von Moshe Zuckermann
In den Kommentaren zur Verurteilung der Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS) durch den Bundestag wurde hervorgehoben, dass sich die Linkspartei bei der Abstimmung enthalten habe, unter anderem weil eine »pauschale Kriminalisierung und Sanktionierung« von BDS-Unterstützern »problematisch« sei. Mithin könnten Presse- und Meinungsfreiheit durch den interfraktionellen Antrag unter Druck geraten. Das wurde als differenzierte Einstellung gelobt. Die sich ebenfalls bei der Abstimmung enthaltende AfD, welche sich als wahrer Beschützer der Juden in Deutschland geriert, wurde hingegen als undifferenziert abqualifiziert: Sie wollte die BDS-Bewegung gleich ganz verbieten lassen; man warf den anderen Parteien vor, bei der »entscheidenden Frage« zu »kneifen«.
Man darf sich gleichwohl das Differenzierungsgetue schenken. Letztlich hat das gesamte deutsche Parteienspektrum die BDS-Bewegung des Antisemitismus geziehen, ohne sich auch nur einen Moment lang zu fragen, was daran antisemitisch sei, dass die in der Weltpolitik machtlosen Palästinenser die Möglichkeit des gewaltlosen Widerstands für sich in Anspruch nehmen. Vergleiche zum Juden-Boykott der Nazis wurden bemüht, ohne wenigstens zu reflektieren, was die Nazis mit ihrem Juden rassistisch verfolgenden Akt bezweckten. Die BDS-Kampagne richtet sich hingegen nicht gegen Juden, sondern gegen Israel – gegen ein Israel, das seit über 50 Jahren ein brutales Okkupationsregime gegen die Palästinenser aufrechterhält, sie knechtet, entrechtet, schikaniert und entmündigt. Ein völkerrechtswidrig handelndes Israel, das erst jüngst wieder in den Parlamentswahlen bewiesen hat, wes Geistes Kind sein Wahlvolk auch im Hinblick auf den Nahostkonflikt ist. Nie würde sich das gegenüber der BDS-Bewegung ach so einige deutsche Parteienspektrum einfallen lassen, Israel für seine Jahrzehnte währende verbrecherische Praxis zu verurteilen, geschweige denn praktische Schritte gegen diese zu unternehmen.
Der Grund dafür ist allseits bekannt. »Deutsche« haben etwas »wiedergutzumachen«; man ahnt aber, dass das historisch Verbrochene nie »wiedergutgemacht« werden kann. Und so behilft man sich mit dem wahllos zum verdinglichten Fetisch erhobenen »Antisemitismus«, um sich »projüdisch«, also »prozionistisch« bzw. »proisraelisch« zu positionieren. Und wenn man diesen Lackmustest erst einmal bestanden hat, darf man sich auch ein wenig »differenziert« vorkommen.
So sieht es aus, wenn die Realität feige kaschiert wird und Feigheit zur Ideologie gerinnt. Unterm Strich hat aber wieder einmal Hitlers verlängerter Arm seine Wirkung gezeigt: Das gesamte deutsche Parlament, von der liberal »differenzierten« Linkspartei bis zur resoluten AfD, hat der »antisemitischen« BDS-Bewegung die notwendige deutschbefindliche Lektion erteilt. Eine weitere Sternstunde deutscher Vergangenheitsbewältigung.
Zuerst hier.
BDS-Beschluss und inflationär gehandelte worthülsereiche Antisemitismus-Vorwürfe befriedigen vor allem „deutsche Befindlichkeiten“.
Die Analysen Zuckermanns gehen u.a. an die Wurzel dieses Übels.
Moshe Zuckermann gesteht den Parlamentariern eine Haltung zu, die diese nie hatten. Warum die Fraktionsvorsitzenden einen solchen unnötigen Beschluss herbeiführen ließen, wird vermutlich nicht aufzuklären sein.