Das Thema Antisemitismus klebt an den Deutschen wie eine Zecke am Hintern, die ihr Gift in die Blutbahn pumpt und den ganzen Organismus vergiftet. Da Antisemitismus politically incorrect ist und jeder Angst hat, damit in Berührung zu kommen, hat man einen Schutzmechanismus aufgebaut, der auf die einfache Formel gebracht werden kann: Wenn ich nicht Antisemit sein darf, dann werde ich eben Philosemit. Verdrängt wird die Tatsache, dass beides jeweils die andere Seite der gleichen Medaille sind, wie Ying und Yang, wie siamesische Zwillinge miteinander verbunden. Der eine braucht den anderen zum Überleben.
So ist es auch im Verhältnis zwischen Zionismus und Antisemitismus. Der Zionismus benötigt den Antisemitismus, damit dieser Juden nach Israel treibt, und der Antisemitismus braucht den Anti-Zionismus, um sich zu bestätigen. Ohne Antisemitismus würde es keinen Staat Israel geben, ja noch nicht einmal den Gedanken daran. Theodor Herzl, der Gründer der zionistischen Organisation hätte nicht vom Judenstaat geträumt, wenn ihn nicht der grassierende Antisemitismus in der französischen Gesellschaft, der mit dem Dreyfus-Prozess hochkam, daran erinnert hätte, dass er Jude ist.
Ohne den Antisemitismus wären Juden überall auf der Welt loyale Bürger der Staaten, in denen sie leben. Selbst mit Antisemitismus war das schon der Fall, und im ersten Weltkrieg zum Beispiel, kämpften Juden an allen Fronten: sie waren Franzosen, Deutsche, Engländer, Russen und Italiener, und viele von ihnen wurden mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Der Blutzoll der deutschen Juden war höher als ihr prozentualer Anteil an der Bevölkerung. Und unzählige Juden starben für ihre jeweilige Heimat. Und selbst heute leben mehr Juden außerhalb Israels, als in Israel selbst. Der Zionismus der israelischen Regierung versucht, sie alle zu vereinnahmen, aber viele reagieren mit ganzseitigen Anzeigen in den führenden Zeitungen der Welt: NOT IN OUR NAME.
Doch damals, in der guten alten Zeit, war Antisemitismus noch das, was er im Kern ist: Hass auf Juden, nur weil sie Juden waren. Man hasste die Juden und fühlte sich wohl dabei, denn es gehörte zum guten Ton, Antisemit zu sein. Manche kannten gar keine Juden und waren trotzdem antisemitisch und manche hassten die Juden gar nicht und waren es dennoch. Es gehörte zur guten deutschen Tradition, Juden zu hassen. Und manchmal nur, in dunklen Zeiten, war den Deutschen „wunderlich zu Muth, und sie färbten ihre liebefrommen Tätzchen mit jüdischem Blut“ (Heinrich Heine). Das geschah nicht jeden Tag, aber eines Tages wurde es zur Staatsdoktrin, und der Staat befahl, Juden zu hassen und schließlich zu vergasen und zu verbrennen.
Das lastet auf der deutschen Seele wie eine dunkle Wolke. Um diese Last hat sich inzwischen eine ganze Industrie etabliert: There is no buisness like Shoa buisness. Und es ging so weit, dass die Freundschaft mit dem Täter fester wurde und täglich zunahm, denn die Juden in Israel begannen, selbst zu rasen und wurden ihren Mördern immer ähnlicher.
Antisemitismus ist nicht mehr das, was er war und bleiben sollte. Heute ist es bereits Ausdruck von Antisemitismus, wenn ein Hotel in seinem Telefonverzeichnis die Vorwahl von Israel nicht angibt, und man ist erst Recht ein Antisemit, wenn man die Klage eines israelischen Studenten abweist, der unbedingt mit Katar-Airways fliegen wollte und diese sich weigerte, ihn mitzunehmen. Da gab es ein Dutzend Alternativen, aber der Israeli wollte unbedingt mit einer arabischen Linie fliegen, deren Staat Israel nicht anerkennt.
