Deutsche Lehrer zur Gehirnwäsche nach Yad Vashem

von Arn Strohmeyer

Deutsche Lehrer sollen in der Yad Vashem-Stiftung in Jerusalem fortgebildet werden. Das haben alle Bundesländer mit dieser Organisation vereinbart – jetzt auch als letztes das Bundesland Bremen. Nun wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn deutsche Pädagogen sich mit dem Mega-Verbrechen Holocaust intensiv beschäftigen und ihr Wissen dann an die Schüler weitergeben. Die Kenntnisse der Schüler auf diesem Gebiet – das haben Umfragen ergeben – sind katastrophal, was sicher auf die Vernachlässigung des Geschichts- und politischen Unterrichts in den Schulen zurückzuführen ist. Hier haben Schulreformen in den letzten Jahrzehnten schwer gesündigt. Rechtspopulisten und neonazistische Organisationen profitieren von diesem Trend zum historischen Nichtwissen.

Die Yad Vashem-Vertreterin in Europa, Richelle Budd Caplan, hat jetzt in Bremen deutlich ausgesprochen, was das Lernziel der Fortbildung in Jerusalem sein soll: zu verstehen, was Antisemitismus ist und zu lernen, wie man ihn bekämpft. Es geht in den Kursen also offenbar weniger um das Mega-Verbrechen Holocaust, sondern um die Vermittlung der zionistischen Definition von Antisemitismus. Und diese Definition ist hinlänglich bekannt: Sie setzt Antisemitismus und Antizionismus gleich, soll heißen: Jede Kritik an Israels menschenrechts- und völkerrechtswidriger Politik gegenüber den Palästinensern – und sei sie auch noch so berechtigt – wird als „Antisemitismus“ diffamiert. Die Absicht dieses Vorgehens ist auch klar: Jede öffentliche Auseinandersetzung über Israels brutale Besatzungspolitik soll verhindert, ja zum Tabu erklärt werden. Wer sich daran nicht hält, ist eben ein „Antisemit“ und wird damit assoziativ mit den übelsten Nazi-Schergen auf eine Stufe gestellt – eine Denunziation, die für die Betroffenen schlimme existenzielle Folgen haben kann. 

Im Namen des Holocaust sollen den deutschen Lehrern in diesem Zusammenhang die wichtigsten Grundlagen der israelisch-zionistischem Politik beigebracht werden, die nach Angaben des israelischen Anthropologen und Friedensaktivisten Jeff Halper so lauten: Israel ist das Opfer unversöhnlichen Hasses [der auf Antisemitismus beruht] von Seiten der friedensunwilligen Araber und kämpft um seine Existenz. Da sie – die Palästinenser vor allem – unsere ewigen Feinde sind, ist der Konflikt eine Alles-oder-Nichts-Situation: entweder wir gewinnen oder sie. Der Kern des Konflikts ist der palästinensische Terrorismus. Als friedliebende Demokratie und Opfer von Aggressionen trägt Israel keine Verantwortung für Entstehung und Andauern des Konflikts. Da die Bedrohung Israels existentiell ist und Israels Politik ausschließlich der Sorge um seine Sicherheit gehorcht, ist es jeder Verantwortlichkeit für seine Handlungen gemäß den Konventionen von Menschen- und Völkerrecht oder UN-Resolutionen enthoben. Und schließlich: Es gibt keine Besatzung. Da eine politische Lösung des Konflikts mit den Palästinensern nicht möglich ist, muss bei jeder zukünftigen Regelung die Kontrolle über das ganze Land, einschließlich der Palästinenser, Israel allein vorbehalten bleiben.

Diese Hauptelemente einer äußerst inhumanen, weil völlig kompromisslosen Politik vertritt Israel selbstverständlich im Namen des Holocaust, denn dieser Staat gründet seine Existenzberechtigung auf eben diese Katastrophe des jüdischen Volkes – mit der rein partikularistisch-zionistischen Begründung, „dass uns so etwas nie wieder passieren darf.“ Man kann natürlich auch universalistisch-humanistisch argumentieren und sagen: dass so etwas keinem Menschen und keinem Kollektiv auf dieser Welt noch einmal passieren darf oder wie der deutsch-jüdische Philosoph Theodor W. Adorno es in der Form eines neuen kategorischen Imperativs formuliert hat: „(…) dass die Menschen ihr Denken und Handeln so einrichten, dass Ausschwitz sich nicht wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.“ Wenn Menschlichkeit im Sinne der Aufklärung das oberste Gebot ist, dann kann eine Kritik an Israels unmenschlicher Politik gegenüber den Palästinensern niemals „antisemitisch“ sein.

