Während der Glaube an Gott eine Privatangelegenheit ist, bestimmt der Glaube an ein auserwähltes Volk die Grundlinien der Politik, die das Verhalten Israels weitgehend erklären. Wenn Israelis sagen, dass sie das auserwählte Volk seien, offenbart das ihre Psychose.
von Gideon Levy
Ich würde mich gern mit Vertretern dieser absoluten, entscheidenden, arroganten und herablassenden Mehrheit treffen, die sich in einer kürzlich durchgeführten Haaretz-Umfrage widerspiegelt, und sie fragen: Ist das wirklich euer Ernst? Wie seid ihr darauf gekommen? … Seid ihr, die absolute Mehrheit, so sicher, dass wir die Auserwählten, die Besten, dass wir die Champions sind, allen anderen haushoch überlegen?
Wie seid ihr zu diesem Schluss gekommen? Ich möchte euch fragen, liebe Mehrheit: Auf welcher Grundlage seid ihr überzeugt, dass wir das auserwählte Volk sind, dass wir alles besser wissen als alle anderen Nationen, dass uns mehr zusteht als allen anderen, dass was für sie gilt, keineswegs für uns gilt, weil wir überlegen sind.
So reagierte eine Mehrheit der israelischen Juden in der in der vergangenen Woche veröffentlichten Haaretz-Dialog-Umfrage: Wir sind ein auserwähltes Volk. Eine Mehrheit von 56 Prozent ist sich dessen sicher. Das Ergebnis erhöht sich auf eine überwältigende Mehrheit von 79 Prozent unter denjenigen, die sich selbst als rechtsextrem bezeichnen. In einem Land, in dem 76 Prozent der Menschen an Gott oder eine andere höhere Macht glauben, ist das vielleicht nahe liegend. Aber während der Glaube an Gott eine Privatangelegenheit ist, bestimmt der Glaube an ein auserwähltes Volk die Grundlinien der Politik, die das Verhalten Israels weitgehend erklären. .
Wenden wir uns von der Theologie zur Pathologie. Die israelischen Juden, die denken, dass sie zu einem auserwählten Volk gehören, schulden sich selbst und anderen Rechenschaft. Es ist einfach zu erklären, dass Gott existiert oder nicht existiert. Niemand erwartet dafür Beweise, aber wenn die Mehrheit einer Nation überzeugt ist, dass sie allen anderen Nationen überlegen ist, ist sie beweispflichtig. Im Falle Israels ist es leicht nachzuweisen, dass es sich um einen Fall von Realitätsverweigerung handelt, eine gefährliche Illusion. Auf jeden Fall stellt ein Volk, das davon überzeugt ist, dass es auserwählt wurde, eine Gefahr für sich selbst und seine Umgebung dar.
Das jüdische Volk ist in der Tat etwas Besonderes, mit einer glorreichen und blutigen Geschichte. Israelische Juden haben gleichfalls Grund zum Stolz. Aber wenn sie sagen, dass sie das auserwählte Volk seien, offenbart das ihre Psychose. Es ist zweifelhaft, ob irgendeine andere Nation das heute von sich denkt. Auch israelische Juden haben dafür keinen Grund. In welcher Weise wurden wir auserwählt? In welcher Hinsicht sind wir besser? Und was soll der Schwede, der Franzose, der Amerikaner, der Brite oder der Araber von dieser unerträgliche Arroganz halten?
Es besteht keine Notwendigkeit, näher auf Israels fragwürdige Moral als Besatzer einzugehen. Jeder Israeli mit nur einem Minimum an Selbsterkenntnis muss zugeben, dass eine Besatzungsmacht nicht das auserwählte Volk sein kann. Auch bei einigen anderen Eigenschaften des Volks von Israel würde ein wenig Bescheidenheit nicht schaden, bevor es sich zum Licht für die Nationen krönt. Ich empfehle zum Beispiel, in Haaretz die umfassende, erschreckende Analyse des Bildungssystems des Landes von Dan Ben-David zu lesen, die nicht den notwendigen Aufschrei ausgelöst hat. Die Hälfte der Kinder Israels erhält eine Ausbildung wie in der Dritten Welt.
Auch würde ein wenig Bescheidenheit den Bürgern eines Staates gut anstehen, der in der Weltrangliste der Pressefreiheit 2018 hinter Togo und der Elfenbeinküste auf Platz 87 liegt. Auch die Nr. 32 im Korruptionswahrnehmungsindex 2017 von Transparency International ist kein Anlass zum Feiern. Die Gesundheitsversorgung ist ein weiterer Bereich, in dem das Selbstwertgefühl Israels gedämpft werden sollte: Bei den Gesundheitsausgaben belegt das Land unter den 36 Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den 28. Platz und bei der Zahl der Krankenhausbetten den 30. Platz.
