Antisemitismus-Vorwurf als Ablenkungs- und Herrschaftsinstrument

von Jürgen Jung

Es ist schon verblüffend, wie reflexhaft, – man ist versucht zu sagen -, gut orchestriert, viele unserer Zeitgenossen reagieren, wenn es um Israel geht.

Die Karikatur zur Buchbesprechung von Heiko Flottau, so die Bildunterschrift, stelle Israel als „gefräßigen Moloch“ dar. Dies sei, so beeilt sich die SZ, einschränkend hinzuzufügen, die Ansicht von „Israels Feinden“.

Ist es nicht eher, abgesehen von der (Karikaturen häufig eigenen) Boshaftigkeit, eine nicht zu bestreitende empirische Feststellung, dass Israel nach dem Krieg zunächst insbesondere von Deutschland („Wiedergutmachung“ – als ob das ungeheure Verbrechen des Judenmordes einen materiellen Tauschwert hätte!), später dann vor allem von den USA mit gewaltigen Summen (und stets auch Waffen) alimentiert wurde und wird, so dass das kleine Land heute die viertgrößte Militärmacht der Welt ist?

Wenn man bedenkt, dass die Palästinenser Israels ursprünglich ca. 93 Prozent des Kernlandes besaßen, heute dagegen nicht einmal 3 Prozent – und sie haben das Land nicht freiwillig hergegeben –, dann ist die Assoziation „Moloch“ auch nicht gerade abwegig – und so boshaft nun nicht. Israel hat sich das Land mit den verschiedensten Methoden – sagen wir – „einverleibt“.  Weiterlesen

Abi Melzer – ein einsamer Rufer in der Wüste

von Moshe Zuckermann

AntisemitenmacherAutoren wie Abi Melzer mögen sich sehr leicht wie Rufer in der Wüste vorkommen. So überwältigend wird das, was er anmahnt und anklagt, von der Wirkmächtigkeit der von ihm anvisierten Realität konterkariert; so erbarmungslos sieht er sich dabei dem Ressentiment die ideologisch entgegengesetzten Diskurse über diese Realität ausgesetzt, dass er (und einige wenige Weggefährten seinesgleichen) sich randständig, ja oft genug einsam vorkommen muss.

Diese Einsamkeit hat zwei Seiten. Zum einen ist sie unangenehm, zuweilen höchst frustrierend und mag ernste Zweifel darüber aufkommen lassen, ob sich das gesamte Schreibunterfangen überhaupt lohnt. Nicht immer lassen sich derlei Zweifel leicht beiseiteschieben, wenn man den Zweck des Schreibens an seiner Auswirkung, mithin seinem Einfluss auf eine große anonyme Leserschaft bemisst. Zum anderen wohnt dieser Einsamkeit das Pathos des Gerechten inne. Nicht wahrgenommen, geschweige denn akzeptiert zu werden, wird da zum Kriterium der eigenen Wahrhaftigkeit.  Weiterlesen

Notruf: Antisemitismus-Hysterie

Antisemitismus ist schlimm, abzulehnen und zu verurteilen. Aber wir Juden haben gelernt, uns damit auseinanderzusetzen und uns zu verteidigen. Viel schlimmer, perfider und widerlicher ist die Antisemitismus-Hysterie, wenn jeder, der es auch nur wagt, Israels Politik zu kritisieren, gleich als ein Antisemit diffamiert und verleumdet wird. Kein wirklicher Antisemitismus könnte nachhaltigeren Schaden anrichten wie ein hysterischer Verdächtigungseifer, der hinter jedem israelkritischen Wort einen verkappten Antisemiten wittert.

Seit Monaten sind die Zeitungen, von der BILD bis zur ZEIT, voll mit obskuren und lächerlichen Berichten, in denen Blinde uns Bilder von Chagall oder Picasso erklären wollen oder wenn Menschen, die an Anosmie oder Hyposmie, an kompletten oder teilweisen Geschmackverlust, leiden, uns beschreiben wollen, wie ein köstliches Mahl geschmeckt hat. So ungefähr wirken die naiven und absurden Berichte, wie neulich in der Süddeutschen Zeitung.  Notruf nannten die Autoren Verena Mayer und Thorsten Schmitz ihren Beitrag und damit hatten sie vollkommen recht. Es war ein Notruf für alldiejenigen, die noch bei Verstand sind und sich von dieser üblen und perfiden Propaganda nicht verführen lassen.  Weiterlesen

Antisemiten-Pack!