Es ist also eine sehr einseitige Indoktrination, die deutsche Lehrer in Jerusalem erwartet. Dass dieser Staat reiner Siedlerkolonialismus auf Kosten und dem Rücken eines anderen Volkes ist und sich dennoch immer noch als Opfer fühlt, wird man ihnen nicht sagen. Vom palästinensischen Narrativ – also der Geschichte von Vertreibung und Unterdrückung dieses Volkes, die bis heute andauern – werden sie auch nichts hören. Man wird ihnen also viel Hasbara (das hebräische Wort für Propaganda) präsentieren, die Israel als ein weltoffenes, innovatives und fortschrittliches Land darstellt, in der die allgegenwärtigen Bilder von Repression, Besatzung und Menschenrechtsverletzungen aber nicht vorkommen.

Der Israeli Moshe Zuckermann hat in seinem neuen Buch „Der allgegenwärtige Antisemit oder Die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit“ dargelegt, wie instrumentalisierend, das heißt fremdbestimmte Interessen verfolgend, das offizielle Israel mit dem Holocaust umgeht und dabei der Prozess des Gedenkens das eigentliche Wesen des zu Erinnernden (die Opfer des Holocaust) völlig aus den Augen verliert. Zuckermann erhebt eine vernichtende Anklage gegen den israelischen Umgang mit dem Holocaust: „Nicht übertrieben ist die Behauptung, dass nirgends auf der Welt die Banalisierung der Shoa [Holocaust], mit ihrer Trivialisierung durch inflationäre Verwendung in einer hanebüchenen Alltagsrhetorik so unverhohlen skrupellos betrieben wird wie in dem Land, das sich die Einzigartigkeit, mithin die Unvergleichbarkeit der Shoa auf seine staatsoffiziellen Gedenkfahnen geschrieben hat.“

Zuckermann geht noch einen Schritt weiter, indem er dem offiziellen Israel sogar „Verrat an den Holocaust-Opfern“ vorwirft: „Sich selbst als Opfer zu wähnen, während man sich historisch zum Täter gewandelt hat, ist letztlich nichts weiter als moralischer Verrat an den historischen Opfern des eigenen Kollektivs, deren (beziehungsweise deren ‚Andenken‘) man sich perverserweise bedient, um die eigene, gewaltdurchwirkte, immer neue Opfer erzeugende Politik zu rechtfertigen. Denn genau das bedeutet ja, der Opfer im Stande ihres Opferseins nicht gedenken zu wollen. Wer sich selbst bewusst einmauert, darf sich nicht wundern, dass es ihm im eigenen Gemäuer einsam werden mag, unter Umständen sogar lebensbedrohlich einsam; wenn er aber diese Einsamkeit zur Ideologie erhebt, mithin das eigene falsche Bewusstsein mit der Erinnerung an die Verfolgungsgeschichte des eigenen Kollektivs befestigend begründet, dann instrumentalisiert er nicht nur das Andenken der Opfer nämlicher Verfolgungsgeschichte, sondern pervertiert es aus letztlich narzisstischen Beweggründen und Bedürfnissen.“

Mit einer solchen Sicht auf die Instrumentalisierung des Holocaust gerät auch die Institution Yad Vashem in ein zweifelhaftes Licht, was die Deutschen angesichts ihrer bewussten oder unbewussten Schuldgefühle erschrecken mag, in Israel wird unter kritischen Intellektuellen aber offen darüber diskutiert. So möchte etwa Abraham Burg, der frühere Sprecher des israelischen Parlaments (Knesset) und ehemalige Präsident der zionistischen Weltorganisation, die gegenwärtige Erinnerungsstätte Yad Vashem am liebsten ganz abschaffen und an ihrer Stelle den Internationalen Strafgerichtshof etablieren: „Heute ist Yad Vashem das größte Monument nationaler Ohnmacht, ein Denkmal der moralischen Taub- und Stumpfheit gegenüber anderen, die seit Jahrzehnten in unserer Seele herrscht. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist der Pfahl, an den wir unsere Gäste stellen, um ihnen unsere exklusiven Shoa-Werte einzutrichtern.“

