Antisemitismusbeauftragte oder Judenreferenten?

Wozu brauchen die Juden diese sogenannten Antisemitismusbeauftragten, die mich an die Judenreferenten im Dritten Reich erinnern. Sie werden niemals den Antisemitismus beseitigen, weil sie nicht daran interessiert sein können, die Grundlage ihres Jobs zu eliminieren. Das würde nämlich ihre Entlassung bedeuten. Früher hatten die orthodoxen Juden sogenannte „Schabes Goijs“, die für sie das Feuer am Schabat anlegten und allerhand Tätigkeiten ausübten, die den Juden am Schabat verboten waren. Brauchen wir heute noch diese Wasserträger? Brauchen wir noch diese Gojim, dass sie uns vor BDS warnen und nicht müde werden zu behaupten, dass die BDS-Bewegung „ein zentraler Akteur des antiisraelischen Antisemitismus“ sei.

BDS ist eine politische Bewegung, die sich um die Rechte der Palästinenser kümmert und die Einhaltung des Völkerrechts fordert. Antisemitismus gehört nicht in ihr Programm, eher Antizionismus. Aber Antizionismus ist nicht Antisemitismus, auch wenn Leute wie Felix Klein, Samuel Salzborn und andere Antisemitismusbeauftragte es tausendfach behaupten. Antisemitismus ist Hass auf Juden nur weil sie Juden sind. Antizionismus heute ist dagegen Hass auf Israels Politik, weil das Land die Palästinenser unterdrückt, weil es hunderttausende Palästinenser aus ihrer Heimat vertrieben hat und weil es seit mehr als siebzig Jahre die Rechte der Palästinenser, wie im Völkerrecht beschrieben, missachtet. Die arabische und auch palästinensische Welt hat sich inzwischen längst mit der Existenz des Staates Israel arrangiert. Es geht nicht mehr um die Vernichtung bzw. Delegitimierung des Staates. Es geht um die aktuelle Politik. Juden sind Menschen wie alle anderen auch. Zionismus ist aber eine Ideologie, die man unterstützen, aber auch bekämpfen kann und darf, ohne gleich als Rassist diffamiert zu werden. 

Die permanente Beschäftigung mit dem Antisemitismusvorwurf dient lediglich dazu, von den völkerrechtlich relevanten Verbrechen der Israelis abzulenken. Israel betreibt eine Besatzungspolitik und behauptet, es sei eine humane Besatzung. Es gibt aber keine humane Besatzung, so wie es keine rechtlich genehmigte Unterdrückung gibt. Und die israelische Armee ist weit davon entfernt eine humane Armee, oder gar die „humanste Armee der Welt“ zu sein. „Soldaten sind Mörder“, sagte einst der Jude Kurt Tucholsky.

Als Antisemitismusbeauftragte sind diese „Schabes Goijs“ beauftragt dafür zu sorgen, dass antisemitische Vorfälle abnehmen und verfolgt werden. Stattdessen kümmern sie sich um Politik, dazu noch Außenpolitik, die eigentlich Sache der Bundesregierung, der Kanzlerin und des Außenministers sind. BDS ist ein Teil des Nahost-Konflikts und die Antisemitismusbeauftragten sind nicht ernannt worden, um den Nahost-Konflikt zu lösen, von dem sie in der Regel wenig bis nichts verstehen.

Hunderte jüdische und nichtjüdische Fachleute, darunter Eva Illouz und Moshe Zuckermann, Micha Brumlik und Noam Chomsky haben die verzerrte Wahrnehmung dieser Antisemitismusbeauftragten kritisiert und offengelegt. Der Kampf gegen Antisemitismus ist sicherlich notwendig, aber nicht so wie es die naiven Beauftragten durchführen. Sie haben seit ihrer unglücklichen Ernennung diesen Kampf zunehmen politisiert und zu einer ideologischen Debatte degradiert. Dadurch wurde dieser wichtige Kampf gefährlich geschwächt. Wenn heute jeder gleich ein Antisemit ist, der Israels Politik kritisiert, selbst Juden und Israelis, dann ist am Ende keiner ein Antisemit und Antisemitismus ist nicht schlimmer als falsch parken. Jüdische und israelische Kritiker der Politik von Benjamin Netanjahu benötigen wahrlich nicht die Ratschläge und Unterstützung von Amateuren, die im besten Fall helfen wollen, was man aber oft bezweifeln kann, aber in der Regel nicht helfen können.

Mehrere renommierte Kultureinrichtungen aus Deutschland hatten im Dezember vor der Gefahr gewarnt, im Kampf gegen Antisemitismus wichtige kritische Stimmen in der Gesellschaft von der öffentlichen Debatte auszuschließen. Klein, Salzborn, Schuster und andere fordern aber, die BDS-Kampagne durch die Europäische Union und die europäischen Mitgliedsstaaten zu verbieten.

Es ist unfassbar, es ist deprimierend, es ist empörend. Neben allem, was in dieser Angelegenheit ansonsten vorrangig und wichtig ist, wehre ich mich als deutscher Staatsbürger gegen Bevormundung und Zensur, gegen die Aushebelung meines verbrieften Rechts, wahrzunehmen, was zu sehen ist und zu denken und zu schlussfolgern, was Empirie und Logik gebieten. Mit welchem Recht wird mir das Recht genommen, Denk- und Sprechverbote als das zu bezeichnen, was sie sind: versuchte „Gleichschaltung“ unter dem verlogenen Label der Antisemitismusbekämpfung im Sinne strittiger israelischer Interessen.

