KoPI – eine antidemokratische Vorverurteilung

Ich war am Samstag, den 24. Februar 2018 Zeuge einer kafkaesken Teufelsaustreibung bei KoPI. Es wurde über mich debattiert und ich wurde verurteilt, ohne, dass ich etwas zu meiner Verteidigung vorbringen konnte und durfte, was jedem Beschuldigten bei deutschen Gerichten (und auch anderswo) nicht nur zusteht, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben ist. Ich wurde in Abwesenheit verurteilt, was in der Regel in autoritären Regimen passiert. Ich durfte dazu nichts sagen und wäre dazu auch gar nicht in der Lage gewesen, da ich ja nicht wusste, weswegen man mich abgelehnt hat. Die lupenreinen Demokraten vom KoPI-Sprecherkreis haben alles getan, um es zu verhindern.

Inzwischen habe ich erfahren, was der Grund war. Eigentlich ein rein formaler, und darüber hätte man mit mir offen sprechen können, so wie im folgenden Brief des Sprecherkreises an mich vorgeschlagen. Ich war vorbereitet, ihnen eine Erklärung abzugeben und war auch bereit, den Namen meines „Vereins“ (SEMIT – die andere jüdische Stimme), den ich ihn schon seit immerhin 30 Jahren führe, zu ändern, damit keine Verwechselungsgefahr besteht. Aber offensichtlich war das nur ein vorgeschobener Grund. In Wirklichkeit ging es um etwas ganz anderes. Da ich aber nicht an den Diskussionen teilnehmen konnte, weiß ich immer noch nicht genau, worum. 

Aber vielleicht waren die Abschiedsworte die ich vernehmen durfte, als ich den Saal verließ, der wahre Grund. Matthias Jocheim rief mir zu, dass man die Jüdische Stimme für gerechten Frieden als jüdischen Verein dabei habe, und das müsse reichen. Zu viele Juden in einem Verein, der sich um die Freiheit und Würde der Palästinenser kümmert, sind wohl nicht erwünscht.

Nachdem ich den Antrag auf Aufnahme gestellt hatte, schrieb KoPI mir: „Die MV hat sich mit deinem Antrag auf Mitgliedschaft der Gruppe „Semit – die andere jüdische Stimme“ beschäftigt. Nach kurzer Diskussion wurde mit Mehrheit der Anwesenden die Entscheidung zur Aufnahme auf die nächste MV vertagt. Die anwesenden Vertreter/innen der Mitgliedsgruppen haben mehrheitlich Fragen zu den weiteren Mitgliedern deiner Gruppe und zur Namenswahl gestellt. Es wurde allgemein vorgeschlagen, vor einer Entscheidung zu deinem Antrag auf Mitgliedschaft, mit dir zu sprechen.“ Ich hatte den Eindruck, dass es sich nur um eine Formalie handelt, dabei hatte der Sprecherkreis die Entscheidung schon getroffen, bevor die Sitzung überhaupt stattfand

Ich wüsste auch nicht, was man mir vorwerfen könnte. Etwa dass ich Israels Politik gnadenlos kritisiere? Oder weil ich die Antisemitismus-Hysterie in unserem Land in meinem Buch DIE ANTISEMITENMACHER klar und verständlich anprangere? Ich habe damit jedenfalls schon heute mehr Menschen erreicht, als KoPI sich je erträumen kann. Arn Strohmeyer schreibt: „Abraham Melzer, Urgestein der deutsch-jüdischen Nachkriegsgeschichte, nimmt seit jeher kein Blatt vor den Mund, wenn es beispielsweise darum geht, das Land, in dem er aufgewachsen ist und das er bis heute liebt, für seine völkerrechtswidrige und teilweise menschenverachtende Politik in den besetzten Gebieten anzugehen.“

Das Verhalten KoPIs zeugt aber auch vom Verfall der Sitten und der Moral, der inzwischen viele westliche Demokratien erreicht hat und offensichtlich auch vermeintlich demokratische Gruppierungen. Warum hat der Sprecherkreis die anwesenden Mitglieder beschworen, über das, was dort gesprochen wurde, den Mantel des Schweigens zu hüllen. Ich hatte nichts zu verbergen. Der Sprecher des Sprecherkreises, Marius Stark, hat offensichtlich schon geahnt, dass man etwas plant, was absolut antidemokratisch und schändlich ist. Sonst hätte er wohl die Anwesenden nicht um „absolutes Stillschweigen“ gebeten, wo er doch sonst interessiert ist, dass man KoPI-Entscheidungen möglichst weit verbreitet. Es war kein Ruhmestag in der Geschichte von KoPI.

