Redakteure vom Spiegel haben ein wenig Klarheit in den Nebel gebracht, in welchen die Entstehung der Anti-BDS-Resolution des Deutschen Bundestags vom 17. Mai gehüllt war. Das muss der Regierung des Staates Israel schlecht aufgestoßen sein. Darum hat sie schweres Geschütz in Stellung gebracht und einen gewissen Thomas Thiel – wie es scheint – mit der nötigen Munition versorgt: BDS ist also “Wegbereiter des Judenhasses”? Als ob es vor Gründung der BDS-Bewegung keinen Judenhass gegeben hätte. Wenn Thiels Vorfahren keine Wegbereiter waren, dann waren sie womöglich Mitläufer?
Wenn der Normalverbraucher dies liest, muss er den Eindruck haben, dass das arme wehrlose Israel demnächst von der BDS–Walze gnadenlos überrollt zu werden droht. Der israelische Hassprediger Arye Shalicar, der just auf Kosten des deutschen Steuerzahlers durch die Republik reist und alle verleumdet, die an Israel etwas zu meckern haben, hat diesen Artikel natürlich sofort empfohlen.
Es gibt in Israel selbst, in Deutschland und weltweit, sehr viele Juden, die für BDS sind, weil sie – unter ihnen auch Opfer des Holocaust und deren Nachkommen – wollen, dass Israel sich endlich an Völker- und Menschenrecht hält. Das sind jetzt für Shalicar, die Bundestagabgeordneten, den Antisemitismusbeauftragten Felix Klein und offenbar auch für die FAZ und Josef Schuster, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, “jüdische Selbsthasser”.
Ich halte es meinerseits für gefährlichen Antisemitismus, wenn deutsche Parlamentarier sich anmaßen zu bestimmen, was Juden zu sagen und zu tun haben, und dass ein FAZ-Feuilleton-Redakteur es wagt, Juden vorzuwerfen, sie seien „Wegbereiter des Judenhasses“. Es ist nicht lange her, dass eine andere Generation von Deutschen, darunter auch Redakteure und Zeitungsverleger, nicht nur Wegbereiter, sondern auch Vollstrecker des Judenhasses waren.
Deutsche sollen sich an der Nahostdebatte durchaus beteiligen und sollten keine Angst haben, als Antisemiten verleumdet zu werden, wenn sie eine Meinung äußern, die Shalicar oder Broder nicht gefällt. Aber sie sollen uns nicht Moral predigen, sondern sich vor allem an Fakten halten. Herrn Thiel möchte ich empfehlen, sich doch Menschen wie dem israelischen Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, David Grossmann oder Avi Primor, Daniel Barenboim oder Moshe Zuckermann zuzuwenden, die sich für Versöhnung in Wort und Tat einsetzen. Und zu lesen empfehle ich ihm die bewegenden „Höre Israel“-Gedichte von Erich Fried.
Die Diskussion über den Nahost-Konflikt und die Kritik an der BDS-Bewegung wird nur noch über Reizworte geführt. BDS wird da zu einem Synonym für Antisemitismus, und es ist inzwischen so weit, dass ein Schreiber der FAZ es wagt, einen jüdischen Verein, „Jewish Voice for Peace“, zu diffamieren, der in Deutschland unter dem Namen „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ aktiv ist. Er wirft der Jüdischen Stimme vor, sie sei „einer der Motoren der BDS-Bewegung und einer der aggressivsten Treiber bei der versuchten Zerstörung von Israel“. Woher nimmt er die Chuzpeh, israelische und jüdische Menschen zu beleidigen, ihnen Antisemitismus vorzuwerfen. Mir scheint dies ein treffliches Beispiel für Antisemitismus zu sein. „Die Juden sind unser Unglück“ war das Motto der frühen Antisemiten um Heinrich Treitschke. Heute schreibt die FAZ, die Juden seien Wegbereiter des Judenhasses. Schon wieder sind die Juden schuld.
Ich bin geneigt zu glauben, dass Herr Thiel nicht wusste, was er schrieb und keine Ahnung von den Zielen der BDS-Bewegung und den Aktivitäten der Jüdischen Stimme hat. Ich fürchte aber, dass der Artikel vielleicht gar nicht von ihm, sondern von einem Team im Propagandaministerium in Jerusalem geschrieben wurde, dem Antisemitismus durchaus nicht ungelegen kommt, da er die Juden nach Israel „spült“. Ansonsten möchte ich mich zum perfiden Unsinn auf Seite 9 nicht weiter äußern. So dumm können doch die Leser der FAZ, hinter denen immer ein kluger Kopf steckt, nicht sein, dass sie ihn als solchen nicht durchschauen.