Es wäre klug und ratsam, wenn sich die Vertreter des Judentums in Deutschland klar und deutlich von solchen Aussagen distanzieren würden, wenn sie sich endlich um ihre Glaubens- und Schicksalsgenossen in Deutschland kümmern und sie nicht in antipalästinensische Propaganda zu drängen.

Der Nahost-Konflikt ist ein Konflikt zwischen Israelis, nicht Juden, und Palästinenser, um Land, Freiheit und Würde. Es ist kein Konflikt um Judenhass und kein Konflikt zwischen Palästinenser und Juden. Es ist ein Konflikt um Land und nicht um Glauben, zwischen Palästinenser und jüdischen Israelis. Deshalb sollten die nicht jüdischen „Antisemitismus-Experten“ sich, wenn schon, um Antisemitismus kümmern, und nicht um Nahost-Politik. Wenn man aber liest, dass neunzig Prozent der sogenannten antijüdischen Vorfälle als „Israel bezogenen Antisemitismus“ beurteilt werden, dann kann man über die Kompetenz dieser Antisemitismusbeauftragten nur staunen und verzweifeln. Man muss doch wahrlich kein Antisemit sein, um Israels Politik zu kritisieren. Israel gibt dazu täglich Anlass. Durch die Verschärfung der Apartheid-Politik, durch Vertreibung von Palästinensern von ihrem Grund und Boden und durch die Verwandlung Israels in einen rassistischen Staat.

Tausende, wenn nicht Millionen von Juden und Israelis verzweifeln über diese rassistische, nationalistische und kolonialistische Politik der israelischen Regierung und des israelischen Parlaments. Sind sie alle Antisemiten?

Felix Klein und seine Unterstützer behaupten, dass bei der Debatte um BDS häufig eine Auseinandersetzung um Antisemitismus zugrunde liege, die im Gewand einer „Israel-Kritik“ vorgetragen wird, „dabei aber allzu oft weit über legitime Kritik an einer Regierung und deren Maßnahmen hinausgeht.“ Leider versäumt es Klein Beispiele zu nennen bzw. konkret zu zeigen, wo seiner Meinung nach die „legitime Kritik“ ihre Grenzen hat.  Israelische und jüdische Kritiker wie Eva Illouz, Moshe Zuckermann oder Ilan Pappe kennen solche Grenzen nicht. Die inakzeptable Politik der Vorherrschaft in den besetzten Gebieten, muss als solche angeprangert werden, während gleichzeitig der Antisemitismus überall auf der Welt bekämpft werden muss. Für unsere Antisemitismusbeauftragten bedeutet das, Blasphemie, und sie rufen nach Zensur. Der Kampf für Gerechtigkeit beginnt aber mit dem Kampf gegen die Zensur, gegen die Bevormundung durch beamteten Judenreferenten und gegen jüdische Funktionäre, die in den Diensten der israelischen Hasbara agieren.

Die Antisemitismusbeauftragten wollen aber nicht nur den Antisemitismus bekämpfen, sondern auch jüdisches Leben schützen. Die Juden haben aber mehrere Jahrhunderte Judenhass in Europa und ganz besonders in Deutschland überlebt, auch ohne solche Beauftragten und vielleicht auch gerade im Widerstand zu solchen Judenreferenten. Zuletzt haben sie die Nazis überlebt, auch wenn sie dafür einen sehr hohen Preis bezahlten. Die Aufgabe der Judenreferenten bei den Nazis war freilich nicht „jüdisches Leben zu schützen“, sondern jüdisches Leben zu vernichten.

Schwarze Menschenrechts-Aktivisten wehren sich seit kurzem gegen die Einmischung von Weißen in ihre Angelegenheiten. Sie finden es lächerlich, dass weiße Kolonialisten weißen Menschen die schwarze Seele erklären und über das Leid der Schwarzen referieren wollen. So ähnlich sehe ich das auch: Ich finde es falsch, lächerlich und absurd, wenn die Kinder der Mörder zu Beschützern der Kinder der Opfer mutieren. Wir, die Kinder der „Opfer“ können uns selbst schützen und, übrigens, wir fühlen uns schon lange nicht mehr als Opfer und auch nicht als bedrohte Minderheit.

2 Gedanken zu „Antisemitismusbeauftragte oder Judenreferenten?

  1. Eigentlich müsste es ja auch eher „Anti-Antisemitismus-Beauftragter“ heißen im Sinne von „Gegen Antisemitismus“. Bei der CDU gabs bestimmt einige Höhöhös für den missverständlichen Begriff „Antisemitismusbeauftragter“. Kann ja auch als „mit Antisemitismus beauftragt“ verstanden werden. Ein Schiedsrichterbeauftragter beim Fußball beispielsweise bekämpft ja auch keine Schiedsrichter.

  2. Die israelische Armee ist die humanste der Welt, wird gesagt. Das kann man ganz unterschiedlich verstehen. Die Armee ist human im Umgang mit ihren Soldaten: geregelter Dienst, großzügig erteilte Urlaubsscheine, gute koschere Verpflegung wie bei Muttern. Ich habe auch schon gelesen, daß die Armee Israels ein großer Heiratsmarkt sei. Das ist doch wirklich human. Da kommt die Schweizer Armee mit ihren Rekrutenschulen nicht mit.
    Es wird doch nirgends behauptet, daß die Soldaten selbst die humansten der Welt seien und etwa den Feind nur verprügeln oder verwunden würden.

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