Israelbezogener Antisemitismus

In einem Interview für den Deutschlandfunk vom Januar 2020 sagte der Beauftragte der Bundesregierung für die Bekämpfung des Antisemitismus, Dr. Felix Klein: „…und der Israelbezogene Antisemitismus, der ist noch viel höher. Das sind nämlich 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland.“ Kritik an Israels Politik ist für Klein Antisemitismus und fast die Hälfte aller Deutschen sind für ihn Antisemiten. Absurder geht es nicht mehr.

Nach dem sogenannten Jom-Kippur-Krieg 1973 begann die Sympathie für Israel abzubröckeln und in Israel überlegte man was zu tun wäre, um die Unterstützung Israels weiter aufrechtzuerhalten. Die Welt hegte Sympathien für die Palästinenser und bei der Hasbara, Israels Propagandaministerium, rauchten die Köpfe nach einer Lösung für die Rückgewinnung der Zuneigung der Weltöffentlichkeit. Israel wollte nicht als Aggressor dastehen und seine Rolle als Opfer der Geschichte verlieren und schon gar nicht diese Rolle den Palästinensern überlassen. Da hat die israelische Hasbara einen neuen Antisemitismus gefunden oder erfunden, den „Israelbezogenen Antisemitismus“. Der Begriff soll die Kritik an der Politik des Staates Israel als Antisemitismus denunzieren und echte Antisemiten von ihrem Hass auf Juden entlasten. Als erstes wurde dieser zynische und perfide Begriff von der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) verwendet, die eigentlich Juden gegen Antisemitismus schützen sollte. Dies beruht auf die absurde und irrige Annahme, dass der Staat Israel das jüdische Volk vertritt, womit der Begriff für die israelische Regierung und ihrem Propaganda-ministerium „Hasbara“ zum willkommenen Schutzschild gegen jedwede Kritik an ihrer völkerrechtswidrigen Politik wird, auch wenn die Kritik vollkommen berechtigt und sogar von israelischen und jüdischen Organisationen geäußert wird.  Weiterlesen

Herr von Notz, die Bundesregierung betreibt eine „Verdummung der Bevölkerung“ in puncto Israel

von Ulrich Kammer

Sehr geehrter Herr von Notz,

Ihrer Vita im Internet habe ich entnommen, daß Sie einmal in der Bahnhofsmission Frankfurt gearbeitet haben. Dasselbe habe ich als Student in den Semesterferien 1952 getan, da war ich 26 Jahre alt, kurz vor meinem 1. Staatsexamen. Im Herbst 1971 habe ich mit einer Schülergruppe in Auschwitz gearbeitet unter Aktion Sühnezeichen -Friedensdienste. Im Jahr 1995 wurde ich Gründungsmitglied des Synagogenbauvereins Gießen, setze mich seitdem für das Wohl der jüdischen Gemeinde Gießen ein. 1996 warb ich für das Wapniarka-Hilfswerk der Charlotte Petersen, einer Freundin meiner Mutter seit 1924. Im gleichen Jahr bereiste ich das Baltikum, aus dem meine mütterlichen Vorfahren stammten. Dolmetscherin und Reiseleiterin war die jüdische pensionierte Krankenschwester Ester Lagdzdina aus Riga, die als junges Mädchen 1941 in die Sowjetunion geflüchtet war – ihre Zwillingsschwester und Mutter waren in Riga geblieben und wurden ermordet. Ester konnte 1997 auf Betreiben meiner Verwandten in Berlin nach Potsdam übersiedeln und dort ihren Lebensabend verbringen.

Doch nun zur Gegenwart: Nach dem Jahr 2000 erfuhr ich von den Forschungen der sogen. Neuen israelischen Historiker seit dem Buch des Altzionisten Simcha Flapan, dessen Buch „Die Geburt Israels – Mythos und Wirklichkeit“ 1987 erschienen war. (Melzer Verlag) Eine gründliche Rezension dieses Buchs ist unter Schattenblick Rezension 288 weiterhin im Internet lesbar.

In Deutschland setzen sich das „Bündnis für gerechten Frieden“ und die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ ein für einen menschenwürdigen Frieden zwischen Israel und den seit 54 Jahren besetzten Gebieten, in denen jetzt rd. 700 000 Síedler auf geraubtem Land leben.  Weiterlesen

