Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland imd den Kampf gegen Antisemitismus
Alt-Moabit 140
10557 Berlin 12.Juni 2018
Sehr geehrter Herr Felix Klein,
Sie waren wohl mit ihrer eigenen Karriere am Ende, als Sie sich bereit erklärten, den höchst überflüssigen Posten des Antisemitismusbeauftragten anzunehmen. Wir fragen uns schon von Anfang an, was ein Antisemitismusbeauftragter machen soll und was Sie machen werden.
Der offiziell dekretierte Antisemitismus ist in Europa 1945 durch die Rechtsgleichheit von Juden und Nichtjuden beendet worden; diese Rechtsgleichheit allerdings verweigern “die Juden” in Israel allen Nichtjuden! Das hat das jüdische Mitglied der englischen Regierung, Edwin Samuel Montagu, in seiner Rede gegen die Balfour-Deklaration 1917, also schon vor 100 Jahren, zurecht befürchtet.
Die vom Staat per Gesetz verordnete Rechtsgleichheit sollte genügen. Für Straftaten ist die Polizei zuständig. Antisemitische Vorstellungen wird der Staat und der von ihm beauftragte Aufpasser nicht beseitigen können, denn bekanntlich sind die „Gedanken“ frei. Das hat uns schon vor mehr als 150 Jahren der Jude Heinrich Heine in seinem berühmten Epos „Deutschland – ein Wintermärchen“ gelehrt.
“Antisemitismus” ist und war immer schon eine Falschbezeichnung; sogar Goebbels hat, wie Sie wissen sollten, dies bei “seinen” Journalisten reklamiert und diese aufgefordert, diesen Begriff zu vermeiden, der heute inflationär genutzt wird, um politische Gegner zu beleidigen und zu de-legitimieren.
Mir als Juden und erbittertem Gegner der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik, der für diese völkerrechtswidrige Politik in der israelischen Armee gedient und manches Unrecht gesehen hat, war von Anfang an klar, dass Sie nicht den Antisemitismus beseitigen werden, denn das lässt sich nicht durch einen „Beauftragten“ erreichen, sondern es war vorauszusehen, dass Sie uns, die Kritiker der israelischen Politik, und Gegner dieser um sich greifenden Antisemitismus-Hysterie, die letztendlich Antisemiten macht, bekämpfen werden. Ich empfehle Ihnen mein Buch „Die Antisemitenmacher“, in dem ich aufzeige, wie zionistische Kräfte versuchen, die Debatte über Israels Politik zu unterdrücken oder gar als Antisemitismus zu diffamieren.
Sie werden bedauerlicherweise nicht dafür sorgen, dass wir frei unsere Meinung sagen dürfen, und mit „wir“ meine ich eine ganze Reihe von Juden und Nichtjuden, die gemeinsam gegen die unrechtmäßige Besatzung und Besiedlung Palästinas kämpfen, sondern Sie werden eher versuchen, uns mundtot zu machen, uns einen Maulkorb anzulegen und uns, wie kleinkarierte Politiker in München und Frankfurt es bereits tun, die Anmietung von Räumen zu verweigern.
Kaum waren Sie im Amt, marschierten Sie schon in der ersten Reihe mit notorischen christlichen Antisemiten, die ihre Abneigung gegen Juden hinter ihrem philosemitischen Zionismus verstecken, in der Hoffnung, die Juden durch Entsorgung im „Heiligen Land“ loszuwerden, wo sie sich am Ende der Zeiten entweder zum Christentum bekehren oder vernichtet werden. Ihre Einreihung bei den evangelikalen Christen lässt leider vermuten, dass Sie nicht wirklich wissen, wer Antisemit ist und wer nicht.
Der gegenwärtige Antisemitismus findet in Deutschland hauptsächlich in den Medien statt und nicht auf der Straße. Und wenn Sie jetzt, wie die Presse schreibt, sogenannte israelfeindliche Demonstrationen verbieten wollen, dann installieren Sie für Israel Sonderrechte und hebeln das Grundgesetz aus. Das Demonstrationsrecht ist eine der Grundsäulen, auf denen unsere Demokratie ruht, und wenn Sie tatsächlich versuchen sollten, dieses Recht zu verletzen, weil zionistische Lobbyisten es von Ihnen erwarten, dann werden Sie in diesem Land einen Tsunami der Empörung entfachen, der Sie aus dem Amt fegen und es mit Ihnen beseitigen wird, was nicht einmal das Schlechteste wäre, denn dieses Amt ist so überflüssig wie ein Kropf. Mich als Juden erinnert es eher an das „Judenreferat“ der Nazis.
Und ich erinnere mich an die Demonstrationen gegen die Apartheid in Süd-Afrika und gegen den Vietnamkrieg. Es wäre damals keiner Regierung in den Sinn gekommen, die Demonstrationen zu zensieren oder gar zu verbieten.