Nach seiner letzten peinlichen Äußerung zu seinem persönlichen Thema Antisemitismus, fragt man sich, warum Henryk M. Broder immer noch in Berlin bleibt, wo doch fast alle zu einem verlogenes Antisemiten-Pack gehören sollen und er eigentlich fortan um ganz Berlin einen Bogen machen müsste, denn eigentlich müsste ihn dort alles an das Reichssicherheitshauptamt – Referat – Palästina erinnern und an dessen Chef Adolf Eichmann.

Wenn es nur deshalb ist, weil er in Berlin mehr Antisemiten treffen und „plattmachen“ kann, dann kann ich ihn beruhigen: In Jerusalem gibt es auch Antisemiten und Israel wartet darauf, dass der oberste deutsche Antisemitenjäger endlich ins Heilige Jerusalem kommt und seines Amtes mit deutscher Gründlichkeit waltet. Und es wäre auch wünschenswert, wenn er seinen Anwalt Nathan Gelbart mitnähme, denn er wird in Jerusalem sicher auch eine Menge Prozesse führen und Uri Avnery täglich abmahnen können. Dafür ist ein zionistischer Funktionär von Keren Hajessod bestens geeignet.  Weiterlesen

Wie antisemitisch ist Deutschland?

Ich habe das Dossier gelesen und muss feststellen, dass sie wieder einmal einseitig interviewt und kritische Stimmen nicht gefragt haben. Seit Monaten tobt in den deutschen Medien -Rundfunk, Fernsehen und Presse – eine unselige und zum Teil niveaulose Debatte über Antisemitismus, Antizionismus und Israels Politik, zu der bald jeder seine Meinung sagen und schreiben darf und zu der sich Teilnehmer melden oder gerufen werden, die leider keine Ahnung haben wovon sie reden und worum es geht.

Ich beschäftige mich mit dem Thema schon fast 50 Jahre und war in letzter Zeit sehr mit meinem Buch „Die Antisemitenmacher“ beschäftigt, sodass mir das o.e. Dossier zunächst entgangen ist. Ich bin darauf aufmerksam gemacht worden und habe es jetzt endlich gelesen. Ich muss gestehen, dass ich nicht überrascht war, aber trotzdem sehr erschrocken über das Niveau und die Tendenz der drei Seiten. Erst vor kurzem hat die Frankfurter Rundschau auch drei Seiten – allerdings die ersten drei Seiten der Zeitung – zum Thema gebracht und den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, interviewt. Leider schafft es keine bürgerliche Zeitung in Deutschland über das Thema differenziert zu berichten und auch kritische jüdische Stimmen zu Wort kommen zu lassen.  Weiterlesen

„Die verfolgte Religion – Antisemitismus in Europa“

von Marlene Stripecke

Meine bisherige Meinung, dass Phoenix qualitätvolle, gut überlegte und mutige Sendungen biete, muss ich revidieren.

Bereits der Titel „die verfolgte Religion – Antisemitismus in Europa“ ist suggestiv.  A priori  schließt er jeglichen Gedanken aus, der die Besatzungspolitik der israelischen Regierung als Ursache für einen wachsenden Unmut, ja Hass im arabischen-muslimischen Bevölkerungsanteil in den europäischen Ländern betrachtet. Ist Ihnen nicht klar, dass diese israelische Politik für Angehörige der muslimischen Gesellschaft in Europa eine Provokation ist? Äußerst bedenklich ist ferner, dass jüdische Gemeinden z.B. in Deutschland  völlig kritiklos diese israelische Besatzungspolitik unterstützen, jede Kritik daran als „Antisemitismus“ bezeichnen und nach Kräften versuchen, öffentliche Einrichtungen zu zwingen, „Palästina-freundlichen“ Veranstaltungen keine Räume zur Verfügung zu stellen.

Bereits der Titel tut so, als hätte die allgemeine Öffentlichkeit irgendeine Ahnung über Inhalte der jüdischen Religion, könnte entsprechend  daran also auch etwas ablehnen. D.h. es werden aus der Vergangenheit religiöse und wirtschaftliche Ressentiments gegen Juden, die weithin vergessen worden sind,  in unsere Gegenwart  gezogen, die eigentlich heutzutage niemand mehr kennt, weil sie glücklicherweise tabuisiert und in der Öffentlichkeit nicht mehr erwähnt worden sind. Soviel zum Titel. 

