Die Geburt eines Liedes

von Uri Avnery

Ein Freund aus Übersee schickte mir die Aufnahme eines Liedes. Eines arabischen Liedes. Mit einer sanften arabischen Melodie, ausgeführt von jungen Mädchen und begleitet von einer Flöte.

Es geht so:

Ahed/

Du bist das Versprechen und der Glanz/

Du bist so hoch wie ein Olivenbaum/

Von der Wiege bis heute/

Deine Ehre wird nicht entweiht/

Palästina ist in uns gepflanzt/

Wie ein Landungssteg für jedes Schiff/

Wir sind die Erde und du bist das Wasser/

Dein Kopf ist bedeckt mit blondem Haar/

Du bist rein wie Jerusalem/

Du hast uns gelehrt wie das vergessene Volk rebellieren muss/

Sie glaubten, dass die Palästinenser sie fürchten, weil sie Waffen tragen/

Palästina ist in uns gepflanzt/

Wie ein Landungssteg für jedes Schiff/

Unsere Nation muss sich einigen und Widerstand leisten, für die Freiheit von Palästina und für die Freiheit der Gefangenen/

Deine blauen Augen sind ein Leuchtturm/

Für ein Land in dem alle Religionen sind/

Du hast das Volk geeinigt, das nahe und das ferne/

Du hast den Funken in unserem Herzen gezündet/

Dein erhobenes Haupt gibt uns Hoffnung/

Du hast das Licht gezündet in unserer Dunkelheit/

Obwohl deine Hände weich sind/

Haben deine Hände die Welt erschüttert/

Deine Hände haben die Ohrfeige des Eroberers erwidert/

Und gaben der Nation ihre Ehre wieder/

Palästina ist in uns gepflanzt/

Wie ein Landungssteg für jedes Schiff/

 Wir sind die Erde und du bist das Wasser.

Wäre ich ein Anhänger der Besatzung, hätte dieses Lied mich sehr verängstigt.

Weil die Macht von Liedern stärker ist als die Macht von Gewehren. Ein Gewehr kann beschädigt werden. Ein Lied niemals.

In den ersten Tagen der israelischen Armee hing im Speiseraum meiner Kompanie das Motto: „Eine Armee, die singt, ist eine siegreiche Armee“.  Weiterlesen

Kann man Antisemitismus bekämpfen?

Das Problem des Nahost-Konflikts und des Antisemitismus interessiert eigentlich sehr wenige Menschen in unserem Land, und sogar Juden interessieren sich kaum dafür. Sie leben in ihren Ghettos in einer sie schützenden Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit, glauben der israelischen Propaganda und den zynischen Worten ihrer Vorsteher und Präsidenten, dass alle Welt gegen sie sei, dass alle ohnehin Antisemiten seien. Man sollte ihnen diese Paranoia nicht nehmen.

Für die meisten Nichtjuden ist es kein Thema. Und wo stellt man das fest, wenn nicht auf einer Publikums-Buchmesse wie in Leipzig, wo mehr als 270 000 Besucher auf die Messe kamen und einen Stand mit Büchern zu diesem Thema links liegen ließen. Am Ende blieben in den vier Tagen vielleicht 150 Besucher stehen, diskutierten, debattierten und stellten Fragen. Das waren dann etwa 1,0 Promille der Messebesucher.

Das steht aber in einem krassen Widerspruch zu der Intensität, mit der diesbezügliche Fragen in den Medien, abgehandelt werden. Da könnte man glatt auf die Idee kommen, dass Antisemitismus das erste und größte Problem der Bevölkerung sei und im Mittelpunkt des nationalen Interesses stehe.  Weiterlesen

Landtag in Thüringen gegen BDS und Meinungsfreiheit

von Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU, DIE LINKE, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen in Thüringen,

In Ihrem Antrag behaupten Sie, die Aktivitäten der BDS (Boykott, Desinvestition, Sanktionen)-Bewegung seien „antisemitisch“, sehen sich aber nicht genötigt, diesen schwerwiegenden Vorwurf zu beweisen. Sie zitieren den renommierten Prof. Benz, liefern jedoch keine empirischen Nachweise, die dies belegen könnten. Sie unterlassen es sogar, darauf hinzuweisen, dass Prof. Benz selbst die BDS-Bewegung nicht allgemein als antisemitisch einordnet und sich positiv zur freien Meinungsäußerung pro-palästinensischer Wissenschaftler_innen positioniert hatte.

