Recht und Pflicht der Palästinenser zum Widerstand

von Gideon Levy

Stellt Euch vor, Ihr seid die Palästinenser. Vielleicht Einwohner von Ost-Jerusalem. Siebenundvierzig schwierige Jahre liegen hinter Euch; vor Euch liegt eine große, bedrückende Dunkelheit. Die israelische Tyrannei, die Euch ein böses Schicksal bereitet, erklärt arrogant, dass alles immer so bleiben wird. Eure Stadt werde „für immer und ewig“ unter Besatzung bleiben. Der Verteidigungsminister, der zweitwichtigste Mann in der Regierung, die Euch unterdrückt, sagt, ein palästinensischer Staat werde niemals errichtet werden. 

Stell Dir vor, Du bist Palästinenser und Deine Kinder sind in Gefahr. Vor zwei Tagen haben Besatzungskräfte ein anderes Kind getötet, weil es „eine Brandbombe gezündet“ hätte. Die Worte „Tod den Arabern“ sind in der Nähe Deines Hauses gesprayt. Wo Du auch hingehst, darf ein Grenzpolizist auf Dich schießen. Jede Nacht können sie in Dein Heim brutal einfallen. Du wirst niemals als menschliches Wesen behandelt. Sie werden Dich fertig machen, demütigen, einschüchtern, vielleicht sogar Dich inhaftieren, möglicherweise ohne Gerichtsverfahren.  Weiterlesen

Amtsgericht Frankfurt entscheidet gegen die Stadt: Melzer darf „Die Antisemiten-Macher“ vorstellen!

von Ludwig Watzal

Soeben hat das Amtsgericht Frankfurt am Main in der Sache „Saallbau GmbH“ vs. Abraham Melzer für letzteren entscheiden. Der Frankfurter Magistrat, der über diesen städtischen Betrieb wacht, hatte dem jüdischen Verleger und Autor, obgleich er einen ordnungsmäßen Vertrag mit „Saalbau“ abgeschlossen hatte, plötzlich gekündigt. Die Stadt wollte Melzer sein Recht auf Meinungs- und Redefreiheit beschneiden. Daran ist zuletzt der Gasteig gegen die Deutsch-Israelin Judith Bernstein in München gescheitert.

Die jüdisch-zionistische Israellobby hatte zuvor Frankfurt und ihren reiselustigen Stadtkämmerer Uwe Becker von der CDU, der sich mehr um Israel kümmert als um seine Bürger vor Ort,  dermaßen weichgekocht, dass der Magistrat einen Beschluss durchgesetzt hat, in dem die Boykott-Bewegung BDS, die sich auf friedlichem Wege für das Ende der 50-jährigen Besatzung Palästinas durch Israel einsetzt, zu kriminalisieren. Ähnliche Beschlüsse sind in München gefasst worden, in Köln sind sie geplant und auch der Berliner Senat steht unter massiven Druck der Israellobby, einen grundgesetzwidrigen Beschluss zu fassen.  Weiterlesen

Eine neue Antisemitismus-Definition und die alten Ängste und Vorurteile der SPD

„Der Vorwurf des Antisemitismus ist in letzter Zeit zur billigen Münze verkommen“, schreibt der ehemalige linke Bundestagsabgeordnete Norman Paech. Die BILD-Zeitung berichtet, dass es immer mehr antisemitische Delikte gibt, obwohl der offizielle Bericht des Bundesministeriums des Inneren „Antisemitismus in Deutschland“, ein Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, genau das Gegenteil sagt. Wenn es 2014 in Deutschland 1596 antisemitische „Straf- und Gewalttaten“ gab, so waren es 2015 „nur“ noch 1366, und wenn man die Zahl der Gewalttaten betrachtet, dann waren es 2014 insgesamt 44 Gewalttaten, 2015 aber nur 36. Da fragt man sich, woher die BILD-Zeitung und andere Tageszeitungen und insbesondere der Zentralrat der Juden in Deutschland, der von einem Ansteigen von antisemitischen Delikten spricht, die Chuzpeh nehmen, die Bevölkerung so falsch zu informieren.

Und wenn man Straftaten im Zusammenhang mit dem „Israel-Palästina-Konflikt“ betrachtet, dann waren es, nach Angaben des o.g. Expertenkreises im Jahre 2009 (Gazakrieg!) 350 Straftaten und 2014 (Gazakrieg!) sogar 575 aber in den Jahren 2003 bis 2013 bewegte sich die Zahl zwischen 38 (2007) und 116 (2006) eher im Bereich deutlich unter 100. Und weiter teilen uns die Experten mit, dass unter der Gesamtzahl von Straftaten im Themenfeld „Israel-Palästina-Konflikt“ nur ca. ein Drittel antisemitisch zu bewerten sind.  Weiterlesen