Das Verhalten israelischer Touristen im Ausland passt auch nicht immer zu einem auserwählten Volk.
Vielleicht steht Israel im Index der U-Boot-Käufe in Deutschland ganz oben, und vielleicht ist das auch der Schlüssel zum Verständnis des Gefühls der Überlegenheit.
Das Sonnen in der Selbstverherrlichung ist in jüngster Zeit zu einem herausragenden Merkmal des israelischen Nationalcharakters geworden. Man lese einfach regelmäßig die israelische Hayom-Tageszeitung oder höre dem Premierminister zu: Wie großartig sind wir doch von früh bis spät.
Die Rechte verbreitet diese Lüge für ihre eigenen Zwecke. Der Populismus gedeiht nicht nur in Israel, aber nur hier ist die Kluft zwischen Traum und Realität so groß. Ein auserwähltes Volk? Wenn es doch endlich wie alle anderen Nationen wäre.
Zuerst erschienen hier.
Übersetzung aus dem Englischen: Jürgen Jung.
Sehr geehrter Herr Gideon Levy, vielen Dank für Ihren Beitrag im Besonderen für die Feststellung, dass sich 79% der Israelischen Juden sich selbst als „Herrenmenschen“ bezeichnen, sich so sehen und auch genauso handeln! Nicht die Engländer, Franzosen oder sonst wer ist darüber überhaupt „not amused“, nein im ganz Besonderen dürfte jeder Deutsche diese von Ihnen beschriebene Tatsache sehr irritieren und Ihn in seinen mühevoll über Jahrzehnte an Ihm betriebenen Indoktrination (Umerziehung) zutiefst verwirren! Wurde den Deutschen nicht über Jahrzehnte eingehämmert „Weil Ihr durch die Nazi Rassenlehre Euch selbst als Herrenmenschen (Arier) gesehen habt, waren die Verbrechen im sog. „dritten Reich“ überhaupt erst möglich!!!“ Nun Hochmut kommt vor dem Fall und deswegen werden 79% Israelis auch unweigerlich zur Rechenschaft gezogen werden ob Ihrer begangenen Verbrechen oder schlicht der Förderung solcher Straftaten durch bloßes hinwegsehen und damit überhaupt erst möglich zu machen! Glauben diese 79% tatsächlich so sakrosankt zu sein das man Ihnen nichts anhaben kann? Das unvermeidbare wird passieren und die von der Kabale gelenkten und gesteuerten Systeme werden weltweit zusammenbrechen und selbst der dümmste wird erkennen müssen das „Israelische Herrenmenschen“ eine reale und weltumfassende Gefahr für den Frieden und den Fortbestand der Menschen auf Erden bedeutet. Man betrachte nur einmal die real existierende Causa „Ringwurmkinder“ (Holocaust von Juden begangen an Kindern von eingewanderten Sefarden!) und den Kommentaren von Golda Meir, Menahem Begin etc. dazu. Es gibt nichts was verbalisierte grundsätzliche Menschenverachtung besser kennzeichnet als dieser unglaubliche tausendfache Mord, in Israel begangen, von Juden an Juden! Und es werden auch hier in Zionistan wieder „Andersgläubige“ politisch und zum Teil Strafrechtlich verfolgt, einschließlich frommer Juden (keine selbsternannten Herrenmenschen!). Das wird ein Ende haben und die „Herrenmenschen“ werden zur Verantwortung gezogen werden dessen bin ich mir absolut sicher.
Ich dachte bisher, in der Levante seien die Türken das Maß an Überheblichkeit. So kann mensch sich irren.
Sind wir froh, dass diese beiden Staaten keine gemeinsame Grenze haben!
Die Nachkommen der Söhne Abrahams, Ismael und Isaac, haben lt. Altem Testament einige Generationen lang untereinander geheiratet.
DNA Untersuchungen von Israelis und Palästinensern würden vermutlich bestätigen, dass sie viel eher gemeinsame Vorfahren haben als mit den in der Neuzeit aus Russland nach Israel auswandernden Juden.
Warum macht man anstelle von Glaubenssätzen und politischer Polemik nicht von den Möglichkeiten moderner Wissenschaft Gebrauch ?