Und selbstverständlich ist man ein Antisemit, wenn man die weltweit anerkannte und erfolgreiche BDS-Kampagne als das sieht, was sie ist, nämlich eine zivilgesellschaftliche Bewegung zur Befreiung Palästinas. Da sind inzwischen viele in deutschen Ämtern und Redaktionen vor der israelischen Propaganda eingeknickt. Das geht so weit, dass in einem Antrag im Deutschen Bundestag, der am 18.1.2018 von allen vertretenen Parteien, bis auf die AfD, gestellt wurde, verlangt wird, „der weltweiten Bewegung ´Boycott, Divestment, Sanctions` entschlossen entgegenzutreten. Der Deutsche Bundestag verurteilt den Aufruf zum Boykott israelischer Geschäfte und Waren sowie die Aufbringung von ´Don´t Buy` Schildern auf Waren aus Israel aufs Schärfste.“ Dabei handelt es sich um die Absicht von Demonstranten, die Käufer darauf aufmerksam zu machen, dass es sich bei manchen Waren aus Israel um illegal aus den besetzten Gebieten importierte Ware handelt. Man müsste prüfen, inwieweit durch einen solchen Antrag der Bundesregierung Straftatbestände etwa der Nötigung oder Einschüchterung erfüllt sind.
Als ein israelischer Botschafter in den USA nach Beendigung seines Dienstes vom bekannten israelischen Journalisten Amos Elon gefragt wurde, was sein größter Erfolg während seiner Amtszeit gewesen sei, erwiderte er kurz und bündig: „Das es mir gelungen ist, die amerikanische Administration davon zu überzeugen, dass Antizionismus gleich Antisemitismus ist.“ Diese einfache und überzeugende Formel übernahm die israelische Propaganda und hat darauf mit gigantischen Mitteln ein ganzes Ministerium aufgebaut. Die ganze Welt sollte davon überzeugt werden, dass, wer Israel kritisiert, ein Antizionist und folglich ein Antisemit sei. Antizionisten zu stigmatisieren war nicht einfach, denn schließlich ist Zionismus ein Nationalismus, und warum sollte dieser, als besonders aggressiver, nicht – wie andere auch – kritisiert werden dürfen?
Seit man erkannte, dass der Antisemitismus-Vorwurf hervorragend zur Immunisierung Israels geeignet war, nahm die Zahl der Antisemiten rasant zu: Jakob Augstein, weil er Israels Politik kritisierte und Günter Grass, weil er ein Gedicht schrieb, das dem israelischen Botschafter in Deutschland nicht gefiel. Er hätte ihn wohl vorher fragen sollen. Und zu diesen gesellten sich Sigmar Gabriel, Peter Scholl-Latour, Wolfgang Gehrke, Norman Paech, Norbert Blüm, Christian Ströbele, Rupert Neudeck, Claus Kleber, Bodo Ramelow, Jürgen Todenhöfer, Jürgen Möllemann und etliche Juden wie Daniel J. Goldhagen, Daniel Barnboim, Avram Burg, Alfred Grosser, Hajo Meyer, Norman Finkelstein, Horst Berggruen, Moshe Zuckermann, Mosche Zimmermann, Uri Avnery, Gideon Levy, Avi Primor, Michael Degen. Dies ist nur eine kleine, willkürliche Auswahl aus der langen Liste jener, die von der zionistischen Lobby gebrandmarkt wurden, weil sie nicht das taten, was diese Lobby erwartete, nämlich ohne Wenn und Aber hinter Israel stehen und die Augen vor dem Unrecht verschließen, das dieses täglich begeht.
