von Eurich Lobenstein
Was in der Praxis als Irrsinn erscheint, kann in der Theorie ganz korrekt nach den Denkgesetzen entwickelt worden sein. Die Römer kannten die Formel:
summa jus summa injuria;
Das theoretisch optimale Recht kann praktisch größtes Unrecht bedeuten. 1. Einen entsprechenden Satz habe ich im Talmud nicht gefunden; das kann an mir liegen, aber der Rabbiner Meir Kahane wird auch nichts gefunden haben. Das ist nicht einmal so unwahrscheinlich: denn das höchste Recht liegt theoretisch in Gott selbst und würde sich dann in grausames Unrecht für die Menschen verkehren. Folglich kann man auf diese „hellenistische“ Art nicht diskutieren. Meir Kahane hat aus dieser Logik heraus bereits seine Feindseligkeit gegen den „Hellenismus“ entwickeln müssen. Man kann an seinem Beispiel (Gott sei seiner Seele gnädig) nachvollziehen, wohin der geistige Genuss von fixen Doktrinen führt. Das macht die Gedanken dieses intelligenten Mannes posthum interessant.
Hinzu kommen noch zwei Probleme; das eine liegt im denkenden Individuum selbst. Es sind die Grenzbereiche geistiger Gesundheit (vgl. Oswald Bumke, Die Grenzen geistiger Gesundheit von 1929), innerhalb denen sich Menschen mit „überwertigen Ideen“ bewegen. An solcher „Geistesverschnupfung“ – von „Krankheit“ möchte ich insoweit nicht sprechen und der Begriff „Borderline“ meint bereits den Grenzbereich zwischen Neurose und Paranoia – leiden (z.B.) viele Juristen, die ganz konkrete menschliche Verhaltensweisen leidenschaftlicher bekämpfen als andere, bei denen sie Milde kennen. Theologen und andere Angehörige geisteswissenschaftlicher Berufe haben wegen vorgefasster Ideen überhaupt das konkrete Fachstudium aufgenommen. Irgendwoher haben sie eine Allergie, die ihr Verhalten beeinflusst.
Oft offenbart sich die geistige Allergie erst gelegentlich eines Eklats. Zu einem solchen kam es, als ein Dr. Baruch Goldstein mit seinem Sturmgewehr 29 betende Moslems erschoss und 150 verletzte. Man rechnet ihn gedanklich der Gefolgschaft von Meir Kahane zu, der die Partei „Kach“ gegründet hatte. Dr. Baruch Goldstein hat die Ideologie, so wie er sie verstanden hatte, individuell umgesetzt. Es kamen auch Leute, die Goldstein einen Grabstein setzten.
Die Ideologie von Kach wird bei WIKIPEDIA breit beschrieben; ich ersetze allerdings das Wort „zionistisch“ durch „para-zionistisch“, weil Zionismus von religiös geprägten Menschen als materialistisch und gottlos verworfen wird. Kahane war aber ausgeprägt religiös und kann daher nicht zionistisch im gewöhnlichen Sinn gewesen sein. „Jüdisch-fundamentalistisch“, wie WIKIPEDIA schreibt, und simultan sich die Aufgabe des erwarteten Messias anzumaßen, wäre ein Widerspruch in sich. Kahane muss daher eine Art Zeitreise in die Vergangenheit unternommen haben, mindestens zurück in die Zeit des Kaisers Vespasian, wenn nicht in die der Makkabäer. Er war entweder zeitlich desorientiert oder beging einen Gedankenfehler.
Mit der Ermordung Kahanes sind seine Gedankenfehler nicht verschwunden. Am 31.1.2020 speiste ein Mensch in Lederjacke im Berliner Lokal „Mama“ am Brandenburger Tor, der auf dem Rücken den deutschen Hoheitsadler der Nazizeit aufgestickt hatte, in dessen Eichenkranz er den Davidstern anstelle eines Swastika gesetzt hatte. Das Symbol sollte JDL (Jewish Defense League) darstellen. Das FBI bezeichnete die Organisation in seinem Terrorismus-Report 2000/2001 als „gewalttätige, extremistische jüdische Organisation“ und brachte die JDL-Führung mit einem vereitelten Terroranschlag in Verbindung. FBI-Statistiken zeigen, dass es im Zeitraum von 1980 bis 1985 18 von Juden begangene Terroranschläge in den USA gegeben hat und 15 davon von JDL-Mitgliedern verübt worden waren.