Bei einem Gespräch mit meiner Freundin Felicia Langer hat diese mich davon überzeugt, den Skandal öffentlich zu machen.

Als mich der Sprecher aufforderte, den Saal zu verlassen, gab es ein leises Murren, und drei Mitglieder haben sich sogar mit mir solidarisiert und erklärt, dass sie ebenfalls den Saal verlassen würden, wenn ein solcher Beschluss fällt. Das war für den Sprecherkreis eine Ohrfeige, zumal die Abstimmung ergeben hat, dass nur eine Minderheit meinen Ausschluss befürwortet hat. Man konnte die Frustration nicht verbergen. Aber statt das Ergebnis zu akzeptieren, beschloss der Sprecherkreis bzw. eigentlich einzig und allein Mathias Jochheim, der „Held der Mavi Marmara“, noch einmal abzustimmen. Und oh Wunder! Wie bei der neutestamentarischen, wundersamen Brotvermehrung waren aus 5 Stimmen gegen mich plötzlich 13 geworden. Sowas kennt man ansonsten nur aus dem türkischen oder polnischen Parlament, wo autoritäre Präsidenten bestimmen, wo es langgeht.

Die Freiheit und Gerechtigkeit liebenden Mitglieder von KoPI haben anscheinend vergessen, dass Freiheit und Gerechtigkeit auch etwas mit Respekt vor Andersdenkenden zu tun haben. Die Möchtegern-Demokraten, die nie vergessen, Rosa Luxemburg zu zitieren, wenn sie Israel kritisieren, haben plötzlich vergessen, wer und was sie sind und ließen sich im Handumdrehen manipulieren. Typisch deutsch könnte man sagen, sich vor Autoritäten, auch wenn sie höchst fragwürdig sind, zu bücken. So wie Heinrich Manns „Untertan“

Ich habe bei diesem KoPI-Kreis lange ausgehalten, weil man als Einzelner vor der hohen Wand des Lobby-Widerstandes ab und zu Unterstützung nötig hat. Immerhin bin ich schon seit beinahe 10 Jahren dabei. Und ich habe oft gar nicht wissen wollen, warum der ein oder andere dabei ist. Philosemitismus oder Antisemitismus treiben mich schon lange um. Ich hatte den Antrag gestellt, Mitglied bei KoPI zu werden, da ich für meine Tätigkeit Unterstützung brauche und geglaubt habe, diese bei KoPI zu finden. Weit gefehlt. Es hat sich am Ende herausgestellt, dass ich bei solchen Freunden keine Feinde brauche.

Mich akzeptieren sie nicht, weil laut Satzung eine Einzelperson nicht Mitglied werden kann. Dabei wissen sie, dass ich keine „Einzelperson“ bin, sondern eine seit Jahren bekannte Institution. Schon vor 30 Jahren habe ich die Zeitschrift „SEMIT – die andere jüdische Stimme“ gegründet. Das war immerhin 20 Jahre, bevor die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Berlin gegründet wurde. Und ich führe immer noch einen Blog mit Namen SEMIT – die andere jüdische Stimme und erreiche damit womöglich mehr Menschen, als alle KoPI-Gruppen zusammen haben. Ich stehe mit vielen in Mail-Kontakt.

Man beriet, ob man meinem Antrag zustimmen soll, aber ich durfte nicht anwesend sein, weil solche Pseudodemokraten lieber über andere als mit ihnen reden. Es erinnert mich an Henryk Broder, der auch grundsätzlich ablehnt, mit mir zu debattieren, aber sehr gerne über mich schreibt und mich sogar mit Hitler vergleicht. Bei KoPI hat mich noch keiner mit Hitler verglichen, aber es war dennoch eine schändliche Zeremonie. Die Mitglieder von KoPI, bis auf drei Frauen, haben sich offensichtlich nicht einmal geniert. 