Merkel wegen Israelpolitik nicht wählbar – Offener Brief

von Torsten Kemme

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel, natürlich verstehe ich jeden gut, der Sie als Bundeskanzlerin behalten will: Sie sind erfahren, weil Sie seit Jahren diesen Job machen; Sie zeigen sich (zumindest äußerlich) auch in kritischen Situationen gelassen und ziemlich belastbar; und Sie haben, wenn Sie es denn wollen, eine begegnungsoffene Ausstrahlung, der man sich kaum entziehen kann. Ihr jungmädchenhaftes Lächeln und Ihre liebenswürdige Freundlichkeit beeindrucken und überzeugen jeden, weil er sich einfach von Ihnen sehr geschätzt fühlt. Ich gehe noch einen Schritt weiter: In den großen Krisen der Vergangenheit sind Ihnen zwar immer wieder mal Fehler unterlaufen; und oftmals ist es zu Versäumnissen gekommen, an denen Sie auch beteiligt waren. Aber Politik ist komplex, und Politiker sind keine Säkularmenschen, die immer richtig liegen und alles richtig machen. Übertriebene Erwartungen an unsere Politiker sind deshalb fehl am Platz. Im Gegenteil, wir Bürger sollten nachsichtig sein und die Fehler unserer Politiker tolerieren und abhaken. Besonders dann, wenn man spürt: Dahinter steckt die richtige Einstellung, und im Grunde war es gut gemeint. Insofern kann ich mit Ihrem Politik-Stil und Ihren politischen Erfolgen oder Misserfolgen gut zurechtkommen. Und so gesehen, gibt es für mich auch keinen Grund, Ihnen eine weitere Amtsperiode vorzuenthalten.

Dass ich Sie dieses Mal trotz diesen Überlegungen nicht wähle, lässt sich auf zwei Punkte zurückführen, die für mich ausschlaggebend sind und die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.  Weiterlesen

Keine Wahl?

Die Situation in Israel erinnert mich manchmal an den Film „Jakobowsky und der Oberst“. Da ich das Buch von Franz Werfel nicht gelesen habe, muss ich an den Film denken. Der jüdische Komiker Danny Kaye spielte den Juden Samuel L. Jakobowsky. Curd Jürgens den polnischen Oberst Thaddäus Prokoszny.

Die Handlung spielt im Paris des Jahres 1940, kurz vor dem Überfall der Deutschen Wehrmacht. Aber eigentlich ist die Handlung beliebig austauschbar, denn es geht um etwas ganz anderes, um „Sein oder Nichtsein“ um zwei Welten, die sich begegnen und nach einer langen Odyssee sich annähern und sogar verwandeln. Werfel thematisiert das Verhältnis zwischen einem Juden und einem Oberst, die beide – trotz anfänglicher Abneigung gegeneinander – zusammenhalten müssen, um zu überleben.

Das Lebensmotto Jakobowskys zieht sich wie ein „roter Faden“ durch den Film: „Man hat immer zwei Möglichkeiten im Leben!“ Als Gegensatz dazu ist der fanatische Oberst zu Beginn des Films davon überzeugt, dass es für einen Mann von Ehre immer nur eine Möglichkeit gibt. Die Gegenüberstellung beider Aussagen findet in der Schlüsselszene im Café statt, als Jakobowsky sich nicht sicher ist, was er tun soll und aus Angst vor dem vielleicht nahenden Tod durch die Deutschen, sich selbst umbringen möchte. Da rettet ihn der Oberst, der plötzlich erkennt, dass es immer noch eine andere Möglichkeit gibt.  Weiterlesen

SPD geht gegen BDS-Bewegung vor

von Ludwig Watzal

Nach Frankfurt, München und Berlin plant nun auch die Kölner-SPD Fraktion einen Antrag zur Abstimmung zu stellen, der die zivilgesellschaftliche BDS-Bewegung kriminalisieren soll. BDS ist eine demokratische Bewegung, die auf friedlichem Weg Unternehmen auffordert, ihr Engagement und ihre Investitionen aus den völkerrechtswidrigen Siedlungen zu beenden und die Waren, die dort hergestellt werden, nicht weiter zu vertreiben bzw. zu boykottieren. BDS ist weder antisemitisch noch bestreitet sie das „Existenzrecht“ Israels. Die BDS-Bewegung ist auch keine obskure Bewegung, sondern sie ist weltweit aktiv, insbesondere in den USA und in Europa.

Beide Vorwürfe dienen sowohl der CDU als auch der SPD als Vorwand, um die Bewegung zu diskreditieren und zu kriminalisieren. BDS beinhaltet keinen „Judenboykott“,  boykottiert nicht die Juden. Es wird nur dazu aufgerufen, das brutale israelische Besatzungsregime solange zu boykottieren, bis Israel die Besatzung beendet und seine kolonialistischen Siedler ins Kernland zurückführt.  Matthias Jochheim hat hierzu in einem Interview klar Stellung genommen.

Dass diese grundgesetzwidrigen Anträge zur Einschränkung der Meinungsfreiheit aus eigenem Antrieb eingebracht worden sind, können nur politische Naivlinge glauben. Alle Parteien stehen unter massiven Druck der zionistischen Israellobby und müssen deren Wünschen Folge leisten. Alle Parteien haben bisher Lehrgeld bezahlen müssen. Die SPD kann davon ein besonderes Lied singen.

