “Terrorists’ houses will be destroyed within 24-hours [sic] of the attack;”
  • “Families of terrorists will lose their citizenship and will be deported to Gaza should they express support for their relative’s deed.”

Ynetnews goes on to note that, in view of the bill’s drafters, terroristic “[s]upport… can be expressed through public or social media.”

A summary from The Washington Post additionally specifies that persons “convicted of throwing Molotov cocktails or fireworks” would also be eligible for deportation following completion of their prison sentence.  Weiterlesen

Why I Was Censored from Talking About Israel In Germany

by Max Blumenthal

I arrived in Germany formally invited by members of a political party to speak about my reporting during the Gaza war. I left the country branded an anti-Semite and an insane scofflaw. With machine-like efficiency, German media cast me and my Jewish Israeli journalist colleague, David Sheen, as violent Jew haters, never veering from the script written for them by a strange American neoconservative working for an organization subsidized by far-right-wing casino mogul Sheldon Adelson, nor bothering to ask either of us for comment. Slandered as anti-Semites, we sought to meet with the left-wing politician who felt compelled to engineer the campaign to suppress our speech: Die Linke party chairman Gregor Gysi.

When Gysi refused to speak to us, we followed him as he ran from his office. The videotaped incident ended at a door outside what turned out to be a bathroom, sparking a scandal known as “Toilettengate.” We had violated the unwritten rules of a dour political culture where conflict normally takes the form of carefully composed pronouncements delivered through proper bureaucratic channels. Thus we aroused the outrage of Deutschland, from left to right nimbly manipulated through a neoconservative ploy.  Weiterlesen

The German Left’s Palestine Problem

by Leandros Fischer

Die Linke’s position on Palestine has isolated it from the global solidarity movement and strengthened the party’s worst elements.

It was a truly bizarre scene, worthy of a Peter Sellers film: a man frantically running through the Bundestag’s lifeless corridors. Behind him, another man, David Sheen, accuses him of smears and putting his life in danger from Israeli right-wing thugs. The man is Gregor Gysi, head of the Left Party’s (Die Linke) parliamentary caucus. He walks to a bathroom and closes the door shouting to Sheen “Raus mit dir!” (“Out with you!”).

Annette Groth and Inge Höger, two Die Linke parliamentarians who were aboard the 2010 Free Gaza Flotilla, try to calm Sheen and his associate, Max Blumenthal.

What exactly happened?

It seems that Gysi went out of his way to cancel an event with Blumenthal and Sheen scheduled to take place at Die Linke’s premises in the Bundestag. Another party MP, Petra Pau, co-signed a letter along with a politician from the Green Party and a Social Democrat heading the main Israel lobbying organization in Germany, urging the Volksbühne Theatre to cancel an event with Blumenthal and Sheen scheduled for November 9.

The letter claimed Blumenthal and Sheen were a “one-sided duet” who compare Israel to Nazis, and who had the nerve to stage an anti-Israel event on the anniversary of Kristallnacht.  Weiterlesen

Die Ramelowisierung und Israelisierung der Linkspartei

von Ludwig Watzal

Spätestens zur Bundestagswahl 2017 wird sich die Linkspartei der deutschen Konsensdemokratie angepasst haben. Konkret bedeutet dies, dass sie sich, wie alle anderen Parteien, zur Kriegspartei mausert, ihre Europa- und Euro-kritische Haltung ad acta legt, ihren Widerstand gegen das verhängnisvolle Freihandelsabkommen zwischen dem US-Imperium und seinen EU-Vasallen aufgibt sowie den Sozialabbau (Hartz IV) an den sozial Marginalisierten der Gesellschaft gutheißt. Für die Regierungsbeteiligung wird sich diese Partei politisch prostituieren. Für ein solches „Regierungsprogramm“ wird der gerade gewählte thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow mit seinen roten und grünen Koalitionspartnern schon die politischem „Pflichten“ erfüllen; die Kür folgt 2017.