Die JDL wird von der antirassistischen Organisation Southern Poverty Law Center überwacht. Für unsere vertrottelte Bundeskanzlerin Angela Merkel ist diese Liga eher ein Faktor „jüdischen Lebens“.
2. Merkels jüdisches Leben kommt allerdings auch nicht ganz ohne „Nazis“ aus. Ähnlich wie diese hatte Kahane das Problem, „den Juden“ zu definieren und er übernahm das religiöse Postulat „Abstammung von jüdischer Mutter“.
Eigentlich reicht die bloße Abstammung von einer mütterlichen Großmutter nicht. Außerdem kann man diese auch nicht endlos zurückverfolgen. Zwar kann man wegen des seit dem Mittelalter bestehenden Verbots einer jüdisch-religiösen Missionstätigkeit unterstellen, daß die Mitglieder der Religionsgesellschaft eine breite jüdische Aszendenz haben, aber man kann trotzdem nicht ausschließen, daß ein nicht unbedeutender Teil dieser Aszendenten durch Mission gewonnen worden oder durch Heiraten dazu gekommen sind: Georg und Friedrich Rosen behaupten, die Karthager und Phönizier des westlichen Mittelmeers seien von den Pharisäern für das Judentum gewonnen worden und Berichte über ein jüdisches Reich der Chasaren weist auf eine ganz unsemitische Aszendenz hin, was allerdings aschkenasische Juden nicht gerne hören. Wenn Kach trotzdem ganz auf „Abstammung“ setzt ohne eine „zionistische“ Mission zuzulassen, dann haben wir eine Radikalisierung, die mit den Vorstellungen des wirklich zionistischen Israels nicht konform geht.
Kahane bzw. Kach bestehen auch auf einem Verbot des Geschlechtsverkehrs zwischen Juden und Nichtjuden. Bei den Deutschen hieß dies „Rassenschande“ (5 Jahre Zuchthaus); Kahane meint vielleicht „Religionsschande“, weil das Problem in der Bibel im Buch „Ezra“ dargestellt wird. Trotz eines Vergleichsverbots seitens der IHRA und der Bundesregierung wird man es hier riskieren können, einen Vergleich zu ziehen.
Zurück zu WIKIPEDIA:
Kach verfolgte seinen para-zionistischen Nationalismus simultan mit einem jüdisch-religiösen Fundamentalismus. Kahane wollte das weltliche System Israels durch eine jüdische Theokratie ersetzen. Die Juden Israels sollten streng nach den halachischen Gesetzen (Teil des Talmuds) leben. Eine „jüdische Demokratie“ mit nichtjüdischen Wahlberechtigten widerspreche sich selbst. Praktisch forderte Kach die Vertreibung der Palästinenser aus Israel und den besetzten Gebieten
Seine Gegner definierte Kahane als Hellenisten, worunter er eine Einstellung verstand, die er als gottlos und unjüdisch ablehnte. Er sah den Widerspruch zwischen dem Judentum und der westlich-demokratischen Orientierung schon bei den israelischen Staatsgründern. Beliebt war Kahane vor allem bei der ärmeren jüdischen Bevölkerung, bei Siedlern in den besetzten Gebieten und unter jungen Wählern. Umfragen ergaben, dass Kach 10 % hätte erreichen und drittstärkste Kraft in Israel hätte werden können.
Weder das amtliche Israel noch 90% der Juden wollten in der Praxis soweit der Theorie folgen wie Kahane es sich ausgedacht hatte. Kahane wurde in der Knesset boykottiert und seine Partei für illegal erklärt. Warum die ärmeren Juden Israels ihn gewählt hätten, kann man mit Eduard Meyer (1855-1930) abschätzen. Er beschreibt in seiner „Geschichte der Mormonen“ den typischen Aufstieg von Offenbarungsreligionen. Meyer ist eigentlich Althistoriker und die Mormonen stellen eine neue Offenbarungsreligion im Amerika dar, die in den 1820er Jahre ihren Anfang genommen hatte. Deren Geschichte lohnt sich deswegen zu studieren, weil diese in unseren Zeiten gut dokumentiert abgelaufen ist und sie die Ereignisse aufweist, die durch Analogie („Vergleich“) auf die Geschichte des Islam und anderer solcher Bewegungen übertragen werden dürfen. Der Mormonengründer Josef Smith jun. lässt sich also mit Mohammed abgleichen, mit Jesus selbst und wahrscheinlich auch mit Moses. Der religiöse Parazionismus Kahanes hätte also durchaus auch zu einer jüdischen Hedschra und zur Gründung einer jüdischen Salzseestadt auf arabischem Territorium führen können. Im Sinne Eduard Meyers ist es also wert, Meir Kahane und die Kach-Bewegung wie die Mormonen aus religionswissenschaftlichen Gründen im Auge zu behalten. Mohammeds Werk wurde nach seinem Tod von seinen Kalifen fortgeführt, Josef Smith Werks wurde nach dessen gewaltsamen Ende (1844) von Brigham Young weitergetrieben und auch Meir Kahane wird noch seinen begnadeten Kalifen bekommen können.
