von Elad Lapidot
Ist der Staat Israel jüdisch? Keine Frage, insofern sich der selbsternannte „jüdische Staat“ seit seiner Gründung 1948 nicht nur als Hauptvertretung der Juden weltweit längst durchsetzt hat, sondern auch zum Inbegriff dessen geworden ist, was „jüdisch“ heißt.
Fraglicher wird die Identifizierung zwischen Israel und Judentum bei kontroversen politischen Themen. Israels Politik ist durch Besatzung und Annektierung, die palästinensische Flüchtlingsproblematik und die Ungleichbehandlung seiner arabischen Bürger geprägt. Einst als Kriegsnotwendigkeit toleriert, machte diese Politik Israel nach mehreren Jahrzehnten allmählich zum chronischen Problemfall zeitgenössischer Nationalstaatlichkeit. Nicht Israels Jüdischsein, sondern Israels Demokratie wird immer häufiger angezweifelt.
Eben dadurch aber wird gerade das Jüdische fragwürdig: Liegt die Beeinträchtigung Israels als Demokratie darin, dass dieser Staat jüdisch ist und bleiben will?
Dass es so sei, ist heute Konsens, gar Staatsräson. Der israelische Staat übt seine Gewalt als Nationalstaat der Juden aus, er kämpft grundsätzlich um nichts anderes, als darum, jüdisch zu bleiben. So stark verschmilzt Israel Staatsgewalt mit dem Jüdischsein, dass Kritik seiner Politik schnell sein Existenzrecht als jüdischer Staat und somit das Existenzrecht der Juden überhaupt infrage zu stellen scheint. >>>
Wenn man es so sagen darf: Judentum beinhaltet eo ipso den Widerspruch in sich; Jude ist man, weil man sich der (christlichen) Mehrheitsgesellschaft nicht anschließt; schon zu Zeiten des cuius regio eius religio gab es unterschiedliche jüdische Gruppierungen. Vielleicht läßt sich das Judentum als gesellschaftliche Gruppe sehen, vergleichbar vielleicht mit einem Adelsverband. Die dort verbandelten Adligen pflegen in diffuser Weise eine gesellschaftliche Tradition, sind mehr oder weniger christlich oder säkular und können ihre Verbandsmitgliedschaft kaum vernünftig begründen. So opferten im Ersten Weltkrieg tausende „Juden“ ihr Leben für Kaiser und Reich, für einen Kaiser, der als Protestant den Juden gegenüber diskriminierend sprach, und für ein Reich, das sie nicht als Vollbürger verstand.
Ähnlich kämpften viele Adlige vor 1945 für einen Führer, dessen Volksgenossen Adel und Co nivellieren wollten.
Jetzt gibt es auch noch einen Staat Israel. Wieso erwartet man, daß alle Menschen „mit 3 und mehr volljüdischen Großeltenteilen“ Heil Zion rufen? Zwischen Ultra-Orthodox und Radikal-Zionistisch im Sinne von Meir Kahane gibt es so viele Abstufungen, daß sich die allgemeinen Gesellschaften langsam an den Gedanken gewöhnen sollten, daß das Aufschließen an eine Mehrheit eine höchst intime Entscheidung eines Einzelnen (auch eines einzelnen Juden) ist und, daß auch dem reinrassigsten Arier nicht einfach eine automatische Loyalität gegenüber seiner Art und Rasse abgefordert werden kann. Warum MUSS also einem Juden Israel gefallen, wenn er lieben in Paris lebt und französisch spricht? Es sind doch furchtbare Klischees mit denen die literarische Öffentlichkeit LEGO mit den Menschen spielt