Dies ist aber nur der unwesentlichere Teil der politischen Mauserung dieser linken Partei. Die Linkspartei, um von den anderen Parteien akzeptiert zu werden, muss bis dahin Israel-kompatibel sein, das heißt, sie muss die Kriegsverbrechen (die beiden Massaker im Gaza-Streifen) sowie Menschrechts- und Völkerrechtsverstöße der israelischen Besatzungsmacht als im Sinne der deutschen Staatsräson liegend rationalisieren. Um diesen elitären Status zu erreichen, arbeiten die „Sayanims“ innerhalb der Partei schon unterirdisch. Das letzte schäbige Polit-Schauspiel hat der Fraktionsvorsitzende dieser Partei im Abgeordnetengebäude des Deutschen Bundestag aufgeführt, als einige mutige Mitglieder der Fraktion „Die Linke“ zwei jüdische Journalisten, einen US-amerikanischen und einen israelischen, zu Stellungnahmen und Vorträgen in Berlin eingeladen hatten. Was daraufhin ablief, war eine typisch deutsche Polit-Posse, und sie erinnert fatal an eine gute und alte deutsche Tradition.

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Jeder friedliebende Mensch sollte die derzeitige israelische Politik ächten und verurteilen

von Felicia Langer

Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit möchte ich meine Solidarität mit und Unterstützung der Genossinnen Inge Höger, Annette Groth und Heike Hänsel zum Ausdruck bringen. Meiner Meinung nach ist die Einladung der zwei Journalisten Max Blumenthal und David Sheen genau das, was die deutsche Öffentlichkeit dringend  benötigt: nämlich die Wahrheit über die Lage in Israel und Palästina zu erfahren. Mit Antisemitismus hat dies überhaupt nichts zu tun, vielmehr ist die Stellungnahme der beiden zugleich auch die Auffassung der israelischen Friedensbewegung.

Ich bin eine Jüdin, eine Israelin mit deutschem Pass und Holocaust-Überlebende. Mein Ehemann wurde in fünf unterschiedliche Nazi-Konzentrationslager verschleppt und hat seine gesamte Familie im Holocaust verloren. Auch Angehörige meiner Familie wurden in deutschen Konzentrationslagern getötet.

Frieden kann nur erreicht werden, wenn Druck auf Israel ausgeübt wird. Frieden wäre ein Segen nicht nur für Palästina, sondern auch für Israel. Das sagen auch unsere besten Töchter und Söhne sowohl in als auch außerhalb von Israel.

Die zwei Journalisten, die von den Abgeordneten Annette Groth und Inge Höger eingeladen worden sind, leisten genau wie andere einen wichtigen Beitrag zum Frieden. Deshalb sollte man sie hören und unterstützen anstatt sie zu boykottieren.

Jeder friedliebende Mensch sollte die derzeitige israelische Politik ächten und verurteilen, und zwar nicht stillschweigend, sondern in Wort und Tat. Dies wäre eine sehr wichtige Aufgabe für eine linke Partei.

Statt Abgeordnete wie Annette Groth, Heike Hänsel und Inge Höger öffentlich zu diffamieren, wie das viele Parteimitglieder derzeit tun, sollten sie in ihren Aktivitäten und in ihrem Engagement für Palästina und Israel von der Fraktion und von der Parteiführung unterstützt werden. Eine Partei, die für soziale Gerechtigkeit und für Menschenrechte kämpft, muss die gravierenden Menschenrechtsverletzungen der israelischen Regierung und der israelischen Streitkräfte laut verurteilen. Wenn sie dies nicht tut, so fällt sie den israelischen Staatsbürgern und den jüdischen Friedens- und Menschenrechtsaktivisten in den Rücken. Angesichts der äußerst aggressiven Stimmung gegenüber diesen Friedensaktivisten, gegenüber den Palästinensern und gegenüber linken Journalisten wie Gideon Levy, die sogar Morddrohungen erhalten, ist die Solidarität der LINKEN von großer Wichtigkeit. Über eine Antwort würde ich mich freuen.

Felicia Langer, Trägerin unter anderem des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse sowie des alternativen Nobelpreises

Die Redaktion von „Der Semit“ ist nicht darüber verwundert, dass Felicia Langer bis heute noch keine Antwort auf Ihren Brief erhalten hat.