Ihre Unterstellung, die auf Ignoranz und Unkenntnis basiert, verleumdet viele unserer israelischen und jüdischen Mitstreiter_innen weltweit. Wir unterstützen als Organisation, die Teil der EJJP (European Jews for Just a Peace) ist und ebenso wie die USA-Organisation Jewish Voice for Peace, den BDS-Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft. Halten CDU, SPD, DIE LINKE, Bündnis90/Die Grünen diese fortschrittlichen jüdischen Organisationen mit Tausenden Mitgliedern für antisemitisch? Diese implizite Unterstellung verurteilen wir aufs Schärfste als grobe Diffamierung der palästinensischen Zivilgesellschaft und als Verharmlosung der deutschen Verbrechen an den Juden und Jüdinnen, zumal Sie gleichzeitig von einem „Verantwortungskonsens gegenüber der eigenen Geschichte“ sprechen. 

Eine Boykottkampagne gilt als gewaltlose Möglichkeit einer demokratischen Bürgergesellschaft, Einfluss auf eine Politik zu nehmen, die sich nicht in der Lage sieht, den Konflikt zu lösen. Es ist kein Geheimnis, dass Israel, das sich seit seiner Gründung im Ausnahmezustand befindet, das Völkerrecht mit Füßen tritt, die Weltgemeinschaft dagegen aber so wenig tut, dass die Besatzung seit mehr als 50 Jahren besteht. Diese Politik Israels ist derart inakzeptabel, dass sogar deutsche Politiker wie Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker ebenso wie viele andere internationale Politiker_innen von Rang, Schriftsteller_innen und Philosophen zu Sanktionen gegen Israel aufrufen, um seine Besatzungs- und Siedlungspolitik zu stoppen. Halten Sie Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker für Antisemiten?

Die völkerrechtswidrige Besatzungspolitik durch Israel ist auch für viele israelische Mitbürger_innen nicht hinnehmbar. So initiierte die israelische „Frauenkoalition für Frieden“ das Projekt „Who Profits“ (Wer profitiert). Hier werden Informationen über israelische und internationale Firmen gesammelt, die von der Besatzung profitieren. Das Ziel der Organisation ist es, einen Stop von Investitionen in den besetzten Gebieten zu erreichen und gezielte Boykotte gegen ihre Verbrechen zu ermöglichen. Sind diese israelischen Frauen in Ihren Augen, also in den Augen einer christlichen, deutschen und demokratischen bzw. einer sozialdemokratischen oder gar einer linken Partei auch antisemitisch?

Das Grundgesetz in Art. 5 sowie das europäisches Recht respektieren und schützen die freie Meinungsäußerung. Dazu gehören auch Boykottaufrufe, wie sie das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Lüth-Urteil festgelegt hat.

Wir fordern Sie auf, dies zu respektieren und repressive Maßnahmen gegen die demokratische Grundordnung einzustellen. Als jüdische Menschen in Deutschland sehen wir eine besondere Gefahr in der Kriminalisierung der gewaltfreien und anti-rassistischen BDS-Kampagne und die damit einhergehende Einschränkung der politischen Meinungsfreiheit. Im Namen des Kampfes gegen Antisemitismus ein Verbot von BDS zu fordern, betrachten wir als zynisch und als eine fatale Störung des friedlichen Zusammenlebens aller Religionen und Ethnien in der Bundesrepublik.

 

 

Antisemitismus-Vorwurf als Ablenkungs- und Herrschaftsinstrument

von Jürgen Jung

Es ist schon verblüffend, wie reflexhaft, – man ist versucht zu sagen -, gut orchestriert, viele unserer Zeitgenossen reagieren, wenn es um Israel geht.

Die Karikatur zur Buchbesprechung von Heiko Flottau, so die Bildunterschrift, stelle Israel als „gefräßigen Moloch“ dar. Dies sei, so beeilt sich die SZ, einschränkend hinzuzufügen, die Ansicht von „Israels Feinden“.

Ist es nicht eher, abgesehen von der (Karikaturen häufig eigenen) Boshaftigkeit, eine nicht zu bestreitende empirische Feststellung, dass Israel nach dem Krieg zunächst insbesondere von Deutschland („Wiedergutmachung“ – als ob das ungeheure Verbrechen des Judenmordes einen materiellen Tauschwert hätte!), später dann vor allem von den USA mit gewaltigen Summen (und stets auch Waffen) alimentiert wurde und wird, so dass das kleine Land heute die viertgrößte Militärmacht der Welt ist?