Doch dabei bleibt es nicht. Leute wie Zuckermann, Rolf Verleger und ich könnten es ertragen, wenn ein gewisser Herr Broder uns als Antisemiten oder gar jüdische Selbsthasser bezichtigt, wobei er gar nicht zu wissen scheint, was jüdischer Selbsthass ist. Wenn aber dieser „Hofjude außer Dienst“, wie er kürzlich von Cicero genannt wurde, oder „jüdischer Clown“, wie er sich selbst nannte, als Steigbügel derjenigen dient, die Verbote und Entzug der Redefreiheit fordern, dann ist die Grenze überschritten, die unsere Gesellschaft dulden darf. So zum Beispiel bei einer Urteilsbegründung einer Richterin des Landgerichts München, die offensichtlich von diesem Zeckengift schon durch und durch infiziert ist und jede Kritik an der Politik Israels als Antisemitismus stigmatisiert und sich dabei auch noch auf ein Urteil des OLG Frankfurt bezieht, in dem ein Richter entschieden hat, dass Henryk M. Broder mich mit Hitler vergleichen darf. Ich bin aber bereits ein Antisemit, nach Auffassung dieser Richterin, wenn ich einen Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums als „Blockwart“ bezeichne: „Damit stellt der Kläger (Melzer) unter der Verwendung eines nationalsozialistisch geprägten Begriffs die Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums als Personen dar, welche Propaganda für die israelische Regierung machen. Damit ist es durchaus gerechtfertigt, diese Äußerung als antisemitisch zu beurteilen.“ Ist es nicht die Aufgabe der Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums, Propaganda für ihre Regierung zu betreiben?
Und so finden sich auf 16 Seiten Urteilsbegründung Sätze wie: „Die Teilnahme des Klägers als Gastredner auf einer Veranstaltung „Palestinians in Europe Conference“ und seine dort gehaltene Rede lassen sich ebenfalls als antisemitisch beurteilen.“
Besonders peinlich, nicht für mich, ist die Wahrnehmung des Gerichts, die aber symptomatisch ist für die Situation im Land, dass ich rechtsradikale Frauen im Kabinet von Netanjahu als „Naziweiber“ bezeichnet habe. Das habe ich getan, nachdem die Justizministerin Regev in einem Interview gesagt hat, dass man verhindern müsse, dass palästinensische Frauen Kinder gebären, die später – wie Schlangen – „jüdische Kinder“ töten werden. Im Übrigen bekannte sie, in einem Fernsehinterview im November 2012, sie sei „glücklich, Faschistin zu sein“.
Das Gericht unterstellt, dass ich die Ministerin wegen ihrer Zugehörigkeit zur „Religion des Judentums“ angegriffen habe, und urteilt, dass diese Kritik als antisemitisch beurteilt werden darf. Es erinnert mich an den traurigen Witz, wo jemand einen anderen beleidigt: „Deine Schwester ist eine Hure“. „Ich habe aber keine Schwester“, erwidert der Beleidigte. „Macht nichts, sie ist trotzdem eine Hure.“
Das Grundgesetz garantiert allen die Meinungs- und Redefreiheit, und die Gemeindeordnung aller Bundesländer garantiert, dass städtische Räume an jeden vermietet werden müssen, der nicht gegen die Gesetze der Bundesrepublik verstößt. Trotzdem hat in den letzten Wochen und Monaten eine Reihe von Städten, von München, über Frankfurt bis Köln, beschlossen, BDS-Unterstützern keine Räume mehr zur Verfügung zu stellen. Wer BDS-Unterstützer ist, bestimmen sie selbst und zwar willkürlich. So wird mir in München ein Raum für eine Buchvorstellung verwehrt mit dem Argument, ich sei BDS-Aktivist. Ach so?! Wusste ich gar nicht.
Man will Israel vor Kritik schützen, und da scheint jedes Mittel recht, selbst die Verletzung des Grundgesetzes. Dabei bedarf Israel dieses Schutzes doch gar nicht, schließlich behauptet es doch immer wieder, dass es sich selber schützen könne.
Israel ist unsicher, nicht etwa wegen des kaum vorhandenen Antisemitismus, sondern wegen seines schlechten, aber verdrängten Gewissens. Israel weiß, was es den Palästinensern angetan hat und noch immer antut. Israel hat Angst vor Rache. Deshalb jammert man in Jerusalem permanent nach der „Legitimation“ Israels, weil man sehr genau weiß, dass der Staat illegitim entstanden ist. Da wurde in New York, auf der anderen Seite der Welt, über das Schicksal eines Volkes entschieden, das nichts zu tun hatte mit dem Verbrechen, für das es zu zahlen gezwungen wurde.
