von Arn Strohmeyer
Der französische Philosoph Étienne Balibar hat am Freitag im Bremer Rathaus den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken 2017 verliehen bekommen. Die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung wird von der Stadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung vergeben. Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Bremen, Hermann Kuhn (Grüne), kritisierte die Preisverleihung an Balibar, weil dieser Israels Politik kritisch gegenüberstehe. Kuhn sagte dem Bremer Weser-Kurier zufolge, Balibar habe Erklärungen initiiert oder unterstützt, die zum Boykott des jüdischen Staates aufriefen und Israels Geschichte seit der Gründung als eine einzige Gewalt allein von Seiten der Juden darstellten. Das seien Aufrufe zum Hass. „Was hat das mit Hannah Arendt zu tun? fragt Kuhn. Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft scheint das Werk dieser bedeutenden Philosophin überhaupt nicht zu kennen. Im folgenden Text, der aus meinem neuen Buch stammt, wird die Frage beantwortet, was Hannah Arendt mit der Kritik an Israels Politik zu tun hat.
Die deutsch-jüdische Politologin und Philosophin Hannah Arendt (1906 – 1975) hatte zunächst Sympathien für den Zionismus. In Paris, wohin sie vor den Nazis geflohen war, hatte sie sogar für zionistische Organisationen gearbeitet. Später im Exil in den USA war ihre Position zu Israel stark von den eigenen Erfahrungen von Flucht und Vertreibung geprägt. Sie stellte eine Verbindung her zwischen der Vertreibung der Juden aus Europa und den gerechten Ansprüchen all jener Menschen, die auch mit Gewalt ihrer Heimat und ihres Besitzes beraubt wurden und politisch ihre Selbstbestimmungsrechte einbüßten. Zu diesem Personenkreis zählte sie besonders auch die Palästinenser. Weiterlesen