Ein Thema bedarf noch der Thematisierung: Thiel schreibt: „Unbeantwortet bleibt zudem die Frage, warum sich der Flüchtlingsstatus, wie der BDS verlangt, vererben lassen soll?“ Eine Frage, der man immer wieder bei der Hasbara, der Propaganda von Vertretern der Israel-Lobby begegnet. Wenn der Flüchtlingsstatus von Juden, deren Vorfahren angeblich vor 2000 Jahren das Heilige Land verlassen haben, offensichtlich ohne weiteres vererbt wird und Juden, die nach Israel einwandern noch bei der Einreise ihre israelischen Personalausweise bekommen, dann stellt sich allerdings die Frage, warum Palästinenser, deren Eltern und Großeltern nachweislich erst vor 70 Jahren vertrieben wurden oder geflohen sind, kein Recht auf Rückkehr in ihre Heimat zusteht, in der ihre Familien seit vielen hundert Jahren gewohnt haben. Dürfen nur Juden ihren Flüchtlingsstatus vererben?
Ingrid Rumpf schreibt dazu: „In Unkenntnis des Völkerrechts behauptet Thomas Thiel u.a., dass die BDS-Bewegung die Vererbung des Flüchtlingsstatus für die palästinensischen Flüchtlinge fordert. Das ist falsch! Vielmehr hat die bis heutige gültige UN-Resolution 194 den Status der Flüchtlinge, also wer ein palästinensischer Flüchtling ist, festgelegt. Der sieht vor, dass tatsächlich auch die Kinder und Kindeskinder der Flüchtlinge den Status eines Flüchtlings behalten. Dies ist kein palästinensischer Sonderfall, sondern gilt generell auch für andere Flüchtlinge. Das ist auch logisch, denn soll Eltern, die auf oder nach der Flucht Kinder bekommen, das Recht abgesprochen werden, sie bei ihrer Rückkehr mit ins Herkunftsland zurück zu nehmen?“ Wie kann ein FAZ-Schreiberling, der offensichtlich nicht einmal die UN-Resolution 194 kennt, über das Rückkehrrecht von palästinensischen Flüchtlingen schreiben?
Die internationale Gemeinschaft hat mit gutem Grund nach den vor allem von Deutschland ausgegangenen Gräueln des zweiten Weltkrieges das Völkerrecht weiterentwickelt, in der Hoffnung, dass damit in Zukunft Verbrechen wie z.B. Vertreibung, möglichst verhindert, zumindest aber wieder gutgemacht und geahndet werden können. Es kann nicht angehen, derartige für die Menschheit zukunftsweisende Entwicklungen in den Orkus der Geschichte zu werfen, nur weil es irgendwelchen Politikern, Hetzern und offensichtlich auch dem FAZ-Autor, gerade opportun erscheint.
Kritik an der israelischen Politik wird als Antisemitismus diskreditiert und von pro-israelischen Vereinen verfolgt, vom Zentralrat der Juden in Deutschland bis hin zum bedauernswerten Antisemitismusbeauftragten Felix Klein. Viele der Verfolger sitzen in Israels Regierung und Parlament. Andererseits sind viele Israelis mit dem BDS-Beschluss des Bundestages keineswegs einverstanden.