Burg geht dann auf die biblische Bedeutung des Wortes Yad Vashem ein. Es bezeichnet ursprünglich einen „Grabstein“, ein Monument für einen unfruchtbaren Mann als Ersatz für die Kinder, die er nicht haben wird. In diesem Sinne schreibt er: „Unser Yad Vashem verherrlicht das Konzept der Impotenz und Unfruchtbarkeit und ignoriert sämtliche anderen Söhne fremder Länder. In seiner zukünftigen Form [als Internationale Gerichtshof] wird das Museum jedoch eine Gedenkstätte allen menschlichen Unrechts sein. Es wird ein Ort sein, der die Potenz des Kampfes gegen Gewalt ausstrahlt, wo immer Gewalt herrscht.“

Deutsche Lehrer zur Fortbildung nach Yad Vashem zu schicken, ist also ein sehr einseitiges Projekt, das einzig und allein der zionistischen Propaganda dient, von deren Vertretern auch die Initiative zu dem Vorhaben kommt. Es ist genauso zweifelhaft wie das Ansinnen, junge muslimische Flüchtlinge oder Einwanderer nach Auschwitz zu bringen (weil man unterstellt, sie seien alle Antisemiten), ohne ihnen öffentlich die Gelegenheit zu geben, ihre Sicht vorzubringen, warum sie Israel mit Recht kritisch gegenüberstehen. Dafür gibt es gute Gründe: Die Realisierung des zionistischen Siedlerprojekts mitten in der muslimischen Welt (auf zumeist geraubtem Land) hat für die betroffenen Araber – besonders für die Palästinenser – katastrophale Folgen gehabt – bis heute. Aber darüber zu sprechen, ist in Deutschland ein Tabu. Nur wenn dieses Tabu fällt, und die ganze Wahrheit über den Konflikt in Israel/Palästina ins Blickfeld genommen werden kann, wäre das auch die richtige Perspektive für Pädagogen, die wichtige Multiplikatoren sind. Mit Antisemitismus hat das gar nichts zu tun.

Zuerst hier.

4 Gedanken zu „Deutsche Lehrer zur Gehirnwäsche nach Yad Vashem

  1. Ich finde, daß Sie fabulieren zu viel; schon lange vor dem Holocaust konziperte man den zionistischen Staat. Wäre Polen 1945 nicht sowjetisch geworden, wären wohl die meisten Holocaustüberlebenden in Europa geblieben. Folglich dürfte der Holocaust eher zum Bleiben in Israel statt zum Kommen dorthin animieren.
    Dann wurden Juden aus allen arabischen Ländern vertrieben, ohne daß diese arabischen Länder entsprechend Palästinenser aufgenommen hätten. Zuletzt haben die Araber ihre militärischen Tugenden überschätzt.
    Israel ist vielleicht ein europäischer Kolonialstaat, wie es die französischen Départements in Algerien waren. Nun konnten die „Pieds Noirs“ nach Frankreich „zurückkehren“, aber wohin sollen die Israel zurückkehren dürfen. Es gibt kein Zurück, nur ein Vorwärts.
    In Europa hat sich die Identifizierung mit der Religion überlebt. Baruch Spinoza, Moritz Heß und Sigmund Freund sehen trotz jüdischer Herkunft im mosaischen Glauben eine kollektive Neurose, mittelalterliche Gesinnung und Aberglauben. Das jüdische Leben geht in unserer Zivilisation unter, man braucht nur nach den USA zu gucken (Jewish Outreach Program).. Also findet in Europa ein „Antisemitismus“ keine realen Semiten. Ein Antisemit klassicher Schule kann sich nur an Michel Friedman und Charlotte Knobloch echauffieren. Selbst die semitischen Asylanten taugen für einen Ersatzantisemitismus nicht. „Neduer“ Antisemitismus kann sich nur auf Israel beziehen.
    Ich finde es treuwidrig, die Zionisten in Nah-Ost hängen zu lassen. Man hat sie aus Europa rausgeboxt, hat ihren Sieg im 6-Tage-Krieg bejubelt und motzt jetzt herum, daß palätinensischen Ziegenzüchtern die Weidegründe zu eng werden. Zeit und Weltbewegung können nicht zurückgedreht werden. Den Israelis steht sicher noch eine militärische Auseinandersetzung bevor, wir können diese nicht wegwünschen, wegzaubern oder wegmoralisieren.