Was die Zusammensetzung des Podiums betrifft, so war überdeutlich und journalistisch völlig inakzeptabel, dass bis auf den schweigenden österreichischen Journalisten alle anderen TeilnehmerInnen wohl einen familiär jüdischen  Hintergrund haben und daher Interessen- und Familientrauma- geleitet argumentierten. Unisono. Das Thema hätte einen erfahrenen und im Thema versierten Moderator verdient, keinen erschreckten willfährigen Zuhörer der Mehrheitsmeinung am Tisch, der immer wieder die stimmenstarke Frau Schapira zu Wort kommen ließ. Als Zuhörer spürte man förmlich die Angst des Moderators, durch eine kritische Mini-Frage ins Visier der Antisemitismusjäger zu geraten.   Weiterlesen

No Anti-Semitism, instead no Sympathy for Israel’s Policy

by Ludwig Watzal

Reports on Anti-Semitism are booming. Most of these stories are produced by Zionist organizations, the Israeli government or close affiliates to both of them pretending, however, non-partisanship.  Just recently the Israeli Ministry of Diaspora Affairs released the 2017 Anti-Semitism Report that showed an increase in racist incidents against Jews, especially in Western Europe such as France, the UK, and Germany. The full report is not yet available.

There are real Anti-Semitic incidents in many countries, also in Germany. Most of them have to do with the policy of the State of Israel and not with Jews because they are Jews. The only meaningful definition of Anti-Semitism is the hatred or prejudice against Jews because they are Jews. And here starts the problem. In many countries, the so-called Anti-Semitism is a just mere critic of Israel’s brutal oppression of the Palestinian People. To call such a critic „anti-Semitic“ distorts the truth and tries to distract from Israel’s immoral behavior and its human rights violations. The whole staged discussion about the „new“ anti-Semitism serves only one purpose to criminalize criticism of Israel’s political behavior.  Weiterlesen

Das Zeitalter der neuen Inquisition

Das Thema Antisemitismus klebt an den Deutschen wie eine Zecke am Hintern, die ihr Gift in die Blutbahn pumpt und den ganzen Organismus vergiftet. Da Antisemitismus politically incorrect ist und jeder Angst hat, damit in Berührung zu kommen, hat man einen Schutzmechanismus aufgebaut, der auf die einfache Formel gebracht werden kann: Wenn ich nicht Antisemit sein darf, dann werde ich eben Philosemit. Verdrängt wird die Tatsache, dass beides jeweils die andere Seite der gleichen Medaille sind, wie Ying und Yang, wie siamesische Zwillinge miteinander verbunden. Der eine braucht den anderen zum Überleben.

So ist es auch im Verhältnis zwischen Zionismus und Antisemitismus. Der Zionismus benötigt den Antisemitismus, damit dieser Juden nach Israel treibt, und der Antisemitismus braucht den Anti-Zionismus, um sich zu bestätigen. Ohne Antisemitismus würde es keinen Staat Israel geben, ja noch nicht einmal den Gedanken daran. Theodor Herzl, der Gründer der zionistischen Organisation hätte nicht vom Judenstaat geträumt, wenn ihn nicht der grassierende Antisemitismus in der französischen Gesellschaft, der mit dem Dreyfus-Prozess hochkam, daran erinnert hätte, dass er Jude ist.  Weiterlesen

Israellobbyist Hermann Kuhn aus Bremen demonstriert wieder einmal sein Nichtwissen

von Arn Strohmeyer

Der französische Philosoph Étienne Balibar hat am Freitag im Bremer Rathaus den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken 2017 verliehen bekommen. Die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung wird von der Stadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung vergeben. Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Bremen, Hermann Kuhn (Grüne), kritisierte die Preisverleihung an Balibar, weil dieser Israels Politik kritisch gegenüberstehe. Kuhn sagte dem Bremer Weser-Kurier zufolge, Balibar habe Erklärungen initiiert oder unterstützt, die zum Boykott des jüdischen Staates aufriefen und Israels Geschichte seit der Gründung als eine einzige Gewalt allein von Seiten der Juden darstellten. Das seien Aufrufe zum Hass. „Was hat das mit Hannah Arendt zu tun? fragt Kuhn. Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft scheint das Werk dieser bedeutenden Philosophin überhaupt nicht zu kennen. Im folgenden Text, der aus meinem neuen Buch stammt, wird die Frage beantwortet, was Hannah Arendt mit der Kritik an Israels Politik zu tun hat. 

Die deutsch-jüdische Politologin und Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) hatte zunächst Sympathien für den Zionismus. In Paris, wohin sie vor den Nazis geflohen war, hatte sie sogar für zionistische Organisationen gearbeitet. Später im Exil in den USA war ihre Position zu Israel stark von den eigenen Erfahrungen von Flucht und Vertreibung geprägt. Sie stellte eine Verbindung her zwischen der Vertreibung der Juden aus Europa und den gerechten Ansprüchen all jener Menschen, die auch mit Gewalt ihrer Heimat und ihres Besitzes beraubt wurden und politisch ihre Selbstbestimmungsrechte einbüßten. Zu diesem Personenkreis zählte sie besonders auch die Palästinenser.  Weiterlesen