Kein Volk der Welt hätte zugestimmt, dass man ihm mehr als die Hälfte seines Landes nimmt. Warum hat Deutschland den Juden nicht Teile seines eigenen Staatsgebietes angeboten? Sie hätten es nicht angenommen. Die Vertreibung der Palästinenser war und bleibt ein Unrecht, und solange sich Israel damit nicht auseinandersetzt, wird der Nahost-Konflikt nicht gelöst werden.
In den letzten Wochen und Monaten hat fast jeder Tag eine Überraschung gebracht. Mal verlangte der Zentralratsvorsitzende eine Antisemitismusüberprüfung der aufgenommenen Flüchtlinge, mal wollte er sie alle in KZ-Gedenkstätten transportieren, damit sie sich mit dem Leid der Juden vor mehr als 80 Jahren befassen. Als ob das ihre größte Sorge wäre, wo sie sich doch mit dem gegenwärtigen Leid ihrer Familien auseinandersetzen müssen. Die Union wollte Judenhasser ausweisen: „Gegen importierten Antisemitismus müssen Prävention und alle Mittel der Repression bis hin zu den Möglichkeiten der Ausweisung konsequent genutzt werden.“ Und sie fragt, ob der Antisemitismus durch die humanitäre Aufnahme von Menschen aus dem „arabischen Kulturraum“ eine neue Facette erhalten hat habe. Dabei gab es im „arabischen Kulturkreis“ keinen dem europäischen vergleichbaren Antisemitismus. Im Gegenteil, während in Europa der Antisemitismus wütete, war es der arabische Kulturkreis, der Juden vor der spanischen Inquisition rettete. Aber jetzt will der Deutsche Bundestag sogar – man glaubt es kaum – „Beleidigungen gegen Israel“ strafrechtlich verfolgen!
Schließlich forderte Schuster die Ernennung eines Antisemitismusbeauftragten von der Bundesregierung. Auf die Frage nach seiner Aufgabe blieb Schuster die Antwort schuldig. Dabei ist doch klar: Der Antisemitismusbeauftragte soll jede Regung von Antisemitismus aufspüren und durch seine Behörde verfolgen lassen. Wer in Zukunft den Namen Netanjahu falsch buchstabiert, ist ein potenzieller Antisemit und wird bestraft sowie einer Schulung unterworfen. Einst nannte man es Entnazifizierung, heute könnte man es Antisemitismusaustreibung nennen, eine Art jüdischer Exorzismus.
Und das Land wird in Dunkelheit versinken. Es wird ein orwellscher Wind wehen und Spitzel und Denunzianten werden in die verstecktesten Rattenlöcher kriechen, um auch nach den letzten Antisemiten zu schnüffeln und sie vorzuführen. Es beginnt das Zeitalter der neuen Inquisition.
Lieber Abi,
Du hast mal wieder toll Klartext geredet – Danke!
Viele Grüße
Winfried
Hervorragender Artikel.
Ich empfehle, den ersten Satz zu streichen, weil Zecken kein Gift spritzen und niemanden vergiften können; Gift sollte als Metapher grundsätzlich geächtet werden.
Und ich empfehle, nicht selbst dem zionistischen Kampfbegriff „Israelkritik“ aufzusitzen, sondern immer dann, wenn man von den Herrschenden Israels und ihren Funktionseliten handelt, von Zionisten zu sprechen.
Beispiel: „Man will Israel vor Kritik schützen“ (Melzer): kritisiert wird doch in Wirklichkeit das zionistische Regime! Die zionistische Regierung Israels ist aber nicht Israel.
Ich dachte, „Israel“ sei ein Synonym für „zionistisches Regime“.