Gegen eine solche Entwicklung kann keine Nation Vorsorge treffen; bei den Katholiken heißt es „der (Hl.) Geist wehe wo er will“.
Nach der ersten Jahrtausendwende blühten überall in Europa religiöse Bewegungen auf, die teils ausgerottet wurden (Katharer, Waldenser, französische Protestanten), zum Teil sich aber sich der päpstlichen Autorität unterwarfen und in festen Ordensregeln (Franziskaner, Dominikaner) lebten. Es ist ein historisches Verdienst der katholischen Kirche, Religiöse von der Welt der Laien zu trennen gewusst zu haben; von den Klöstern aus bemühten sich die Mönche um das Seelenheil der Laien, die ihrem normalen und beichte bedürftigen Leben weiter nachgehen konnten oder andernfalls ins Kloster eintreten mussten. Hier liegt der große Fehler der Protestanten, die die Klöster aufhoben und jeden Laien mit Gewissensqualen leben ließen, ohne ihn von den Sünden durch Ablass aller Art befreien zu können. Auch der Moslem lebt unter ständig gefühlter Aufsicht seines Schöpfers. Wie ist dies beim Juden? Hier haben wir eine Art „Abstimmung mit den Füßen“ (Lenin); jeder zweite Jude läuft den Rabbinern fort und geht in die allgemeine Gesellschaft der Laien ein.
Natürlich glauben heute auch Abkömmlinge von 4 katholischen Großelternteilen nicht mehr an die Wirksamkeit von Beichte und Kommunion; 10% der deutschen Katholiken sollen noch den sonntäglichen Gottesdienst besuchen. Bei den Juden spricht man von einem vorherrschenden Drei-Tage-Judentum, wobei offen ist, ob mit den drei Tagen die drei höchsten Festtage oder überhaupt nur Beschneidung, Hochzeit und Bestattung gemeint seien. Aber ähnlich wie etwa parallel zur Religionsgesellschaft ein politischer Christianismus entsteht (CDU in Deutschland), entsteht bei „den Juden“ ein politisches Judentum. Das sind „normal“ die Zionisten.
Aber wie sich in der christlichen Welt Mormonen von den Fleischtöpfen Vermonts haben absondern können, bilden sich auch bei den Juden mormonenartige, parazionistische Gruppen, die Israel neu erfinden wollen.
Wahrscheinlich musste dem Kahane kein Engel Gabriel erscheinen, weil Kahanes starker Verstand es ihm erlaubte, die Lehren von Tora und Talmud selbst zu destillieren und aus dem Destillat einen höherprozentigen Codex des jüdischen Wesens seinen Anhängern vorzusetzen. Hellenistische Ansätze im jüdischen Denken, die schon früher immer wieder bei den großen jüdischen Philosophen der iberischen Halbinsel und Südfrankreichs kritisiert worden waren (z.B. Moses Narboni), können helfen, die Unlogik kahanistischer Mormonerie zu erkennen.
Zur Erinnerung: Der große RaMBaM zog sich in das liberalere Ägypten zurück; er verfasste „den Führer der Verirrten“. Seine hellenistische Wegweisung hilft jungen Idealisten, einen mormonistischen Irrweg zu meiden.
Bisher habe ich aus den Gastbeiträgen von Herrn Lobenstein ein sehr fundiertes, intellektuelles Wissen vermittelt bekommen. Viele Sachverhalte wurden rückverfolgt und könnten von mir, aus meiner persönlichen Sicht sehr hilfreich verwendet werden.
Es zeigt sich jedoch häufig eine Begrenzung hin zum waren Ursprung, oder die Geschichte hat ein Ende – ohne Erklärung.
Um es kurz zu machen – ich möchte ein Buch empfehlen.
Eigentlich möchte ich damit den scharfen Geist von Herrn Lobenstein etwas neues und spannendes vorlegen, ausser Herr Lobenstein kennt es schon.
Viele Dinge sind nicht rational zu erklären.
Die Reise der Seele.
https://www.santmat-diewahrheit.de/files/allgemein-content/schriften/pdf/buecher/reise-der-seele.pdf