Was mir mitgeteilt wurde, war nichts anderes, als das, was Jutta Dittfurth im Sommer 2017 KoPI zugerufen hat: „Palästina, halt´s Maul!“ Diesmal tönte es: „Melzer, halt´s Maul. Dich brauchen wir nicht“, obwohl keiner es ausgesprochen hat. Ich hatte dennoch den Eindruck, ich stehe „Antideutschen“ gegenüber.

Ich habe mein erstes Buch zum Nahostkonflikt schon 1970 verlegt. Es war der in Israel sehr umstrittene Titel „Gespräche mit israelischen Soldaten“. Das ist fast 50 Jahre her. In der Zwischenzeit habe ich an die 300 Bücher verlegt und davon mehr als 100 zum Nahostkonflikt. Manche meiner Kritiker waren damals noch nicht einmal geboren.

Und. zum Verhalten KoPIs passt, dass die Dokumentation über den Kongress „50 Jahre Besatzung“, der im Juni 2017 in Frankfurt stattfand, im „stalinistischen“ Zambon Verlag veröffentlicht wurde, wo man sie neben positiven Stalin- und Milosevic-Biografien findet.

Wenn es nach KoPI geht, dann dürfen Meinungsverschiedenheiten wohl nicht unumwunden und kämpferisch ausgetragen werden, sondern allenfalls höflich und dezent. Ihr Vorgehen könnte von „Knigge“ bestimmt sein. Wenn man aber in die Geschichte von politischen Parteien schaut, dann wird man feststellen, dass es nicht nur zwischen diversen linken Parteien Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten bis aufs Messer gab, sondern auch innerhalb der Parteien selbst. Stalin hat Lenin nicht leiden können, und Trotzki hat er beseitigen lassen. Ben-Gurion hat Begin verachtet und Weizmann gehasst. Gabriel ekelt sich vor Schulz, und trotzdem haben sie alle für ein gemeinsames Ziel zusammengearbeitet. Die jüdische Welt hätte dumm geschaut, wenn Ben-Gurion es abgelehnt hätte, mit Weizmann zu kooperieren, denn schließlich war nicht Weizmann der Feind, sondern die Engländer bzw. „die Araber“.

Wenn ich geahnt hätte, wie es ausgeht, dann wäre ich viel früher gegangen oder gar nicht erst erschienen. Auch ich war davon ausgegangen, dass die Mitglieder von KoPI den Feind woanders sehen und mich mit offenen Armen aufnehmen würden, ohne dass ich mich hätte vorstellen müssen. Jeder weiß, wer ich bin und was ich mache. Ich stehe an vorderster Front gegen die Israel-Lobby und werde von dieser mit Abmahnungen und Prozessen überhäuft.

Ich hatte gehofft, von KoPI Unterstützung zu bekommen, keine finanzielle, aber zumindest eine ideelle und organisatorische, zumindest in Fällen wie der „juristischen Reaktions-Möglichkeit bei genereller Ablehnung der Anmietung öffentlicher Räume“. So stand es jedenfalls unter Punkt 8 der Tagesordnung auf der Einladung zur KOPI-Sitzung für Samstag den 24. Februar 2018. In solchen Fällen, wie zurzeit in München (Nirit Sommerfeld) und Frankfurt (Abraham Melzer), sollte man gemeinsam vorgehen, bis wir ein Urteil beim BGH oder gar beim EuGH erkämpft haben. Jetzt bin ich gezwungen, den Kampf allein zu führen. Aber das ist nicht neu. Im Oktober 2017 hat mich auch die Jüdische Stimme für gerechten Frieden im Stich gelassen, sodass ich daraufhin den Verein verlassen habe. Ich wollte nicht in einem Verein sein, dessen Vorstand seinen Mitgliedern gegenüber nicht loyal ist.

Ich habe dann auch gleich den Antrag gestellt, Mitglied von KoPI zu werden, weil mir klar war und ist, dass man den Kampf allein nicht gewinnen kann. Und dass wir uns im Kampf befinden, ist offensichtlich.