Zu Xavier Naidoos „Antisemitismus“

von Eurich Lobenstein

Amtlich ist es nicht, dass Xavier Naidoo Antisemit sei. Es ist eine private Ansicht. Er darf von privater Seite öffentlich als Antisemit bezeichnet werden. Natürlich ist das bei einem Xavier Naidoo nicht mehr „privat“. Weil aber unsere Gesellschaft im Ganzen nicht nur amtlich ist, aber auch nicht aus lauter privaten Individuen besteht, wird die Grauzone zwischen „privat“ und amtlich ein breites Feld. Wer seine Musik gerne hört, kann „privat“ auch antisemitischer Züge verdächtigt werden. Auch das mit den „Zügen“ ist schwammig: Jeder Mensch hat autistische Züge (Rainer Sachse) , die weit entfernt davon sind, ein Krankheitsbild zu bedeuten. Und so wird letztlich jeder Mensch „antisemitische Züge“ haben, ohne dass man ihn wirklich zum Antisemiten erklären darf. An ein Gebot der Fairness hält sich nur kein Schwein. Die Gerichtsgutachter attestieren jedem Angeklagten nach den Erwartungen des Gerichts (sie wollen von ihm wieder beauftragt werden) schizophrene, hysterische, hypochondrische etc. „Züge“; wissenschaftlich ist das unverfänglich. Beispiel: Ein Gutachter sagte aus, „der Angeklagte sei intelligenter als normal“; das Amtsgericht Karlsruhe formulierte die Aussage urteilstauglich: „Der Angeklagte weicht zwar von der Norm ab, das hat aber noch keine krankhaften Züge“. So ist es auch mit dem „Antisemitismus“ von Naidoo: Seine Aussagen haben vielleicht antisemitische Züge, aber als Antisemiten kann man ihn deswegen nicht hinstellen.  Weiterlesen

Israel mauert die Palästinenser weiter ein!

Israel feiert seinen neu gebauten Grenzzaun zum Gazastreifen – in Wirklichkeit ist er ein Monument der Unfähigkeit zum Frieden

von Arn Strohmeyer

Israel hat auf dem Grenzstreifen zum Gazastreifen die wohl perfekteste Mauer der Weltgeschichte gebaut: 65 Kilometer lang aus Stahlbeton, tief in den Boden reichend und mit digitalen Warnsystemen ausgestattet. Technisch gesehen ist dieser Trennzaun ein Meisterwerk, politisch-moralisch ein Monument der Niederlage und des völligen Versagens. Auch wenn man mit dem Katholizismus gar nichts zu tun hat, muss man Papst Franziskus Recht geben, als er jetzt beim Besuch des Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Lesbos sagte, dass wir uns in einer Zeit von Mauern und Stacheldraht befänden und dass es sehr traurig sei, wenn man als Lösung für politische Probleme Mauern baue. Genau das tut Israel.

Die Zionisten hatten einst für die Juden, die in Ghettos lebten – teils gezwungen, teils aus selbst gewählter Absonderung – nur Verachtung übrig und sahen es als emanzipatorischen Befreiungsakt an, die materiellen und geistigen Mauern niederzureißen und sich der nicht-jüdischen Außenwelt zu öffnen. Heute bauen die Zionisten selbst Mauern, um die Menschen, die sie unterworfen haben, in Ghettos „einzumauern“. Sie bewegen sich damit ganz im Rahmen und in der Logik des Siedlerkolonialismus, denn dessen Protagonisten haben – ob in Amerika, Afrika oder Australien – die indigenen Unterworfenen immer in Reservaten weggesperrt – angeblich der eigenen Sicherheit wegen, weil man die „Anderen“, die “Wilden“ (in Palästina die „Terroristen“) als Bedrohung empfand und empfindet.  Weiterlesen

Extrem voreigenommener Beitrag von Laura Hertreiter in der Süddeutschen Zeitung gegen Nemi El-Hassan

Sehr geehrte SZ Redaktion,

Mit dem einseitigen Standpunkt von Laura Hertreiter zum Fall Nemi El-Hassan hat sich die SZ keinen Gefallen getan!

Im Sinne journalistischer Ausgewogenheit bitte ich dringend um eine Gegendarstellung! Oder ist die SZ mit diesem gehässigen Beitrag in die Niederungen der „Bild“ abgesunken?

Wie perfide und verleumderisch der Beitrag von Laura Hertreiter ist, möchte ich Ihnen an einem Beispiel von vielen vorführen: Hertreiter stößt sich daran, das El-Hassan glaubt, „sich durch die Zustimmung eines ehemaligen israelischen Botschafters und eines jüdischen Antisemitismusforschers gegen Antisemitismus-Vorwürfe imprägnieren zu können.“ Sie unterlässt es aber mitzuteilen, dass es sich dabei um den ehemaligen Botschafter Avi Primor und den angesehenen und in Sachen Antisemitismus sicherlich kompetenteren Wissenschaftler Prof. Moshe Zimmermann handelt, und sie unterlässt es auch absichtlich zu erwähnen, dass zirka 500 hochrangige jüdische und nichtjüdische Personen, Professoren, Journalisten, Schauspieler, Verleger, die wohl alle mehr von Antisemitismus verstehen als diese unbekannte und wohl auch schlecht unterrichtete Redakteurin, in einem offenen Brief sich mit ihr solidarisierten. Sie tut so, als ob es nur zwei verirrte Juden waren.