Wenn man bedenkt, dass die Palästinenser Israels ursprünglich ca. 93 Prozent des Kernlandes besaßen, heute dagegen nicht einmal 3 Prozent – und sie haben das Land nicht freiwillig hergegeben –, dann ist die Assoziation „Moloch“ auch nicht gerade abwegig – und so boshaft nun nicht. Israel hat sich das Land mit den verschiedensten Methoden – sagen wir – „einverleibt“.  Weiterlesen

Fire and Fury. Klatsch und Tratsch im Weißen Haus

von Ludwig Watzal

Fire_and_Fury

Nach der Lektüre dieses Buches fragt man sich, warum das politische Washington das Buch von Michael Wolff so begeistert aufgenommen hat, obwohl es nichts anderes als Klatsch und Tratsch aus dem Weißen Hause zwischen zwei Buchdeckeln zusammengefasst hat. Dieses Geschwätz wurde bereits weitestgehend in der Regenbogenpresse breitgetreten. Dass man einen unseriösen Schreiberling wie Wolff so im Weißen Haus hofiert hat, spricht nicht gerade für die Professionalität des Personals. Das einzig Substantielle in dem Buch kam von Steve Bannon, Präsident Trumps „Chefstrategen“.

Das Buch war ein Mediencoup, der nur für den Autor lukrativ war. Dass Wolff nicht an Aufklärung interessiert ist, zeigt folgender  Ausspruch: “ Seth Rich ist tot und ich bin reich: Mann, was für eine großartige Welt! Die Leute wollen mein Buch, nicht die Wahrheit über Rich.“ Für die unaufgeklärte deutsche Öffentlichkeit nur so viel zur Hinrichtung von Seth Rich.  Weiterlesen

Süddeutsche Zeitung – eine „Qualitätszeitung“? Was für ein Witz!

Am 20. Dezember 2017 fand ein Prozess zwischen Abraham Melzer und Charlotte Knobloch in München statt. Ein Prozessbeobachter von der dominanten Regionalzeitung „Süddeutsche Zeitung“ (SZ), namens Stephan Handel, war zugegen und veröffentlichte folgende Karikatur dieser Verhandlung. Berichte über dieses journalistische Machwerk sind hier und hier nachzulesen.

Meine Einwände gegen diese verzerrte, vorverurteilende und diffamierende Beschreibung des Prozesses wurden nicht als Leserbrief oder Richtigstellung in der SZ abgedruckt. Stattdessen erhielt ich am 11. Januar 2018 eine Email von Andreas Gericke, Justiziar der Südwestdeutsche Medienholding GmbH, den ich der Öffentlichkeit im Folgenden zur Kenntnis geben möchte.  Weiterlesen

Israelkritik und Antisemitismusvorwurf. Veranstaltungsverbote als Problem der Meinungsfreiheit

von Johannes Feest

2016 wehrte sich die „Jüdische Stimme“, ein in Berlin ansässiger Verein jüdischer Mitbürger/innen, gegen die Kündigung seines Vereinskontos durch die Bank für Sozialwirtschaft. Die Kündigung ging auf einen Hinweis zurück, dass der Verein die gegen Israel gerichtete BDS-Boykottkampagne unterstütze. Seitdem mehren sich die Fälle, in denen mutmaßlichen BDS-Unterstützer/innen kurzfristig Veranstaltungsräume gekündigt werden.

Andererseits weisen Organisationen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung auf eine Zunahme antisemitischer Ressentiments in der Bevölkerung hin, wobei der Antisemitismus häufig als Kritik an Israel maskiert sei. Zudem steige die Zahl antisemitischer Übergriffe. Dem begegnete die Bundesregierung kürzlich mit einem Kabinettsbeschluss zu einem erweiterten Antisemitismus-Begriff, der demnächst vermutlich bei der Vergabe von Fördermitteln u.ä.m. wirksam wird. Zugleich wurde nach den Protesten gegen die umstrittene Jerusalem-Entscheidung der Vereinigten Staaten hierzulande eine Verschärfung des Strafrechts gegen das Flaggen-Verbrennen gefördert.

Der folgende Beitrag von Johannes Feest greift diese Diskussionen auf: Wie viel Kritik an der israelischen Politik muss und soll erlaubt sein? Welchen Begriff von Antisemitismus sollten staatliche Stellen sinnvoller Weise anwenden? Und was muss der Staat dulden bzw. in welchem Rahmen darf er in die politische Auseinandersetzung eingreifen?

