Israel hat die Erinnerung zu einer ethnisch-nationalistischen Ideologie gemacht. Die Palästinenser als sekundäre Opfer des Holocaust werden vollständig ausgespart
von Arn Strohmeyer
Vor genau einem Jahr hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem eine Rede gehalten. Zu der Veranstaltung waren Regierungschefs aus der ganzen Welt gekommen. Steinmeier sagte das Übliche, das deutsche Politiker bei solchen Gelegenheiten in Israel zu sagen pflegen.
Er führte aus, dass es Deutsche waren, die den Holocaust – das „größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ – begangen hätten, bei dem sechs Millionen Juden und Jüdinnen dem „industriellen Massenmord“ zum Opfer gefallen seien. Er sprach dann von der „deutschen Schuld“, und wie dankbar er für die ausgestreckte Hand Israels zur Versöhnung mit Deutschland sei. Der Geist der Versöhnung habe Deutschland und Israel, aber auch Deutschland, Europa und den Staaten der Welt einen neuen friedlichen Weg gewiesen.
Steinmeier sagte dann wörtlich: „Weil ich dankbar bin für das Wunder der Versöhnung, stehe ich vor Ihnen und wünschte sagen zu können: Unser Erinnern hat uns gegen das Böse immun gemacht. Ja, wir Deutsche erinnern uns. Aber manchmal scheint es mir, als verstünden wir die Vergangenheit besser als die Gegenwart. Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand. Mehr noch: Sie präsentieren ihr antisemitisches, ihr völkisches, ihr autoritäres Denken als Antwort für die Zukunft, als neue Lösung für die Probleme unserer Zeit. Ich wünschte sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt.“ Als Beispiel für Nicht-Lernen aus der Geschichte bezeichnete er dann auch Kritik an Israel, „wenn unter dem Deckmantel angeblicher Kritik an der israelischen Politik kruder Antisemitismus hervorbricht.“ Weiterlesen