Ich werde wieder auf Spenden angewiesen sein, die ich ohne Hilfe von KoPI werde einsammeln müssen. KoPI wird sich aber vielleicht einen anderen Anwalt suchen müssen. Ich sage schon seit Jahren, dass wir einen Musterprozess führen müssen, aber Matthias Jocheim vom KoPI-Sprecherkreis meint, dass wir andere Möglichkeiten hätten. Wenn er damit sagen wollte, dass wir uns zwar keine städtischen Räume in Frankfurt, München oder Köln mehr zur Verfügung stehen, wir aber doch noch irgendwelche Bauernscheunen mieten könnten, dann mag er Recht haben. Aber wir wollen – so dachte ich zumindest – nicht mehr und nicht weniger als unser Recht, überall Räume mieten zu können und uns nicht in Bauernscheunen verkrümeln müssen. Denn wenn wir dieses unser Recht aufgeben, dann haben wir schon auf ganzer Linie verloren.

Ich habe schon immer gesagt, dass wir keine andere Möglichkeit haben, als früher oder später die Frage, ob wir öffentliche Räume anmieten können, gerichtlich entscheiden zu lassen. Jetzt ist es so weit, und selbst KoPI scheint es begriffen zu haben. Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack.

4 Gedanken zu „KoPI – eine antidemokratische Vorverurteilung

  1. Traurig und schändlich, dass sich Friedens- und Menschenrechtsaktivisten gegenseitig verurteilen. Jeder sollte sich überlegen, dass er damit unserem GEMEINSAMEN Ziel schadet!

    Jeder Mensch macht Fehler und intern kann man sich „die Köpfe einschlagen“ (natürlich übertrieben), aber nach außen hält man zusammen.
    ALAN HART, der Nah-Ost-Experte u.a. von BBC und Vermittler zwischen Peres und Arafat vor Oslo, der leider im Januar verstarb, hinterließ ein Vermächtnis an die Palästinenser, was genauso für die Friedensbewegung gilt:
    Kurz gesagt: „Haltet zusammen!! Nur so könnt ihr ein Bollwerk gegen die übermächtige und einflussreiche, finanziell starke pro-Israel-Lobby bilden, nur so könnt ihr unser aller Ziel erreichen: einen gerechten Frieden für beide Völker, gleichberechtigt und unabhängig, ob Ein- oder Zweistaaten-Lösung müssen beide Völker selbst entscheiden.
    (um Missverständnisse zu vermeiden: Klar und deutlich: Das sind nicht alle Juden und Israelis, sondern unter dieser Lobby versteht man diejenigen, die alles, ohne zu hinterfragen, unterstützen, was Israel tut, auch wenn es gegen Menschenrecht u. andere internationale Rechte verstößt!, egal, was es den einheimischen Palästinensern angetan hat und noch tut.)

    Wenn man sich gegenseitig diskriminiert, „zerfleischt“, je nach Temperament seine Emotionen frei lässt, dann schadet man nicht nur dem „Ruf“ der Friedensgruppen sondern vor allem unserem Ziel. Das Gegenteil wird erreicht:
    Der lachende Dritte ist die pro-Israel-Lobby!,
    Inga Gelsdorf

  2. Lieber Abi Melzer,
    das muss für Dich ein echter Schock gewesen sein. Mein Gott, diese Enttäuschung. Ich bin gerade am Überlegen, ob ich die Mitgliedschaft bei KOPI
    beantrage. Vielleicht jetzt erst recht. Um zu verhindern, dass so etwas nochmal passiert. Was KOPI sich geleistet hat, ist einfach unglaublich.
    Als Mitglied des BIB könnte ich mir vorstellen, dass Du dort willkommen bist.
    Versuch es doch einfach, wenn das BIB Deinem Engagement in der Sache entspricht.
    Gruß,
    Dr. Torsten Kemme

  3. Schlimm, dass das Freund/Feind-Denken jetzt auch innerhalb der Solidaritätsgruppen stattfindet. Ausgrenzung statt Aussprache,
    Verhetzung statt Vernetzung kann und darf nicht die Lösung sein.

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