Die Luft verpesten

von Haaretz-Redaktion

Unmittelbar nach dem Treffen zwischen Benjamin Netanjahu und dem amerikanischen Präsidenten beeilte sich der Sprecher des Weißen Hauses, eine scharfe Verurteilung gegen Israels Absicht zu veröffentlichen, weiter in Ostjerusalem zu bauen. „Der Plan Israels in Ostjerusalem mit dem Bau neuer Wohnungen fortzufahren, vergiftet die Beziehungen und verursacht Zweifel an Israels Bereitschaft zum Frieden.“ So hieß es in der Mitteilung, die sich auf die Genehmigung zum Bau von 2610 Wohnungen jenseits der Grünen Linie bezog.

So wurde zufällig die Verlogenheit des „Guten Treffens“ zwischen Obama und Netanjahu offenbart. Es halfen auch nicht die Worte Netanjahus, die er zu Beginn des Treffens gesagt hat, als ob er sich weiter für eine Zwei-Staaten-Lösung verpflichtet fühlt. Angesichts der Politik seiner Regierung, die durch eine solche Genehmigung zum Ausdruck kommt, deren Ziel es ist, die Teilung Jerusalems zu verhindern, kann keiner mehr glauben, dass Netanjahu wirklich an Frieden interessiert ist.

Die Reise von Netanjahu in die USA offenbarte den wahren internationalen Status Israels und die Schäden, die Netanjahu immer wieder verursacht. Am Vorabend des Treffens mit Obama war Netanjahu mit dem Generalsekretär der UN verabredet. Während des Treffens kam es zu einer Auseinandersetzung über die Zerstörungen durch der israelische Armee an UN-Einrichtungen im Gazastreifen und die Tötung von Einwohnern, die dort Zuflucht gefunden haben. „Man kann nicht alle paar Jahre Aktionen wiederholen, die so viel Zerstörung verursachen“, sagte Ban zu Netanjahu.

Nacheinander wurden die Masken von Netanjahus Gesicht heruntergezogen. Netanjahu will, und wollte offenbar nie, eine Zwei-Staaten-Lösung. Seine Taten beweisen es, und die Welt, einschließlich die Vereinigten Staaten, verliert ihre Geduld mit dieser Politik der Irreführung seitens Israel, die auch keine Alternative aufzeigt. Die USA fährt zwar fort, automatisch Israel zu unterstützen, politisch und militärisch, aber die Schäden der Politik Netanjahus werden immer größer und am Ende werden sie auch die Beziehungen mit Washington belasten.

Eine Regierung, die vom UN-Generalsekretär beschuldigt wird, Kriegsverbrechen begangen zu haben und über deren Politik die amerikanische Regierung sagt, dass sie vergiftet ist – ist eine Regierung, die Israel große Schäden zufügt.

Übersetzung aus dem Hebräischen: Abraham Melzer.

Der Propagandist und die Propaganda

von Gideon Spiro

Die Rede von Israels Ministerpräsidenten vor der UN-Vollversammlung am 29. September 2014 war eine gewöhnliche Propagandarede. Eine Propagandarede, die als solche genannt werden kann, enthält eine gehörige Portion Lügen, Täuschungen und Irreführungen, die vermischt sind mit echten Tatsachen, und die Mischung ist dazu vorgesehen, die Herzen der Bevölkerung zu erobern. Alle Fernsehkanäle und die meisten Radiosender haben die Rede live übertragen.

Es gab keine Überraschungen. Alle Klischees, die Netanjahu immer wieder gebraucht, waren in dieser Rede enthalten. Er hat, Gott behüte, auch nicht vergessen, das Mantra vorzutragen, dass die IDF „die moralischste Armee der Welt“ sei. In der Strafaktion „Gegossenes Blei“ (2008/2009) wurden 121 Kinder getötet, und die IDF war die moralischste Armee der Welt. Im jüngsten Gaza Krieg (Sommer 2014) wurden mehr als 400 Kinder getötet, und es ist immer noch die moralischste Armee der Welt. Sogar noch moralischer. Mit einer solchen israelischen Logik kann man eine mathematische Formel erfinden, wonach je mehr palästinensische Kinder man tötet, die Moral der Armee stärker ist. Früher waren wir die Moralischsten der Welt und jetzt sind wir es erst recht.

Ein anderes Mantra, das eine Art Pflicht ist in jeder Propagandarede, trägt den Namen „Israel – die einzige Demokratie im Nahen Osten“. Sie fehlte nicht in der Rede. Wie lange noch wird Netanjahu diese Lüge wiederholen? Die ganze Welt weiß doch, dass in dem Gebiet, das unter israelischer Besatzung ist, seit 47 Jahren ein Apartheid Regime herrscht, das heißt, Menschenrechte für Juden und Gesetzlosigkeit für Palästinenser. Das ist ein abgenutztes Mantra, das seine Kraft und Macht verloren hat, und man kann es in die Schublade der Mantras ablegen, die nicht mehr wirken.  Weiterlesen

Gutes neues Jahr – Shana Tova

von Haaretz-Redaktion

Die Neujahrsausgabe von Markerweek, ein Online-Ableger der Tageszeitung „Haaretz“, widmete sich den Konflikten vieler junger Israelis, ob sie ihr Leben in Israel aufbauen, oder ob sie auswandern sollen, in die USA oder nach Europa; ob sie sich von der Familie und der lokalen Kultur entfernen sollen, zugunsten einer westlichen Lebensqualität. Die Rede von Benjamin Netanjahu vor der UN-Vollversammlung lieferte ihnen wenige Gründe zu bleiben. Netanjahu schilderte Israel als die Speerspitze der westlichen Kultur, die sich gegen den radikalen islamischen Einfluss wehrt, als einen Staat, der auf ewig verurteilt ist, Krieg zu führen.