Die SZ folgt einem inzwischen gefeuerten Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, der in Julius Streicher- und Henryk M. Broder-Manier versucht hat, Nemi el-Hassan „platt“ zu machen. Das ist einer Zeitung wie der SZ sicher nicht würdig! Ich meine, dass sie sich bei el-Hassan entschuldigen und sich für ihre Rehabilitierung einsetzen sollten.  Weiterlesen

Kritik an der Politik Israels aufgrund des jüdischen Gebots der Nächstenliebe – Ein Nachruf auf Rolf Verleger

von Arn Strohmeyer

Die Nachricht vom Tod Rolf Verlegers muss alle, die sich für einen gerechten Frieden im Nahen Osten einsetzen, tief betroffen machen. Mit ihm verlieren wir zudem einen wunderbaren und liebevollen Menschen, den persönlich gekannt zu haben eine große Bereicherung war. Im Januar dieses Jahres hat er mir noch einen langen Brief geschrieben, in dem er auch auf seine Krankheit einging. Der Brief endete mit den Worten: „Ich muss sehr teure Pillen schlucken, und die Ärzte sind guter Stimmung. Mal sehen, wie es weitergeht…“ Er hat den Kampf gegen seine Krankheit verloren, er ist nur 70 Jahre alt geworden. Wir haben mit ihm einen der besten und kenntnisreichsten Mitstreiter für ein Ende der Gewalt und der Unterdrückung in Israel/Palästina verloren. Der Verlust wiegt sehr schwer.

Die Motivation für sein politisches Engagement war das Judentum, so wie er es verstand. Über diese Religion schrieb er: „Das Judentum war über Jahrhunderte eine Ideologie der Befreiung, der Möglichkeit der kommenden Erlösung, der Heilung der Welt durch Gottes Gnade.“ Das Gebot der Tora „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!“ oder in anderer Übersetzung „Liebe Deinen Nächsten – er ist wie Du!“ war für ihn die universale Kernaussage dieser Religion. Er zitierte immer wieder den Satz, den der Rabbi Hillel (geb. 70 v.u.Z.) zu einem Schüler auf die Frage nach dem Wesentlichen im menschlichen Leben gesagt hat: „Was Dir verhasst ist, das tu Deinem Nächsten nicht an!“. Hillel fügte hinzu: „Das ist die ganze Tora. Der Rest ist Erläuterung.“  Weiterlesen

Palästina und die Palästinenser

Muriel Asseburgs Buch folgt nicht der zionistischen Geschichtsschreibung. Sie beschreibt die Geschichte eine verratenen und geschundenen Volkes.

von Arn Strohmeyer

Die Wahrnehmung der Palästinenser und ihrer politischen Rechte ist in Deutschland vor allem durch die Schuld gegenüber den Juden geprägt und wird deshalb vornehmlich durch die israelische Sicht bestimmt. Obwohl die Palästinenser mit dem Holocaust nichts zu tun hatten, werden sie von den Zionisten nicht nur als Terroristen, sondern als „Antisemiten“ und die „neuen Nazis“ hingestellt. Das heißt, die Opfer des Nahost-Konflikts werden zu Tätern gemacht. Die zionistische Ideologie überträgt also die Verbrechen der Nazis auf die Palästinenser und kann so von seiner eigenen Gewaltpolitik gegenüber diesem Volk ablenken: Wer in Palästina der Kolonist und die Kolonisierten, der Besatzer und die Besetzten sowie die Unterdrücker und die Unterdrückten sind, wird auf diese Weise verschleiert. Stellen die Palästinenser ihr historisches Narrativ mit Hinweis auf ihr völkerrechtlich verbürgtes Recht auf Selbstbestimmung dar – man denke nur an die Nakba-Ausstellung – , dann preschen auch die Verteidiger Israels in Deutschland schnell mit denunziatorischen Vorwürfen der Einseitigkeit und des „Antisemitismus“ vor.