Zum großen Aufschrei der üblichen selbstgerechten Israelfreunde kam es, nachdem der SPIEGEL einen kritischen Beitrag über zwei pro-israelische Verbände veröffentlicht hatte, denen er vorwarf, Abgeordnete zu beeinflussen und damit den Bundestag zu manipulieren. BILD meinte scheinheilig, dass Interessenverbände nicht verboten sind, weil sie durchaus im Rahmen der Gesetze handeln. Das ist richtig, aber genauso ist es auch erlaubt, solche Verbände zu hinterfragen, sie zu kritisieren und ihre Machenschaften offenzulegen. Und wenn unser naiver Antisemitismusbeauftragter meint, dass es eine Selbstverständlichkeit sei, vor einer Abstimmung, wie zu BDS, auch jüdische Stimmen zu hören, dann stimme ich in der Tat zu, aber dann bitte alle jüdischen Stimmen. Leider hat man nur auf israelische Lobbyisten und zionistische Influencer gehört, nicht aber auf die kritischen Stimmen hunderter renommierter israelischer und jüdischer Intellektueller aus aller Welt, darunter der ehemalige Sprecher der Knesset und frühere Leiter der Jewish Agency, Avrum Burg, die sich öffentlich an die Bundesregierung und den deutschen Bundestag wandten mit der Forderung, diesen perfiden Beschluss zurückzunehmen. Sie stellten die Frage, ob die Bundesregierung keinen Unterschied sehe zwischen dem Boykott einer Flasche Wein, die in den besetzten Gebieten auf von jüdischen Siedlern geraubtem Land hergestellt wird, und dem Boykott von Geschäften in der Nazi-Zeit, nur weil die Besitzer Juden waren.
Aber der CDU-Innenexperte Christoph de Vries meint in einem Brief an die „Spiegel“-Autoren klarstellen zu müssen: Abgeordnete wie er würden „aus voller Überzeugung und historischer Verantwortung gegen Initiativen eintreten, die mit dem Aufruf zum Boykott israelischer Waren (…) an das Nazi-Motto, „Kauft nicht bei Juden“ anknüpfen.“ De Vries macht den klassischen Fehler, den auch Felix Klein und alle anderen Israelfans machen: Er setzt die wehrlosen Juden in Nazi-Deutschland gleich mit den wehrhaften und hochgerüsteten Israelis, die dem Boykott leicht entgehen könnten, wenn sie nur die Siedlungen im besetzten Palästina räumen würden, sich also ans Völkerrecht halten würden. Die BDS-Bewegung hat Israel in den Grenzen von 1967 längst anerkannt und fordert in erster Linie die Räumung der 1967 eroberten Gebiete. Daher der folgerichtige Appell: Kauft nicht bei israelischen Kolonialisten.
Jeder Dummkopf pöbelt gegen Kritiker der israelischen Politik, sie seien Antisemiten oder BDS-Sympathisanten, was für ihn aufs Gleiche hinausläuft. Sie behaupten absurderweise, dass Juden wie ich und meine Freunde von der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden“ Irrael delegitimieren oder gar vernichten wollen –wie lächerlich! Wir werden denunziert, beschimpft, verleumdet und gelegentlich auch bedroht, und die „Wegbereiter“ sind Schreibtischtäter wie Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland oder Henryk M. Broder, Michael Wolffsohn, Juna Grossmann, Arye Sharuz Shalicar, Charlotte Knobloch und viele andere bis zu Thomas Thiele von der FAZ.
BDS stellt keine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel dar, höchstens eine Bedrohung für Israels inzwischen nicht mehr so guten Ruf. Für Jeremy Ben-Ami etwa, den Leiter der liberalen amerikanisch-jüdischen Organisation „J-Street“, ist der „Kreuzzug“ gegen die BDS-Kampagne, die er nicht unterstützt, weitaus schädlicher für die Juden und Israel als die BDS-Bewegung selbst.“
Kein Mensch mit gesundem Menschenverstand wird die BDS-Aktionen mit dem menschenverachtenden Vorgehen der Nationalsozialisten vergleichen. Die Entscheidung des Bundestages vermischt den Kampf gegen Antisemitismus mit der Unterstützung für die reaktionäre nationalistische Politik Israels, und erschwert damit den notwendigen Kampf gegen den echten Antisemitismus.
Thomas Thiel schreibt allen Ernstes: „Man würde den Protagonisten dieser Bewegung und ihren heimlichen und offenen Bewunderern in der Wissenschaft (es gibt von ihnen nicht wenige) zumindest den Mut wünschen, ihr auf Umwegen formuliertes Ziel, die Zerstörung Israels mit all seinen Folgen, endlich einmal offen auszusprechen“. Wer so schreibt, lebt in einer wahnhaften Welt, die sich von der Wirklichkeit vollständig abkoppelt. Was immer die Diffamierten einwenden mögen, Israel-Lobbyisten würden das nur als Bestätigung der von ihnen behaupteten „eigentlichen“ Ziele deuten. Ich bin schon so viele Jahre dabei und habe noch nie jemanden getroffen, ob Deutscher, Jude, Israeli oder Palästinenser, der die Zerstörung Israels zum Ziel hatte. Unser Ziel ist schlicht Recht und Gerechtigkeit auch für das palästinensische Volk.