Netanjahu blickt um sich und sieht die neuen Nazis, bei der Hamas, im Iran, die sich für das jüdische Volk einen neuen Holocaust ausdenken. Sogar der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas ist in seinen  Augen ein Nazi, der Israel „Judenrein“ sehen will, und der Westen ist von Antisemitismus und Heuchelei befallen und würde Israel lieben heute als morgen dem Iran überlassen.

Netanjahu hat kein Interesse, zu einer Vereinbarung mit den Palästinensern zu kommen, er leugnet die Existenz einer Besatzung und ist sowieso nicht bereit, sich aus der Westbank zurückzuziehen. Wer Frieden haben will, soll  ihn in Abu Dhabi oder Kairo suchen, nicht in Jerusalem oder Ramallah. Sogar Abbas,  der mit seiner Rede die nationalen Traumata erweckte und sie Übertreibungen verpackte, machte einen gangbaren Vorschlag, der nicht nur aus Verzweiflung und Ohnmacht bestand.

Es scheint so, als ob Netanjahu sich immer noch als UN-Botschafter sieht und nicht als Staatsmann und Führer. Er konzentriert sich so sehr auf „Hasbara“, dass er gar nicht darauf achtet, wie seine Worte zuhause ankommen. Was würde eine junge Frau sagen, die sich damit auseinandersetzt, ob sie den Pass ihrer Großmutter benutzen soll, um nach Berlin auszuwandern, und ein Student, der sein Studium in Boston beendet hat und überlegt, ob er nach Israel zurückkehren oder seine Karriere in den USA beginnen soll? Ob sie sich auf Netanjahu verlassen können, dass er sie vor der nächsten Katastrophe schützen wird, oder ob sie ihr Zuhause in einem sichereren Ort aufbauen sollen?

Netanjahu hat keine andere Vision, als die Fortsetzung der Besatzung, Errichtung neuer Siedlungen und Kampf gegen den radikalen Islam. Er läuft nicht nur vor der Lösung des Palästina-Konflikts weg, sondern auch vor der Wohnungsnot in Israel, der Integration der Minderheiten und des Zusammenbruchs des Erziehungssystems. Der Etat, den seine Regierung zur Lösung dieser Probleme aufgestellt hat, zeigt, dass sie nicht daran interessiert ist, diese Probleme, die Israels Zukunft gefährden, zu lösen. Hauptsache der Verteidigung noch mehr Geld geben, seine politischen Gegner noch mehr schwächen und den verstopften Ohren der internationalen Gemeinschaft noch mehr Moral predigen, in einem halbleeren Saal in der UN.

Redaktion von Haaretz zum jüdischen Neujahr, 1.10.2014.

Übersetzung aus dem Hebräischen: Abraham Melzer

Netanyahu at the United Nations: Political Distortedness and Hypocrisy at its Best

by Ludwig Watzal

On behalf of the people of Israel, Prime Minister Binyamin Netanyahu delivered one his usual political distorted sermons to the UN General Assembly. „The people of Israel pray for peace“, said Netanyahu to an almost empty auditorium. Just after the „most moral army in the world“ (Ehud Barak) slaughtered 2140 Palestinians, 80 per cent civilians, ravaged the infrastructure of the Gaza Strip, made several hundred of thousands people homeless, and on top of it, the Israeli government wants to investigate its own war crimes! This is Chutzpah Israeli style.

The Islamists wants to dominate the world. This cancer have to be removed, said the Prime Minister. „ISIS and Hamas are branches of the same poisonous creed.“ Hamas shares its global ambitions of his fellow Islamists. When it comes to their ultimate goals „Hamas is ISIS and ISIS is Hamas.“ All the different Islamists groups share the same fanatical ideology, so Netanyahu.

Why has Netanyahu lost no word on the creation of ISIS by the CIA, the Pentagon, Saudi Arabia, Qatar and Turkey? Why didn’t he mention Israel’s role in the creation of Hamas as a counterpart to the PLO? To eradicate ISIS, al-Nusra Front and their ilk the US and its client state in the Middle East must first topple the radical Islamist regimes in Saudi Arabia, Qatar, Bahrain, and the Arab Emirates. Netanyahu should have spoken about the real threat to the West, which these regimes pose. All around the world, the Saudis and Qataris finance all fundamentalist groups. The Saudis adhere to the same ideology like ISIS, al-Nusra Front and Al-Qaida.

The identification of Hamas with ISIS was only the prelude to the final political crescendo of Netanyahu’s speech: the demonization of Iran. The mullahs in Iran and their virtual nuclear arsenal have been his political fad for over 20 year. They do not represent a threat to world peace, in contrast to Israel that is equipped up to its ears with nuclear and biological weapons. Iran has none.

The US wants to clear things up with Iran, which Netanyahu and the fundamentalist regime in Saudi Arabia try to discourage. In the long run, the geopolitical role of Iran is a thousand times more valuable than Israel and Saudi Arabia taken together. The US can no longer afford to be always identified with Islamic fundamentalist regimes and Zionist colonizers. None of them shares the values the US adheres to. Both states are a large liability for the geopolitical interests of the United States in the region and towards the Islamic world as a whole. Why not let these radical regimes go down the drain?

In contrast to Netanyahu, Palestinian President Mahmoud Abbas deliver a very courageous speech at the UN General Assembly that „offended“ not only the Israeli government but also its protector, the US. Abbas made it clear that further negotiations are meaningless and that he will apply for membership in other UN organizations like the International Criminal Court. This is overdue in order to charge Israeli politicians of committing war crimes during the two last attacks on the Gaza Strip.

The world will watch whether Abbas has the courage to turn rhetoric into action.

First published herehere and here.