……

Die Meinungsfreiheit gilt in Deutschland als ein für die demokratische Gesellschaft zentrales Grundrecht. Dem entspricht ein normativ besonders starker Schutz in Art. 5 Grundgesetz (GG). Der Nahostkonflikt und die seit 50 Jahren andauernde Okkupation des Westjordanlandes beginnen jedoch diese Meinungsfreiheit ernsthaft zu gefährden. Kritiker der Politik der israelischen Regierung sehen sich mit Veranstaltungsverboten, dem Entzug von Lehraufträgen, Publikationsbehinderungen u.ä. konfrontiert.1 Zur Begründung der Behinderungen wird dabei vielfach ein Antisemitismusbegriff ins Feld geführt, der auch Kritik am Zionismus oder an der Politik der israelischen Regierung als antisemitisch klassifiziert. Als Hauptbeispiel für diesen „neuen Antisemitismus“ gilt die transnationale BDS-Kampagne, welche versucht, Israel durch „Boycott, Divestment and Sanctions“ 2 zur Beendigung der Okkupation palästinensischer Gebiete zu veranlassen.  Weiterlesen

Deutschland importiert Judenhass!

Was ist aus Deutschland geworden? Deutschland, der Exportweltmeister, muss jetzt Judenhass importieren, da der Judenhass in unserem Land wohl ausgegangen und erloschen ist. Michael Wolffsohn, der Bundeswehr-Jude, hat sich jetzt endgültig in Broders Lager eingereiht und behauptet in einem Video auf dem berüchtigten Blog „Die Achse des Guten“, dass die geflüchteten Moslems, die Merkel 2015 aufgenommen hatte, den Judenhass nach Deutschland importieren. Als ob Deutschland das nötig hätte?

Wolffsohn, der emeritierte Professor und Fachmann für historische Fake News, versucht, Druck auszuüben und seine Definition des Antisemitismus der Regierung und der Öffentlichkeit aufs Auge zu drücken. Es scheint, als ob bei ihm der alte, traditionelle deutsche und europäische Judenhass vollkommen verschwunden ist und wir es nur noch mit einem importierten Antisemitismus zu tun haben. Dabei haben noch bis vor kurzem der Zentralrat der Juden und nicht zuletzt auch Wolffsohn laut und deutlich gejammert, dass Deutschland voll mit Antisemiten sei, und den neuen deutschen Antisemitismus belegten sie mit dem Etikett: „Israelbezogener Antisemitismus“, der aber ihrer Meinung nach, unterstützt vom Antisemitismus-Guru Henryk M. Broder, der alte Judenhass blieb, allerdings in einem neuen Gewand.  Weiterlesen

Die Gilad Atzmon-Affäre – oder eine Affäre Ken Jebsen?

von Ludwig Watzal

Es hätte alles so harmonisch im Berliner Filmpalast „Babylon“ sein können, wäre da nicht der britisch-israelische Saxophonist Gilad Atzmon gewesen. Er dürfte auch der wirkliche Grund für Ken Jebsens kurzfristige Absage gewesen sein. Die „Neue Rheinische Zeitung“ (NRhZ) verkündete es zwar, aber Jebsen schweigt. Seine beiden Erklärungen sind dagegen völlig unglaubwürdig. Jebsen war der alleinige Preisträger für den „Kölner Karlspreis“ und nicht das KenFM-Team oder sogar die KenFM-Community, wie jetzt rechtfertigend nachgeschoben wird. Diese Tatsachenverdrehung hatte Jebsen bereits in seinen Erklärungen genannt.

Wenn dies tatsächlich so gewesen wäre, warum hat dann kein Vertreter von KenFM oder der so genannten KenFM-Community die Auszeichnung stellvertretend für Jebsen in Empfang genommen, da diesen angeblich die Umstände um die Auszeichnung so belastet haben? Evelyn Hecht-Galinski von der KenFM-Community war doch anwesend. Auch Jebsens Laudator, Mathias Bröckers, sagte kurzfristig ab, und auch Daniele Ganser kaschierte sein Nicht-Erscheinen-Wollen durch eine Videobotschaft. Haben sie sich für Ken Jebsen, KenFM oder die virtuelle KenFM-Community geschämt oder war ihnen einfach nur der Auftritt Atzmons peinlich? Dieser schreibt in der Zwischenzeit Artikel, die viel über seine konspirative Wahnwelt aussagen, in der er zu leben scheint. So rückte er Elias Davidsson und mich tatsächlich in die Nähe von „israelischen Agenten“! Ob ihm diesen verschwörungstheoretischen Nonsens auch seine Bewunderin aus dem Schwarzwald glaubt?  Weiterlesen