Die USA, Russland und andere Länder dürfen bei uns scharf kritisiert werden. Putin, Trump, Mohamed und Erdogan dürfen bei uns karikiert werden, nur der Jude Netanjahu nicht, weil er Jude ist? Für Israel sollen offensichtlich Sonderrechte gelten. Merken Sie nicht, dass das, genau das, Antisemitismus erzeugt. Wie weit ist es in unserem Staat gekommen, wenn der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung sich genötigt sieht, wegen einer durchaus notwendigen und gelungenen Netanjahu-Karikatur um Entschuldigung zu bitten. Und bei wem hat er sich entschuldigt? Etwa beim Zentralrat der Juden in Deutschland? Hat sich irgendwer beim Zentralrat der Moslems wegen der widerlichen Mohamed-Karikaturen entschuldigt? Der Zentralrat der Juden meinte, dass die Karikatur geschmacklos sei. Karikaturen sind häufig geschmacklos, meistens übertrieben, wie auch Satire. Und zu Satire sagte der Jude Kurt Tucholsky, dass sie alles darf.
Warum haben Sie, Herr Klein, nicht Ihre Stimme als Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung erhoben und festgestellt, dass auch geschmacklose Karikaturen durch unser Grundgesetz § 5 geschützt sind. Geschmacklos ist die Hysterie, mit der solche Fälle und Ausfälle verfolgt werden, und besonders geschmacklos ist eine Entschuldigung, die im Kern ein Kotau vor der zionistischen Lobby ist.
Sie sollten auf ein solches „Blockwart“–Amt verzichten. Es gibt sicherlich auch noch andere Aufgaben für Sie, als unter kritischen Bürgern zu schnüffeln und sie des Antisemitismus zu bezichtigen, wenn sie nichts anderes tun, als ihre Grundrechte in Anspruch zu nehmen.
Ich möchte Sie an die Jüdin Rosa Luxemburg erinnern, die gesagt hat: Freiheit ist immer nur die Freiheit des Andersdenkenden. Und ich erinnere an Voltaire, der gesagt hat: Ich teile nicht ihre Meinung, mein Herr, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie ihre Meinung sagen dürfen. Nein, Herr Klein, Sie brauchen nicht ihr Leben einzusetzen, nur ihren Verstand.
Antisemit ist derjenige, der Juden hasst, nur weil sie Juden sind und nicht derjenige, den Juden hassen, weil er Israels Politik ablehnt. Kritik an der Politik des Staates Israel und Demonstrationen gegen den völkerrechtswidrigen Krieg Israels gegen die Zivilbevölkerung in Gaza sind ganz gewiss kein Ausdruck des Antisemitismus, und es ist an der Zeit, dass man das auch in Berlin langsam begreift. Unser Grundgesetz garantiert allen Bürgern Meinungsfreiheit, auch denjenigen, die Israels Politik verurteilen.
Kümmern Sie sich lieber um fanatische Zionisten a la Charlotte Knobloch, die jene, die anderer Meinung sind, als „berüchtigte Antisemiten“ beleidigt.
Wenn Sie aber dennoch im Amt bleiben wollen, dann sollten Sie es umbenennen. Statt „Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus“ sollten Sie „Beauftragter der Bundesregierung gegen Rassismus und Diskriminierung“ sein, denn es gibt wahrlich andere Gruppen hierzulande, die des Schutzes dringender bedürfen als wir Juden. Jüdisches Leben wird bei uns durch das Grundgesetzt geschützt. Wir als kritische Juden legen keinen Wert darauf wie in Watte verpackt behandelt zu werden. Damit wird Antisemitismus eher befördert. Schützen Sie lieber die über 4 Millionen Moslems, die bei uns diskriminiert und angefeindet werden.
Als Anti-Rassismus-Beauftragter würden Sie vermutlich von sehr viel mehr Bürgern akzeptiert werden, auch und besonders von Flüchtlingen, denen vom Zentralrat der Juden und von der Springerpresse vorgeworfen wird, sie seien tendenziell Antisemiten. Den sog. “importierten Antisemitismus” hat Dr. Schuster vom Zentralrat der Juden kreiert; die üblichen Hasbara-Netzwerke verbreiten diesen verleumderischen Unsinn.
Gehen Sie gegen den wirklichen Antisemitismus vor, aber gehen Sie auch gegen diejenigen vor, die honorige Bürger beleidigen und als Antisemiten diffamieren, nur weil sie den Mut haben, Unrecht beim Namen zu nennen. Ziehen Sie endlich eine rote Linie zwischen Judenhass und Kritik an der Politik des Staates Israel, die uns allen grundgesetzlich erlaubt ist.
Und lassen Sie sich nicht nur auf zionistischen Juden und auf den Zentralrat der Juden ein. Fragen Sie auch andere Juden, die dem Zionismus kritisch gegenüberstehen. Lassen Sie sich nicht von neokonservativen bis rechten Thesen von Juden wie Henryk M. Broder oder Michael Wolffsohn beeindrucken. Es gibt auch noch andere jüdische Stimmen von Intellektuellen wie Prof. Moshe Zuckermann, Prof. Rolf Verleger, Felicia Langer, die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und des Alternativen Nobelpreises und nicht zuletzt mich. Wir sollten auch gefragt werden, wenn es um unseren Schutz geht.
