von Dorothee Doer und der AK-Frankfurt
In Frankfurt gibt es eine Übereinstimmung, die von der ganz rechten AfD bis zu Teilen der LINKEN und ÖkolinX reicht: kritischen JüdInnen darf der Mund verboten werden, wenn sie sich gegen die Politik des Staats Israel wenden. Begründung: Kampf gegen „Antisemitismus“.
So irrwitzig das klingt, so wahr ist es.
Im Juni versuchte Uwe Becker, Stadtrat aus der CDU-Fraktion, aus der noch vor wenigen Jahren Verständnis für den Antisemiten Martin Hohmann (heute AfD) zu hören war, einen Kongress zur Geschichte von 50 Jahren israelischer Besatzungspolitik zu verhindern.
Beckers fadenscheinige Begründung: auf dem Kongress könnte es zu positiven Bewertungen der internationalen Bewegung „Boycott, Divestment, Sanctions“ (BDS) kommen, die dazu aufruft, durch gewaltfreie Mittel Israel zur Beendigung der Besatzung zu bringen. Das ist für Becker ausdrücklich dasselbe, was der nazifaschistische „Kauft nicht bei Juden!“ – Boykottaufruf vom 1. April 1933 war.
Zwar scheiterte er damit vor Gericht, aber eine breite Front von Jutta Ditfurth bis Becker bezichtigte die Konferenzteilnehmer des „Antisemitismus“. Zu diesen Konferenzteilnehmern gehörten u.a. Moshe Zuckermann und Ilan Pappe, zwei der international renommiertesten jüdisch-israelischen Soziologen und Historiker. Ditfurth nennt auch sie ausdrücklich „Antisemiten“.
Wenige Tage zuvor hatten Studenten der Goethe-Universität, allen voran der AStAVorsitzende, einen Info-Stand der Gruppe Free Palestine FFM gestürmt und verwüstet, an dem vor allem deutsche und palästinensische Studentinnen und Studenten über die Konferenz informierten und dazu einluden.
AStA und Studierendenparlament bejubelten das und beschlossen, daß künftig jede positive Bezugnahme auf BDS am Campus bekämpft werde.
Darüber berichtete umgehend der dem US-Neocon Think-Tank „Foundation for Defence of Democracies“ angehörende Journalist Ben Weinthal, ein Mann, mit dem Jutta Ditfurth nachweislich Kontakt pflegt.
Noch mehr freute er sich, als der Frankfurter Magistrat Ende August beschloss, künftig keine städtischen Räume mehr an Gruppen und Personen zu vergeben, die über BDS aus Palästinasolidarischer Perspektive diskutieren wollen oder sonst wie etwas damit zu tun haben könnten, sowie, ihnen jegliche sonstige künftige Unterstützung zu entziehen. Dem stimmt die Stadtverordnetenversammlung vor wenigen Tagen zu.
Der erste, den diese Maulkorb-Politik treffen sollte, ist der bekannte jüdische Verleger und Autor Abraham Melzer. Die Lesung aus seinem neuen Buch „Die Antisemitenmacher“ hier und heute sollte unmöglich gemacht werden, indem die Saalbau-Verwaltung ihm kurzerhand den Raum entzog – einen Raum in dem Gebäude, das für die Durchführung des Auschwitzprozesses erbaut worden war.
Eine deutsche Verwaltung verbietet einem kritischen jüdischen Autoren den Raum im Gebäude des ehemaligen Auschwitzprozesses, weil dessen Kritik nicht in die deutsche Staatsräson passt.
Wer sich in Frankfurt auskennt, weiß, wie oft in den vergangenen Jahren die Forderung nach dem Verbot von Naziaufmärschen mit dem Verweis auf „Meinungsfreiheit“ zurückgewiesen wurde, besonders höhnisch vom damaligen Sicherheitsdezernenten Boris Rhein im Juli 2007: gerade aufgrund der Erfahrung des „Nationalsozialismus“ sei es wegen des Schutzes des hohen Guts der Meinungsfreiheit heute leider nicht möglich, einen Naziaufmarsch durch Frankfurt zu verbieten – und dies, obwohl in dessen Aufruf klar antisemitische Losungen enthalten waren.
Auf diese Meinungsfreiheit können sich Personen wie Abraham Melzer anscheinend nicht berufen, gegen sie kann der derselbe Magistrat ganz schnell mit einem Maulkorb kommen, und begründet das wie zum Hohn auch noch mit dem Kampf gegen „Antisemitismus“.
Kritische Stimmen in der Diskussion um den Nahostkonflikt sind gerade, wenn sie von JüdInnen kommen, unerwünscht und werden massiv unterdrückt. Dass kritische JüdInnen sich gegen die Vereinnahmung durch den „jüdischen Staat“ Israel wehren und den Unterschied zwischen Menschen jüdischer Herkunft / jüdischen Glaubens und dem Israelischen Staat, zwischen Antisemitismus und Antizionismus aufzeigen, macht sowohl den Zionisten, als auch den Antisemiten einen Strich durch die Rechnung.
Abraham Melzer, Moshe Zuckermann, Ilan Pappe und alle anderen JüdInnen haben das Recht, den Staat zu kritisieren, der mit der Begründung, sie vor Antisemitismus zu schützen, Menschenrechtsverbrechen begeht. Dieses Recht gilt es nun gegen den Magistrat der Stadt Frankfurt, den AStA der Goethe-Universität und alle anderen zu verteidigen, die ihnen dieses Recht absprechen wollen.