Werter Herr Melzer,
dass Deutsche einen sehr großen Bogen um das Thema „Juden“ machen, aufgrund des „rosa Elefanten“, der immer dabei ist, dürfte verständlich sein. Die Antisemitismus-Schnüffelei ist eine Spezialität von „Zionisten“ und „Antifaschisten“. Eine Reaktion der führenden Eliten in Deutschland, die sich als „Gegenentwurf zum Nationalsozialismus“ sehen, ist, die „jüdische Kultur“ in besonderer Weise zu loben, Preise und Institutionen nach „Juden“ zu benennen, „jüdischer Opfer“ in besonderer Weise zu gedenken, nun auch noch „Antisemitismusbeauftragte“ einzustellen und „Israelkritik“ auf das allernotwendigste Maß zu beschränken – nicht zuletzt um dem Vorwurf zu begegnen, „man“ dürfe Israel nicht kritisieren. Ob man all das „Philosemitismus“ nennen mag ist Geschmacksache, ich nenn das Opportunismus.
Im Opportunismus sind meine Landsleute bekanntlich außerordentlich geübt: nachdem das Christentum im Frankenreich durch Chlodwig zur Staatsreligion gemacht wurde schworen die Germanen den alten „Unholden“ ab und bekannten nun Christus als ihren neuen Herren; als der Protestantismus staatlicherseits durchgesetzt wurde, wurden ehemals „gut katholische Häuser“ zu Katholikenhassern und nachdem Hitler an die Macht kam, wurden aus 850 000 NSDAP-Mitgliedern über 7 Millionen – und nach dem verlorenen Krieg wurden Deutsche in Ost und West zunehmend zu bekennenden Antifaschisten und Nachkommen ehemaliger „Faschisten“ und „Antifaschisten“ suchen heute vor allem den „Führer“ an seiner Wiedergeburt zu hindern.
Mal sehen, was noch kommt. Altergemäß wird’ ich’s wohl leider nicht mehr erleben. Die Anpassungsfähigkeit eines zentraleuropäischen Volkes muss nun mal größer sein als das eines Inselvolkes oder einer Gemeinschaft, die „Mischehen“ ablehnt. Haben Sie also etwas Mitleid mit den Deutschen. Die Verhältnisse, die sind nun einmal so.
Ob sich nun Juden, die wieder in Deutschland leben, als „jüdische Deutsche“ oder als „deutsche Juden“ oder als „Juden“ oder als „Europäer“ fühlen, das sei jedem anheimgestellt. Den jüdischen Patriotismus für ihre europäischen Heimatländer, der einmal gewesen ist, den wird es ganz sicher nicht mehr geben. Wer überall nur noch „Antisemiten“ wittert, wird wohl am besten in Israel leben – oder gibt’s doch eine bessere Lösung? Z.B. die amalekitische Angst einmal ablegen und darauf vertrauen, dass doch nicht die ganze Welt gegen Juden ist, nur weil sie Juden sind, nicht einmal die als „Antisemiten“ erkannten Menschen. Doch das würde wiederum jene Grundmauern erschüttern, auf denen der Zionismus mit seinen Wahnideen aufgebaut ist.
Nachwort
Dass Nichtjuden eben solche erfolgreichen Spekulanten, Wucherer, Betrüger usw. sein können wie Juden, das hätten schon unsere alten „Antisemiten“ des 19. Jahrhunderts erkennen können, die in allem Ernst darauf hofften, eine besseres Deutschland zu schaffen, wenn es denn keine Juden mehr hier gäbe.
Wer seine kulturelle oder politische Identität über ein Feindbild herleitet, das seiner Gruppe in Friedenszeiten nach dem Leben trachtet, sollte sich vielleicht ein neues Feindbild suchen. Welch fatale Folgen „Pilgerfahrten nach Auschwitz“ haben können, hatte Iris Hefets in eindrucksvoller Weise beschrieben.
Was mögen jüdische Kinder empfinden die in eine Welt hineingeboren werden, in der beständig nach „Antisemiten“ Ausschau gehalten wird. Der „Antisemitismus“ klebt nicht den Deutschen am Hintern sondern in sehr viel tragischerem Ausmaß Juden – und Charlotte Knobloch ist nur eine unter vielen, die ihr Leben der Jagd nach „Antisemiten“ geweiht hat.
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