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Amira Hass fordert „schmerzhafte Sanktionen“ der Europäer gegen Israel

von Amira Hass

Holland, Belgien und Frankreich: Es genügt nicht, nur mit Worten die israelische Zerstörungspolitik zu verurteilen, mit euren Steuergeldern finanzierte Einrichtungen und Gebäude wurden zerstört. Dass ihr darüber verärgert seid, ist gut, aber das Tempo, in dem eure Wut darüber steigt, bleibt weit zurück hinter dem rasanten und gefährlichen Tempo der Bulldozer der Zivilverwaltung in der Westbank und der Verteidigungskräfte der Siedlungen.

Die Verurteilungen werden als Nebensache ohne Dringlichkeit angesehen. Ihr müsst konkrete Maßnahmen ergreifen. Ja, offene und erklärte Sanktionen, die verschärft werden könnten. Schmerzhafte Sanktionen. Dies könnte die letzte Chance sein, den Durchschnitts-Israeli, darunter Geschäftsleute, Touristen, Richter, Wissenschaftler, Farmer und ausländische Fußballkonsumenten aus ihrer Gleichgültigkeit und verbrecherischen Selbstgefälligkeit loszulösen.

Hört auf, euch vor der israelischen emotionalen Erpressung zu fürchten. Israel tauscht die Erinnerung an unsere in Europa ermordeten Familien ein, um die Vertreibung der Palästinenser aus dem größten Teil des Westbank-Gebietes in Enklaven der Palästinensischen Autorität zu beschleunigen. Das ist die Absicht hinter all den Zerstörungen und Beschlagnahmungen sowie Bauverboten und Verboten der Herdenhaltung und Feldbewässerung. Wer auch immer diese geringe sukzessive Vertreibung plant und umsetzt, denkt bereits an die große Vertreibung, und zwar nach Jordanien. Und was werdet ihr dann tun? Verurteilungen aussprechen und den Vertriebenen Wassertanks und Zelte senden?  Weiterlesen

Die vermeintliche Antisemitismus-Expertin Sina Arnold

Und schon wieder wollte uns eine sogenannte „Antisemitismus“-Expertin, Sina Arnold, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, belehren, was Antisemitismus ist und vor allem, wo die richtigen, unsichtbaren Antisemiten sich verstecken. Ihr Vortragsthema: „Das unsichtbare Vorurteil. Antisemitismus in der US-amerikanischen Linken nach 9/11.“  

Schon der Titel ließ nichts Gutes erahnen. Und so kam es dann auch. Da sprach eine junge „Expertin“ über etwas, wovon sie wenig Ahnung hatte. Ihre Qualifikation bestand darin, dass sie vor den letzten Präsidentschaftswahlen in die USA reiste und dort, man höre und staune und kann es kaum glauben, dreißig Interviews mit amerikanischen Linken geführt hat, die sie jetzt zu einer „Expertin über Antisemitismus“ machten.

Eine wissenschaftliche Arbeit, vermutlich ihre Dissertation, die sich auf 30 Interviews stützt, die dann als Grundlage für so weitreichende Schlussfolgerungen führt, waren selbst einem jeglicher Israelkritik abholden Michael Wolffsohn, ehemaliger Professor an der Bundeswehr Universität in München, zu wenig, wie er in seiner Rezension des Buches in der FAZ vom 8. November 2016 hervorhob. Auch ist nicht klar, ob Arnold mit so genannten linken Zionisten oder linken Anti-Zionisten gesprochen hat, oder einfach mit Linken über israelkritische Linke oder knallharten Zionisten über Linke in den USA.  Weiterlesen

Warum ich kein Zionist sein kann: offener Brief an Emmanuel Macron

von Shlomo Sand

Als ich begann, Ihre Rede anlässlich der Vel-d’Hiv-Massenverhaftung zu lesen, war ich Ihnen dankbar. Angesichts der langen Tradition politischer Führer von Links und Rechts in Vergangenheit und Gegenwart, die Frankreichs Beteiligung und Verantwortlichkeit für die Deportation jüdisch-stämmiger Menschen in die Todeslager leugnen, war ich dankbar, dass Sie stattdessen eine klare Position bezogen, ohne Doppeldeutigkeit: Ja, Frankreich ist für die Deportation verantwortlich, ja, es gab Antisemitismus in Frankreich vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Ja, wir müssen alle Formen des Rassismus‘ bekämpfen. Ich sah diese Positionen in der Kontinuität Ihrer mutigen Aussage in Algerien, als Sie sagten, dass Kolonialismus ein Verbrechen gegen die Menschheit darstelle.

Aber um ganz ehrlich zu sein. Ich war verärgert darüber, dass Sie Benjamin Netanyahu eingeladen hatten. Er sollte zweifellos in die Kategorie der Unterdrücker gehören, also kann er sich nicht als Vertreter der Opfer der Vergangenheit inszenieren. Natürlich weiß ich seit langem von die Unmöglichkeit, die Erinnerung von der Politik zu trennen. Vielleicht verfolgten Sie eine ausgefeilte Strategie, die Sie noch enthüllen müssen und die auf einen Beitrag zur Umsetzung eines gerechten Kompromisses im Nahen Osten abzielt?  Weiterlesen