Die Frankfurter Zivilgesellschaft ist aufgerufen, zu diesen Vorgängen Position zu ergreifen und sich derartigen antidemokratischen Machenschaften entgegenzustellen.
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PRESSEERKLÄRUNG
Anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an die kanadische Autorin MARGRET ATWOOD in der Frankfurter Paulskirche setzten Aktive vor dem Eingang ein Zeichen für die Meinungsfreiheit in der Stadt.
Hintergrund hierfür ist : Israelkritik soll unter dem Vorwand, des Antisemitismus – auch in Frankfurt – verhindert werden. Angestoßen wurde dies durch Magistratsvorlage M 165 auf Initiative von Bürgermeister Uwe Becker ( stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Frankfurt ). Die Magistratsvorlage soll die Vergabe von städtischen Räumen für „antisemitische“ ( in Wahrheit : israelkritische ) Veranstaltungen unterbinden. Ein modifizierter Beschluss der Stadtverordneten erging am 28.9.17.
Aktive vor Ort protestierten mit einem akustischen FLASHMOB und verteilten ein Flugblatt „Die Freiheit der Kritik verteidigen! … gegen die Instrumentalisierung des Antisemitismusbegriffs“ . An LUDWIG BÖRNE, den jüdischen Journalisten des 19. Jahrhunderts erinnerte visuell ein Schild mit der Botschaft :
„HILF UNS, BÖRNE ! FRANKFURTER MAGISTRAT
BESCHNEIDET DIE MEINUNGSFREIHEIT“.
Aktive nahmen #FReeTheWords /“ FÜR DAS WORT UND DIE FREIHEIT“ beim Wort.
Congratulations to Margret Atwood!
Paulskirche Frankfurt, 15.10.17
Dorothee Roer Engelbert Saggel Renate Windelband
Kontakt: d.roer@gmx.de
Beschluss Stadtparlament vom 28.9.17 zu M 165 (auffindbar über Stichwort „BDS“)
Direkt zu dem Beschluß zur Magistratsvorlage M_165:
https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?W=DOK_NAME=%27M_165_2017%27
Jutta Ditfurth sollte man nicht so ernst nehmen auch wenn sie zur Standard-Kulissenausstattung abgekarteter Talg-Shows in den ÖR gehört. Zu ihrer herausragendsten Leistungen gehören sicherlich ihre beiden Abtreibungen als Ergebnis „eines lustvollem, knapp zwanzigjährigem Geschlechtsleben.“
Sehr geehrter Karl K.,
an Ihrer fundiert-kritischen Stellungnahme zu Positionen von Jutta Ditfurth
wäre ich interessiert, nicht jedoch an dieser geschmacklosen bis beleidigenden
Einlassung, die Sie hier tätigen.
Werte Frau Plass!
Da Frau Ditfurth keinerlei Scheu davor hat, Menschen des Antisemitismus zu zeihen, also letztendlich eine latente Tötungsabsicht oder eine Beihilfe zu einer solchen zu unterstellen, fehlt es mir an Scheu, Frau Ditfurth an eines ihrer bekannten Zitate zu erinnern um zu sagen, dass nicht alle ihre Gedanken diskurswürdig sind.
Der Vorwurf des Antisemitismus ist nun einmal untrennbar mit Hitler und dem Holocaust verbunden. Der Antisemitismusvorwurf ist in den allermeisten Fällen kein ernstzunehmender Diskursbeitrag sonder eine Perfidie! Dazu gehören auch die Vorwürfe gegen Herr Melzer. Insofern erübrigt sich eine „fundiert-kritische Stellungnahme zu Positionen von Jutta Ditfurth“ bezüglich ihrer wohlfeilen Antisemitismusvorwürfe.
Hinsichtlich der perfiden Instrumentalisierung des Antisemitismus-Begriffs (auch v. J.Ditfurth) stimme ich mit Ihnen ja überein.
Mein Anliegen war, darauf hinzuweisen, dass man sich in dieser Debatte nicht auf Frau Ditfurths Beleidigungs-Niveau begibt.
Gehört nicht auf einen groben Klotz ein grober Keil?
Empfehle „gewaltfreie Kommunikation“ 😉
Ich halte es für real existirenden deutschen Antisemitismus, wenn christlich-demokratische „arísche“ Kommunalpolitiker es Juden aus Israel verbieten, sich in Frankfurt dafür einzusetzen, daß ihr Staat den ebenfalls semitischen Bewohnern der seit 1967 besetzten Gebiete volle Menschenrechte gewährt. Bekanntlich stammen nach der alttestamentlichen Legende Juden und Araber von Noahs Sohn Sem ab. Weil echte Argumente gegen die Kritiker fehlen, werden sie pauschal verleumdet.
Ich denke, dass dies kein Antisemitismus ist, es ist schlicht Angst vor der Lobby, als Antisemiten denunziert zu werden.
Ich würde das A-Wort gern einmal für ein paar Tage aus dem Wortschatz der Menschheit verbannt wissen. Jeder hantiert damit herum wie spielende Kinder mit Cola-Dosen; je lauter es scheppert desto größer der Spaß. Angesichts der tatsächlichen Opfer des europäischen Antisemitismus einfach nur perfide.