Abraham Melzer
Sehr geehrter Herr Melzer,
ich danke Ihnen für Ihren Brief an den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Felix Klein.
Ich kann Ihren Ausführungen zwar nicht zustimmen, finde es aber aufschlussreich zu welchen erstaunlichen Gedankengängen Sie in der Lage sind.
Ihr Schreiben zeigt mir deutlich, dass auch Sie unbedingt eine wichtige Position besetzen sollten. Sie haben ebenfalls das Zeug dazu Antisemitismusbeauftragter zu werden. Zwar nicht für die Bundesregierung, aber für die Seite der Antisemiten.
Der Begriff “Antisemitismusbeauftragter” sagt ja für sich alleine noch nicht ob man gegen Antisemitismus ist oder ein Förderer des Antisemitismus ist.
Also ich plädiere für zwei Antisemitismusbeauftragte: Herr Felix Klein für die Bundesregierung und gegen Antisemitismus und Sie als Antisemitismusbeauftragter der Antisemiten und für Antisemitismus.
Die Befähigung zum Amte haben sie beide auf jeden Fall. Bei Ihnen bin ich mir sogar absolut sicher.
Mit freundlichen Grüßen
Shalom
Michael Friedman
Michael Friedman
Werter Herr Friedmann,
Nicht der von Zionisten und ihren Freunden herbeifabulierte Antisemitismus, der reale Rassismus ist das Problem der Welt.
Herr Melzer hat zu Recht in seiner emanzipatorischen Weise auf dieses Grundproblem hingewiesen, das übrigens kollektivistischen Judenhass mit einschließt.
Statt zu polemisieren wäre es besser, Sie würden argumentieren, sofern Ihnen auch diese Möglichkeit zur Verfügung stehen sollte.
Schade, Herr Friedmann, dass Sie das Anliegen von Abraham Melzer übergehen und mit vermeintlichem Witz ins Lächerliche
ziehen.
Ihr Statement hier: https://www.welt.de/politik/video172611472/Michel-Friedman-Kein-Mensch-wird-als-Judenhasser-geboren.html
zeigt doch, dass es Ihnen, wie Melzer darum geht, sich gegen jegliche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu stellen.
Amtlich bestellte Antisemitismusbeauftragte stehen in der Gefahr eine partikulare Sichtweise zu entwickeln und darüber
Menschen, die sich als jüdisch identifizieren, eine Art von Sonderstatus über zu stülpen. Sonderstatus assoziiert Sonderbehandlung, und das bedeutet selten etwas Gutes.
Abraham Melzers Engagement verweist auf diese Gefahr und auch darauf, wie der Antisemitismusbegriff zunehmend zur Worthülse verkommt. Dass der Vorwurf „Antisemit“ auch als eine Art von Herrschaftsinstrument benutzt wird, dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Verweise in diesem Zusammenhang auf die Lektüre von Moshe Zuckermann.
Hervorragend!
Beste Grüße
Ach, und schnell noch etwas:
„Wir sind Weltmeister – auch im Wegschauen“: http://wipokuli.wordpress.com/2014/07/15/wir-sind-weltmeister-im-wegschauen/
Danke für diesen Brief.
Lieber Abi Melzer,
das ist ein Super-Schreiben, das den Nagel auf den Kopf trifft. Eigentlich zu schade, um ihn nicht an die Öffentlichkeit zu bringen. Widmen Sie diesen Brief um, als offenen Brief an unsere Vorzeige-Politiker mit dem größten Realitätsverlust, Steinmeier, Merkel und Maas. Ergänzen Sie Ihre Zeilen noch um eine detaillierte Schilderung einzelner Vorfälle am Gaza-Grenzzaun, die den Adressaten vor Augen führt, dass ihre Sprach- und Kritiklosigkeit nur durch den totalen Verlust des eigenen Gewissens möglich wurde und dadurch, dass sie sich von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO-Generalversammlung 1948, die auch Deutschland unterschrieben hat, meilenweit entfernt haben! Ihnen sollte H. Klein seine Aufmerksamkeit schenken, nachdem Frau Kofler, unsere Menschenrechtsbeauftragte, ja schon in der Versenkung verschwunden ist.
Ulrich K.
Zu hoffen ist, dass der Antisemitismusbeauftragte bereit und in der Lage sein wird, sein Amt nach den Richtlinien des Grundgesetzes und des Völkerrechts zu führen.
Das setzt voraus, sich entsprechend zu informieren. Dass er dies nicht getan hatte, als er in der Demo radikaler Evangelikaler mitmarschierte, hat Armin Langer in Zeit Online festgestellt. Mein Vorschlag: Herr Klein möge sich mit Herrn Langer in Verbindung setzen und die salam-shalom-Initiative in Berlin ernsthaft zur Kenntnis nehmen. Denn in dieser wird praktiziert und dazu aufgerufen, Frieden zu stiften zwischen Semiten, nämlich Juden und Menschen arabischer Herkunft.