  2. Zu dem Kommentar von Eurich Lobenstein: Erfreulicherweise durchbrechen Sie die „Echokammer“ des Semiten und präsentieren eine vollkommen andere Sicht, die kurz zusammengefaßt so aussieht: das traditionelle jüdische Leben in Europa und den USA geht unter und somit müssen sich Antisemiten ein neues existierendes antisemitisches Feindbild suchen und dieses finden sie im zionistischen Israel. Kein Zweifel , an dieser These ist etwas dran. Doch damit wird der von Ihnen gezogene Schluß, deswegen solle man nicht „treuwidrig die Zionisten in Nah-Ost hängen“ lassen, indem man durch Kritik an der Politik Israels unfähig ist wahrzunehmen, dass es kein „zurück“ mehr gibt, und weil man dadurch nicht zuletzt Antisemitismus unterstützt, keineswegs nachvollziehbar. Denn Kritik an der Politik Israels bedeutet nicht, die „zionistischen“ Israelis zur Rückkehr nach Europa aufzufordern, sondern zu versuchen, Israel als demokratisches Land zu erhalten, dass jedem seiner Bürger dieselben Rechte zugesteht und endlich daran geht, die hoffentlich auch in Ihren Augen unwürdige Situation einer ewigen Besatzung der palästinensischen Gebiete, wodurch diese dort lebenden Menschen seit Jahrzehten in ihren Menschenrechten äußerst beeinträchtigen werden, zu beenden . Trotzdem, Ihre Defintion: der „neduer Antisemitismus“ kritisiert nicht nur die Politik Israels, sondern spricht Israel gleichzeitig die Existenzberechtigung ab, erscheint mir als solche recht brauchbar. Nur wird sie eben zur Verschwörungstheorie , wenn damit dem Kritiker der israelischen Politik unterstellt wird, er würde , obwohl er dies garnicht sagt, dennoch die Existenz Israels letztlich in Frage stellen, und somit den „Antisemiten“ in die Hände spielen – wenn nicht gar selbst zum „Antisemiten“ werden ?
    Eine kleinere weitere Kritik kann ich mir allerdings nicht verkneifen: Die Palästinenser offensichtlich herabsetzend als „Ziegenzüchter“ zu bezeichnen
    ( irgendwie kommt mir da dieses häßliche Böhmermann-Gedicht in den Sinn – liegt wahrscheinlich an irgendeiner psychischen Komponente meiner Persönlichkeit) wird von mir als Leser doch als schlechter Stil wahrgenommen.

  3. Die Gleichstellung von Anti-Semitismus und anti-Zionismus, propagiert und finanziert von Israel’s Hasbara, ist mir unbegreiflich, vorausgesetzt, man hat sich die Muehe gemacht, die Geschichte der juedisch-palaestinensichen Beziehung seit dem Ende des 19ten Jahrhunderts zu studieren. Dabei wird man auf den Begriff „Nakba“ stossen und somit auf die zentrale Erklaerung des nahezu hundertjaehrigen palestinensichen Widerstands.

    Warten wir ab… frueher oder spaeter werden wir das Ende des US Imperialismus erleben, und somit auch das Ende USAmerica’s konditionslosen Unterstuetzung von Apartheit-Israel. Was den Israelis dann noch bleibt sind ihre Atombomben…

  4. Zwei Anmerkungen:

    1. Von Yad Vashem aus ist die psychiatrische Klinik zu sehen, die auf der Asche Deir Yassins gebaut wurde.

    2. In Yad Vashem befindet sich als Ausstellungsstück auch einer der Busse, mit denen Graf Folke Bernadotte ungarischen Juden das Leben rettete. Bernadotte wurde mit seinem Adjutanten 1948 von einem zionistischen Terrorkommando erschossen.

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