Was tun? Es bleibt mir nur noch ein Rat: Mit dem eigenen Kopf denken, sich informieren, sich nicht von unverantwortlichen Journalisten beeinflussen lassen und für eine differenzierte Sicht eintreten. Wenn ein Thomas Thiel in der FAZ schreibt, dass eine Reihe von arabischen Staaten „Israel (und die Juden) ganz offiziell vernichten wollen“, dann sollte man ihn auffordern, diese ungeheuerliche Behauptung nachzuweisen. Selbst der Iran beabsichtigt nicht, Israel und schon gar nicht „die Juden“, oder gar alle Juden, zu vernichten. Im Iran gibt es die größte jüdische Gemeinde in der islamischen Welt (ca.32000), die sogar in der Armee dienen darf. In Israel dürfen Palästinenser das nicht.
Der Iran möchte das „zionistische Besatzungsregime in Jerusalem“ beendet sehen – Forderung des Völkerrechts – was allerdings auch viele Juden möchten, besonders die „jüdischsten“ unter ihnen, wie z. B. die Chassidim von Neturei Karta oder die Satmar Chassidim, die den Staat Israel nicht anerkennen. Seitdem aber Trump Präsident der USA geworden ist, sind fake-news auch bei seriösen Zeitungen, wie z. B. der FAZ akzeptiert. Oder ist die Frankfurter Allgemeine Zeitung vielleicht gar keine seriöse Zeitung mehr?
Es ist richtig und wichtig, gegen den Antisemitismus zu kämpfen, ganz einfach, weil Antisemitismus Rassismus ist. Dabei sollte dieser Kampf aber keinen neuen Antisemitismus erzeugen. In meinem Buch „DIE ANTISEMITENMACHER – wie Kritik an der Politik Israels verhindert wird“ (2016) , habe ich mich auf fast 300 Seiten darüber ausgelassen. Die deutsche Presse von der FAZ bis zur TAZ hat es nicht beachtet. Nur der Freitag, das Meinungsmedium von Jakob Augstein, meinte, es sei ein wichtiges Buch.
Anstatt den Antisemitismus aufzublähen und zu hysterisieren, müssen wir die völkerrechtswidrige Politik Israels thematisieren. Politik und Medien haben aber anscheinend Angst davor, und Journalisten, die es besser wissen müssten, schweigen und machen sich insofern mitschuldig. Ich sehe keine besondere Gefahr für Juden in Deutschland, es sei denn, jüdische Hetzer wie z. B. Henryk M. Broder oder Michael Wolffsohn übertreiben ihre Hetze und ihren Zynismus derartig, dass dies wie ein Bumerang auf sie und letztlich auf alle Juden zurückfällt.
In Berlin leben mittlerweile an die 30 000 junge Israelis, die ihrem Land wegen seiner unsäglichen Politik den Rücken gekehrt haben. Die Anhänger der israelischen Politik rücken immer mehr nach rechts, wie z. B. die frühere Justizministerin Ajelet Shaked, die bei den Wahlen im Mai, und auch schon zuvor, offen ihre Sympathie mit dem Faschismus bekundete. Sie warb für ein Parfüm, das FASHISM heißt und meinte, für sie würde Faschismus wie Demokratie riechen. Tatsächlich wird aber umgekehrt ein Schuh daraus: die israelische Demokratie riecht nach Faschismus.
Kritiker der israelischen Politik werden diffamiert und kriminalisiert. Dass chauvinistische Staaten Kritik nicht mögen ist bekannt. Das war früher bei den Nazis so, bei den Kommunisten unter Stalin, und das ist heute in vermeintlich demokratischen Staaten wie der Türkei oder gar den USA so. Dass Israel aber aus harmlosem Kritikern gefährliche Antisemiten, die nicht nur Israel, sondern gleich alle Juden hassen, macht, ist gefährlicher als die Kritik selbst.