So konnte Israel Jahrzehnte lang im deutschen Raum sein historisches Narrativ verbreiten, ohne dass ihm gegenüber je der Vorwurf der Einseitigkeit erhoben wurde. Das taten dann aber ab den 90er Jahren bis heute israelische Historiker einer neuen Generation, die nicht mehr unkritisch den Vorgaben der zionistischen Ideologie folgen wollten. Die Vertreter der Gruppe der sogenannten „neuen Historiker“ interessierten und interessieren sich nicht für das zionistische Dogma, sondern für die Fakten, also für das, was wirklich geschehen war. Ihnen kam zugute, dass in Israel zum ersten Mal wenigstens ein Teil der Archive zugänglich gemacht wurde. So konnten Historiker wie Benny Morris, Ilan Pappe, Shlomo Sand, Avi Shlaim und Tom Segev, um die bedeutendsten zu nennen, ein ganz anderes, eben realistisches Bild der Geschichte Israels zeichnen, das mit den Verklärungen und Mythen der alten zionistischen Geschichtsschreibung gründlich aufräumte.  Weiterlesen

„Ich möchte zurücktreten und aufhören, mich als Jude zu betrachten“

Seine Vergangenheit war jüdisch, aber heute sieht er Israel als eine der rassistischsten Gesellschaften in der westlichen Welt. Der Historiker Shlomo Sand erklärt, warum er nicht mehr Jude sein will.

von Shlomo Sand

„Wenn ich weit weg von Israel bin, sehe ich meine Straßenecke in Tel Aviv und freue mich auf den Moment, in dem ich zu ihr zurückkehren kann“ … Shlomo Sand.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verließ mein Vater die talmudische Schule, hörte dauerhaft auf, in die Synagoge zu gehen, und drückte regelmäßig seine Abneigung gegen Rabbiner aus. An diesem Punkt in meinem eigenen Leben, im frühen 21. Jahrhundert, fühle ich mich wiederum moralisch verpflichtet, endgültig mit dem Stammesjudäozentrismus zu brechen. Ich bin mir heute völlig bewusst, nie ein wirklich säkularer Jude gewesen zu sein, und verstehe, dass ein solches imaginäres Merkmal keine spezifische Grundlage oder kulturelle Perspektive hat und dass seine Existenz auf einer hohlen und ethnozentrischen Sicht der Welt basiert. Früher glaubte ich fälschlicherweise, dass die jiddische Kultur der Familie, in der ich aufgewachsen bin, die Verkörperung der jüdischen Kultur sei. Wenig später, inspiriert von Bernard Lazare, Mordechai Anielewicz, Marcel Rayman und Marek Edelman – die alle Antisemitismus, Nazismus und Stalinismus bekämpften, ohne eine ethnozentrische Sichtweise einzunehmen – identifizierte ich mich als Teil einer unterdrückten und abgelehnten Minderheit. In der Gesellschaft sozusagen des sozialistischen Führers Léon Blum, des Dichters Julian Tuwim und vieler anderer blieb ich hartnäckig ein Jude, der diese Identität aufgrund von Verfolgungen und Mördern, Verbrechen und deren Opfern akzeptiert hatte.

Jetzt, da ich mir schmerzlich bewusst geworden bin, dass ich mich israelisch anhafte, per Gesetz in eine fiktive Ethnos von Verfolgern und ihren Unterstützern assimiliert wurde und in der Welt als einer der exklusiven Clubs der Auserwählten und ihrer Geiger erschienen bin, möchte ich zurücktreten und aufhören, mich als Jude zu betrachten.  Weiterlesen

Judenstämmlinge?

von René Lobenstein

Aktuell wird von Juden und auch von Krethi und Plethi das historische Thema der Zugehörigkeit zum heutigen Judentum zusammengekocht. Neuer Wein in alte Schläuche, wie Jesus sagte? Darauf kommt es nicht an. Dr. Joseph Schuster, Präsident des Zentralrats in Deutschland stellt sich auf einen wahrhaft halachischen Standpunkt. Danach ist Max Czollek (zum Beispiel) kein Jude. Was ist er? Arier? Bastard, Mamser, Un-Jude oder Vaterjude, um einen subtileren Begriff zu verwenden?

Beim christlichen Hochadel kannte man das Problem ähnlich: Die englische Hocharistokratie blutete im 100-jährigen Krieg (bis 1460) aus, so dass man danach von einer Bastard-Aristokratie sprach. In Deutschland hatten Monarchen Kinder mit einfachen Frauen: Aber sie galten wenigstens als niedere Adlige. Bei den niederen Adligen schaut man weniger genau hin. Bei den Juden aber doch:  Ist Frau Charlotte Knobloch Jüdin? Ihr Vater war Jude und ihre Mutter war wohl zum Judentum übergetreten, hat sich davon aber wieder distanziert und sich scheiden lassen. Ihre Kindheit verbrachte Charlotte Knobloch bei Verwandten einer christlichen Dienstmagd, was den Schluss erlaubt, dass sie auch keine jüdische Erziehung genossen haben kann. Sie wäre so etwas wie Papier-Jüdin, wie ein noch 1918 geadelter Recke noch zum „Briefadel“ gehört, aber nicht wirklich jemand vom alten Stamm ist.  Weiterlesen