„Es ist richtig und wichtig, gegen den Antisemitismus zu kämpfen, ganz einfach, weil Antisemitismus Rassismus ist.“
Nach Auffassung der Antisemitismusforscherin Prof. Dr. Monika Schwarz-Friesel
ist Judenfeindschaft kein Rassismus, keine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit , kein Vorurteilsdenken .. , sondern
ein Vorurteilssystem, welches über all das hinaus geht. Damit konstruiert und beansprucht die Antisemitismusforscherin eine Begrifflichkeit, mit der sie Menschen, die sich religiös-kulturell dem Judentum als zugehörig betrachten, in eine Sonderstellung hebt, die im Kampf gegen Antisemitismus alles andere als hilfreich sein dürfte.
Zudem spricht sie Historikern u. SoziologInnen wie Zuckermann,Illouz, Goldberg
die Kompetenz ab, zu beurteilen, was (neuer)Antisemitismus ist, weil sie keine
Antisemitismusforscher seien.
Nachzulesen sind diese haarsträubenden Behauptungen hier: https://www.deutschlandfunkkultur.de/antisemitismus-forscherin-monika-schwarz-friesel-null.990.de.html?dram:article_id=454279
Natürlich sind für Antisemitismusforscher, – experten –bekämpfer (m/w) usw. Juden eine besondere Gruppe unter all den vielen Gruppen der Menschheit. Schließlich ist doch der „wachsende Antisemitismus“ der beste Beweis. Das weiß doch jedes Kind. Das steht doch fast jeden Tag in der Zeitung. Und dazu ist jedermann aufgerufen, sonst wackelt unsere (leider bereits weitgehend ausgehöhlte) Demokratie.
Dass das Judentum selbst aus Gruppen unterschiedlichster Menschen besteht, die sich teils gegenseitig aufs heftigste bekämpfen, wird ob dieser tatsächlich vorhandenen Unfasslichkeit lieber übersehen. Der Einfachheit halber übernehmen „ForscherInnen“ und ihre Förderer lieber das Bild, das Wilhelm Marr und Adolf Hitler von „den“ Juden hatte – und bestätigen nachträglich seine Haltung, nicht dass es diese Juden aus dem Reich der Deutschen erneut zu vertreiben und zu vernichten gälte, sondern dass diese nun in der neuen Republik, die sich bekanntlich als „Gegenentwurf zum Nationalsozialismus“ sieht, nun „als Lehre aus der Geschichte“ eines besonderen Schutzes bedürfen.
Die Aufklärung im Sinne Kants mit dem „sapere aude“ und dem „kategorischen Imperativ“ ist übrigens nicht nur an den Nationalsozialisten sondern auch an dieser zeitgenössischen Kampfgemeinschaft „zum Wohle der gesamten Menschheit“ komplett vorbeigegangen.
Ein Blick in Geschichte und Gegenwart nicht nur deutscher Universitäten zeigt, welch sonderbare Lehrstühle es gab, gibt und vermutlich noch viele Jahrzehnte geben wird, die nichts anderes betrieben und betreiben als konzertierte Kaffeesatzleserei auf Kosten sauer verdienter Steuergelder. „Bibelforschung“ klingt ein wenig abschätzig, „Theologie“ da schon sehr viel besser.
Bei Gott und bei Antisemiten besteht – Gott sei Dank für Theologen und AntisemitismusforscherInnen – das gleiche Problem, beide sind nur subjektiv fühlbar und definierbar.
Wir müssen noch ein wenig warten mit der Aufklärung, bis denn alle totalitären Herrschaftsansprüche religiöser und/oder weltanschaulicher Natur abgelebt wurden, die der menschliche Geist erschaffen, mit denen ein vom „kategorischen Imperativ“ geprägter „herrschaftsfreier Diskurs“ unterbunden wird. Solange wird auch den Anfängen des „sapere aude“ und des „kategorischen Imperativ“ an Lehrstühlen wie dem der o.a. Dame zu wehren sein, der sich im übrigen schon sehr weit ausgebreitet hat wie u.a. Abi Melzer erleben muss.
Dass auch für große Denker wie zuerst Elie Wiesel und dann auch Theodor Adorno der millionenfache Judenmord „unfasslich“ war (nicht aber der an anderen Gruppen oder von anderen „Tätern“), Micha Brumlik kürzlich erneut an der Uni Frankfurt an das Adorno Wort erinnerte, wonach sich alle Erziehung zu richten habe, zeigt, dass dieser Teil der Lehre und Forschung eigentlich an Theologische Fakultäten anzubinden ist.